Als Managing Partner der internationalen Personalberatung Boyden weiß Jörg Kasten, welche Anforderungen Unternehmen an ihre Führungskräfte stellen. Mehr denn je stehen dabei die Soft Skills im Fokus. Im Interview erklärt er, warum das gut für Berufseinsteiger ist und auf welche Kompetenzen es wirklich ankommt. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Jörg Kasten, Jahrgang 1960, ist Managing Partner bei der Personalberatung Boyden Deutschland und Gesellschafter der internationalen Gruppe. Nach dem Abitur studierte er Psychologie und BWL an den Universitäten Düsseldorf und Köln, wo er 1987 seinen Abschluss als Diplom-Psychologe machte. Nach Stationen als Personalreferent sowie als HRManager bei der Deutschen Lufthansa zu Beginn seiner Karriere kam Jörg Kasten 1993 zu Ray & Berndtson Deutschland, wo er zuletzt Managing Partner und Gesellschafter war. Von 2005 bis 2008 war er Managing Partner und Gesellschafter bei Eric Salmon & Partners. Bei Boyden berät Jörg Kasten internationale Klienten in den Branchen Professional Services, Technologie und Touristik. Er hat langjährige Erfahrung bei der Besetzung von Positionen im Top-Management sowie in der Durchführung nationaler und internationaler Management Assessments.
Herr Kasten, warum sind für Sie als Personalberater Soft Skills wichtige Faktoren, um für ein Unternehmen den richtigen Kandidaten zu finden?
Es ist in Zeiten guter Datenbanken recht einfach, für die zu besetzende Stelle eine Liste mit 100 denkbaren Kandidaten zusammenzustellen. Die Kunst liegt darin, aus diesen 100 die drei oder vier Bewerber herauszufiltern, die wirklich zum Unternehmen passen. Da folgen wir einigen Kriterien – und dazu zählen auch die Soft Skills, weil sie Auskunft darüber geben, ob ein Kandidat tatsächlich zur Unternehmenskultur des Klienten passt.
Der Begriff Soft Skills führt ein wenig in die Irre, weil man denken könnte, weiche Fähigkeiten wären nicht so wichtig wie die harten. Haben Sie einen Vorschlag für einen anderen Begriff?
Wie wäre es mit sozialer Intelligenz? Die ganzen Hard Skills nutzen Ihnen nichts, wenn Sie damit nicht umgehen und sie nicht gewinnbringend einsetzen können. Dafür benötigen Sie eine Art von sozialer Intelligenz.
Man sagt, dass diese Fähigkeiten immer wichtiger werden …
… aber da bin ich mir gar nicht so sicher. Wichtig waren sie schon immer. Mit dem Unterschied, dass sie heute mehr in den Fokus rücken. Ein Grundsatz gilt aber heute wie früher: Letztlich entscheidet die soziale Intelligenz darüber, ob jemand Karriere macht oder nicht. Anders gesagt: Wenn jemand 20 Jahre lang Senior-Projektmitglied ist, dann mag er fachlich gut sein und die richtigen Hard Skills mitbringen, aber er scheint nicht der Richtige zu sein, wenn es darum geht, Teams zu führen und mit Kollegen zu kommunizieren.
Welche Vorteile bringt es für Einsteiger, dass heute mehr über soziale Kompetenzen nachgedacht wird?
Zum einen werden Aufstiegswege transparenter. Die Frage: „Warum der oder die – und ich nicht?“ lässt sich leichter beantworten, wenn man die Soft Skills vergleicht. Zudem erhält man häufiger Rückmeldung auf die sozialen Kompetenzen, die man zeigt oder nicht zeigt. Ein weiterer Vorteil: Die Unternehmen investieren heute viel mehr als früher in die persönliche Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter. Wer das Glück hat, als Einsteiger oder junge Führungskraft im Talent-Pool eines Unternehmens zu landen, wird davon profitieren, dass die Arbeitgeber heute viele Programme bereithalten, um die soziale Intelligenz ihrer Führungskräfte zu schulen.
Kann man denn durch solche Schulungen seine soziale Intelligenz grundlegend erweitern?
In Maßen kann man es schulen, aber das hat natürlich Grenzen. Um es salopp zu sagen: Sie können aus einem Esel einen schnellen Esel machen – aber niemals ein Rennpferd.
Was sind für Sie in dieser Hinsicht die wichtigsten Fähigkeiten?
Eine gewisse Empathie, um zu wissen, wie es dem anderen geht und wie Dinge beim anderen ankommen. Dann die Bereitschaft, zuzuhören und nicht immer nur auf Sendung geschaltet zu sein. Unbedingt die Fähigkeit, Kritik zu vertragen und Rückmeldungen nicht nur anzunehmen, sondern auch umzusetzen. Auch interkulturelle Kompetenz ist ein Faktor: Man sollte wissen, dass in Frankreich, Großbritannien oder Indien die Dinge anders laufen als bei uns in Deutschland. Und man sollte auch auf dem Schirm haben, was für ein Image wir Deutschen in anderen Ländern besitzen, damit man genau diesem Klischee gerade nicht entspricht. Ein Beispiel: Wir Deutschen gelten in der Welt als relativ humorlos. Wenn Sie daher auf einer internationalen Teamsitzung reden und die Kollegen zum Lachen bringen, dann ist das schon die halbe Miete, um später inhaltliche Ziele durchzusetzen. Generell: Eine gewisse Distanz zu dem, was man im Geschäft tut, gepaart mit ein wenig Selbstironie und gesundem Humorverständnis, kann Gold wert sein.
Soft Skills immer wichtiger
Boyden hat in Kooperation mit der EBS Business School die Umfrage „Recruiting 2020“ entwickelt. Ergebnis: Top-Managern mit Soft Skills gehört die Zukunft.
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Sie beraten Unternehmen bei der Suche nach Führungskräften. Wo sollte sich ein Einsteiger hinentwickeln, damit Sie in ein paar Jahren vielleicht auf ihn aufmerksam werden?
Ich glaube, dass heute eine gewisse Haltung gut ankommt. Einsatzbereitschaft ist ungeheuer wichtig, aber auch, das Gefühl zu vermitteln, dass man sich nicht zu schade ist, bestimmte Dinge zu tun. Man sollte sich darauf verstehen, neugierig auf Menschen zuzugehen – und zwar ohne Vorurteile. Vor 20 Jahren haben Führungskräfte in der Regel in deutschen Unternehmen mit deutschen Teams an deutschen Problemen gearbeitet. Das ist heute nur noch ganz selten der Fall. Man muss daher die Bereitschaft mitbringen, offen für andere Menschen und andere Kulturen zu sein. Wenn man das kann, dann werden automatisch schnell weitere Karriereschritte folgen. Mit Blick auf Einsteiger gebe ich den Rat, diese Kompetenzen schon früh auszuprobieren und einzusetzen. Man kann auch als fachlich Verantwortlicher in einem kleinen Team Offenheit einüben, dafür muss man nicht warten, bis man in fünf Jahren befördert wird. Wichtig ist dabei, seine sozialen Kompetenzen hierarchieübergreifend einzusetzen. Es hilft nichts, einen guten Draht zum Vorstand zu besitzen, wenn einen gleichzeitig die Sekretärinnen für einen Stinkstiefel halten.
Welche weiteren Trends erkennen Sie bei den Unternehmen?
Zum einen gibt es keine regionalen Begrenzungen mehr. Während Unternehmen früher den oder die Beste für einen Job in der Region Frankfurt gesucht haben, gilt die Suche heute für ganz Europa, da muss der Kandidat nicht einmal unbedingt Deutsch sprechen. Zudem fällt auf, dass der Anteil an Top-Managern ohne akademischen Abschluss immer geringer wird. Früher hatte man in einigen Branchen immer mal ein paar Vorstände dabei, die es mit abgebrochenem Studium bis nach oben geschafft hatten. Das gibt es heute eigentlich gar nicht mehr.
Wie ist mit Blick auf das Recruiting die Stimmung in den Unternehmen?
Na ja, die Deutschen sind weltmeisterlich darin, sich zu beschweren und auf hohem Niveau zu jammern. Aber unter dem Strich ist der Bedarf der Unternehmen an guten Leuten für gute Positionen aktuell sehr groß, gerade im Vergleich mit anderen Ländern Europas oder auch den USA und Asien. Fakt ist: Die Generation der Babyboomer verabschiedet sich nach und nach in den Ruhestand. Der Nachwuchs rückt nach – und er ist anspruchsvoll. Früher musste ich einem Talent nur zehn Prozent Gehaltserhöhung in Aussicht stellen, dann war der Vertrag schon unterschrieben. Heute haben Kandidaten nicht selten die Auswahl zwischen drei, vier wirklich guten Angeboten. Und da stellen die jüngeren Leute natürlich interessante Fragen: Wie nachhaltig wirtschaftet das Unternehmen? Wie ist es um die Work-Life-Balance bestellt? Was möchte das Unternehmen in mich investieren? Als Arbeitgeber kommt man da ganz schnell an einen Punkt, an dem man nicht mehr auswählt, sondern sich mit Personalmarketing um die Gunst des Bewerbers bemühen muss. Hier hat sich das Verhältnis zwischen Unternehmen und Mitarbeitern gedreht – und zwar sicherlich zugunsten der Generation, die nun auf die Führungspositionen strebt.
Zum Unternehmen
Die Personalberatung Boyden ist in allen bedeutenden Geschäftszentren der Welt vertreten und verfügt über 65 Büros in über 40 Ländern. Das Unternehmen wurde vor mehr als 60 Jahren in New York gegründet und ist eines der ersten Personalberatungsunternehmen, das sich auf die Besetzung von Führungspositionen im Wege der Direktansprache spezialisiert hat. Bereits 1983 wurde das erste deutsche Büro in Frankfurt/ Bad Homburg eröffnet. Heute ist Boyden in Deutschland mit Büros in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Bad Homburg, Hamburg und München vertreten, in denen 20 Berater tätig sind.