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Interview mit Dr. Immanuel Hermreck

Bertelsmann zählt zu den weltweit größten Medienkonzernen. Dort ist Dr. Immanuel Hermreck als Konzernpersonalchef für die Mitarbeiter verantwortlich. Im Interview beschreibt der Wirtschaftswissenschaftler, worauf es bei einem Unternehmen dieser Branche heute ankommt, und erläutert, welche besonderen Hoffnungen er in die Nachwuchskräfte setzt. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Immanuel Hermreck, geboren am 22. März 1969 in Rheda-Wiedenbrück, studierte Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaften in München, Münster sowie an der kalifornischen Stanford University. Seine Promotion schloss er 1998 ab. Als Berufseinsteiger startete er seine Karriere zunächst bei der Bertelsmann Stiftung, wo er das Team Medienwirtschaft leitete. Von 2000 bis 2006 war er Leiter der Bertelsmann University, einer der ersten deutschen Unternehmensuniversitäten. Nach sechs Jahren in dieser Position wurde er 2006 im Alter von 37 Jahren zum Personalchef des Konzerns ernannt, nachdem er schon seit 2005 Aufgaben in der Managemententwicklung wahrgenommen hatte.

Herr Dr. Hermreck, was zeichnet einen modernen Medienkonzern aus?
Medienkonzerne sind in erster Linie Vermittler von Inhalten. Das war gestern so. Und das wird auch morgen so sein. Was sich ändert, sind die Kanäle, über die wir diese Inhalte vermitteln, diese werden digitaler und fragmentierter. Kern unserer Arbeit ist jedoch weiterhin, die nötige Kreativität zu entwickeln, damit diese Inhalte entstehen.

Dennoch hat sich die Medienlandschaft in den vergangenen Jahren sehr stark gewandelt.
Rund um diesen Kern, ja. Deshalb dürfen Medienkonzerne nicht statisch sein, sondern müssen den Wandel mitgehen und mitgestalten. Aber noch einmal: Was für uns im Kern wichtig bleibt, sind qualitativ hochwertige Inhalte. Hier können wir uns zum Beispiel gegenüber Unternehmen aus dem Silicon Valley wie Google oder Facebook positionieren. Wir haben diese Firmen vor Kurzem besucht, und uns ist dort einmal mehr bescheinigt worden, dass kreative Inhalte essenziell für das digitale Zeitalter sind.

Sie sprachen bereits von Facebook und Google. Diese neuen Medienunternehmen sind eine Konkurrenz für Sie, wenn es darum geht, die besten Talente der jungen Generation zu gewinnen. Was können Sie bieten, was diese Unternehmen nicht bieten können?
Wir sind hier selbstbewusst und scheuen den Vergleich nicht. Bertelsmann ist bereits heute mehr als ein klassisches Medienunternehmen, denken Sie an unsere Dienstleistungssparte Arvato oder unsere Aktivitäten im Bereich Bildung, die wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen werden. Dazu kommt, dass die neue Generation ganz andere Ansprüche mit in die Konzerne bringt: Junge Nachwuchskräfte wollen kreativ arbeiten, wollen Freiräume – und möchten möglichst unternehmerisch denken können. Genau diesen Ansprüchen werden wir gerecht.

Was macht Ihr Unternehmen in dieser Hinsicht speziell?
Wir sind als Konzern kein Monolith, sondern bestehen aus vielen kleinen Unternehmungen, die den Mitarbeitern und auch schon den Nachwuchskräften die Freiräume geben, die sie suchen. Gleichzeitig genießen unsere Mitarbeiter die großen Vorteile eines Konzerns, darunter beispielsweise international geprägte Netzwerke. Und nicht zuletzt bieten wir etwas, was in heutiger Zeit immer häufiger auch von Nachwuchskräften nachgefragt wird, nämlich Sicherheit.

Sie sprachen gerade von vielen kleineren Unternehmen unter dem Dach eines Konzerns. Wie wirkt sich diese Besonderheit im Arbeitsalltag aus?
Wir sprechen hier von einem „Small Company Feeling“. Dazu zählt zum Beispiel, die Bürokratie möglichst klein zu halten. Man kommt bei uns schnell in Kontakt mit dem Top-Management und erhält von dort auch Rückmeldungen. Wir ermuntern unsere neuen Mitarbeiter dazu, Aufgaben möglichst selbstständig zu lösen. Es gibt keine vorgestanzten Wege, an die man sich zu halten hat. Daher erhalten auch Nachwuchskräfte sehr schnell Verantwortung für Geschäfte – und für Menschen.

Was müssen denn die Einsteiger ins Medienmanagement mitbringen, damit sie dieser Verantwortung und diesen Freiräumen auch gerecht werden?
Es ist gut, wenn Kandidaten wissen, was sie erreichen wollen. Wenn sie wissen, was sie antreibt und für was sie eine Leidenschaft entwickeln. Natürlich müssen Bewerber bestimmte fachliche Fähigkeiten sowie passende Abschlüsse mitbringen. Auch eine gewisse Medienaffinität ist in vielen unserer Geschäfte von Vorteil.

Wie vereinbaren Sie diesen hohen Anspruch mit dem Thema Work-Life- Balance, das für die junge Generation von großer Bedeutung ist?
Ich sehe uns hier gut aufgestellt, und zwar nicht, weil wir irgendwo besondere Leitlinien für die Work-Life-Balance festgeschrieben haben, sondern weil wir den Begriff Freiraum ernst nehmen: In allen Abteilungen, und zwar nicht nur bei den sogenannten Kreativen, sondern auch in allen Managementbereichen, genießen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr viel Freiraum. Man sollte ihn natürlich nutzen. Und zwar eben auch für sich persönlich.

Dann müssten sie von der Generation Y also begeistert sein, die ja nicht nur diesen Freiraum fordert und nutzt, sondern obendrein noch Kompetenzen für die digitalen Medien mitbringt.
Ganz genau. Wir setzen große Hoffnungen in den Nachwuchs, weil wir in der Breite gelebtes Unternehmertum und Kreativität benötigen. Denn eines ist klar: Am Ende entstehen die besten Ideen und damit auch die stärksten Innovationen genau dort, wo Mitarbeiter – und zwar Junge wie Erfahrene, Frauen wie Männer – mit ihren diversen Stärken zusammenkommen. Also in der Mitte des Unternehmens. Je besser es uns gelingt, diese Leute zu gewinnen und zu verbinden, desto stärker sind wir als Konzern aufgestellt.

Welche Strategie empfehlen Sie einem Absolventen der Wirtschaftswissenschaften, der sich für Ihren Konzern interessiert: Sollte er sich zunächst einen Bereich suchen und sich gezielt bewerben? Oder darf er sagen: „Das bin ich“ – um dann gemeinsam mit Ihnen auf die Suche zu gehen?
Letzteres, eindeutig. Wir suchen keine Leute, die sich in eine Aufgabe hineindefinieren. Wir möchten, dass die Bewerber uns erzählen, was sie begeistert, was sie können und was sie erreichen wollen. Und dann reden wir gemeinsam darüber, wo es im Konzern eine passende Einstiegsmöglichkeit für diese Person gibt. Hier ist vom Traineeprogramm über eine Assistenzstelle bis hin zu einer Aufgabe als Referent für ein bestimmtes Thema sehr viel möglich.

Ist die Anforderung an den Nachwuchs, sich früh zu spezialisieren, damit nicht mehr zeitgemäß?
Das hat sich tatsächlich gewandelt, wobei hier natürlich auch die geänderte Erwartungshaltung der Kandidaten eine Rolle spielt, die sich eben vielfach nicht in eine Funktion hineinpressen lassen wollen. Ich empfinde das als sehr inspirierend, weil schon im Bewerbungsprozess spannende Ideen entstehen. Wir führen häufig genug keine formalisierten Gespräche mehr, sondern reden über persönliche Stärken und Leidenschaften. Es geht um Inhalte. Und weil wir als moderner Medienkonzern genau diese benötigen, bin ich von diesem Wandel sehr angetan.

Zum Unternehmen

Der internationale Medienkonzern Bertelsmann zeichnet sich im Bereich der klassischen Medien durch seine starken Marken aus: Die RTL Group gehört zum Konzern, aber auch die weltweit größte Publikumsverlagsgruppe Penguin Random House sowie der Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr. Teil des Unternehmens sind aber auch der Business-IT-Dienstleister Arvato, die Druckereigruppe Be Printers sowie verschiedene zentral geführte Geschäfte, darunter das Musikrechteunternehmen BMG. Die Strategie von Bertelsmann basiert auf vier Stoßrichtungen: Neben der Stärkung des Kerngeschäftes sowie der Transformation von Medien- und Servicegeschäften in die digitale Welt definiert der Konzern neue Geschäftsfelder wie zum Beispiel das Wachstumsfeld Education. Zudem fokussiert sich der Konzern auf die internationalen Wachstumsmärkte Brasilien, Indien und China.

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