Unter den deutschen Banken nimmt der KfW-Konzern eine Sonderstellung ein. Die Bank ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt und besitzt einen nachhaltigen Förderauftrag. Für den Personalvorstand Dr. Günther Bräunig ist das ein Grund, warum sein Haus bei Einsteigern besonders beliebt ist. Ein Gespräch über den Ruf der Branche, das Berufsbild des Bankers und die herausfordernde Zeit des 58-Jährigen als Retter der IKB Bank. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Dr. Günther Bräunig, 1955 in Wiesbaden geboren, studierte Rechtswissenschaften in Mainz und Dijon. Seine Promotion zum Dr. jur. legte er 1982 in Mainz ab. Nach zwei Jahren als Referendar am Landgericht Wiesbaden und 2. Staatsexamen stieg er 1984 als Referent und später Referatsleiter in die Investment-Banking-Abteilung der Commerzbank in die Finanzbranche ein. 1986 wechselte er zu Airbus, wo er in Frankreich und in den USA als Sales Finance Manager und Direktor tätig war. 1989 wurde er dann von der KfW abgeworben für die Position des Abteilungsleiters Internationale Kapitalmärkte. Nach weiteren Stationen als Abteilungsleiter wurde er 1996 Bereichsleiter Vorstandssekretariat und 2000 Generalvollbemächtigter. Seit Oktober 2006 ist er Mitglied des Vorstands und hier unter anderem verantwortlich für Personal, Recht und Kapitalmarkt. Vom 1. August 2007 bis zum 31. Oktober 2008 wurde er als Krisenmanager zum Vorstandsvorsitzenden der krisengeschüttelten IKB Bank bestellt. Der 58-Jährige ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Herr Dr. Bräunig, Sie sind vor 30 Jahren in die Bankenbranche eingestiegen. Würden Sie gerne mit den Einsteigern von heute tauschen?
Ich habe schon sehr früh eine starke Neigung für das Bankgeschäft gespürt. Würde ich diese heute als junger Mensch bei mir entdecken, würde ich sicherlich wieder in die Branche einsteigen. Wobei man nicht verhehlen darf, dass das Geschäft mit seiner Reputation zu kämpfen hat. Vor drei Jahrzehnten hatten die Banken einen anderen, einen deutlich besseren Ruf.
Sie sprechen vom Ruf der Branche. Wie gehen Ihre Einsteiger damit um?
Die KfW ist im Vergleich zu Geschäftsbanken eine andere Art von Institut. Wir haben ein nachhaltiges Geschäftsmodell mit einer sinnstiftenden Wirkung für Wirtschaft und Gesellschaft. Was wir dagegen nicht haben, sind Ziele zur Gewinnmaximierung oder übertriebene Renditeerwartungen. In dieser Hinsicht genießen wir durchaus ein Privileg, und wir merken schon, dass die Werte, für die wir stehen, die junge Generation anziehen. Unsere Themen wie Entwicklungs- und Exportfinanzierung oder Mittelstandsförderung besitzen einen konkreten Bezug zur Gesellschaft und stoßen bei Absolventen auf ein großes Interesse.
Warum gelingt es einigen anderen Unternehmen der Finanzbranche heute nicht mehr, diesen Bezug zur Gesellschaft zu verdeutlichen?
Die Gewinnorientierung ist bei Unternehmen eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Auch Industrieunternehmen agieren am Kapitalmarkt, auch sie müssen für ihre Aktionäre Gewinne erwirtschaften. Bei Banken wird das Streben nach Gewinn von der Gesellschaft jedoch sehr kritisch gesehen.
Woran liegt das?
Die Deutschen ordnen dem Bankengeschäft traditionell eine dienende Funktion zu: Banken sollen für Unternehmen und Privatkunden möglichst günstige Finanzierungen zur Verfügung stellen. Aus diesem Gedanken entsteht bis heute der sehr harte Wettbewerb um Firmen- und Privatkunden. Wenn Banken dann Gewinne einfahren, stellt sich die deutsche Öffentlichkeit schnell die Frage, warum diese Rendite nicht an die Kunden weitergegeben wird. Eine Frage, die man bei Industrieunternehmen kaum stellen würde. Was mir an dieser Stelle fehlt, ist ein stärkerer wirtschaftspolitischer Fokus in der Schulbildung. Zum Beispiel werden komplexere Finanzierungsfragen in der Oberstufe sehr selten thematisiert – und wir merken diese Wissenslücken dann, wenn wir Studenten über unseren Studienkredit informieren. Die Selbstverständlichkeit, dass ein Kredit zurückbezahlt werden muss, ist bei manchen Studenten tatsächlich eine neue Erfahrung.
Wie schwer fällt der Branche vor diesem Hintergrund das Recruiting?
Wenn ich mich mit Vorständen der großen deutschen Banken unterhalte, bemerke ich schon die Sorge, dass es schwer fällt, die besten Talente für das Bankgeschäft zu gewinnen. Das ist für die Branche eine Herausforderung, die wir nur meistern können, wenn es uns gelingt, den Banken einen neuen Ruf zu verschaffen. Und hier müssen auch Begriffe wie Ethik, Sinn und Werte eine neue Rolle spielen. Nur dann wird der Beruf für die jungen Menschen mit besonders hohem Potenzial wieder interessanter.
Wie gelingt es Ihnen, die Werte der KfW-Bank Ihrem Nachwuchs zu vermitteln?
Häufig reicht da ein Blick auf die Themen, um die wir uns kümmern. So drehen sich ein Drittel unserer Finanzierungen um Unternehmen und Projekte im Bereich Umwelt- und Klimaschutz. Themen wie die Energiewende und der demografische Wandel haben wir zu Megatrends ernannt. Die Bekämpfung der Armut in Entwicklungsländern steht weiterhin im Fokus. Die Schwerpunkte unseres Geschäfts stehen also für eine nachhaltige Entwicklung, und das bekommt der Nachwuchs schon im Bewerbungsprozess mit.
Sie sind seit 1989 bei der KfW. Welchen Rat geben Sie Einsteigern, die sich nicht ganz sicher sind, ob sie eine so lange Zeit bei einem Institut bleiben möchten?
Meine Erfahrung lautet, dass sich in einem Unternehmen Dinge deutlich schneller verändern, als man das als junger Mensch zunächst einmal glaubt. Wenn ein Unternehmen erfolgreich ist und wächst, ergeben sich regelmäßig personelle Veränderungen und neue Perspektiven durch strategische Veränderungen. Wer hier die Augen auf hat, kann sich schnell und immer wieder weiterentwickeln. Wer auf der anderen Seite das Gefühl hat, schon als junger Mensch nicht weiterzukommen, sollte gegebenenfalls die richtigen Schlüsse ziehen und zu einem anderen Unternehmen wechseln.
Sie waren von August 2007 bis Oktober 2008 als Vorstandsvorsitzender der IKB Bank ein wichtiger Krisenmanager der Finanzkrise. Ihre Aufgabe war es, die Bank vor dem Abgrund zu retten. Was haben Sie in diesem einen Jahr über sich gelernt?
Diese Aufgabe war sicherlich meine größte berufliche Herausforderung. Ziel war es, das Institut über diverse Restrukturierungsrunden über Wasser zu halten – und hinterher zu verkaufen. Geblieben ist mir aus diesem Jahr die Erfahrung, dass es immer einen Ausweg gibt. Auch in der größten Krise darf man nicht verzweifelt sein, da sich immer Lösungen ergeben – sofern man mit dem richtigen Team und mit der richtigen Strategie und Motivation danach sucht.
Ist das eine Erkenntnis, die Sie guten Gewissens jungen Bankern mit auf den Weg geben können?
Ja. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass Banking auch das Eingehen von Risiken bedeutet. Wirtschaftswachstum entsteht nur dann, wenn Menschen optimistisch sind, wenn sie an Geschäftsmodelle und die Zukunft glauben. Das gilt auch für den Bankberuf. Wobei man als Banker mit einem guten Blick für Risiken auch wissen muss: Das beste Geschäft ist das schlechte Geschäft, das man nicht gemacht hat. Diese Erfahrung, die die gesamte Branche nicht zuletzt in der Finanzkrise gemacht hat, sollte man auch als Einsteiger immer im Hinterkopf behalten.
Zum Unternehmen
Die KfW mit Sitz in Frankfurt am Main ist eine der führenden Förderbanken der Welt und mit Blick auf die Bilanzsumme von 464,8 Milliarden Euro die drittgrößte Bank in Deutschland. Die Bank ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und unterliegt der Rechtsaufsicht des Finanzministeriums. Zukünftig wird sie auch von der BAFIN beaufsichtigt. Gegründet wurde die KfW nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, um den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft zu fördern. Heute finanziert das Geldhaus eine Reihe von nachhaltigen Projekten. Dazu zählt unter anderem die Förderung von mittelständischen Unternehmen und Existenzgründern, die Finanzierung kommunaler Infrastruktur und energetischer Sanierungen, die Finanzierung der deutschen Exportwirtschaft sowie von Projekten in der Entwicklungszusammenarbeit. Derzeit beschäftigt die KfW etwa 5300 Mitarbeiter.