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Interview mit Benedikt Herles

Benedikt Herles hatte sich auf den Weg in die Elite gemacht. Er studierte an den besten Business Schools, absolvierte die richtigen Praktika, promovierte mit Summa cum Laude und stieg bei einer großen Unternehmensberatung ein. Doch dort hielt er es nicht viel länger als ein Jahr aus: Längst hatte Herles gemerkt, wie viel Schaden die Elite-Ausbildung anrichtet. Er schrieb das Buch „Die kaputte Elite“ – und stellt im Interview klar, was an den Business Schools falsch läuft, wie die Unternehmen darunter leiden und was die junge Generation tun kann, damit es besser wird. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Benedikt Herles, geboren am 7. März 1984 in Starnberg, studierte BWL und VWL an der Uni München sowie an der WHU Vallendar, einer privat finanzierten Wirtschaftshochschule bei Koblenz. Seine Promotion schrieb er an der privaten Hochschule EBS bei Wiesbaden. Mit besten Voraussetzungen für eine Management-Karriere ging er 2011 zunächst als Consultant zu einer großen Unternehmensberatung, bevor er 2012 kündigte um sich seinem Buch „Die kaputte Elite“ zu widmen. Seit 2013 arbeitet Herles, Sohn des Fernsehjournalisten und Moderators Wolfgang Herles, als Associate für den globalen Venture Capital Fonds e.Ventures.

www.benediktherles.com

Herr Herles, können Sie sich noch daran erinnern, wann Ihnen zum ersten Mal klar wurde, was der eigentlich Sinn Ihrer Karriere als High Potential ist?
Das ging sehr schnell. Schon am ersten Abend des ersten Semesters an der WHU ging es bei einer abendlichen Firmenpräsentation um die Optimierung des eigenen Erfolgs. Und Erfolg definiert sich an einer Business School ausschließlich in finanzieller Hinsicht.

Es ging also direkt um Profitmaximierung.
Absolut. Uns wurde nicht nur ein blinder Glaube an den Markt eingeschärft, sondern auch die Überzeugung, dass Eigennutz etwas Rationales ist. Was neben guten Kneipen und Cafés dagegen von Beginn an komplett fehlte, war ein Blick auf andere, geisteswissenschaftliche Disziplinen. Keine Philosophie, keine Soziologie, keine Psychologie – und schon gar keine übergreifenden Werte. Der Horizont an diesen Elite-Schulen ist sehr begrenzt. Stattdessen werden die Studenten zu perfekten Produkten für die Personalabteilungen ausgebildet. Wichtig ist nur, was benötigt wird, um den großen Unternehmen zu gefallen.

Was sind denn das für Eigenschaften?
Karriere macht, wer gefügig bleibt, sich darauf versteht, Fehler zu vermeiden, und am besten nicht allzu viel über alles nachdenkt.

Klingt nicht nach einem großen Spaß.
Nicht wirklich. Es handelt sich um eine Tretmühle, die mit Reflektion und Kreativität nichts zu tun hat. Und schlimmer noch: Sie macht die Menschen, die in ihr stecken, zum großen Teil sehr unglücklich.

Wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass Ihnen diese Dogmen gegen den Strich gehen?
Mein Wunsch war es immer, einen Job zu machen, in dem ich unsere Gesellschaft gestalten und verändern kann. Ich ging fest davon aus, dass das im Management eines großen Unternehmens oder als Consultant sehr gut funktioniert. Ernste Zweifel kamen mir, als ich merkte, dass viele BWL-Professoren, Manager und Berater tatsächlich glauben, diese ungeheuer komplexe Welt mit Hilfe von Excel-Tabellen und Powerpoint-Folien in den Griff zu bekommen. Bei der Gestaltung dieser Folien sind sie innovativ. Was das wirtschaftliche Denken angeht, fehlt von Innovation aber oft jede Spur.

Buchtipp:

Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen von Benedikt Herles jetzt probelesen!

Sie waren rund zehn Jahre in dieser Tretmühle. Hat das Leben in diesen Kreisen auf Ihr Privatleben abgefärbt?
Schwierige Frage. (überlegt) Ob man will oder nicht – die Ausbildung prägt. Es ist sicherlich schon so, dass ich auch im Privaten an einige Dinge zunehmend sehr rational und analytisch rangegangen bin. Nicht immer zum Vergnügen meines Umfeldes.

Auch deshalb der Ausstieg?
Moment, ich bin nicht ausgestiegen! Als Aussteiger würde ich jetzt eine Strandbar auf den Bahamas besitzen. Stattdessen sitze ich aktuell in einem Business-Hotel in Dublin.

Was genau tun Sie – und wo liegt der Unterschied zu früher?
Ich arbeite für einen globalen Venture Capital Fonds und bin auf der Suche nach jungen erfolgreichen Gründern. In der internationalen Start-up-Szene entdecke ich echten Unternehmergeist. Ich begegne einer kreativen Szene, in der viele junge Menschen ihre Ideen einbringen und bereit sind, Risiken einzugehen.

Ist das die Zukunft?
Na klar. Wobei man sagen muss: Die kaputte Elite ist hartnäckig. Das System ist von außen betrachtet sehr ineffizient. Die Managementelite ist zum großen Teil nicht mehr in der Lage, die ökonomischen Probleme unserer Zeit zu lösen. Nach innen funktioniert das System jedoch weiterhin gut: Viele große Unternehmen sind auch heute noch zufrieden mit den jungen High Potentials, die sie von den Business Schools und den Universitäten geliefert bekommen. Und sie sind auch zufrieden mit der Arbeit der Unternehmensberater, die ihnen für hohe Honorare die Entscheidungen abnehmen. Das System in Frage stellen jedoch nur sehr wenige.

Warum scheitert die Elite an den Problemen der heutigen Zeit?
Die Welt und ihre Wirtschaft haben sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verändert. Globalisierung und Digitalisierung haben enorme Auswirkungen: Das Tempo der Veränderungen ist rasant. Alles geht heute immer schneller. Firmen müssen sich ständig neu erfinden. Gleichzeitig erlebt die freie Marktwirtschaft aktuell die größte Glaubwürdigkeits- und Stabilitätskrise seit der großen Depression des 20. Jahrhunderts. Unternehmen brauchen heute Leute, die anders denken. Manager müssen zunehmend bereit sein, Wagnisse einzugehen und sich ständig kritisch hinterfragen.

Also müssen sich die Business Schools und Wiwi-Fakultäten auch anders aufstellen.
Auf jeden Fall! Altgediente – man könnte sagen humanistische – Ideale jenseits vom ökonomischen Wert der Ausbildung sind die Lösung. Die Erziehung zur geistigen Freiheit muss wieder in das Zentrum der Lehrpläne rücken. Es wird dringend Zeit, dass sich die Eliteschulen anderen Disziplinen öffnen. Dass auch die Geistes- und Kulturwissenschaften gelehrt werden – und eben nicht nur die reine mathematische Analyse. Allgemeinbildung und die Fähigkeit zur kritischen Reflexion müssen zentrale Teile der Ausbildung sein. Wir brauchen kreative Charaktere mit Ecken und Kanten als Absolventen, keine Produkte für die Personalabteilungen.

Aber möchten das die kommenden Absolventen überhaupt? Oder studieren sie nicht gerade Wirtschaftswissenschaften, um herkömmliche Managementkarrieren zu machen?
Die berühmte Generation Y denkt zum Glück immer weniger in klassischen Karriere-Dimensionen. Viele meiner Altersgenossen stellen Althergebrachtes in Frage – das stimmt mich optimistisch.

Was halten Ihre Ex-Kollegen, die weiterhin in der Tretmühle stecken, von Ihrem Buch? Immerhin beschreiben Sie sie als „kaputt“…
Ich habe auf jeden Fall in ein Wespennest gestochen und extrem viel Zuspruch, zum kleineren Teil aber auch recht emotionale Ablehnung erfahren. Was mich freut, sind die vielen Zuschriften von Studenten, aber auch von Unternehmern, die mir nicht nur Recht geben, sondern mich auch ermutigen, diese Dinge weiterhin offensiv anzusprechen. Wie schon erwähnt, Selbstreflexion gehört nicht zur Stärke der ökonomischen Elite. Und einige sind wohl froh, dass jemand anderes diesen Job für sie übernommen hat.

Letzte Fragen: Haben Sie Powerpoint und Excel weiterhin auf Ihrem Laptop installiert?
Installiert ja, aber ich nutze die Programme lange nicht mehr so viel. Wobei die Software an sich ja keine Schuld trägt. Der Fehler liegt bei den Leuten, die glauben, sie seien in der Lage, das komplizierte Leben da draußen mit Hilfe dieser Programme zu bewältigen.

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