Junge Finanzunter nehmen wirbeln seit einigen Jahren die Finanzbranche auf. Zugute kam ihnen dabei sowohl die Finanzkrise als auch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung. Doch so ganz kommen sie ohne die etablierten Geld- und Versicherungshäuser nicht aus. Von Christoph Berger
Das hinter dem deutschen Fintech Auxmoney stehende Prinzip ist denkbar einfach: Einer braucht Geld, viele geben es. Das Düsseldorfer Unternehmen bringt private Kreditnehmer mit privaten Anlegern zusammen. Die Abwicklung erfolgt auch hierbei über eine Bank, allerdings einfacher als über den klassischen Bankprozess. Kreditnehmer geben ihren Wunschbetrag und ihr Investitionsziel in einer Online-Anfrage an. Nach kurzer Zeit erhalten sie bereits eine Zu- oder Absage. Da die hohen Bearbeitungskosten der traditionellen Banken wegfallen, profitiert der Kreditnehmer von besseren Kreditchancen, die Anleger von hohen Renditen. Und auch hierbei wird die Bonität der Antragsteller überprüft. Derzeit werden etwa 20 Prozent der Kreditanfragen angenommen.
Auxmoney ist nicht das einzige Start-up, ein sogenanntes Fintech beziehungsweise Finanztechnologieunternehmen, das sich rein auf die Kreditvergabe spezialisiert hat. Auch Kreditech oder Smava sind Beispiele aus Deutschland, die ihr Geschäftsmodell nach dem US-Vorbild Lending Club aufgebaut haben und in diesem Banksegment in Wettbewerb zu den traditionellen Geldhäusern getreten sind. „Fintechs sind Monoliner, die auf ein Produkt fokussiert sind“, erklärt Dr. Ingo Kipker, Partner beim Beratungsunternehmen Horváth & Partners und Spezialist für die jungen Finanzunternehmen, das Geschäftsmodell der neuen Marktteilnehmer. Diese Konzentration führe bei den Anbietern zu innovativen Ansätzen und straffen Prozessen – auch mithilfe der Möglichkeiten, die der Digitalisierung entspringen. So werde das Produkt dann schließlich bestmöglich auf die Kunden ausgerichtet – mit großem IT-Know-how und über unterschiedlichste Vertriebskanäle. Die Nutzer würden so mit einem prinzipiell bekannten Produkt ganz neue Erfahrungen sammeln, die sogenannte customer experience.
Buchtipp
„In Deutschland ist den Fintechs der große Durchbruch vor drei bis vier Jahren gelungen. In Amerika gelang das den neugegründeten Firmen schon etwa drei Jahre früher“, sagt Kipker. Der Börsengang des Lending Club wurde zum Beispiel 2014 erfolgreich realisiert. Was die Investitionen in die Fintech-Industrie betrifft, liegt Deutschland im internationalen Vergleich laut Kipkers Analysen auf Rang 3. Die USA führen die Rangliste an, Großbritannien liegt auf Platz 2.
300 Millionen US-Dollar flossen in Deutschland 2014 in die Start-ups.
Außer im Kreditwesen hat der Experte sechs weitere Bereiche identifiziert, in denen die Fintechs mit den klassischen Finanzunternehmen in Konkurrenz treten: Investments, Asset Management, Factoring, Payment, Kontodienstleistungen und Insurance. Die Gründungen im Bereich Investments und Asset Management führen jedoch die Liste an. Etwa ein Fünftel der Fintechs sind in diesen Bereichen aktiv. Am schwierigsten bewertet Kipker den Einstieg im Bereich Payment. In diesem Segment ist das Scheitern der Gründer besonders hoch.
Die Herausforderung der innovativen Finanzunternehmen liegt darin, die kritische Masse an Nutzern zu erreichen. Da dies nicht einfach ist, haben die Start-ups bereits begonnen, Kooperationen mit Banken und Versicherungen aufzubauen. Dies ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten, erklärt Kipker: „Die Fintechs kommen an den großen Kundenstamm der Finanzinstitute, die Banken können ihren Kunden zeitgemäße und einfach abzuschließende Produkte anbieten.“ Zudem würden die Banken und Versicherungen auch selbst von den Fintechs lernen, wenn auch nicht ganz freiwillig. Doch sie haben begonnen, selbst in die Digitalisierung ihrer Unternehmen zu investieren.
Auf Kooperationen und die Zusammenarbeit setzt beispielsweise das in Berlin ansässige Fintech-Unternehmen Savedo, ein auf die Anlage von Festgeldern spezialisiertes Start-up – als Vermittler. „Wir arbeiten mit Banken zusammen und präsentieren ihre Produkte in unserem virtuellen Online-Finanzmarktplatz“, erklärt Bettina Blees, Sprecherin des Unternehmens. Auf der Plattform befinden sich neben ausländischen Finanzprodukten aus europäischen Nachbarländern auch deutsche Festgelder. Sämtliche Angebote können jedoch über ein einziges Savedo-Konto, das quasi als Girokonto fungiert, abgeschlossen und verwaltet werden. Das alles ist für den Kunden kostenlos. Die Kontoeröffnung ist in drei Schritten zu bewältigen und kann von zu Hause aus ausgeführt werden. Und auch wenn Savedo, wie alle der Fin-techs, sehr technologiegetrieben ist, werden nicht nur Mitarbeiter mit IT-Wissen gesucht. Bettina Blees sagt:
„Unsere Mitarbeiter besitzen eine ausgeprägte Affinität für Technologie, ein gutes Verständnis für Finanzen und eine besondere Vorliebe für das Start-up-Leben, das jedem Mitarbeiter stets ein hohes Maß an Eigeninitiative und Leidenschaft abverlangt.“ Experimentierfreude, Mut und Wissbegierde sind weitere Eigenschaften, die sie sich von Einsteigern wünscht. Die Unternehmenskultur beschreibt sie als bunt. Das Team sei eine Ansammlung von diversen Weltanschauungen, Traditionen und Ambitionen.
Fintechs und Investoren
Laut des Start-up-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY liegt die Branche Finanzdienstleistungen/Fintech im Bereich der Risikokapital-investitionen auf Rang 2 – hinter dem Bereich Konsumentendienstleistungen/Handel. Demnach wurden im Bereich der Finanz-Start-ups in 45 Finanzierungs-runden gut 600 Millionen Euro an Risikokapitalinvestitionen eingeworben. Anbieter von Unternehmenssoftware und Big-Data-Lösungen erhielten in 95 Fällen frisches Kapital – insgesamt 283 Millionen Euro kamen dabei zusammen.
Quelle: www.ey.com
Eine ähnliche Beschreibung gibt auch die ebenfalls in Berlin ansässige Alecto GmbH mit der Plattform friendsurance.de von sich ab. „Die Bewerber sollten vor allem eigenverantwortlich, pragmatisch, humorvoll und teamfähig sein sowie eine positive Denkweise mitbringen“, sagt Geschäftsführer und Mitgründer Tim Kunde. Niemand habe bisher das getan, was man nun gemeinsam mache. Das Fintech hat ein alternatives Versicherungsprodukt erarbeitet, ein peer-to-peer-Versicherungsmodell. Dabei werden kleine Gruppen von Versicherungsnehmern innerhalb der großen Versicherungsgemeinschaften eingeführt und Schadensfreiheit innerhalb dieser Gruppen mit jährlichen Beitragsrückzahlungen belohnt.
Statt Beiträge für Policen zu bezahlen, die selten oder nie genutzt werden, fließen nun Versicherungsbeiträge in einen Rückzahltopf. „Wenn kein Schaden passiert, bekommt jeder einen Teil aus dem Topf wieder. Bislang erhielten über 80 Prozent der Nutzer eine Beitragsrückzahlung – im Sachversicherungsbereich durchschnittlich ein Drittel der eingezahlten Beiträge“, erklärt Kunde.
Allerdings sind es nicht nur die jungen Fintechs, die die Banken und Versicherungen derzeit herausfordern. Auch die großen IT-Konzerne betreten zunehmend den Markt der seit Jahrzehnten etablierten Finanzunternehmen. So hat Google bereits seit 2007 eine Banklizenz für Europa. Und auch Facebook, Amazon und Apple werden Bestrebungen nachgesagt, in das Finanzgeschäft einzusteigen – bereits etablierte und funktionierende Bezahlsysteme sowie umfangreiche Datenpoole liegen den Unternehmen bereits vor. Da ist der Weg zu traditionellen Bankaktivitäten nicht mehr weit. Eine Entwicklung, die auch Ingo Kipker aufzeigt.
Er merkt an, dass sich mit Apple, Google, Intuit und Paypal vier große IT-Unternehmen in einer Banking-Kooperation vereint haben. Gemeinsam will der Verbund unter anderem neue Technologien fördern, um Hindernisse für Finanzdienstleistungen zu reduzieren und moderne Finanzanwendungen voranbringen. Die Finanzwelt wird also in jeglicher Hinsicht spannend bleiben und auch für diejenigen optimale Ein-stiegsmöglichkeiten bieten, die bereit sind, neue Wege zu denken – einhergehend mit profundem Finanz-Know-how.