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Betriebswirt wird Wirt

Daniel Frei ist ein Vorbild für seine 310 Mitarbeiter. Der Schweizer Betriebswirt ist Mitgründer und Geschäftsführer von tibits, einem Familienunternehmen mit sieben vegetarischen Fast-Food-Restaurants in der Schweiz und in London. In seinem Unternehmen gibt es keine Vorgesetzten, sondern Vorbilder – das entspricht der Unternehmensphilosophie: Vorbilder sind dienende Führungskräfte, ein Teil eines engagierten Teams, das Freude an seiner Arbeit hat. Und Daniel Frei hat jeden Tag das Gefühl, mit seiner Arbeit etwas Sinnvolles zu tun. Von Kerstin Neurohr

Daniel Frei ist einen ungewöhnlichen Berufsweg gegangen: Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre hat er drei Jahre lang in einem Unternehmen, das Maschinen herstellt, gearbeitet. Er war als Assistent des Vorstandsvorsitzenden in der Unternehmensentwicklung tätig. Die Aufstiegschancen waren gut, sein Gehalt ebenfalls – aber Erfüllung fand Daniel Frei nicht wirklich in seinem Beruf. Die Wende brachte ein Gespräch mit seinen Brüdern Christian und Reto am Küchentisch der Mutter: Reto, der jüngste seiner drei Brüder, studierte damals noch und erfuhr an der Uni von einem Businessplanwettbewerb. Beim Abendessen diskutierten die Geschwister, und die Idee war geboren: vegetarische Restaurants mit entspannter Atmosphäre, weit weg vom Müsli-Flair, das Vegetariern damals noch häufig anhaftete. Mit leckerem, gesundem und abwechslungsreichem Angebot. Denn genau das vermissten Daniel und seine Brüder, alle selbst Vegetarier, schon lange.

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Die Idee wurde weitergesponnen, durchdacht, schriftlich festgehalten, ausgearbeitet. Die Brüder schrieben einen Businessplan und reichten ihn bei Venture ein, dem Wettbewerb von McKinsey und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Dann ging es Schlag auf Schlag: Das Konzept wurde zweimal prämiert und gehörte in der Schlussrunde zu den zehn Gewinnern. Die Medien berichteten begeistert von der Geschäftsidee. So wurde auch Rolf Hiltl aufmerksam, Urenkel des Gründers des „Haus Hiltl“, des ersten vegetarischen Restaurants der Welt. Gemeinsam mit dem erfahrenen Gastronomen gründeten die Brüder Frei ihr Unternehmen und eröffneten im Jahr 2000 in Zürich das erste Restaurant. In den folgenden Jahren kamen nach und nach weitere Filialen dazu: in Winterthur, Bern, Basel und London. Heute gibt es sieben tibits-Restaurants an fünf Standorten. „Davon träumten wir“, sagt Daniel Frei. „Wir wollten nicht einfach ein Restaurant eröffnen, sondern etwas verwirklichen, eine Idee vorantreiben und zeigen, dass man ökologisch und sozialverträglich wirtschaften kann.“

Als die Brüder den Businessplan schrieben, hatten sie eine gemeinsame Leidenschaft für gutes Essen, kochten auch selbst gerne – Gastronomieerfahrung hatten sie hingegen nicht. „In der Startphase gab es viel Learning by Doing“, erinnert sich Daniel Frei an die Zeit, als er sich mit seinen Brüdern das erste kleine Büro teilte. „Schließlich mussten wir Leute einstellen, Finanzen planen, das Marketing entwickeln, die Inneneinrichtung der Restaurants entwerfen und vieles mehr.“ Seine Kenntnisse aus dem Studium seien dabei gut einsetzbar und somit sehr wertvoll gewesen, sagt der Betriebswirt. „Vor allem das, was wir über Führung und Organisation gelernt haben, war nützlich – schließlich haben wir aus dem Nichts ein Unternehmen aufgebaut, und plötzlich hatten wir Führungsverantwortung. Da war ich schon froh über mein betriebswirtschaftliches Know-how.“ Mittlerweile sind nicht nur die Büros etwas bequemer geworden, sondern auch die Aufgaben unter den Brüdern klar verteilt: Daniel Frei ist für Marketing und Personal zuständig, er führt und coacht die „Vorbilder“ aus den Restaurants. Sein Bruder Reto, gelernter Betriebs- und Produktingenieur, kümmert sich um die Auswahl und Beschaffung der Speisen und Getränke. Christian Frei, ursprünglich Englischlehrer, verantwortet die Einrichtung der Restaurants. Seit 2011 ist mit Andreas Frei auch der vierte Bruder an Bord: Der Treuhänder hat unter anderem die Buchhaltung übernommen und kümmert sich um die technische Instandhaltung der sieben Restaurants.

Was die Brüder mit ihrem Team anpacken, wird meistens ein Erfolg. Natürlich kommt ihnen dabei auch zugute, dass sich das Image von Vegetariern in den letzten Jahren gewandelt hat: Früher dachten viele an piefige Moralapostel in Gesundheitslatschen, die Körner kauen. Heute gelten Vegetarier eher als hippe, coole Menschen, die genussvoll essen. In Deutschland ist das so, und in der Schweiz auch – das belegt der Erfolg von tibits. In England ist es noch ein bisschen anders. „Unser Start in London war schwieriger, als wir erwartet hatten“, erzählt Daniel Frei. „Unser Selbstbedienungskonzept war eine Hürde – die Engländer fühlten sich an eine Kantine erinnert. Und vegetarisches Essen wird dort immer noch in die Hippie-Ecke gepackt. Wir haben 2008 kurz hintereinander zwei Restaurants in London eröffnet. Als dann die Wirtschaftskrise kam, haben wir eins davon wieder geschlossen. Das war eine harte Zeit, schließlich waren wir in der Schweiz bis dahin vom Erfolg verwöhnt.“ Mittlerweile hat sich Daniel Frei damit abgefunden und sieht die Sache sogar positiv: „Im Nachhinein betrachtet waren unsere Erfahrungen in London eine gute Lehrzeit, wir konnten davon profitieren.“ Und er kann sich vorstellen, weitere Restaurants außerhalb der Schweiz zu eröffnen: „Wir haben viele begeisterte Gäste aus Deutschland – ein tibits in Süddeutschland kann ich mir gut vorstellen.“

Auf der Speisekarte des tibits stehen Gerichte mit internationalem Touch: indisches Curry, arabischer Taboulé-Salat oder Daniel Freis Lieblingsessen: Thai-Tofu-Salat mit Melonen. Das kommt an: Mittlerweile kommen mehr als 6000 Gäste täglich in die tibits-Restaurants. Und Daniel Frei ist froh, dass er einen anderen Berufsweg eingeschlagen hat, als ursprünglich geplant: „Zeit ist kostbar, und mir ist es wichtig, dass meine Arbeit Spaß macht und sinnvoll ist. Daher bin ich richtig dankbar für meinen Job.“

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Weitere Aus- und Umsteiger

Über Daniel Frei und andere Umsteiger, die sich beruflich neu orientiert haben, berichtet ein Buch mit vielen spannenden Interviews:
Mathias Morgenthaler, Marco Zaugg: Aussteigen – Umsteigen. Wege zwischen Job und Berufung.
Zytglogge-Verlag 2013. ISBN 978-3729608641. 30 Euro.

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