StartWirtschaftswissenschaften„Auch ein Hartz-IVKind muss Dax-CEO werden können“

„Auch ein Hartz-IVKind muss Dax-CEO werden können“

Natalya Nepomnyashcha, 34 Jahre, ist soziale Aufsteigerin: Sie wuchs in einem sozialen Brennpunkt auf, ihre Familie bezog Hartz IV – heute ist sie für eine der größten internationalen Unternehmensberatungen tätig und als Key-Note-Speakerin gefragt. Mit dem „Netzwerk Chancen“ hat sie außerdem ein soziales Unternehmen gegründet, mit dem sie das Thema auf die Agenda bringt. In ihrem Gastbeitrag erzählt sie, wie sie all das geschaff t hat – und wie sie heute für mehr Chancengleichheit kämpft. Von Natalya Nepomnyashcha

Ich wurde in Kyjiw geboren, bin in Bayern in einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen, meine Familie bezog Hartz IV – durch meine soziale Herkunft musste ich viele Hürden überwinden. Angefangen hat es schon damit, dass ich nicht aufs Gymnasium durfte – angeblich war ich nicht gut genug. Das hat bei mir sehr viele Selbstzweifel ausgelöst, doch ich habe es geschafft und später meinen Master mit Auszeichnung abgeschlossen. Mir kann also niemand erzählen, dass ich das Gymnasium nicht geschafft hätte!

Nach der Schule war es weiterhin schwierig, gerade finanziell. Für meine erste schulische Ausbildung habe ich monatlich nur rund 200 Euro BAföG bekommen, für mein Auslandsstudium ein paar Jahre später dann gar kein BAföG mehr. Und auch im Berufsleben war es nicht einfach: Ich haben einen sehr ungeraden Lebenslauf, erst habe ich zwei schulische Ausbildungen absolviert, später ein Master-Studium, dann folgten Stationen in unterschiedlichen Branchen. Das ist recht typisch für soziale Aufsteiger*innen.

Cover Wir von untenNatalya Nepomnyashcha: Wir von unten. Wie soziale Herkunft über Karrierechancen entscheidet. Ullstein 2024. 19,99 Euro

Geholfen hat mir, dass ich nicht aufgegeben habe, sondern irgendwann angefangen habe, wie wild zu netzwerken. Der Weg war sehr, sehr schwer. Und heute ist es immer noch schwer, den sozialen Aufstieg zu schaffen. Deshalb habe ich 2016 das Netzwerk Chancen gegründet – mit dem Ziel, die Chancengleichheit von Kindern und jungen Menschen aus finanzschwachen und nichtakademischen Familien zu verbessern.

Wir fördern über 2.500 Menschen zwischen 18 und 39 Jahren, die aus finanzschwachen oder nichtakademischen Familien kommen. Dafür bieten wir Coachings, Job-Angebote, Mentoring und Workshops an – alles komplett kostenfrei. 90 % unserer Mitglieder sind Akademiker*innen, die Hälfte studiert oder macht eine Ausbildung, die anderen sind bereits berufstätig. Dabei sind sowohl Berufseinsteiger*innen als auch Führungskräfte, die nach wie vor die Auswirkungen ihrer sozialen Herkunft auf ihre Karriere merken.

Es ist wirklich großartig, diesen jungen Menschen dabei zu helfen, herauszufinden, wo ihre Stärken liegen und wie sie dazu passende Jobs finden. Wir sehen täglich, wie Unternehmen, die soziale Aufsteiger*innen beschäftigen, von der Diversität ihrer Mitarbeiter*innen profitieren: Sie sind durch ihren Werdegang besonders durchsetzungsstark, lösungsorientiert, aber auch empathisch und flexibel.

Das Netzwerk Chancen bietet jungen Erwachsenen aus ganz Deutschland Workshops, Mentoring, ein starkes Netzwerk und Kontakte zu Arbeitgebenden.

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