Lisa Macher ist Berlinerin. Heute arbeitet sie in einem Dorf mit Kirche, Freibad und ein paar Häusern. Ein Kulturschock? Nicht, wenn man wie die Referentin für Organisationsentwicklung für ein Unternehmen wie Vaude tätig ist, das Berg- und Outdoor-Sportler ausrüstet. Warum die Nähe zu Bodensee und Alpen dann zum Vorteil wird, erklärt die 30-Jährige im Interview. Das Interview führte André Boße.
Zur Person
Lisa Macher studierte von 2002 bis 2008 Verwaltungswissenschaft in Konstanz. Ein Studienjahr verbrachte sie an der Universität Madrid. Nach Praktika in den Medien und im Personalbereich begann sie ihre Karriere in der Organisationsentwicklung des Deutschlandradios in Berlin. Von der Millionenstadt zog es sie im März 2012 nach Tettnang, wo sie beim Outdoor- und Bergsportausrüster Vaude als Referentin für Organisationsentwicklung tätig ist.
Frau Macher, vielen wird die Gemeinde Tettnang, in der Ihr Unternehmen zu Hause ist, kein Begriff sein. Können Sie das regionale Umfeld kurz beschreiben?
Tettnang liegt in Oberschwaben, rund zehn Kilometer nördlich vom Bodensee. Die Gegend ist ziemlich ländlich geprägt, die beiden größten Städte hier in der Nähe sind Ravensburg und Friedrichshafen – beide haben jeweils weniger als 60.000 Einwohner. Das Unternehmen selbst ist in Obereisenbach zu Hause, einem kleinen Dorf bei Tettnang. Dort gibt es eine Kirche, ein Freibad, ein paar Wohnhäuser – und unser Vaude-Café mit dazugehörigem Outlet.
Kirche, Freibad und ein paar Häuser – das klingt nach echter Provinz. Wobei Ihr Unternehmen das Freibad selbst vor der Schließung retten musste. Leidet Ihr Unternehmen unter einem Standortnachteil?
Man kann unseren ländlichen Standort als Nachteil bezeichnen, er hat für uns aber genauso Vorteile. Vaude ist ein Outdoor-Unternehmen, fast alle unsere Mitarbeiter sind selbst sportbegeistert und verbringen viel Zeit draußen in der Natur. Für Kletterer, Wanderer, Radfahrer und viele andere Sportler ist diese Gegend daher sehr reizvoll, zumal die Alpen und der Bodensee quasi vor der Haustür liegen. Und wir tun auch viel, um künftige Mitarbeiter von unseren Reizen und denen der Region zu überzeugen. Wir unterstützen sie dabei, passende Freizeitangebote zu finden und zu nutzen. Zudem bieten wir in unserem eigenen Kinderhaus die Betreuung des Nachwuchses an.
Können Einsteiger bei Ihnen punkten, wenn Sie sich mit dem naturbezogenen Leben identifizieren – und nicht so sehr mit urbanem Leben?
Viele unserer Mitarbeiter teilen tatsächlich ihre Outdoor-Begeisterung miteinander, und besonders wichtig wird diese Vorliebe im Produktbereich. Wer selbst noch nie in den Bergen unterwegs war, dem fällt es schwer, einen Alpinrucksack zu entwickeln. Auch Fahrradkleidung testet man am besten selbst, indem man mit Rennrad oder Mountainbike durch die Gegend fährt. Bei uns ist Outdoor nicht nur ein Begriff oder eine Geschäftsidee, sondern wird von fast allen Mitarbeitern als Hobby gelebt. Ich glaube, nur wenige Unternehmen können eine so unmittelbare Identifikation mit dem Thema bieten wie wir.
Prägt Ihre Heimat im südlichsten Zipfel des Landes das Miteinander im Unternehmen?
Ich glaube absolut, dass die Heimat eines Unternehmens dessen Kultur mitbestimmt. In großen Städten gehen die Mitarbeiter meist nach der Arbeit auseinander, da sie in der ganzen Stadt verteilt wohnen und eigene, geschlossene Freundeskreise haben. Ich bin Berlinerin und kenne das aus eigener Erfahrung. Wir sind ein sehr junges Unternehmen, unser Altersschnitt liegt bei 37 Jahren. Und bei uns unternimmt man nach der Arbeit oft gemeinsam etwas. Viele sind sehr aktiv und gehen am Feierabend noch gemeinsam klettern, laufen oder Rad fahren. Die Atmosphäre ist einfach familiärer.
Umweltschutz und Verbundenheit mit den Alpen. Ist es einfacher, diese Aspekte an Nachwuchskräfte weiterzugeben, wenn man die atemberaubende Natur direkt vor der Haustür hat?
Als Outdoor-Unternehmen und Bergsportausrüster wären wir unglaubwürdig, wenn die eigenen Mitarbeiter die Berge nur sporadisch zu sehen bekämen. Wir haben unsere Wurzeln im Bergsport und sind fest mit der Region verwachsen. Ich denke, man kann nur dann als wertebasiertes Unternehmen auftreten und auch als solches wahrgenommen werden, wenn die Werte im Unternehmen auch tatsächlich gelebt werden. Es ist nicht schwer, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, in die Berge zu gehen, um Produkte auszuprobieren, wenn man vom Büro aus schon die schneebedeckten Gipfel sieht.