Wer, wenn nicht wir…

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Dr. Stefanie Weidner ist Vorständin der Werner Sobek AG. In ihrem Gastbeitrag appelliert sie an die junge Generation der Bauingenieure, sich für Nachhaltigkeit stark zu machen.

Zur Person

Stefanie Weidner ist promovierte Architektin mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeitsstrategien. Seit Sommer 2024 ist sie Vorständin der Werner Sobek AG. Vorher leitete sie bereits das Kopenhagener Büro des Unternehmens. Sie ist außerdem DGNB Consultant und ehrenamtliche Beirätin des Start-up-Unternehmens Optocycle.

Endlich, nach jahrelanger Vorbereitung: Der Einstieg ins Berufsleben und die ersten eigenen Projekte. Eine aufregende und spannende Zeit. Oft aber auch eine Zeit der ersten Krisen, der Fragen nach dem Sinn. Ist das, was ich da im Beruf mache, eigentlich das, worauf ich mich all die vergangenen Jahre vorbereitet habe? Wieso ist das alles so kompliziert – und wieso sind meine Projekte nicht so nachhaltig, wie ich mir das immer vorgestellt habe? Hinzu kommen die negativen Schlagzeilen, denen wir permanent begegnen: explodierende Materialpreise, abrupt steigende Zinsen, insolvente Projektentwickler, immer komplexere Regularien und Vorschriften. Entwicklungen, die der Lust auf eine Tätigkeit im Bauwesen einen empfindlichen Dämpfer verpassen können. Deshalb hier fünf Gründe, warum es sich lohnt durchzuhalten. Denn: Wer sich intensiver mit der Nachhaltigkeit in der gebauten Umwelt beschäftigt, der merkt schnell, dass dieser Bereich vorrangig von den Jüngeren vorangetrieben wird.

1) Nicht zu bauen ist auch keine Lösung

Immer wieder hört man den Ruf nach einem Stopp jeglicher Neubauprojekte. Für einige Regionen und Gebäudetypologien (Stichwort: Einfamilienhäuser und monofunktionale Kaufhäuser …) mag dies der richtige Ansatz sein, verallgemeinern lässt sich eine solche Forderung aber sicher nicht. Die Ballungsräume erfahren einen steten Bevölkerungszuwachs. Das bedeutet, dass nicht nur zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden muss (aktuell fehlen je nach Schätzung bis zu 1.000.000 Wohnungen), sondern auch mehr Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, mehr Nahversorgung, mehr Infrastruktur etc. Hierfür brauchen wir neue Lösungen und Konzepte, mehr (Nach-)Verdichtung, Möglichkeiten zur Aufstockung, Sharing- Modelle und Strategien für ein inklusives, gesundes Leben auf begrenzter Fläche. Hierauf müssen wir Planenden uns einstellen – sei es bei Neubauten, Bestandssanierungen oder manches Mal auch durch die Empfehlung, gar nicht zu bauen. Egal, in welche Richtung es geht: Unsere Expertise ist gefragt!  Übrigens: Global gesehen ist der Bedarf an gebauter Umwelt noch viel größer, müssen doch in den kommenden Jahren über zwei Milliarden zusätzliche Menschen beherbergt werden. Hinzu kommen Millionen Menschen, die wegen steigender Meeresspiegel und sich ausbreitender Wüsten (sowie wegen Kriegen und Konflikten) in andere Regionen der Erde migrieren.

2) Sanieren will gelernt sein

Leerstand findet sich meist nicht da, wo neuer umbauter Raum benötigt wird. Ist dies allerdings doch einmal der Fall, dann sollte vor einer Entscheidung für Abriss und Neubau sorgfältig geprüft werden, ob sich nicht auch die alten Gemäuer für die geplante neue Nutzung eignen. Sehr häufig wird dies der Fall sein – und sollte dann auch die bevorzugte Option der Planenden sein. Eine Sanierung kann bis zu 60 % der sog. grauen Emissionen einsparen. Bei Infrastrukturbauten liegt der Prozentsatz sogar noch höher. Dazu werden auch deutlich weniger Primärmaterialien benötigt als für einen Neubau. Doch warum zögern immer noch viele Bauherren vor diesem Schritt, selbst wenn die grundsätzlichen Rahmenbedingungen (wie z. B. der Zustand der Bausubstanz und die Geschosshöhe) dafür sprechen? Die Erfahrung zeigt: Sanierungsprojekte sind ökologisch vorteilhaft, aber oft komplizierter und anspruchsvoller als Abriss und Neubau. Und im Bauwesen bedeutet „kompliziert“ häufig auch, dass etwas wesentlich teurer wird als erwartet. Schubladenlösungen funktionieren hier nicht. Die Kostenfalle kann nur vermeiden, wer mit exzellenten Planerinnen und Planern arbeitet und auf smarte, technologiegestützte Lösungen setzt, die den Bestandserhalt vereinfachen.

3) Normierungen und Vorschriften – der Dschungel muss sich lichten

Es existieren derzeit circa 3.900 baurelevante Normen. Davon beziehen sich zwar „nur“ circa 350 auf den Geschosswohnungsbau, die Menge an zu beachtenden Regelungen und Empfehlungen ist dennoch enorm. Hinzu kommen je nach Zertifizierungssystem oder Förderprogramm noch eine Vielzahl an weiteren Aspekten, die begriffen und eingehalten werden müssen. Natürlich bedarf es allgemeingültiger Regeln, die dafür sorgen, dass kein Risiko für Leib und Leben und für die Natur besteht. Doch die Zahl und Komplexität der Normen steigt immer weiter an. Und mit jedem Anstieg wird das Bauen nicht nur komplexer und komplizierter, sondern auch teurer und meist materialintensiver. Genau dieser zuletzt genannte Aspekt lässt viele Planende, denen an einer Material- und Emissionsreduktion gelegen ist, regelmäßig verzweifeln. Die Architektenkammer Bayern wagte mit ihrer Initiative Gebäudeklasse E einen interessanten Vorstoß. Wir brauchen mehr solcher Initiativen. Wer, wenn nicht die neuen Generationen an Planenden sollten sie anstoßen?

4) Digitalisierung tut Not!

Die Digitalisierung in Deutschland muss sektorübergreifend ausgebaut werden. Das gilt auch und insbesondere für das Bauwesen. Zwar ist mittlerweile BIM Level 1 relativ verbreitet, das volle Potenzial von digitalen Zwillingen nicht nur während der Planung, sondern auch bei der Ausführung, dem Betrieb, der Instandhaltung und beim Rückbau wird allerdings bei Weitem nicht ausgeschöpft. Die Hoffnung besteht, dass mit den neuen Planenden-Generationen auch mehr digitale Affinität in die Planungs- und Baubüros einzieht und dadurch Prozesse vereinfacht, Softwarelösungen programmiert, Bauwerke optimiert und somit Zeit und Ressourcen gespart werden. In interdisziplinären Teams arbeiten wir auch bei Werner Sobek an Softwarelösungen, die uns simultan Lebenszyklusdaten und Optimierungsvorschläge aufzeigen, um so deutlich nachhaltiger bauen zu können.

5) Nachhaltigkeit kommt nicht von ungefähr

Nachhaltigkeit muss zwingend holistisch gedacht werden, und zwar von der ersten Entwurfsidee an. Was ist wirklich notwendig? Wo kann eingespart werden (Stichwort: Tiefgarage!)? Welchen Mehrwert kann das Projekt bieten? Was sind die zentralen Ziele, die erreicht werden sollen? Die Weichen hin zu mehr Nachhaltigkeit werden zu Beginn gestellt – das heißt aber nicht, dass im Lauf des Projekts keine Rückschläge zu befürchten sind, ganz im Gegenteil. Daher heißt es: Dranbleiben, Finger heben, Alternativen aufzeigen, Probleme lösen und Netzwerke aktivieren. Das ist anstrengend, komplex und facettenreich; ein multidisziplinäres Unterfangen, das insbesondere von Berufsanfängerinnen und -anfängern sehr viel abverlangt – das sich aber allemal lohnt.

Es gibt noch sehr viel zu tun, wenn wir die Transformation unserer gebauten Umwelt hin zu mehr Nachhaltigkeit zeitnah bewerkstelligen wollen. Aber was für eine Perspektive: Wir können heute durch unseren Einsatz für ein besseres Bauen nicht nur etwas für unseren beruflichen Erfolg tun, sondern ebenso einen wichtigen Beitrag dazu leisten, unseren Planeten für kommende Generationen zu bewahren. Der Beruf der Planenden hat sich weiterentwickelt, birgt ungeahnte Herausforderungen und fordert neue Kenntnisse, aber er ist und bleibt irrsinnig spannend! Auch wenn die ersten Jahre nach der Hochschule also anstrengend sein sollten – werft auf keinen Fall die Flinte ins Korn, zum Wohle von uns allen!

Zum Unternehmen

Die Werner Sobek AG ist ein weltweit tätiges Fachplanungsbüro für nachhaltiges Engineering und Design im Bauwesen mit Hauptsitz in Stuttgart. Das 1992 gegründete Unternehmen umfasst mehr als 450 Mitarbeitende und hat Büros in Europa, Nordamerika und dem Mittleren Osten. Die Arbeiten des Unternehmens zeichnen sich durch hochwertige Gestaltung und ausgeklügelte Konzepte zur Minimierung von Emissionen sowie von Energie- und Materialverbrauch aus.

Neue Wege zur Reduktion von C02-Emissionen bei Baustoffen

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Die Bauindustrie befindet sich in einer Phase des tiefgreifenden Wandels. Innovative und nachhaltige Technologien zur Herstellung und zum Recycling von Baustoffen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP arbeitet schon seit Jahren kontinuierlich daran, zukunftsweisende Materialien und Verfahren zu entwickeln und diese in die praktische Anwendung zu überführen. Dabei hat das Institut drei zentrale Ansätze verfolgt, die zusammen eine umfassende Strategie zur Reduktion von CO₂-Emissionen in der Bauindustrie bilden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Integration von Werkstoffen, die aktiv zur Entnahme von CO₂ aus dem atmosphärischen Kreislauf beitragen können. Wie das gelingen kann, erläutern Katharina Engels und Christian Kaiser vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP.

Ein Beispiel ist die Verwendung von Pflanzenkohle, die nicht nur das Treibhausgas in Form von Kohlenstoff dauerhaft bindet, sondern auch positive Effekte auf die bautechnischen Eigenschaften der Materialien haben kann. Pflanzenkohle wird durch Pyrolyse organischer Materialien wie landwirtschaftlichen Reststoffen, Holz- oder Pflanzenabfällen hergestellt. Dabei wird die Biomasse bei Temperaturen zwischen 200 und 1000 °C in sauerstoffarmer Umgebung thermochemisch zersetzt. Aufgrund ihrer großen Materialströme eignen sich Baustoffe prinzipiell gut als bedeutende Kohlenstoffsenken. Die Herausforderung liegt darin, diese Potenziale zu nutzen und die oftmals heterogenen Pflanzenkohlen in die reglementierten Herstellungsabläufe der Baustoffe zu integrieren. Das Fraunhofer IBP hat deshalb Verfahren entwickelt, um das Handling der feinen und staubenden Kohlenstoffmaterialien zu vereinfachen. Zudem konnten die Forschenden zeigen, dass eine gezielte Aktivierung der mineralischen Bestandteile der Biomasse während der Pyrolyse die Betoneigenschaften verbessert. Darüber hinaus wird auch an Methoden gearbeitet, welche zusätzlich eine größere Verwertung mineralischer Reststoffe ermöglicht.

Trotz des bedeutenden Potenzials von Pflanzenkohle als Carbon Capture Material bleibt Zement der Hauptverursacher von CO₂-Emissionen in der Bauindustrie. Deshalb arbeitet das Fraunhofer IBP parallel intensiv an Zementersatzstoffen, sogenannten Supplementary Cementitious Materials (SCMs), wie etwa kalzinierten Tonen oder alkalisch aktivierten Bindersystemen, auch bekannt als Geopolymere. Letztere setzen verstärkt auf sekundäre Stoffströme und unterstützen so die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. In verschiedenen Projekten wurde gezeigt, dass diese Bindersysteme gegenüber zementgebundenen Systemen technische Vorteile bieten, wie z.B. höhere Früh- und Druckfestigkeiten sowie eine hohe Säure- und Hitzebeständigkeit. Dadurch kann unter anderem der Bindemittelanteil reduziert und der Baufortschritt beschleunigt werden.

Die Technologien lassen sich problemlos kombinieren, wodurch in der Praxis der CO₂-Fußabdruck von Baumaterialien wie Beton erheblich verringert werden kann. Schlussendlich wird der Fortschritt in der Entwicklung und Implementierung solcher innovativen Materialien und Technologien entscheidend dafür sein, wie schnell die Transformationen der Bauindustrie zu einer klimafreundlichen Zukunft erfolgen.

Die Herausforderung der Nachhaltigkeit

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Beton ist für 8 % des weltweiten CO₂- Ausstoßes verantwortlich und nach Wasser das meistverwendete Material der Welt. Grund für die hohen Emissionen ist vor allem die immense Menge an Beton, die weltweit eingesetzt wird: Jeden Monat wird einmal die Stadt New York mit Beton nachgebaut. Der Baustoff wird auch in Zukunft unersetzlich bleiben. Es ist daher wichtig, Lösungsansätze zu finden, mit denen die Dekarbonisierung des Betons erfolgreich vollzogen werden kann. Ein Gastbeitrag von Nicolas Ott, alcemy tech

Ausschlaggebend für die CO₂-Emissionen des Baumaterials ist der Zementklinker, der „Klebstoff“ im Beton. Die Herausforderung bei der Dekarbonisierung besteht darin, den Klinkeranteil deutlich zu reduzieren. Dies führt aber zu höheren Qualitätsanforderungen, einem erhöhten Personaleinsatz und dadurch deutlich teurerem Beton. Konsequenz: Die Herstellung von CO₂-reduziertem Beton hat sich bisher nicht rentiert.

Genau aus diesem Grund haben Leopold Spenner und Dr. Robert Meyer sich 2018 dazu entschlossen, das Greentech- Start-up alcemy zu gründen und bei dieser Herausforderung anzusetzen. Basierend auf maschinellem Lernen haben sie zwei Softwareprodukte entwickelt, die im Zementwerk und im Transportbetonwerk zum Einsatz kommen und es ermöglichen, Vorhersagen zu relevanten Qualitätseigenschaften zu treffen. Um die Produktion von Zement und Beton nachhaltiger zu gestalten, besteht der größte Hebel in der angesprochenen Reduktion des Klinkeranteils. Genau hier setzt alcemy mit seiner Software im Zement an. Das Start-up nutzt die Daten aus dem Zementwerk, um mithilfe der ML Module die Produktion zu optimieren und zu automatisieren. Diese klinkerärmeren und anspruchsvolleren Zemente können dann mit der Qualitätsüberwachungssoftware im Transportbetonwerk erfolgreich zu Betonen verarbeitet werden.

Hürden und Hindernisse

Doch damit die Dekarbonisierung der Industrie gelingt, muss auch die Nachfrage nach nachhaltigen Betonen zum Standard werden, was bisher leider noch zu wenig passiert. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sind der Austausch von Informationen und Aufklärung über den Einsatz von nachhaltigem Beton. Ein weiteres Problem ist die Norm, die klar festlegt, welche Betone eingesetzt werden dürfen. Hier ist alcemy mit seinem Kunden Spenner 2024 ein Durchbruch gelungen: Gemeinsam haben sie einen Zement entwickelt, bei dem Zementklinker durch das besonders nachhaltige und gut verfügbare Substitut Kalksteinmehl ersetzt wird. Dieser radikal klinkerreduzierte Zement setzt neue Maßstäbe für nachhaltige Betone und ist bereits mehrfach in Praxisprojekten zum Einsatz gekommen.

Der Schlüssel zu einer klimaneutralen Industrie

Diese Meilensteine sind wichtige Schritte auf dem Weg zu Net-Zero. Die Gründer von alcemy sind überzeugt, dass die Reduzierung des Klinkeranteils im Beton ein entscheidender Hebel zur Dekarbonisierung ist, der bisher zu wenig genutzt wird. Gleichzeitig werden andere Ansätze ebenfalls verfolgt werden müssen: CCU/S Technologie wird ein unumgänglicher Baustein auf dem Weg zu einer klimaneutralen Industrie sein. Hierfür jedoch muss die nötige Infrastruktur erst noch gebaut werden. Letztendlich braucht es für den Einsatz nachhaltiger Betone die Beteiligung aller Akteure, von den Zement- und Betonherstellern bis hin zur Baustelle. Umso wichtiger ist es, dass sich werdende Bauingenieure mit diesem Zukunftsthema proaktiv befassen, um den Weg für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Industrie zu ebnen.

alcemy

Das grüne Tech-Start-up alcemy wurde 2018 von Leopold Spenner und Dr. Robert Meyer mit der Überzeugung gegründet, dass in der Zement- und Betonherstellung die Reduktion von CO₂ mit der Reduktion von Produktionskosten einhergehen kann und muss. alcemy läuft mittlerweile bei einem Drittel aller deutschen Zementwerke und in über 30 Transport-Betonwerken.

Alles in einem Modell

Die Finalisten des diesjährigen BIM Champions Wettbewerbs in der Kategorie Arbeiten von Azubis und Studenten einte der Bezug zum Thema Nachhaltigkeit. Sema Yilmaz, die Siegerin in der Kategorie, befasste sich in ihrer eingereichten Bachelorarbeit mit BIM und Baustoffen, um eine Ökobilanzierung direkt aus dem Modell erstellen zu können. Die Fragen stellte Christoph Berger, buildingSMART Deutschland.

Sema, wie kamst du auf das Thema? Ich habe Bauingenieurwesen auf Bachelor studiert mit der Vertiefung Baustoffe und Sanierung. Daher kommt der Baustoffanteil in der Arbeit. Der BIM-Bezug kam durch Kommilitonen in meinem Umfeld zustande, die im Baumanagement studierten. So kam es zu den Fragen: Gibt es überhaupt schon eine Verknüpfung zwischen der digitalen Welt, also BIM, und den Baustoffen? Welche Datenbanken gibt es dazu? Ist es möglich, im BIM-Modell eines Gebäudes zu hinterlegen, aus welchem Material zum Beispiel die Wände oder Decken gebaut sind? Und wenn ja: Wie können diese Informationen genutzt werden, um eine Ökobilanzierung in BIM zu erstellen? Mich fasziniert der Ursprungsgedanke, alles in einem Modell machen zu können, von der Kostenschätzung bis hin zur Ökobilanzierung, da ich als Baustofflerin weiß: Eine Betonwand ist nicht gleich eine Betonwand, es macht einen deutlichen Unterschied, welche Zementart darin verbaut ist. Dazu kam dann noch IFC als Standardaustauschformat, damit es keine Fokussierung auf nur eine Software gibt.

Hast du zu IFC auch Fragestellungen entwickelt? Ich habe das IFC-Schema dahingehend untersucht, welche Informationen ich in ihm abbilden kann, die für eine Ökobilanzierung wichtig wären – dabei orientierte ich mich an den EPDs, den Environmental Product Declarations, die es für verschiedene Materialien gibt.

Wie sieht es mit Blick auf die Baustoffhersteller aus, sind deren Produkte so aufbereitet, dass sie digital eingefügt werden könnten? Die Daten sind da. Was jetzt noch getan werden könnte, wäre, den Herstellern eine Art Vorlage zu geben, die es einfacher macht, die Daten direkt als IFC-Schema zu haben. Derzeit liegen diese Daten meist noch als PDF- oder XML-Datei vor. Diese Dateien sind zwar öffentlich im Internet zugänglich, allerdings hängt es auch hier davon ab: Möchte der Hersteller die Produktinhalte oder den Produktaufbau veröffentlichen oder nicht? Aber ja, viele Daten liegen vor.

Welchen Reiz übt BIM auf dich aus, speziell auch Open-BIM? Es ist die Zusammenarbeit an einem Modell und der Austausch von Daten über Softwaregrenzen hinweg. Ich finde es schön und sehr hilfreich, diese Grenzen nicht zu haben. Natürlich ist es aus Sicht eines Softwareherstellers schön, wenn alle das eigene Produkt nutzen und eine Lizenz dafür haben und mit den dazugehörigen Dateiformaten arbeiten. Aber letztendlich geht es ja darum, im Sinne aller den Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten zu fördern – ohne Begrenzung auf eine Lizenz. Daher war es äußerst interessant für mich, IFC zu untersuchen, weil IFC öffentlich und gut ist und tolle Möglichkeiten im Hinblick auf die Ökobilanzierung bietet.

Video über die prämierte Arbeit von Sema Yilmaz

Die Videos aller BIM Champions-Finalisten 2024:

Motorworld: Wie Chrom und Pferdestärken historischen Gebäuden neues Leben einhauchen

Einzigartig – das ist der Begriff, der einem als erstes einfällt, wenn man einen der Standorte der Motorworld besucht. Beeindruckend ist aber auch die Idee hinter dem Konzept: Ziel ist es, denkmalgeschützte, historisch bedeutende Gebäude vor dem Verfall zu bewahren und zu erhalten. Zugleich besitzt das Konzept eine soziale Komponente, denn mit einer Motorworld werden die historischen Gebäude wieder für die Öffentlichkeit geöffnet und erlebbar gemacht, ohne eine Eintrittsgebühr zu verlangen. Etliche von ihnen sind Industriedenkmäler. Initiator und Realisator dieses einzigartigen Konzepts ist Unternehmer Andreas Dünkel, dem die Leidenschaft für Automobile in die Wiege gelegt wurde.

Die Idee der Motorworld entstand vor etwa 20 Jahren. Damals wurden Andreas Dünkel die denkmalgeschützten Gebäude auf dem bereits 15 Jahre brachliegenden Areal des ehemaligen Landesflughafens von Württemberg in Böblingen angeboten – der perfekte Ort für besondere Fahrzeuge, so die spontane Eingebung des Autoliebhabers. Nach zwei Jahren Bauzeit, mit zeitweise über 500 Handwerkern gleichzeitig vor Ort, öffnete 2009 die erste Motorworld – die Motorworld Region Stuttgart – die Pforten. Das Konzept war von Erfolg gekrönt: Die Motorworld Group hat sich rasant weiterentwickelt und ordentlich PS auf die Straße gebracht. 2018 folgte die Eröffnung der Motorworld Köln-Rheinland auf dem Gelände des ehemaligen Kölner Flughafens Butzweilerhof mit der Michael Schumacher Private Collection als Highlight. 2021 ist die Motorworld München an den Start gegangen, die in den beindruckenden Gebäuden eines ehemaligen Bahnausbesserungswerkes in München entstanden ist. Mittlerweile gibt es elf Motorworld-Standorte in Deutschland, der Schweiz, Luxemburg, Spanien und Bulgarien, die in Planung und Bau oder bereits (teil-)eröffnet sind.

MOTORWORLD Group

Die Motorworld Group ist eine eigenständige Unternehmensgruppe, die aus der Unternehmensgruppe Dünkel Holding mit Sitz in Schemmerhofen (Baden-Württemberg, Deutschland) hervorgeht. Der Ursprung des familiengeführten Unternehmens geht auf das Jahr 1930 zurück. Die Motorworld Group entwickelt, baut und betreibt Erlebniswelten, die der mobilen Leidenschaft gewidmet sind, und gilt in ihrer Gesamtheit als weltweit größtes, mehrfach auch international ausgezeichnetes, markenunabhängiges Oldtimer- und Sportwagenzentrum. Sie vereint mit über 40 der weltweit wertvollsten und exklusivsten Fahrzeugmarken das Marken-Who-is-Who der gesamten Mobilitätsbranche.

www.motorworld.de

www.facebook.com/MotorworldGroup

www.instagram.com/motorworld_group

www.linkedin.com/company/motorworld-group

Geeignete Gelände

Voraussetzung dafür, dass ein brachliegendes Gelände zum Motorworld- Standort wird ist die Lage mit einem großen Einzugsgebiet und einer guten Erreichbarkeit durch einen Anschluss an Autobahn und an öffentliche Verkehrsmittel. Die Immobilie selbst muss über eine gewisse Größenordnung verfügen, denn zum Motorworld-Konzept gehören neben der Ausstellung der Fahrzeuge Flächen für den Handel und Werkstätten, für Event, Gastronomie und ein Hotel mit 100 oder mehr Zimmern. Nicht zu vergessen: ausreichend Parkflächen.

Herausforderungen bei der Gebäudesanierung

Eine Herausforderung bei den historischen Industriebrachen sind oftmals die mit Schadstoffen kontaminierten Böden. Diese müssen aufwendig dekontaminiert und von allen Altlasten wie Ölen befreit werden, der Aushub wird entsprechend entsorgt. Aber auch die Baustruktur stellt eine Herausforderung dar: Früher wurde mit weniger Statik gerechnet. Bei den Motorworld-Projekten muss diese auf den neuesten Stand gebracht werden. Das heißt: Alte Stahlkonstruktionen oder auch die Fundamente müssen verstärkt und gesichert werden. Fundamente werden per Düsenstrahlinjektion mit Beton unterfangen, damit die Tragfähigkeit in die Erde abgeleitet werden kann. Hinzu kommen Naturschutzauflagen, Brandschutz oder Schallschutzbestimmungen. Vor allem der Brandschutz gestaltet sich aufwendig, da wegen der verschiedenen Nutzungen – Hotel, Event, Gastronomie, Showrooms, Werkstätten etc. – Richtlinien aus allen Bereichen greifen und entsprechend hohe Auflagen für die Sprinklerung, Brandschutzwände sowie Entrauchungsanlagen erfüllt werden müssen.

Um den steigenden Anforderungen in Sachen Umweltschutz und Effizienz gerecht zu werden, nutzt die Motorworld Group regenerative Energiequellen. In der Motorworld München sind beispielsweise 1.300 Kilowattpeak (kWp) Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerke mit 360 Kilowatt elektrischer Leistung in Betrieb. Damit werden insgesamt ca. 2,7 Millionen kWh erneuerbarer Strom pro Jahr produziert und teilweise direkt verbraucht, was einer jährlichen Einsparung von ca. 780 Tonnen CO2 entspricht. Die gesamte Unternehmensgruppe Dünkel inklusive der Motorworld Group spart sogar jährlich über 10.000 Tonnen CO2 ein.

Work in progress

Von der Projektentwicklung bis zur Fertigstellung dauert es in der Regel vier bis fünf Jahre, bisweilen sogar zwölf, wie bei der Motorworld München. Aber wirklich fertig ist eine Motorworld nie, denn sie lebt davon, dass sie immer wieder angepasst und erweitert werden kann. Der nächste Standort, der eröffnet wird, ist die Motorworld Mallorca – die erste in Spanien. Sie entsteht in Toplage zwischen Flughafen und Palma, direkt an der Autobahn MA-19 auf dem Areal eines ehemaligen Coca-Cola-Werks. Aktuell laufen die Bauarbeiten auf Hochtouren. Die Fertigstellung und Eröffnung ist für März 2025 geplant.

Aktuelle Absolvent*innenzahlen

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Die Zahl der Absolvent*innen eines Bauingenieurstudiums lag 2022 bei 10.266, im Jahr 2023 ist sie leicht gesunken auf 10.192. Damit liegt sie aber immer noch mehr als doppelt so hoch als zum Tiefpunkt 2008 mit 4.680.

Absolvent*innen

Anfänger*innen

Für die Konjunkturanalyse, Statistik und Datenbank ist beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie Petra Kraus zuständig:
petra.kraus@bauindustrie.de
www.bauindustrie.de/zahlen-fakten

Das Leben ist eine Baustelle – Kultur-, Buch- und Linktipps

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Der Kölner Dom aus Pflastersteinen

Designstudent Aaron Metz aus Köln hat Pflastersteine in Form des Kölner Doms entworfen. Die Idee: Statt der rein funktionalen Rechtecke soll ein Symbol, das für Köln steht, auch die größte Fläche der Stadt schmücken – den Boden.

Schaubühne der Spitzenleistungen des Bauingenieurwesens

Cover IngenieurbaukunstVom neuen Wien Museum über die Faserverbundfassade für das Texoversum in Reutlingen bis zum Skywalk Königsstuhl in Sassnitz – das aktuelle Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2025 versammelt die Spitzenleistungen des Bauingenieurwesens. In den Beiträgen werden die bautechnischen Herausforderungen sowie die konkreten Lösungen bei Planung und Ausführung beschrieben. Die von einem unabhängigen Beirat ausgewählten Bauwerke und Diskussionsthemen heben die Leistungen des deutschen Bauingenieurwesens hervor. Der Band ist zugleich ein Forum für aktuelle Debatten rund um das Planen und Bauen, diesmal insbesondere zu den Beiträgen des Ingenieurbaus zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Bundesingenieurkammer (Hrsg.). Ingenieurbaukunst 2025: Made in Germany. 208 Seiten. Ernst & Sohn 2024. 49,90 €.

Nachhaltig bauen im Senegal

Beim Neubau des Goethe-Instituts in Dakar werden handgepresste Ziegel als tragende Mauern sowie zur Verkleidung der Betonkonstruktion der Fassade verwendet. Das Goethe-Institut möchte mit der Wahl der Materialien ein Zeichen für zukunftsweisendes Bauen im Senegal setzen.

Mach mal Pause

Pausen sind gesetzlich vorgeschrieben. Sie sind wichtig für eine sichere und gesunde Arbeitsgestaltung und die Zufriedenheit – auch über die Arbeit hinaus. Welche weitreichenden Folgen es haben kann, wenn Pausenzeiten nicht eingehalten werden, hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) untersucht und in einem baua-Bericht veröffentlicht.

Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst

Laut Sustainability Transformation Monitor 2024 wächst das Bewusstsein für die Bedeutung der Nachhaltigkeit in den Unternehmen. Für mehr als die Hälfte der Unternehmen ist sie bereits zentraler Teil der Unternehmensstrategie.

Nachhaltigkeit im Bauen

cover nbauDie Zeitschrift „nbau. Nachhaltig Bauen“ ist die ganzheitliche Wissensbasis, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit in der Baubranche geht. Sie stellt aktuelle Trends und Entwicklungen aus Wissenschaft und Forschung mit innovativen Lösungen vor, bietet Produkt- und Objektreportagen sowie Best-Practice-Beispiele. Die Zeitschrift bietet vielfältige Anregungen für die berufliche Praxis und ist das erste Fachmedium zum Thema Nachhaltigkeit, das die gesamte Bau- und Immobilienbranche adressiert.

Europameisterschaft: Wer baggert am Besten?

Der 30-jährige Robin Müller aus Fischbach bei Villingen-Schwenningen ist der beste Baggerfahrer Europas, berichtet der SWR. Er holte bei der diesjährigen VOLVO Fahrerclub-Challenge im französischen Belley den Pokal. Bei dieser Europameisterschaft der Baumaschinenfahrer sind neben Geschwindigkeit auch Geschicklichkeit und Genauigkeit gefragt. Herzlichen Glückwunsch!

Podcast: Grüne Städte und Regionen

Die Folgen des Klimawandels werfen viele Fragen zum Bauen, der Gestaltung und zur Nachhaltigkeit auf. Eine Antwort ist die Neuausrichtung der gestalteten und gebauten Umwelt. Wie das aussehen kann, vermittelt Baukultur NRW im Projekt „Grüne Städte und Regionen“ unter anderem mit einem Podcast und einem Magazin.

Das „Haus der Zukünfte“

„Wie wollen wir leben?“ Im Futurium dreht sich alles um die Antworten auf diese Frage. Es geht um Roboter-Menschen, begrünte Hochhäuser und gemeinschaftliche Ökonomien, es geht um Herausforderungen und Chancen der Zukunft. Die Dauerausstellung ist in drei Hauptbereiche unterteilt: Natur, Mensch und Technik. Das innovative Museum in Berlin zeigt: Es sind viele Zukünfte denkbar.

Auszeichnung für besonderes Engagement

Cover Wir von untenVom Hartz-IV-Kind zum Dax-CEO? Natalya Nepomnyashcha fordert, dass dies möglich sein muss. Sie selbst hat sich hochgekämpft. In ihrem Buch erzählt sie offen von ihrem zähen Weg nach oben Sie berichtet, wie sie aufgrund ihrer Hartz-IV-Herkunft immer wieder diskriminiert wurde – bis ihr nach vielen Jahren der Karrieredurchbruch gelang. Sie macht jungen Menschen Mut. Zugleich zeigt Nepomnyashcha, wie stark unsere Gesellschaft davon profitiert, wenn Menschen unterschiedlicher sozialer Herkünfte auf allen Ebenen zusammenarbeiten. Anhand ihrer eigenen Geschichte, mithilfe von Fallbeispielen und der Lage in Unternehmen zeigt sie, wie Aufsteigerinnen und Aufsteiger in Unternehmen, Politik und Gesellschaft wirken können – und warum das gut für alle ist. Im Oktober 2024 wurde sie für ihren Einsatz für mehr Chancengerechtigkeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Natalya Nepomnyashcha. Wir von unten. Wie soziale Herkunft über Karrierechancen entscheidet. 272 Seiten. Ullstein 2024. 19,99 €.

Das letzte Wort hat: Kevin Iannotta – vom Kinderstar zum Bauleiter

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Kevin Iannotta erlangte durch seine Rolle als Joschka in der Filmreihe „Die Wilden Kerle“ große Bekanntheit. Trotz seiner Leidenschaft für das Schauspiel wechselte er von der Unterhaltungsindustrie in die Bauwirtschaft. Nach dem erfolgreichen Studium des Bauingenieurwesens ist er aktuell als Bauleiter auf einer Großbaustelle in München verantwortlich für die Planung, Koordination und Überwachung von Bauprojekten.

Wie hat die Rolle bei den „Wilden Kerlen“ Sie geprägt?
Ich denke schon, dass die Rolle mir für mein echtes Leben viel gezeigt hat. So war mir klar, dass es kein bestimmtes Alter und keine Körpergröße braucht, um im Leben etwas Gutes zu tun oder etwas zu erreichen.

Was mögen Sie an der Schauspielerei?
Es hat einfach immer Spaß gemacht in andere Rollen zu schlüpfen und diese über einen gewissen Zeitraum zu leben bzw. zu spielen. Es sind auch die Interaktionen mit den Menschen, die Spaß machen.

Sie arbeiten auch als Synchronsprecher. Wie kam es dazu?
Zum Synchronsprechen bin ich durch meine Rolle bei den „Wilden Kerlen“ gekommen. Oftmals müssen einige Szenen im Nachgang in einem Synchronstudio noch einmal neu vertont werden. Da das so gut geklappt hat, wurde ich gefragt, ob ich gerne auch andere Sprechrollen spielen würde.

Warum haben Sie dann Bauingenieurwesen studiert?
Mein Bruder hat mir das Bauingenieurstudium vorgeschlagen – für mich eine überwältigende Vorstellung: Gebäude errichten, Hochhäuser, Tunnel oder Brücken … Ziemlich schnell habe ich mich für dieses Studium an der TU entschieden. Es war kein leichter Weg, aber ich bin froh, es durchgezogen zu haben.

Was reizt Sie an der Arbeit als Bauingenieur besonders?
Ich mag es, ein Teil von etwas zu sein, das später eine fertige, sichtbare Gestalt annimmt. Das reizt mich auch als Bauleiter. Ein Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden zu stampfen. Von Anfang bis zum Schluss dabei zu sein und zu sehen, wie sich durch das Zusammensetzen verschiedener Bausteine ein optisch ansprechendes Projekt bildet.

Instagram: @kevin.iannotta

Welche Erfahrungen aus Ihrer früheren Arbeit kommen Ihnen jetzt zugute?
Ich denke, dass es hauptsächlich die Offenheit ist, die ich durch meine Schauspieltätigkeiten erlernt habe und die ich als Bauleiter gewinnbringend in ein Bauprojekt hineinnehmen kann. Denn Offenheit ist als Bauleiter sehr wichtig.

Was haben Sie für Pläne?
Der Beruf als Bauleiter gibt mir einen guten Halt im Leben. Dadurch habe ich mir die ersehnte Beständigkeit geschaffen. Ich schließe es aber nicht aus, irgendwann auch wieder öfter vor der Kamera zu stehen und meine Kreativität in Dreharbeiten auszuleben.

E-Paper karriereführer informationstechnologie 2024.2025 – Heilsbringer oder Jobkiller? Wie die generative KI die Arbeitswelt in der IT verändert

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Multitalent an der Seite

Die Gemengelage ist diffus: Mal ist die generative KI eine Heilsbringerin, mal verantwortlich für den Verlust vieler Jobs oder sogar die Apokalypse. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Ja, die KI wird viele Aufgaben übernehmen, von der Fleißarbeit bis zur Ideenfindung. Dennoch ergibt sich mit Blick auf die Arbeit von Softwareentwicklerinnen und -entwicklern ein positives Szenario: Der Fachkräftemangel wird durch die KI abgemildert, die Zufriedenheit im Job steigt. Denn wenn Developer eines nicht mögen, dann Langeweile. Ein Essay von André Boße.

Was ist dieser Sam Altman denn nun, Prophet mit flexiblen Positionen oder einfach nur ein guter Geschäftsmann? Die Süddeutsche Zeitung brachte im Juli 2024 ein Porträt über den Chef des derzeit einflussreichsten KI-Unternehmens OpenAI; 2023 erkor das Time Magazine ihn zum „CEO of the year“. In dem SZ-Artikel wird noch einmal daran erinnert, dass Altman im Jahr 2015 die Ansicht vertreten hatte, die KI „wird uns vermutlich alle töten, aber bis dahin wird sie wirklich nützlich sein“. Okay, diese Aussage ist zehn Jahre alt. Seitdem ist aus der Zukunfts- eine Gegenwartstechnologie geworden, doch warnte Altman laut SZ auch im Jahr 2023 noch: „Wenn diese Technologie schiefgeht, kann es gewaltig schiefgehen.“

AdobeStock/SVIATOSLAV
AdobeStock/SVIATOSLAV

OpenAI löst „Superalignment“-Team auf

Erst im Juli 2023 hatte OpenAI ein Team gegründet, das mit der Aufgabe betraut wurde, ein KI-System, das klüger ist als wir Menschen sind, so zu kontrollieren, dass es sich angemessen, also im Sinne der Menschlichkeit, verhält – und den Menschen nicht überw.ltigt. Dieses spezielle „Superalignment“-Team wurde knapp ein Jahr später wieder aufgelöst. So meldete es im Mai 2024 das Tech-Magazin Wired. Zuvor hatten mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Team verlassen. In einem Posting in den sozialen Netzwerken merkte das aus Deutschland stammende, leitende Ex-Teammitglied Jan Leike an, seine Entscheidung beruhe auf Meinungsverschiedenheiten über die Prioritäten des Unternehmens und die Höhe der Ressourcen, die seinem Team zugewiesen wurden. Laut Unternehmen werde der Auftrag des Teams von nun an in die generelle Forschung und Entwicklung integriert.

Schaut man wiederum auf die Homepage seiner Company OpenAI, heißt es dort in der Selbstbeschreibung des Unternehmens: „Unsere Mission ist es, sicherzustellen, dass künstliche allgemeine Intelligenz (i. O. „artificial general intelligence“) der gesamten Menschheit zugutekommt.“ Ein Satz, der sich nicht so liest, als sei die KI eine Gefahr – sondern eher die zentrale Hoffnungsträgerin, um die vielen Probleme der Menschheit zu lösen. Wo die Wahrheit liegt? Vermutlich wie so häufig in der Mitte. Weder ist davon auszugehen, dass es der KI eines Tages in den „Sinn“ kommt, die Menschheit abzuschaffen. Noch wird es so weit kommen, dass wir Menschen uns entspannt zurücklehnen können, während die KI die Klimakatastrophe beendet oder die Ernährung aller Menschen sicherstellt.

Sam Altman: Keine Angst, aber angemessene Vorsicht

Klar ist aber: Wie bei allen neuen Technologien müssen wir Menschen aufpassen, dass sie uns nicht über den Kopf wächst. Das funktioniert zum Beispiel mithilfe von Regularien. Technische Gesellschaften sind geübt darin, Fortschritte in ein funktionierendes Regelwerk einfließen zu lassen. Die gesamte Straßenverkehrsordnung ist ein gutes Beispiel dafür. Diese wurde bei der Erfindung des Autos ja nicht mitgeliefert, sie ist vielmehr das Ergebnis eines Prozesses, sich Gedanken darüber zu machen, wie es gelingen kann, motorisierte Fahrzeuge im öffentlichen Raum zu integrieren.

In einer Diskussion am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Mai 2024 fand Altman ein anderes, differenziertes Beispiel, um die Notwendigkeit von Regulierungen zu veranschaulichen. Unterschiedliche Arten von KI-Systemen erforderten unterschiedliche Regulierungsniveaus, sagte Altman in dem Gespräch, das auf der Website des MIT dokumentiert ist. Er verglich diese Denkweise mit den kontextspezifischen Vorschriften für Lebensmittel: Baue man diese zu Hause in Gartenkästen nur für den Eigenverbrauch an, ergebe sich daraus kein Regulierungsauftrag. Werden Lebensmittel jedoch im großen Stil angebaut, um sie landesweit in Geschäften zu verkaufen, seien viele Vorschriften notwendig. Was Altman sagen will: Auf die Balance kommt es an. Darauf, aus dem jeweiligen Kontext und der jeweiligen Wirkungskraft je nach Nutzung die richtigen regulatorischen Maßnahmen abzuleiten. Sein Credo: „Lasst uns nicht aus Angst handeln, sondern mit einer angemessenen Vorsicht vorgehen.“ So wird Sam Altman auf der MIT-Homepage zitiert.

Heute noch programmieren lernen – sinnvoll oder nicht?

Angemessen aufmerksam zu sein, ist auch ein kluges Mindset für alle, die aktuell im IT-Bereich ihre Karriere beginnen. Henok Kuflom ist Vice President der IT-Personalberatung Ratbacher. Seit vielen Monaten werde er regelmäßig mit pessimistischen Prognosen aus der Branche konfrontiert, schreibt er in einem Meinungsbeitrag auf der Ratbacher-Homepage. „KI programmiert so gut wie ein Mensch“, „In fünf Jahren gibt es keine Programmierer mehr“ oder „KI wird die meisten Programmierjobs überflüssig machen“ – dies sei der Sound, der durch die Medien gehe, seit mit ChatGPT ein Large Language Model (LLM) den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Eine Phantomdiskussion sei das allerdings nicht, wie Kuflom schreibt: „Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, ChatGPT und Co. zu nutzen. Eine davon ist die Entwicklung von Code, denn die Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz unter der Haube beherrschen unter anderem beliebte Script- und Programmiersprachen wie JavaScript, Python, PHP, C++, C# und SQL.“

 

AdobeStock/OpenDesigner
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Sinnhaftigkeit und Werte

Die Community-Befragung „#wanted and #misunderstood – A developer survey“ des Portals WeAreDevelopers kam zu dem Ergebnis, dass Sinnhaftigkeit der Arbeit und die Werte eines potenziellen Arbeitgebers für den Großteil der Befragten eine entscheidende Rolle spielen. So bevorzugten 70 Prozent der Teilnehmenden Unternehmen mit „klaren Nachhaltigkeitszielen“, wie es in der Pressemitteilung heißt. 46 Prozent der Befragten sei die Sinnhaftigkeit eines Jobs sogar wichtiger als die Vergütung. Damit stuften sie diese als wichtigsten Entscheidungsfaktor ein. 42 Prozent der Teilnehmenden bevorzugten eine Vier- Tage-Woche zugunsten einer ausgewogeneren Work-Life-Balance.

Noch jedoch sei der Code, den die KI-Tools generieren, „häufig teilweise fehlerhaft, instabil oder unsicher“. Es sei aber auch sicher, dass die Programmierfähigkeiten der LLMs besser werden. Weshalb er Verständnis dafür mitbringt, „wenn sich Einsteiger fragen, ob sie das Programmieren überhaupt lernen sollen. Schließlich könnten beide Gruppen schon bald mit KI-Anwendungen konkurrieren – und unter Umständen das Rennen verlieren.“

Egal, wie gut die KI programmiert: Developer sorgen für Qualität

Wie dieses Rennen ausgehen wird? Kuflom entwickelt in seinem Beitrag zwei Szenarien. Der – aus Sicht der Programmierer – negative Ausblick: „Die Künstliche Intelligenz beherrscht bald alle gängigen Programmiersprachen. Der Code ist exzellent und es gibt keinen Grund zur Beanstandung.“ In diesem Fall würden klassische Programmier-Skills tatsächlich überflüssig werden, „weil die KI-Programme effizienter – also schneller, fehlerfreier und billiger – als Menschen arbeiten“. War’s das dann für dieses Berufsbild? Nein, schreibt der Experte. Das Jobprofil gestaltet sich nur anders. Benötigt werden in diesem Szenario Skills im Bereich der Softwarearchitektur, wenn es also darum geht, zu planen und Qualität zu sichern. Ein weiterer Bereich, auf den sich Programmierer fokussieren könnten, sei das Prompting, also das Anweisen der LLMs. Ein drittes mögliches Feld, so Kuflom, sei der Fokus auf weniger häufig genutzte Programmiersprachen wie Cobol, Fortran oder ABAP: Hier könnten sich Nischen für versierte Software- Developer ergeben, schreibt der IT-Personalberater.

In seinem zweiten, positiven Szenario beschreibt Henok Kuflom eine IT-Welt, in der KI-Systeme „nur“ dazu dienen, die menschlichen Developer zu unterstützen. Dann müssten „bei komplexen Herausforderungen immer noch Entwickler aus Fleisch und Blut den Code durchleuchten und die Ergebnisse auf Herz und Nieren testen“, schreibt er. In der Praxis bedeute das, dass „der menschliche Softwareentwickler immer weniger selbst programmiert und immer mehr zum Projektleiter und QA-Manager (Quality Assurance Manager, Anmerk. d. Red.) wird“. Das sei wiederum eine sehr gute Entwicklung. Erstens mit Blick auf den eklatanten Fachkräftemangel. Zweitens, weil sich dadurch verhindern lässt, dass Softwareentwicklerinnen und -entwickler vor allem Routinearbeiten übernehmen müssen – und es damit zu Langeweile kommt.

Alles – bloß keine Langeweile

Wie zentral diese Entwicklung ist, zeigt der Report „#wanted and #misunderstood – A developer survey“, der vom Portal WeAreDevelopers auf Basis einer Umfrage in der Entwickler- Community erstellt wurde. Das Ergebnis laut Pressemitteilung: „Software-Entwickler legen vor allem Wert auf Zufriedenheit mit ihrer Arbeit – dieser Punkt ist für viele entscheidender als eine lange Unternehmenszugehörigkeit oder ein hohes Gehalt.“ So gab mehr als jeder zweite Befragte (59 Prozent) an, „sich in weniger als einem Monat weiter zu bewerben, wenn die aktuelle Stelle ihn oder sie langweilt“.

Wenn Unternehmen auch in Zukunft IT-Talente auf dem umkämpften Arbeits markt halten wollen, sollten sie von Anfang an kontinuierlich in die Mitarbeiterbindung investieren und Herausforderungen sowie Entwicklungs möglichkeiten anbieten.

Viele Arbeitgeber stellt diese Einstellung vor besondere Herausforderungen: Da die Entwicklerinnen und Entwickler sich laut Studie potenziell sehr schnell gegen ihren derzeitigen Arbeitsplatz entscheiden und generell offen für kurzfristige Änderungen sind, bleibt den Unternehmen oder Organisationen, bei denen sie angestellt sind, häufig nur wenig Zeit, um zu reagieren, sobald sie erkennen, dass der Arbeitsalltag von Langeweile geprägt ist und dadurch Motivationsverlust droht. „Wenn Unternehmen auch in Zukunft IT-Talente auf dem umkämpften Arbeitsmarkt halten wollen, sollten sie von Anfang an kontinuierlich in die Mitarbeiterbindung investieren und Herausforderungen sowie Entwicklungsmöglichkeiten anbieten“, fordert mit Blick auf das Studienergebnis der Autor Bernhard Lauer in einem Meinungsbeitrag des Entwickler- Online-Magazins dotnetpro.

Schon der Titel der Studie deutet an, dass der Vorwurf im Raum steht, die Arbeitgeber würden nicht unbedingt ein großes Verständnis dafür mitbringen, wie Entwicklerinnen und Entwickler arbeiten und worauf sie besonderen Wert legen: „#wanted and #misunderstood“ – gefragt, aber missverstanden. Die Umfrage, so Bernhard Lauer in seinem Beitrag, zeige, dass „europäischen Software-Entwicklern ihr Gehalt zwar sehr wichtig ist, es aber Werte gibt, denen die Arbeitgeber mindestens genauso viel Aufmerksamkeit schenken müssen, wenn sie im Rennen um die raren IT-Talente auf dem Markt die Nase vorn haben wollen.“ Zentral seien hier Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung sowie ständige neue Herausforderungen, die der Ambition von Entwicklerinnen und Entwicklern gerecht werden. Diese seien, so Bernhard Lauer in seinem Fazit zum Studienergebnis, „Schlüsselelemente, um IT-Talente anzuziehen und zu halten.“

Im besten Fall sind KI-Codierer also keine Jobkiller, sondern Langeweilekiller. Sie sorgen dann dafür, dass sich die Qualität der Jobs erhöht – und damit auch die Zufriedenheit.

Und an dieser Stelle könnte die künstliche Intelligenz den Unternehmen und Organisatoren helfen. Im besten Fall sind KI-Codierer also keine Jobkiller, sondern Langeweilekiller. Sie sorgen dann dafür, dass sich die Qualität der Jobs erhöht – und damit auch die Zufriedenheit. Kombiniert man die beiden Szenarien, ergibt sich ein neues Bild für die Arbeit von Entwicklerinnen und Entwicklern in der von KI-Systemen mitgeprägten Zukunft. Die durch das maschinelle Lernen immer tatkräftigeren LLMs machen das, was sie deutlich schneller können als der Mensch – nämlich beim Codieren „Strecke zu machen“. Der Mensch wird dadurch aber nicht ersetzt, im Gegenteil: Er nutzt die KI-Hilfe, um Projekte zu planen und zu managen, die Qualität zu sichern und kreative Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Das Schöne: Auch bei diesen Prozessen bieten sich LLMs als unterstützende Systeme an. Was im besten Fall dazu führt, dass die IT-Welt im KI-Zeitalter den Menschen ein Multitalent an die Seite stellt, das im besten Fall beides ist: fleißig und genial. Wobei die KI abhängig vom Menschen bleibt. Zumal dieser weiß, wo sich der Off-Schalter befindet.

AdobeStock/Ghori
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KI hilft bei Kooperationen

Dass KI-Systeme die Arbeit in der Softwareentwicklung beeinflussen werden, ist klar. Wie sehr – das war das Erkenntnisziel einer Studie der Digitalisierungs- und Unternehmensberatung Capgemini. Die Untersuchung, veröffentlicht im Sommer 2024, geht davon aus, dass LLMs „Software-Entwickler in zwei Jahren bei voraussichtlich mehr als 25 Prozent ihrer Arbeit in den Bereichen Software-Design, -Entwicklung und -Testen unterstützen“. Mit 80 Prozent geht eine große Mehrheit der befragten IT-Experten davon aus, dass sich ihre Rolle durch Tools und Lösungen mit Gen AI merklich verändern wird: „Indem diese zur Automatisierung einfacher, repetitiver Tätigkeiten beitragen, gewinnen die Fachkräfte mehr Zeit für anspruchsvollere Tätigkeiten mit höherem Nutzen“, heißt es in der Pressemitteilung zur Studienveröffentlichung. Mehr als drei Viertel der Softwareentwicklerinnen und -entwickler sind zudem davon überzeugt, dass „generative KI das Potenzial hat, die Zusammenarbeit mit Teams aus nichttechnischen Unternehmensbereichen zu erleichtern.“

Kuratiert

Europaweit einzigartiges Forschungsprojekt zu virtuellen Abbildern

Reale Schauspieler in virtuellen Umgebungen sind aus Filmproduktionen nicht mehr wegzudenken. Nun plant das Institut für Informatik der Universität Bonn die Entwicklung eines Visual Computing Incubators (VCI) und einer neuen virtuellen Forschungsmethode, genannt InVirtuo 4.0. Ein Ziel ist beispielsweise die Erforschung von Krankheiten. Das Hardwaresystem des VCI soll es ermöglichen, digitale Zwillinge auszumessen. Dank einer Multi-Kamera sollen beispielsweise minimale Zitterbewegungen bei Parkinson dargestellt werden können. Mit InVirtuo 4.0 sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen unter Verwendung von virtueller Realität zusammenarbeiten.

Gute Aussichten für IT-Absolventinnen und -absolventen

Was sind die Herausforderungen und Kompetenzen von IT-Managern und IT-Teams? Diese Frage hat die Cegos Group und ihre auf Weiterbildung in digitalen Berufen und Technologien spezialisierte Tochtergesellschaft in einer internationalen Studie (PDF) ermittelt. Ein für Absolventinnen und Absolventen erfreuliches Ergebnis: 68 % der CIOs planen, neue IT-Fachkräfte einzustellen, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Gefragt wurde auch nach den technischen Kompetenzen, in denen sich IT-Fachkräfte weiterbilden sollten: 90 % der CIOs nannten künstliche Intelligenz, 88 % Cybersicherheit und 85 % Datenanalyse als relevante Weiterbildungsthemen. Bei den Soft Skills wünschen sich die CIOs für ihre IT-Teams Schulungen zu Kreativität und Innovation (75 %), zur Stärkung von Tatkraft und unternehmerischem Denken (70 %). Außerdem sollen die Expertinnen und Experten lernen, ihr Wissen im Team zu teilen und zu delegieren.

Deutschlandweit einmaliger MI NT-Studiengang an der T U Chemnitz

Zum Wintersemester 2024/25 ist an der Technischen Universität Chemnitz der überarbeitete Bachelor-Studiengang „MINT: Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften mit Anwendungen in der Technik“ gestartet. Das Studium bietet eine solide Grundausbildung in zwei der drei wählbaren Fächer Mathematik, Physik und Informatik. Nach dem Studium können Absolventinnen und Absolventen direkt in den Beruf einsteigen oder einen aufbauenden Master anschließen. Neu ist, dass dieser Studiengang künftig auch die fachwissenschaftlichen Voraussetzungen für ein Studium „Lehramt an Oberschulen“ in den gewählten Fächern schafft.

BIM – die Digitalisierung des Bauwesens

Die Bauwirtschaft befindet sich mitten in der digitalen Transformation: Building Information Modeling (BIM) verändert die Art und Weise, wie Bauprojekte geplant, durchgeführt und verwaltet werden. Für Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen auch aus dem Bereich IT bietet BIM spannende Berufseinstiegsmöglichkeiten und zukunftsweisende Trends. Von Christoph Berger

Zur Person

Christoph Berger arbeitet im Kommunikationsteam der Geschäftsstelle von buildingSMART Deutschland, dem Kompetenznetzwerk für das digitale Planen, Bauen und Betreiben von Bauwerken. Ziel von buildingSMART Deutschland ist es, die digitale Transformation in der gesamten Wertschöpfungskette Bau voranzutreiben.

Building Information Modeling, kurz BIM, ist eine Methode, mit der Bauwerke besser geplant, gebaut und verwaltet werden können. Dabei bildet ein 3D-Modell die Grundlage, in dem alle wichtigen Daten zum Bauwerk digital erfasst und vernetzt werden. So können alle Beteiligten – zum Beispiel Architekten, Ingenieurinnen, Bauunternehmen und die späteren Betreiber – besser zusammenarbeiten. Sie alle greifen auf dasselbe Modell zu, wodurch Fehler frühzeitig erkannt und behoben werden und somit in der Bauausführung erst gar nicht passieren. Auch die Bauprozesse laufen wesentlich effizienter ab.

Ebenso lassen sich Änderungen im Planungsprozess schnell und einfach umsetzen. Das spart Zeit und Kosten. Wobei der Aspekt reduzierter Kosten auch noch an anderer Stelle zum Tragen kommt: Mengen und Massen lassen sich mit dem modellbasierten Arbeiten exakt erfassen. Bessere Kosten- und Budgetplanungen sind also weitere Vorteile der BIM-Methode. Oder in aller Kürze: BIM führt zu besserer Qualität und besseren Bauwerken.

Nachhaltigkeit und Ökobilanzierung

Und auch beim Thema Nachhaltigkeit kann der Einsatz der BIM-Methode wesentliche Verbesserungen mit sich bringen. Die genaue Bilanzierung von benötigten Mengen und Massen durch den Einsatz der BIM-Methode hat bereits einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Nachhaltigkeit von Bauwerken. Mit der ausführlichen und gezielten Erfassung von Daten zum jeweiligen Bauprojekt kann zudem eine ganzheitliche Ökobilanzierung durchgeführt werden, bei der alle Phasen des Lebenszyklus berücksichtigt werden – von der Rohstoffgewinnung über den Bau und Betrieb bis hin zum späteren Rückbau und dem Recycling der einstmals verbauten Materialen. Auch dies geschieht bereits in der Planungsphase.

So lassen sich mit BIM verschiedenste Szenarien anhand von Daten zur Materialherkunft, zu Transportwegen und Bauprozessen simulieren und vergleichen. Auch zu Konstruktionen. Es lassen sich durch diese Vorgehensweise nicht nur die besten ökonomischen, sondern auch die besten ökologischen Entscheidungen treffen, da viele negative Umweltauswirkungen vermieden werden. Weniger Energie- und Ressourcenverbräuche sowie geminderte Emissionen sind die Stichpunkte, die übrigens auch durch Regularien immer häufiger gefordert werden.

Open-BIM – die offene Zusammenarbeit

Im Gegensatz zu proprietären Lösungen, die auf herstellerspezifischen Softwarelösungen basieren, setzt Open-BIM auf offene Standards und Interoperabilität. Das heißt, dass verschiedene Softwarelösungen miteinander kompatibel sind und Daten ohne Probleme ausgetauscht werden können. Open-BIM ist demnach das Plus an BIM, da es nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren am Bau möglich macht, sondern die BIM-Daten auch noch flexibel und herstellerunabhängig genutzt werden können.

Mit BIM-Weiterbildungen zu BIM-Wissen

buildingSMART hat zusammen mit dem VDI das Professional Certification Program entwickelt und damit einen weltweit gültigen Qualitätsmaßstab für die Bewertung und Vergleichbarkeit von Kenntnissen und Fertigkeiten in Building Information Modeling geschaffen.

Ein wichtiger Bestandteil ist dabei das Industry Foundation Classes (IFC)-Format. Von buildingSMART entwickelt, handelt es sich bei IFC um einen offenen, herstellerunabhängigen Standard, der dafür sorgt, dass BIM-Daten zwischen verschiedenen Softwareanwendungen ausgetauscht und gemeinsam genutzt werden können. Alle Beteiligten eines Bauprojekts können sich darauf verlassen, dass die Daten konsistent und korrekt übertragen werden – ganz egal, welche Software sie nutzen. So lassen sich Missverständnisse vermeiden und eine reibungslose Zusammenarbeit gewährleisten.

Ebenso sind die Informationsanforderungsspezifikationen oder Information Delivery Specifications (IDS) ein wichtiger Bestandteil von Open-BIM. Dieser, ebenfalls von buildingSMART entwickelte Standard, kann von Menschen leicht gelesen und von Computern interpretiert werden. Er ermöglicht die Automatisierung für Endbenutzer und schafft Klarheit, Vertrauen und Konsistenz. So kann mit IDS festgelegt werden, welche Daten in einem BIM-Datensatz enthalten sein müssen. Anschließend wird überprüft, ob sie auch tatsächlich geliefert werden bzw. wurden. IDS stellen außerdem sicher, welche Informationen in den verschiedenen Phasen eines Bauprojekts benötigt werden, sodass alle Beteiligten immer die richtigen Informationen zur richtigen Zeit und im richtigen Format bekommen. Damit ist dafür gesorgt, dass alles schneller geht und keine wichtigen Infos verloren gehen.

Mit BIM-Know-how durchstarten

Für Hochschulabsolventinnen und -absolventen bieten sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklung mit BIM ganz neue Karrierechancen. Die Nachfrage nach Expertinnen und Experten mit BIM-Kenntnissen steigt. Hier haben auch IT-Expertinnen und Experten gute Chancen, die fit sind im Umgang mit digitalen Werkzeugen, die bereit sind, sich klassisches Know-how des Bauingenieurwesens anzueignen und Kenntnisse mit BIM-Software besitzen. Ist dieses Wissen oder die Bereitschaft vorhanden, sich BIM-Know-how anzueignen, ergeben sich für Berufseinsteiger diverse Möglichkeiten, in unterschiedlichsten Bereichen durchzustarten: in Planungsbüros und Bauunternehmen, bei Projektentwicklern, der öffentlichen Hand oder im Facility Management. Auch die entsprechenden Softwarehersteller sind auf der Suche nach den oben genannten Kombinationen. Eine Spezialisierung auf bestimmte BIM-Bereiche, wie etwa die Koordination oder das Management von BIM-Projekten, ist ebenfalls spannend.

Das Fazit lautet: Unternehmen, die auf BIM setzen, profitieren langfristig von effizienteren Prozessen, geringeren Kosten und einer höheren Bauqualität. Für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger heißt das, dass sie mit ihrem Wissen aus der Informationstechnologie in einer Branche durchstarten können, die sich rasant weiterentwickelt und viele Möglichkeiten bietet. Mit der Kombination aus digitalen Kompetenzen und traditionellem Ingenieurwissen können sie maßgeblich dazu beitragen, die Zukunft des Bauwesens zu gestalten.