Interview mit Just Schürmann

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Was er in seiner Kindheit begonnen hat, führt Just Schürmann bis heute fort:Reisen in die verschiedensten Länder gehören zu seinem Arbeitsalltag als Strategieberater. Als „Nebenjob“ sucht er die besten Köpfe für einen Einstieg bei der Boston Consulting Group – und schafft es bei all der Arbeit, noch genügend Zeit für seine Familie zu haben. Mit Sabine Olschner sprach er über Beraterstress, Heimatgefühle und den Wert von Musicals.

Zur Person

Just Schürmann wurde 1968 in Teheran geboren und wuchs in Kabul und San Francisco auf. Er studierte BWL und VWL an der Universität Passau und der London School of Economics. Zuvor hatte er bei der Siemens AG eine Lehre zum Industriekaufmann absolviert. Seit Mitte 1996 ist Just Schürmann Berater im Münchner Büro der Boston Consulting Group, 1998 verbrachte er 18 Monate im BCG-Büro in Madrid. Seine Kunden kommen vor allem aus der Konsumgüterindustrie und dem Handel. Anfang 2005 wurde er Geschäftsführer und Partner von BCG und übernahm die Verantwortung für die Nachwuchssuche von BCG in Deutschland. Just Schürmann ist verheiratet und hat eine Tochter. In seiner Freizeit ist der begeisterte Mountainbiker, der auch eine Alpenüberquerung nicht scheut, gern in den Münchner Hausbergen unterwegs.

Sie sind als Kind viel herumgekommen: Teheran, Kabul, San Francisco, München …Wo fühlen Sie sich heimisch?
In Deutschland und hier speziell in München. Über die eigene Familie bekommt man ein gewisses Kulturgut mit, egal wo man lebt. Dabei spielt sicherlich die Sprache eine wichtige Rolle: Zu Hause habe ich mit meinen Eltern Deutsch gesprochen, in der Schule oder mit Freunden Englisch. Die Familie prägt die persönliche Identität und auch das Heimatgefühl.

Haben Sie das Reisen in Ihrer Kindheit und Jugend als positiv empfunden?
Rückblickend bin ich sehr dankbar, dass ich in verschiedenen Ländern aufwachsen konnte.Man gewinnt eine gewisse Flexibilität und Sicherheit im Umgang mit anderen Kulturen. In Amerika aufgewachsen zu sein, hat mir sehr viel gebracht, auch für meinen Beruf: Zum einen natürlich die englische Sprache, zum anderen aber auch die Erfahrung mit der vielfältigen amerikanischen Kultur. Die verschiedenen Nationalitäten und ethnischen Gruppierungen, die dort auf einem Fleck zusammenkommen, öffnen den eigenen Horizont. Man begegnet dem Neuen grundsätzlich erst einmal offen und neugierig.

Welches Land würden Sie einem Studenten für einen Auslandsaufenthalt empfehlen?
Der Auslandsaufenthalt an sich hat schon einen hohen Wert, unabhängig von dem Land, in das man geht. Es zählt viel mehr, dass man dort mit einer anderen Kultur konfrontiert wird. Sich in Polen, Portugal oder Korea zurechtzufinden, ist sicherlich eine größere Herausforderung, als in England, der Schweiz oder den USA zu leben.

Stimmt es, dass Consultant ein stressiger Beruf ist?
Für mich ist es ein herausfordernder Beruf. Man wird laufend mit neuen Themen und Unternehmen konfrontiert, betreut mehrere Projekte gleichzeitig und reist viel. Ich brauche diese Abwechslung und würde tägliche Routine eher als belastend empfinden. Consulting ist auf andere Art stressig als vergleichbare Jobs, in dem man jede Minute unter Hochspannung steht und ständig in kürzester Zeit die richtige Entscheidung treffen muss.

Wie schaffen Sie es, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen?
Ich setze sehr genau Grenzen und trenne Beruf und Privatleben.Wochenenden sind für mich heilig. Dafür muss ich halt in der Woche intensiver arbeiten. Und ich habe immer wieder längere Auszeiten genommen, zum Beispiel drei Monate lang nach der Geburt meiner Tochter.Wenn ich unterwegs oder beim Kunden bin, halte ich per Telefon engen Kontakt zu meiner Familie. Und ich bemühe mich, trotz wenig Freizeit meinen Freundeskreis zu pflegen. Dies alles hilft mir, die Bodenhaftung bei meiner Arbeit zu behalten.

Sie haben Top-Absolventen in einer Studie befragt,worauf es ihnen bei einem potenziellen Arbeitgeber ankommt. Die wichtigsten Ergebnisse?
Die Absolventen wollen einen Arbeitgeber, bei dem sie sich persönlich weiterentwickeln können, intellektuell arbeiten und gleichzeitig selbst etwas bewegen können. Bei der Frage nach der Work-Life-Balance geht es den Absolventen gar nicht so sehr darum, Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen: Sie sind durchaus bereit, sich stark zu engagieren, erwarten aber im Gegenzug auch Freiräume. Sie wollen Job, Familie, Freunde und vor allem Perspektiven. Je mehr Entwicklungsmöglichkeiten sie geboten bekommen, umso mehr sind sie bereit, viel Zeit in ihre Arbeit zu investieren, weil sie auch für sich persönlich viel dazulernen können.

Können Consultingunternehmen den Absolventen bieten,was sie erwarten?
Die Strategieberatung bietet anspruchsvolle Aufgaben und abwechslungsreiche Tätigkeiten mit den großen Themen in Unternehmen. IT- und Prozessberatung sind stärker standardisiert und bieten damit eher ein berechenbares Umfeld, in dem man seine Fähigkeiten entfalten kann. Generell sind Beratungen aufgrund der Projektarbeit sicherlich im Vorteil gegenüber Industrieunternehmen, wenn es um persönliche Freiräume geht.Wir ermöglichen auf jeder Karrierestufe eine Auszeit,während eine Führungsstelle in einem Industrieunternehmen nicht einfach drei Monate verwaist sein kann.

Sie sind Berater und Personalchef – welcher Job gefällt Ihnen besser?
Wenn ich mich für eines entscheiden müsste,wäre es die Beratung,weil mir die intensive Zusammenarbeit mit meinen Kunden viel Spaß macht. Im Grunde gefällt mir aber die Kombination aus beidem: Ich bin für eine Abteilung und alle dazugehörigen Aufgaben verantwortlich. Dadurch kann ich die Probleme meiner Kunden, die ebenfalls eine solche Führungsverantwortung tragen, besser verstehen.

Vor Ihrem Berufseinstieg haben Sie ein Musical geschrieben.Wie kam es dazu?
Ich hatte schon in der Schule ein großes Faible für Theater und bin auch selbst aufgetreten.Während meines Studiums habe ich mit meinem Mitbewohner, einem Musiker und Komponisten, und einem weiteren Kommilitonen ein Musicalunternehmen gegründet. Ich habe die Texte geschrieben, und gemeinsam haben wir das Stück produziert, aufgeführt und auf CD aufgenommen.

Was hat Ihnen dieses Projekt beruflich gebracht?
Ein eigenes Unternehmen zu gründen und so viele Leute als Mitwirkende und Zuschauer zu begeistern,war für mich eine wichtige Erfahrung. Mehr als hundert Personen waren über zwei Jahre lang an dem Projekt beteiligt.Wenn man Spaß an einer Sache und eine Vision vor Augen hat, kann man unglaublich viel erreichen. Diese Erfahrung hat mir für meine Beratertätigkeit und auch für meine Führungsrolle sehr viel gebracht.

Sollten alle angehenden Berater einmal im Leben ein Musical geschrieben haben?
Im übertragenen Sinne ja: Jeder sollte neben Studium oder Job etwas machen, für das er sich begeistert und das seinen Horizont erweitert. Genau das sind die Kandidaten, nach denen wir suchen. Bewerber, die nur perfekte Noten haben und im Ausland gewesen sind, aber deren Lebenslauf sonst weder Passion noch Persönlichkeit erkennen lässt, sind weniger interessant für uns.Wofür das Herz konkret schlägt, ist uns egal. Bei mir war das die Oper, bei anderen ist es soziales Engagement, Sport oder etwas ganz anderes.

Interview mit Stephan Scholtissek

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Kreativität allein reicht nicht aus, um den Standort Deutschland voranzubringen, meint Stephan Scholtissek, Sprecher der Geschäftsführung von Accenture Deutschland. Das 2004 von der Bundesregierung ausgerufene „Jahr der Innovation“ war ihm ein Gräuel, weil Innovation für ihn Erfindung plus Markterfolg bedeutet – und das dauert bekanntlich deutlich länger als nur ein Jahr. Scholtissek fordert Umsetzungskreativität.

Zur Person

Stephan Scholtissek, Jahrgang 1959, ist promovierter Biochemiker. Er begann seine Karriere beim Medizintechnologieunternehmen Dräger und entschied sich anschließend für den Wechsel in die Unternehmensberatung. Nach AT Kearney und Bain & Company ging er 1997 zu Accenture, wo er seit drei Jahren Sprecher der Geschäftsführung ist. Privat lebt Scholtissek mit seiner Familie in München. Sein Hauptthema: Innovationen in Deutschland.

Wie definieren Sie Kreativität?
Kreativität wird im Allgemeinen fast immer gleichgesetzt mit der Schaffung von Neuem, beispielsweise der Erfindung eines neuen Produktes. Meiner Meinung nach ist diese Definition zu einseitig, denn sie beschreibt nur den Erfindungsprozess. Doch es ist genauso wichtig, kreative Lösungen für den darauf folgenden Umsetzungsprozess zu finden, Antworten auf Fragen wie: „Wo finde ich meinen Markt?“, „In welchem Land führe ich mein Produkt ein?“, „Was unterscheidet meines von den Konkurrenzprodukten?“ oder „Wie viel Geld habe ich zur Verfügung?“. Dies erfordert kreative Herangehensweisen insbesondere in Bezug auf Marketing und Vertrieb. Dabei geht es darum, Probleme zu lösen, und diese Lösungen kreativ in die Realität umzusetzen. Diese Art der Kreativität wird aber oft nicht gesehen, und genau das ist Deutschlands Problem. Wir müssen weg von einem einseitigen Kreativitätsbegriff.

Inwiefern kann es Deutschland helfen, den Kreativitätsbegriff zu erweitern?
Aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet gibt es nur drei Dinge, die wichtig sind: Rohstoffe, Bildung und Innovationen. Da wir in Deutschland keine Rohstoffe haben, bleiben für uns folglich nur zwei Bereiche übrig: Bildung und Innovationen. Frau Merkel hat recht, wenn sie sagt: Kreativität ist die Grundvoraussetzung für Innovationen – aber diese Art der Kreativität ist nicht Deutschlands Problem. Deutschland ist das Land der Ideen. Hier werden jedes Jahr Tausende Patente angemeldet, Konzepte entwickelt, Ideen vorgestellt – daran mangelt es uns nicht. Die Ideen für Produkte wie Computer, Telefaxe, Videos oder MP3-Player stammen aus Deutschland – vermarktet wurden sie jedoch woanders. Uns fehlt zunehmend die Fähigkeit, Ideen in die Realität umzusetzen. Das ist knochenharte Arbeit, die Kreativität, soziale Kompetenz und Unternehmertum erfordert. Wären alle diese Erfindungen dann auch in Deutschland produziert worden, hätten wir so viel Arbeit, dass wir sie mit eigenen Mitarbeitern gar nicht hätten abarbeiten könnten.

Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit Ideen nicht nur entwickelt, sondern auch in Deutschland umgesetzt werden?
Das Problem lautet: „Wie bekomme ich Produkte in den Markt?“ Eine Standard- oder gar Ideallösung hierfür gibt es nicht. Um aber die jeweils beste Lösung zu finden, müssen Wirtschaft und Politik endlich umdenken. Die Unternehmen müssen dem Thema Innovationen grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit schenken. Es darf hier nicht immer nur um Kostenreduktion gehen, stattdessen sollten die Unternehmen ihre Prozesse und Produkte innovieren und dort entsprechend investieren, um den Umsatz zu steigern. Dabei braucht die Wirtschaft Unterstützung von der Politik. Diese muss die Rahmenbedingungen schaffen, so dass nicht nur Erfindungen gefördert werden, sondern vor allem der Schritt danach. So sollte zum Beispiel bereits die universitäre Ausbildung praxis- und produktorientierter sowie näher an der Wirtschaft ausgerichtet sein. Darüber hinaus sollte die Politik Unternehmensgründungen erleichtern, denn am Ende zählt ausschließlich der Markterfolg, nicht die Idee.

Werden Absolventen und Young Professionals in ihrem Studium darauf vorbereitet, kreative Lösungen zu entwickeln?
Nein, in der Regel lernen sie es dort nicht. Die technische und betriebswirtschaftliche Ausbildung in Deutschland ist sehr gut, aber sobald es darum geht, Lösungen unter begrenzenden Bedingungen umzusetzen, wird es schwierig. In der Regel fehlt es darüber hinaus an sozialer Kompetenz und unternehmerischem Denken. Also, in Summe fehlt die Basis, um wirtschaftlich kreative Lösungen zu entwickeln, sowie das Wissen um die Notwendigkeit dieser Themen. Und da mangelt es dann eben auch an der Fähigkeit, Umsetzungsprobleme kreativ zu lösen.

Was können Young Professionals tun, um „umsetzungskreativer“ zu werden?
Sie sollten schon während des Studiums Praktika absolvieren, um sich mehr mit der Realität in der Wirtschaft zu beschäftigen. Dabei sollten sie gezielt dort hingehen, wo es brennt. In ein Projekt, das tatsächlich umgesetzt wird, um zu lernen, wie Unternehmen in der Praxis agieren. Gleichzeitig lernen sie am eigenen Leib die Gesetze von Marketing und Vertrieb kennen, wenn sie sich mit den Fragen „Wie muss ich mich vermarkten? Was mache ich? Wie bekomme ich das verkauft? Was kriege ich dafür? Lohnt sich mein Einsatz?“ beschäftigen müssen.

Können die Hochschulen ihre Studenten dabei unterstützen?
Der Bologna-Prozess ist hier äußerst hilfreich. Die Schaffung eines zweistufigen Systems von Studienabschlüssen, um auf der einen Seite den Hochschulnachwuchs zu fördern und auf der anderen Seite praxisorientiert auszubilden, wie es beim Bachelor der Fall ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es sollte zur Regel werden, dass zwischen Bachelor und Master eine Praxisphase liegt. Arbeit und Ausbildung müssen parallelisiert oder zumindest hintereinander geschaltet werden, um umsetzungsstarke Mitarbeiter heranzuziehen.

Sind das die Top-Manager von morgen?
Zunächst einmal: Den Top-Manager der Zukunft gibt es nicht. Es zeichnen sich zwei Modelle ab: Einerseits die rationalen Unternehmensführer, die analytische und synthetische Fähigkeiten vereinen. Andererseits ein Führungs-Tandem bestehend aus einem Vorstandsvorsitzenden, der in der Lage ist, die Unternehmensstrategie nach außen und nach innen zu kommunizieren, und einem Finanzvorstand, der diese Kompetenzen entsprechend ergänzt. Wenn sie zusammenarbeiten, sind sie immer besser als einer allein. Auf der zweiten Managementebene brauchen wir Manager, die sowohl Ideen entwickeln als auch umsetzen können. Sie müssen in der Lage sein, stabile Prozesse zu betreiben und neue Produkte auf dem Markt einzuführen. Als Projektleiter und -lenker müssen sie inhaltlich stark und sozial kompetent sein, sie sollten das Programmmanagement verstehen und unternehmerisch denken, gleichzeitig dürfen sie nur wenig hierarchisch orientiert sein. Das sind die Führungskräfte von morgen, aus denen sich Top-Manager entwickeln.

Was können Young Professionals auf jeden Fall tun, um gute Führungskräfte zu werden?
In ihren ersten drei Karrierejahren sollten Young Professionals auf jeden Fall im nächsten schwierigen Projekt mitarbeiten, wenn irgend möglich sogar die Leitung übernehmen. Nur so können sie lernen, Ideen in die Realität umzusetzen. Dann sollten sie Führungsverantwortung für Mitarbeiter übernehmen. Darüber hinaus halte ich es für ganz wichtig, dass Manager sozial kompetent sind. Dazu sollten sie sich aus dem Alltagsgeschäft herausnehmen und ein Corporate Social Responsibility Projekt, beispielsweise in der Stiftung ihres Unternehmens, übernehmen. Danach, etwas später in der Karriere, ist es wichtig, Finanzverantwortung zu übernehmen, indem man ein festgelegtes Budget managt. Und schließlich sollte ein guter Manager den Kundenkontakt im Marketing oder im Vertrieb selbst kennen gelernt und gelebt haben.

Gibt es Arbeitsformen, die sowohl die Ideenfindung als auch das Finden einer Lösung zur kreativen Umsetzung fördern?
Ja, interdisziplinäre, weitgehend hierarchiefreie Projektarbeit, übergreifend über alle Funktionen. Alle Beteiligten erarbeiten gemeinsam Ideen und Lösungen. Unterstützen kann man dies mit einem entsprechenden Rahmen: keine festgelegten Büros, sondern unterschiedliche Räume, die nach Bedarf und Anlass genutzt werden können. So kann sich Kreativität frei entfalten.

Wie kamen Sie auf die Idee, einen Roman zu schreiben?
Accenture bemüht sich sehr um Innovationen im Land. Das Problem ist aber, dass Innovationen immer mit Erfindungen gleichgesetzt werden. Erfindungen alleine reichen jedoch nicht, wir müssen sie auch in den deutschen Markt bringen. Unser Bemühen ist es, dieses Verständnis für Innovationen zu stärken. Denn nicht nur Produkte, sondern auch Prozesse können innoviert werden: Prozessinnovationen ändern zwar wenig am Produkt, aber sie ermöglichen es, Produkte zu anderen Kosten herzustellen. Wir von Accenture haben zu dieser Problemstellung Sach- und Fachbücher geschrieben, die von vielen interessierten Wirtschaftsleuten gelesen werden, aber eine Breitenwirkung haben sie leider nicht. Der Durchschnittsleser beschäftigt sich nicht mit dem Thema Innovationen. Daraus wurde die Idee geboren, ein anderes Medium zu wählen, um diese Leute mit einer anderen Form von Text zu erreichen. Auf die Frage: „Wie kann ein durch Innovationen positiv weiterentwickeltes Deutschland aussehen?“ habe ich mit „Stromland“ eine mögliche Antwort gesucht und aufgeschrieben.

Worum geht es genau in Ihrem Roman „Stromland“?
Es gibt zwei Ebenen: Zum einen gibt es die Geschichte, die erzählt wird, zum anderen den Inhalt, der meine Vision transportiert. Die Geschichte ist schnell erzählt: Drei Studienkollegen sind unzufrieden mit dem Deutschland um das Jahr 2005 herum, jeder der drei reagiert darauf unterschiedlich: Sven Laufer, die Hauptfigur, wandert aus, der eine Kollege geht in die Politik, sein dritter Kollege macht sich selbständig. Alle versuchten in ihren neuen Positionen, den Standort Deutschland voranzubringen. Die dahinter liegende Vision ist eindeutig: Wir haben in Deutschland die Ideen, wir müssen sie „nur“ realisieren. Dieser Wirtschaftsroman zeigt, wie es in Deutschland in 15 Jahren aussehen kann, wenn wir endlich wieder anfangen, Ideen in die Tat umzusetzen.

Was können junge Führungskräfte von „Stromland“ lernen?
Das Buch an sich ist ja keine Handlungsanweisung, sondern es will eine Vision zeichnen. Lernen kann man daraus, dass man sich mit etwas, mit dem man unzufrieden ist, nicht abfinden sollte, sondern man sollte überlegen, wo für einen selbst der Weg ist, die Dinge zu ändern. Man kann lernen, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt und dass jeder für sich entscheiden muss, welcher Weg der richtige ist. Denn sobald man aufhört, selbst zu agieren, wird man vom System getrieben. Das wiederum führt dazu, dass man sich nicht weiterentwickelt, sondern stagniert. Wir in Deutschland dürfen die Innovationsseite einfach nicht unterschätzen. Wir haben keine Rohstoffe, also müssen wir uns darum kümmern, unsere guten Ideen umzusetzen und damit mehr Arbeit zu schaffen. Jeder kann mithelfen, Arbeit in Deutschland zu schaffen. Die Alternative ist, sich woanders Arbeit zu suchen.

Ist Auswandern also die Lösung?
Es ist nicht die Lösung. Die aktuelle Auswanderungswelle, vor allem von Akademikern, ist die logische Konsequenz, wenn der Standort, also Unternehmen und Staat zusammen, nicht genügend Arbeit bereitstellen kann. Der Staat muss die Rahmenbedingungen setzen, um Ideen und Innovationen umsetzen zu können und damit Arbeit zu schaffen. Die Unternehmen müssen die Innovationen in Markterfolge umsetzen. Wenn wir das nicht hinbekommen, dann gehen noch mehr weg.

Würden Sie also John F. Kennedys Ausspruch „Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst“ in Bezug auf Deutschland umkehren?
Nein, das ist mir zu einseitig. Es sollte weder so sein, dass jeder sich nur um sich selbst kümmert, noch dass der Staat sich weiterhin um alles kümmern will, wie er es in Deutschland die vergangenen 60 Jahre getan hat. Die Balance muss wieder gefunden werden: Der Staat muss sich seinen hoheitlichen Aufgaben widmen und Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Unternehmen und Menschen Innovationen voranbringen können. Im Gegenzug dazu sind Unternehmen und Individuen für ihre Bildung und ihre Fähigkeit, Lösungen kreativ umzusetzen, selbst verantwortlich. Es ist wie ein Dreiklang, der wiederhergestellt werden muss: Der Staat schafft die Rahmenbedingungen, die Unternehmen setzen Innovationen um, und das Individuum muss entsprechend ausgebildet und leistungswillig sein, um den Standort Deutschland nach vorne zu bringen.

Interview mit Stephan Schilling

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Der Disziplinierte

„Wer heute Wirtschaftsprüfer werden will, muss viel Motivation und Disziplin mitbringen, sagt Stephan Schilling. Schließlich fangen Universitätsabsolventen in dieser Branche wieder ganz unten an: Sie müssen unter der Woche und an den Wochenenden viel lernen, denn die Prüfungen zum Steuerberater und dann zum Wirtschaftsprüfer haben es in sich. Bettina Blaß sprach mit ihm über den Einstieg von Absolventen in die Wirtschaftsbranche.

Zur Person

Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten in Marburg, Aachen und Mannheim begann Stephan Schilling seine Karriere 1987 als Assistent bei Touche Ross & Co, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf. Ab 1989 arbeitete er dann als Prüfungsleiter und Manager bei Pricewaterhouse in Leipzig und Düsseldorf. Vier Jahre später wurde er Manager in der Sozietät Rölfs Bühler & Partner und ab 1994 Partner. Ab 1997 war Stephan Schilling Mitglied des Vorstandes der RölfsPartner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Leiter der Niederlassungen Düsseldorf, Leipzig und Frankfurt am Main. Nach einer fast dreijährigen Berufserfahrung in der Industrie als Finanzchef beim Arnsberger Tissue-Hersteller Wepa, kehrte er im Oktober 2012 als Partner und Vorstand zur RölfsPartner Wirtschaftsprüfung zurück, um das Restrukturierungsteam mit seinen Kompetenzen zu verstärken.
Seine Arbeitsschwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen finanzwirtschaftliche Sanierungen, Unternehmenszusammenschlüsse, Synergieerzielung, kaufmännische Systeme-Schnittstellen-IT, Interims Management und Finanzierungen für große und mittelständische Unternehmen.

Warum sind Sie Wirtschaftsprüfer geworden?
Ich wollte immer Betriebswirtschaft studieren. Und als ich mich während des Studiums mit einem Wirtschaftsprüfer unterhielt, gefiel mir sehr, was er erzählte. Er schilderte einen vielfältigen Beruf, und das war mir wichtig.

Hat Sie Ihr Studium ausreichend auf Ihren Berufsalltag vorbereitet?
Für den Einstieg war es ausreichend – allerdings nur in der Kombination mit den Praktika, die ich absolviert habe.

Worauf kommt es bei Praktika an?
Solange die Praktika zielgerichtet sind, ist es egal, ob ein Student sie bei einem großen oder kleinen Unternehmen absolviert. Es kommt darauf an, dass er Initiative beweist. Wichtig finde ich auch, dass Bewerber mal nach rechts und links geblickt haben, sich außerhalb der Uni engagieren – und möglicherweise auch einige Zeit im Ausland waren.

Ausland – ein gutes Stichwort. Wobei geht es Ihnen dabei?
Man muss nicht im Ausland studieren. Aber dort einige Zeit gewesen zu sein, ist gut, um eine Sprache zu lernen. Wobei Englisch in Wort und Schrift bei uns Mindestvoraussetzung ist. Eine Zweitsprache ist für die Arbeit bei uns von Vorteil – gerne Französisch oder Spanisch. Aber sie ist keine notwendige Vorraussetzung. Exotischere Sprachen wie beispielsweise Mandarin sind bei uns im Berufsalltag derzeit nicht verwendbar.

Welche Kriterien legen Sie bei einer Bewerbung an?
Noten sind uns weniger wichtig, als dass jemand aus der Masse herausragt. Was hat er neben der Uni gemacht? Wie kommunikativ ist er? Wie kann er sich in ein Team eingliedern? Hat er Verantwortungsbewusstsein? Uns interessiert die Frage „Wie ist derjenige menschlich geeignet?“ eher als das Fachwissen

Wie finden Sie das heraus?
Nach einem persönlichen Gespräch von einer Stunde weiß man eine ganze Menge. Vor allem, wenn man schon viele Leute gesehen hat und das Gespräch zu zweit führt.

Worauf muss sich ein Einsteiger bei Ihnen einstellen?
Er muss viel Motivation und Disziplin mitbringen. Denn Uni-Absolventen fangen bei uns ganz neu an. Sie müssen erneut Prüfungen absolvieren, um Wirtschaftsprüfer zu werden. Das müssen Einsteiger wissen, bevor sie sich bewerben.

Was sind Ihre Aufgaben bei RölfsPartner?
Bei mir ist es eine Mischung: Einen Teil delegiere ich an mein Team – und einen Teil mache ich selbst. Ich betreue die Niederlassungen in Düsseldorf, Frankfurt am Main und Leipzig. Und ich versuche die Arbeit dieser drei Standorte miteinander zu vernetzen. Ich kümmere mich darum, dass wir neue Mandate akquirieren, die Aufgaben richtig besetzen und die Ergebnisse den Mandanten in geeigneter Form präsentieren. Derzeit führe ich zusätzlich Personalgespräche – wir suchen einerseits neue Leute, und andererseits stehen die Jahresgespräche mit rund 50 Mitarbeitern an.

Das klingt nach viel Arbeit. Wann stehen Sie morgens auf?
Um sechs. Ich muss vor der Arbeit noch meinen Sohn zum Bahnhof bringen. Und ab halb acht arbeite ich dann – denn ich nutze schon die Zeit im Auto, um zu telefonieren. Gegen 20 Uhr bin ich dann in der Regel fertig. Manchmal kann es aber auch länger dauern, das hängt von den Mandanten ab.

Wie viele Tage in der Woche sind Sie in Deutschland unterwegs?
Ich bin zwei Tage in Düsseldorf und drei Tage in Frankfurt, Leipzig oder bei Mandanten. Meine Mitarbeiter sehe ich entweder dort, oder wir telefonieren. In der Branche wird erwartet, dass man heutzutage mittels Blackberry und Handy überall und jederzeit erreichbar ist.

Wie bekommen Sie das mit Ihrer Familie vereinbart?
Es konzentriert sich sehr vieles aufs Wochenende, sowohl mit der Familie als auch mit Freunden.

Hat sich Ihr Beruf in den 20 Jahren, in denen Sie ihn ausüben, verändert?
Ja, er hat sich enorm verändert: Früher gab es noch ein Saisongeschäft. Bis März hatten wir alle Hände voll zu tun, dann flaute es ab. Im Sommer war es sehr ruhig, und gegen Winter fing es wieder an. Das ist heute anders: Wir sind jetzt das ganze Jahr über stark beschäftigt. Außerdem sind wir keine reinen Wirtschaftsprüfer mehr. Das Geschäft hat sich stark Richtung Unternehmensberatung verschoben. Hinzu kommen viele gesetzliche Änderungen und internationale Regelungen wie US GAAP oder IFRS.

Das heißt, dass man sich in Ihrer Branche ständig weiterbilden muss?
Ja. Wir bieten dazu Schulungen an. Und natürlich erwarten wir ein gewisses Maß an Eigeninitiative unserer Mitarbeiter. Sie müssen beispielsweise die relevante Fachliteratur lesen.

Wie wichtig sind Netzwerke?
Für uns unabkömmlich. Wir organisieren für unsere Manager Wochenendtagungen, damit sie lernen, Netzwerke zu knüpfen. Und wir haben ein weltweites Netzwerk, das wir pflegen. Ich bin außerdem im Lions Club engagiert.

Hat der Beruf des Wirtschaftsprüfers negative Seiten?
Junge Leute müssen aufpassen, dass sie sich nicht verschleißen. In unserer Branche wird generell viel gearbeitet, und während der Lernphasen zur Vorbereitung auf das Steuerberater- und das Wirtschaftsprüferexamen ist die Belastung für die jungen Leute sehr hoch. Man sollte seine eigenen Grenzen kennen. An dieser Stelle sind unsere Führungskräfte gefordert, die jungen Mitarbeiter zu unterstützen.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufes?
Ich denke, wir haben alle Chancen der Welt, weiterhin eine wachsende Branche zu sein. Unser Berufszweig ist breit aufgestellt und gut angesehen. Nur die gesetzlichen Änderungen werden uns auch weiterhin vor neue Herausforderungen stellen. Aber der Beruf wird weiterhin interessant bleiben. Derzeit gibt es eine Konzentrationswelle, und ich glaube, die kleinen Einzel-Prüfer-Büros werden auf Dauer dadurch keine Zukunft haben. Auch für Studierende wird sich etwas ändern, denn künftig soll man den Beruf des Wirtschaftsprüfers direkt studieren können.

Zum Unternehmen

RölfsPartner gehört zu den führenden unabhängigen Beratungsgesellschaften Deutschlands. Eine starke Teamorientierung und ein ganzheitlicher Beratungsansatz prägen die Arbeitsweise von RölfsPartner: Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater arbeiten interdisziplinär eng zusammen und bieten ein breites Spektrum spezialisierter und kundenorientierter Dienstleistungen an. Die interdisziplinären Kompetenzen sind in den sechs Competence Centern Fraud • Risk • Compliance, Private Clients, Public Sector, Real Estate, Restructuring sowie Transactions gebündelt. RölfsPartner ist mit 700 Mitarbeitern an zwölf Standorten in Deutschland und durch die Mitgliedschaft bei Baker Tilly International auch weltweit vertreten.
Baker Tilly International ist mit über 24.000 Mitarbeitern in 125 Ländern ein führendes internationales Netzwerk unabhängiger Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften.

Interview mit Ingrid Schmidt

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„Unspektakulär und arbeitsintensiv“ nennt Ingrid Schmidt ihren Arbeitstag, der jeden Morgen um 7:30 Uhr beginnt. Auf dem Weg zum Gericht plant sie ihn durch. Für ihre berufliche Zukunft hat die Richterin hingegen seit ihrer Zeit am Sozialgericht keine Pläne gemacht. Dennoch führte ihr Weg gradlinig auf das Präsidentinnenamt des Bundesarbeitsgerichts zu. Auch in dieser Position verwendet sie ihre Gedanken lieber auf das Jetzt. Im karriereführer spricht die oberste Arbeitsrichterin über richterliche Disziplin, die heutige Arbeitswelt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Fragen stellte Britta Hecker.

Zur Person

Ingrid Schmidt wurde am 25. Dezember 1955 in Bürstadt geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Nach dem Zweiten Staatsexamen 1983 arbeitete sie zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Privat-,Verfahrensrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Frankfurt am Main. Seit 1985 war sie als Richterin in der Hessischen Sozialgerichtsbarkeit tätig, zuletzt als Richterin am Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt. Zwischenzeitlich war Ingrid Schmidt von November 1990 bis 1993 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet. 1994 kam sie als Richterin ans Bundesarbeitsgericht, dessen Präsidentin sie seit 2005 ist. In ihrer Freizeit liest sie alles,war ihr unter die Finger kommt, vor allem Krimis und Biographien. Ein anderes Hobby ist Joggen – wenn es geht, zweimal pro Woche eine Stunde.

Warum haben Sie sich damals für das Richteramt entschieden?
Ausschlaggebend dürften wohl zwei Dinge gewesen sein: Zum einen hatte ich schon immer einen unabhängigen Kopf und wollte mir im Beruf wenig Vorschriften machen lassen und für meine Entscheidungen und meine Arbeit die Verantwortung selbst übernehmen. Zum zweiten war mir von vorneherein klar, dass ich Familie und Beruf am ehesten mit einer richterlichen Tätigkeit vereinbaren kann.

Was finden Sie gerade am Arbeitsrecht so interessant?
Das Arbeitsrecht regelt die Rechtsverhältnisse der mehr als 31 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland. Für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist es von ganz erheblicher wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung. Hinzu kommt, dass es sich um ein Rechtsgebiet handelt, das vor allem im kollektiven Arbeitsrecht lückenhafte Regelungen und insgesamt eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe aufweist. Allein mit dem Wortlaut des Gesetzes lassen sich die maßgeblichen Rechtsfragen kaum klären; hierfür muss häufig in Systemen und Regelungskonzepten gedacht werden. Nicht zuletzt verlangen die vielfältigen Schnittstellen zwischen dem Kollektiv- und dem Individualrecht nach anspruchsvollen Lösungen. Insgesamt stellt das Arbeitsrecht Anforderungen, die nicht in vielen Rechtsgebieten zu finden sind.

Welche Entscheidung lag Ihnen besonders am Herzen?
Ich habe meine richterliche Laufbahn als Sozialrichterin begonnen. Dort war ich auch für Streitigkeiten auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig und musste noch erstaunlich oft über die Anerkennung von so genannten Ersatzzeiten befinden, deren Grundlage die Verhältnisse des Zweiten Weltkriegs waren. Betroffen waren einerseits die Verfolgten des NS-Regimes, deren in Akten dokumentierte Schicksale einen nicht losließen. Andererseits waren auch Angehörige der Waffen-SS betroffen, die meinten, wie Soldaten der Wehrmacht Kriegsdienst geleistet und deshalb Ansprüche auf Anerkennung rentenberechtigender Zeiten zu haben. Hier die gebotenen Tatsachenfeststellungen zu treffen und die im Gesetz angelegten Wertungen nachzuvollziehen, verlangte schon ein hohes Maß an richterlicher Disziplin.

Was sagen Sie als zweifache Mutter zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Es reicht nicht nur, über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu reden, es muss auch noch unendlich viel dafür getan werden. Kinder brauchen nun einmal Betreuung. Die muss nicht allein auf die Familie konzentriert sein, sie muss aber verlässlich und vor allem auch kindgerecht sein. Mein Einkommen und das meines Mannes haben es uns ermöglicht, eine sehr zuverlässige und glücklicherweise auch zeitlich flexible Haushälterin für die Betreuung unserer Kinder einzustellen. Das kann nicht jede und jeder finanzieren. Also ist der Staat gefordert. Er hat es in der Hand, durch geeignete, ausreichende und bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Ganztagsschulangebote die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Das allein genügt aber nicht. Es ist auch ein gesellschaftliches Umdenken gefragt, nicht zuletzt bei Arbeitgebern. Um Karriere zu machen, müsste es nicht notwendig sein, zig Stunden im Büro zu verbringen.Wer konzentriert und strukturiert arbeitet, der schafft sein Pensum früher und besser und hat dann auch Zeit für seine Kinder. Auf manchen Chefetagen muss sich das allerdings erst noch herumsprechen.

Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert.Welche positiven oder negativen Entwicklungen können Sie dabei ausmachen?
In einer weltweit agierenden Exportnation wie der unseren sind Arbeitsbedingungen einem schwindelerregenden Wandel unterworfen; das fordert von den Arbeitnehmern lebenslanges Lernen. Hinzu kommt: Die Arbeit ist aufgrund des Personalabbaus der letzten Jahre in einem Maß verdichtet worden, wie wir es bisher nicht erlebt haben. In Zeiten zunehmender Befristungen sind wir auf dem Weg, die Regel, nach der das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall und das befristete die Ausnahme ist, umzukehren. Das bleibt nicht ohne Folgen für unsere Gesellschaft. Familiengründung braucht eben auch die wirtschaftliche Sicherheit, die ein Dauerarbeitsverhältnis vermittelt.

Sie sind die erste Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts. Erfüllt Sie das mit Stolz?
Dieser Umstand erfüllt mich eher mit Ehrfurcht, aber mit Erfurcht bezogen auf das Amt. Ansonsten muss es doch nachdenklich stimmen, dass ich nach Iris Ebeling, der früheren Präsidentin des Bundesfinanzhofs, erst die zweite Frau an der Spitze eines obersten Gerichtshofs des Bundes bin. Und noch mehr Kopfschütteln muss hervorrufen, dass ich nach meiner Ernennung zur Richterin am Bundesarbeitsgericht im Jahre 1994 erst die vierte Richterin in der Geschichte dieses Gerichts war. Mittlerweile sind zwar vier weitere Kolleginnen ernannt worden. Bei einem Richterkollegium von 34 entspricht das einer Quote von circa 14 Prozent. Das ist eindeutig zu wenig.

Welche Eigenschaften machen Sie im Berufsleben so erfolgreich?
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Sicher, ich bin kommunikativ, kann gut zuhören, konzentriert und strukturiert arbeiten, bin unerschrocken und habe auch kein schlechtes Judiz. Ob das meinen beruflichen Erfolg ausmacht, kann ich aber nicht sagen, auch deswegen, weil für solche Positionen eine Portion Glück eine Rolle spielt. Gute Juristen gibt es schließlich genug.

Warum ist die Rechtswissenschaft bei den Studenten so beliebt?
Dem Jurastudium traut man zu, es leichter als etwa naturwissenschaftliche Fächer studieren zu können, und mit dem zweiten Staatsexamen aufgrund der zunehmenden Verrechtlichung unserer Gesellschaft bessere Berufschancen als mit anderen geisteswissenschaftlichen Abschlüssen zu haben. Juristisches Wissen ist schließlich heutzutage in allen Lebensbereichen gefragt.

Zum Unternehmen

Das Bundesarbeitsgericht ist einer der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes. Es entscheidet als höchste Instanz Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Die Aufgabe der Rechtsprechung nehmen zehn Senate wahr. Diese setzen sich aus dem Vorsitzenden Richter, zwei weiteren Berufsrichtern und je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zusammen.

Beim Bundesarbeitsgericht sind zurzeit 34 Richter tätig, davon zehn Vorsitzende Richter, sowie 118 nichtrichterliche Beschäftigte. Außerdem werden etwa elf wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt. Nach fünf Präsidenten ist Ingrid Schmidt die erste Frau in diesem Amt.

Bis zur Verlegung nach Erfurt im Jahr 1999 hatte das Bundesarbeitsgericht seinen Sitz in Kassel.

Interview mit Prof. Jörg Schlaich

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Professor Jörg Schlaich ist Bauingenieur aus Leidenschaft und weltweit bekannt. Er hat berühmte Bauwerke wie das Dach des Münchner Olympiastadions und die Hoogly-Brücke im indischen Kalkutta gebaut und gehörte auch zur Gruppe “Think”, die mit ihrem Entwurf für den “Ground Zero” den Zuschlag für den Neubau des World Trade Centers knapp verpasste. Von Robert Piterek

Herr Schlaich, Sie haben Bauingenieurwesen und Architektur studiert. Warum sind Sie nicht Architekt geworden?
Prof. Jörg SchlaichIch denke, meine Qualitäten liegen eher im technisch-wissenschaftlichen als im gestalterischen Bereich. Hinzu kam, dass mich ein Professor, der einen Überblick über beide Fachgebiete hatte, während des Studiums ermutigt hat, Bauingenieur zu werden. Er sagte: Wenn du etwas lernen willst, werde Bauingenieur. Der Beruf des Bauingenieurs bietet aber auch einen Vorteil gegenüber dem des Architekten. Bauingenieure können viel leichter begründen, was sie tun, da die technisch-wissenschaftlichen Grundlagen eine feste Argumentationsplattform bieten. Architekten müssen ihre Projekte eher ästhetisch begründen.

Wie kommt man eigentlich als Pfarrerssohn dazu, Bauingenieur zu werden?
In meiner Familie gab es fünf Kinder. Es war einfach klar: Ein Pfarrer reicht. Ich habe mich eher für praktische, handwerkliche Sachen interessiert. Mein Vater hat mich diesbezüglich sehr gefördert. Beeinflusst hat mich meine ältere Schwester, die Architektin war. Zeitgleich mit meinem Abitur beendete ich dann eine Schreinerlehre.

Und ihre christlichen Wurzeln?
Ein im Glauben verankertes soziales Element kann man in jedem Beruf einsetzen. Wo, bleibt einem selbst überlassen. Ich kann mir beispielsweise nur sehr schlecht vorstellen, für das Militär zu arbeiten.

Inwieweit können Sie Ihr architektonisches Wissen in Ihre Arbeit mit einbringen?
Das kann ich voll einbringen. Der Bauingenieur ist durch die Kombination aus Wissen und Intuition kreativ. Ich kann entweder eine Standardbrücke entwerfen oder aber eine Brücke, die sich in die Umgebung einfügt, den Geist des Ortes berücksichtigt. Der Architekt und der Bauingenieur arbeiten mit den gleichen Methoden an unterschiedlichen Dingen. Dabei beeinflussen die Bauten der Bauingenieure manchmal wegen ihrer Größe ihr Umfeld sehr stark. Architekten bauen in erster Linie Häuser, Bauingenieure Türme und Brücken.

Einer Ihrer Partner war Fritz Leonhardt, der nach dem Krieg die Rheinbrücken wieder aufgebaut hat und als einer der wichtigsten Bauingenieure dieser Zeit gilt. Welche Bedeutung hatte Ihr Partner für Sie?
Er hatte einen sehr großen Einfluss auf mich. Ich kam nach dem Diplom in Berlin zu ihm nach Stuttgart und promovierte dann bei ihm. Es gibt leider nur wenige Ingenieure, die gestalterisch interessiert sind. Er war so einer. Er vertraute mir interessante Aufgaben an. Ich sammelte bei ihm entscheidende Erfahrungen und gewann an Selbstbewusstsein.

Wie gelingt es Ihrem Ingenieurbüro, an internationale Großaufträge wie die Hoogly-Brücke in Kalkutta heranzukommen?
Da muss manches zusammenkommen. Ich bin immer sehr viel gereist. Unter anderem bin ich gemeinsam mit meiner Familie im VW-Bus nach Indien gefahren. Auf Tagungen ergaben sich Kontakte. Schließlich trat man an uns heran und erteilte uns den Auftrag. Bei internationalen Ausschreibungen für Großprojekte haben meiner Meinung nach nur die großen weltweit agierenden Ingenieurfirmen zusammen mit einheimischen eine Chance.

Woher nehmen Sie die Kraft, jedes Projekt, und sei es auf den ersten Blick noch so klein, als Herausforderung zu begreifen?
Der Beruf des Bauingenieurs ist hoch interessant, wenn man ihn ausschöpft. Es wundert mich, warum nicht viel mehr Menschen das erkennen. Ein vergleichsweise kleines Projekt, wie der Aussichtsturm auf dem Stuttgarter Killesberg, war so eine besondere Aufgabe. Es ist ein sehr schöner Ort, um eine Aussichtsplattform im Einklang mit der Natur zu bauen. Das reizte mich. Gleichzeitig ärgert es mich, dass überall im Land billige, hässliche Brücken gebaut werden.

Jörg Schlaich über Kreativität: „Niemand wird ohne Kreativität geboren. Wenn ich es kann, kann es jeder! Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Es gibt mehr Bauingenieure als Architekten, die ein Instrument spielen. Nun frage ich: Warum sollten sie diese Kreativität nicht in ihren Beruf einbringen können?“

Interview mit Christoph Schickhardt

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Seine Fälle drehen sie sich um den Lieblingssport der Deutschen. Seine Mandanten: Vereine, Trainer, Spieler. Er hat sich einen Namen gemacht in der Welt des runden Leders, ist dabei aber auf dem Boden geblieben. Freut sich über jeden Fall, der ihn quer durch Deutschland führt. Nach einem Gerichtstermin in Köln kam er uns besuchen und erzählte mit schwäbischem Tonfall von seiner Leidenschaft: dem Fußball. Von Viola Strueder und Anne Thesing, aus karriereführer recht 2004.2005

Zur Person Christoph Schickhardt

Christoph Schickhardt, Foto: Schickhardt

Schwerpunkte der anwaltlichen Tätigkeit von Christoph Schickhardt sind das Recht des professionellen Sports, Wettbewerbsrecht und Maklerrecht.

Über 600 Verfahren vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes zählen zum Erfahrungsschatz des 1983 zugelassenen Anwalts. Zunächst absolvierte Christoph Schickhardt eine Ausbildung im Sportjournalismus bei den Stuttgarter Nachrichten. Gleichzeitig studierte er Rechtswissenschaften an der Universität in Tübingen. Der Ludwigsburger spielte selbst Fußball bis zur A-Jugend bei 07 Ludwigsburg und bezeichnet den Sport als seine große Leidenschaft.

Geboren wurde Christoph Schickhardt am 14.03.1955 in Essen. Aufgewachsen ist er jedoch in Ludwigsburg, wo er auch die Schule und die Referendarzeit bei der Stadt, dem Landgericht und der Staatsanwaltschaft absolvierte.

Es ist Samstag. Anpfiff. Die Fußballwelt sitzt im Stadion oder vor dem Fernseher. Und Sie, Herr Schickhardt?
Ich auch. Mir werden alle Fußballspiele direkt auf den Bildschirm übertragen. Da gibt es ja mittlerweile enorme technische Möglichkeiten – Motion, Slow Motion, Super-Slow-Motion, Standbilder und so weiter. Laufende Bilder und Standbilder der einzelnen Spielszenen werden mir heute per Internet direkt auf den Bildschirm übertragen. Schon am Samstag muss ich die Entscheidungen des Schiedsrichters beurteilen – und immer dabei berücksichtigen, dass er seine Entscheidungen in Sekunden fällt. Das Problem ist, dass sich schon in kürzester Zeit Millionen Zuschauer ein Urteil gebildet haben. Und dass alle Beteiligten äußerst nervös sind. Und je näher das Saisonende kommt, so im April, Mai, umso nervöser werden sie.

Was passiert dann in den Tagen nach den Spielen?
Samstag und Sonntag gibt es die ersten Gespräche, Sonntag mache ich den Schriftsatz, bis Montag Morgen um zehn Uhr sind 80 Prozent der Fälle abgeschlossen. Alle Beteiligten arbeiten hoch-professionell und partnerschaftlich zusammen. Jeder weiß was er vom anderen zu halten hat. Das DFB-Sportgericht, der Kontrollausschuss und die Geschäftsstelle sind absolut hochgradig besetzt. Wenn so schnell keine Einigung zustande kommt, findet dann am Donnerstag die mündliche Verhandlung statt. Alle Fälle werden also in der Folgewoche abgeschlossen.

Ein richtiges Wochenende haben Sie also nicht?
Nein, wie jeder andere Anwalt habe auch ich eine Sieben-Tage-Woche. Wer das nicht akzeptiert, sollte sich einen anderen Beruf suchen. Aber die meisten wollen das auch so.

Und wie gestalten Sie Ihre Arbeitstage?
Nun, da ist zum einen die Schreibtischarbeit, die erledige ich in den Morgenstunden. Manchmal fange ich schon um fünf Uhr morgens an, dann habe ich einfach am meisten Ruhe. Tagsüber ist viel zu viel los. Die Verhandlungen finden oft abends statt, Reisen muss ich Tag und Nacht. Selbst im Urlaub bin ich am Ball.

Und wie sieht Ihre Freizeit aus?
Der Job hat immer Vorrang, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Es ist wirklich keine Seltenheit, dass mich ein Fußballmanager abends um 23 Uhr anruft. Und das ist sein gutes Recht. Schließlich ruft er an, weil der Druck in diesem Moment da ist, etwas zu regeln. So ist nun mal das Geschäft. Wenn einem das nicht passt, muss man sich einen anderen Job mit „16.00 Uhr-Feierabend-Garantie“ suchen.

Das klingt nach einem harten Job.
Ja, aber das ist ein Beruf, den Sie nur mit Haut und Haaren machen können. Wenn Sie mit angezogener Handbremse arbeiten, merken die Mandanten das sofort.

Aber Ihnen gefällt Ihre Arbeit?
Ja, der Anwaltsberuf ist wirklich der Schönste, den es gibt, weil es der Unabhängigste ist. Ich habe keinen Chef, kann mir die Mandanten weitgehend aussuchen und kann jedem das sagen, was ich für richtig halte.
Außerdem bringt der Beruf immer etwas Neues. Ich lerne ungeheuer interessante Menschen aus den verschiedensten Lebensbereichen kennen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte und von denen ich viel erfahre und lerne. Viele von ihnen – Vereine, Trainer, Spieler – halten mir seit 20 Jahren die Treue.

Fußball ist ein Sport, der von den Medien lebt. Welche Rolle spielen für Sie die Medien?
Eine sehr große. Viele meiner Prozesse werden im Grunde in den Medien entschieden. Der Erstschlag muss sitzen, und der muss auch medienmäßig professionell begleitet werden. Deshalb macht die Medienarbeit auch einen großen Teil meiner Tätigkeit aus: Kontakte knüpfen, Presseerklärungen vorbereiten, Gespräche mit Journalisten führen, und, und, und. Auch in diesem Bereich ist Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit das größte Kapital.

Gefällt es Ihnen, einen Beruf von öffentlichem Interesse zu haben?
Das hängt davon ab, wie die Fälle laufen (lacht). Natürlich ist das Ganze auch mit einem hohen Risiko verbunden. Wenn Sie einen gravierenden Fehler machen, sind Sie weg vom Fenster und können schnell als Trottel dastehen. In anderen Anwaltsberufen ist das anders – die Fälle eines Scheidungsanwalts stehen zum Beispiel nicht gleich in der Bildzeitung.
Aber insgesamt ist es auf jeden Fall interessanter, in einem Bereich tätig zu sein, der die Öffentlichkeit interessiert.

Fast wären Sie ja selbst Sportjournalist geworden…
Ja, während des Jurastudiums habe ich eine Ausbildung bei den Stuttgarter Nachrichten gemacht. Das war eine sehr gute Ausbildung, die mich sehr geprägt hat. Das „pralle Leben“, sozusagen. Ich habe das Rüstzeug für einen harten Job erhalten. Noch heute hat der Sportjournalismus für mich einen ungeheuren Reiz. Zu den Kollegen von damals bestehen noch heute viele Verbindungen.

Aber Sie haben sich dann doch fürs Sportrecht entschieden.
Erst einmal habe ich mich nach der Ausbildung nur für den Anwaltsberuf entschieden. Mit dem Sport hatte ich damals innerlich schon abgeschlossen. Als ich Anwalt war, kamen aber immer wieder und immer mehr alte Bekannte und neue Mandanten aus dem Sport zu mir, und so nahm das Ganze seine Anfänge.

Damit waren Sie wieder bei „Ihrem Lieblingsthema“?
Ja, die persönliche Leidenschaft für den Fußball ist einfach da und muss auch da sein. In diesem Beruf müssen Sie denken wie einer aus dem Fußballgeschäft. Sie müssen die Sprache der Fußballer sprechen. Rechtlich ist das Ganze gar nicht so besonders schwierig. Wichtig ist, dass ei hier tätiger Anwalt die rechtlichen und wirtschaftlichen „Pferdefüße“ erkennt.

Wie viele Clubs der Bundesliga vertreten Sie?
Zirka zehn Bundesligavereine – mit jeweils unterschiedlicher Intensität. Manche Vereine übertragen mir alle Rechtssachen, andere beauftragen mich nur in größeren und wichtigeren Streitigkeiten mit Öffentlichkeitswirkung, für andere wiederum bin ich nur bei Platzverweisen zuständig. Und Borussia Dortmund war leider immer mein Gegner. Das Geschäft hat auch sehr viel mit Emotionalität zu tun. Sie müssen sich mit breitem Rücken vor die Mandanten stellen, da werden leider auch die Gegner immer mehr.

Geraten Sie nicht in Interessenskonflikte, wenn Sie mehrere Vereine gleichzeitig vertreten?
Nein, bei Fällen, die zwei meiner Mandanten betreffen, halte ich mich ganz raus. Dies wird auch so akzeptiert.

Welcher Fall hat Sie bisher am meisten Nerven gekostet?
Das sind die Prozesse um die Lizenzen der Vereine. Denn da geht es um alles oder nichts, Verlieren oder Gewinnen. Ohne Lizenz ist ein Fußballverein nichts. Das sind schon nervenaufreibende Fälle, die einen wochenlang ausgiebig beschäftigen. Aber das Schöne daran ist, dass auch solche Kämpfe in ein paar Wochen rum sind. Das ist ja beim Fußball was Besonderes. Die Fälle werden sehr aufgebauscht, sind dann aber auch relativ schnell wieder erledigt. Auch wenn der Streit noch so groß ist, sind alle Beteiligten an einer raschen Einigung interessiert. Schließlich muss man auch in Zukunft wieder zusammenarbeiten und sich in die Augen schauen können. Im Fußball-Geschäft brauchen alle Beteiligten gleichzeitig ein hohes Maß an Engagement, Behauptungswillen, Durchsetzungskraft, aber auch Konsens- und Gesprächsfähigkeit.

Welches war bisher Ihr größtes Erfolgserlebnis?
Das kann ich nicht sagen, häufig sind das kleine Sachen, die niemand erfährt. Große Erfolge waren für mich die Lizenzerhaltungen für Hertha BSC, Wolfsburg, Kaiserslautern und Frankfurt. Aber die anderen Erfolge sind im stillen Kämmerlein passiert.

Und wie sieht es aus mit den Niederlagen, hatten Sie auch die?
Dauernd. Ein Anwalt, der sagt, er hat nur Erfolg, der lügt oder er hat nur uninteressante Fälle. Bittere Niederlagen bleiben einem nicht erspart. Jeder Arbeitstag ist mit Erfolgen und Misserfolgen ausgefüllt.

Welche Voraussetzungen sollte ein Sportrechtler mitbringen, um Erfolg zu haben?
Für einen Sportrechtler und für alle Juristen ist aus meiner Sicht ein Prädikatsexamen eine unbedingte Voraussetzung. Da kann in einem Lebenslauf stehen, was will – Doktor, halbes Jahr Amerika, oder was auch immer: Wenn Sie kein Prädikatsexamen haben, schließen die Leute in der Regel bei jeder Bewerbung oder Beurteilung die Akte. Für Jura-Studenten ist deshalb der – schwierige – Kampf ums Prädikat von besonderer Bedeutung.

Halten Sie das für berechtigt?
Ja. Weil das juristische Examen außerordentlich gerecht ist. Es ist streng objektiviert, der Zufall ist durch die zwei Examen und durch die Vielzahl der einzelnen Klausuren weitgehend ausgeschlossen. Gute juristische Kenntnisse kommen für mich in einem Prädikatsexamen zum Ausdruck.
Klar, auch Nebenqualifikationen sind wichtig. Aber ein Student, der meint, er schafft kein Prädikatsexamen, der sollte sich lieber rechtzeitig etwas anderes suchen. Das ist so. Auch ich achte bei den Bewerbungen, die ich bekomme, immer als erstes auf das eine: Wie ist das Examen?

Was ist darüber hinaus wichtig?
Sozialkompetenz. Sie müssen mit den Leuten reden können, Verhandlungsgeschick haben. Auch im größten Streit müssen Sie immer den Gesprächsfaden aufrechterhalten, um später vielleicht doch noch zu einer Einigung zu kommen. Ich erlebe bei Gericht immer wieder, dass Anwälte sprachlos sind. Der eine sagt „Ich will das“ und der andere „Das mache ich nicht“ – und dann ist Schluss. Je schlechter ein Anwalt ist, umso „betonierter“ und unflexibler präsentiert er seine Position. Das geht aber zu Lasten des Mandanten, auch wenn diese das manchmal erst später erkennen.
Das Weitere ist absolute Verlässlichkeit. Alle meine Verhandlungspartner wissen, dass mein Wort gilt – auch im schlimmsten Streit. Was ich zusage wird auch umgesetzt. Dadurch bekommt mein Wort natürlich auch mehr Gewicht. Ein Anwalt, der bei seinen Mandanten kein Gewicht hat, wird auch vom Gegner nicht Ernst genommen.
Und schließlich kann kein Anwalt ohne eine ausgeprägte Persönlichkeit erfolgreich sein. Der Mandant „kauft“ auch ein Stück Lebenserfahrung. Das ist im Übrigen häufig auch der wichtigste Unterschied im Vergleich zu angestellten Juristen.

Wie sind denn die Chancen für junge Juristen, in dieses Rechtsgebiet einzusteigen?
Wer bereit ist, diesen Knochenjob zu machen und einen langen dornigen Weg zu gehen, der hat heute aus meiner Sicht große und intakte Chancen. Das hängt auch mit unserer so genannten Freizeitgesellschaft zusammen. Freizeitbeschäftigungen, und damit auch Sport, gewinnen immer mehr Relevanz. Für Anwälte erschließt sich dadurch ein großes Betätigungsfeld. Denken Sie nur daran, wie viele Tennisclubs wegen Lärmbelästigung einen Nachbarschaftsprozess führen. Oder denken Sie an das Vereinsrecht – zum Beispiel an die Rechten und Pflichten im Verein. Jeder Golfclub braucht heute einen Hausanwalt. Der Freizeitbereich und der Sport nehmen immer mehr Raum ein. Und die Menschen sind immer mehr bereit ihre angeblichen Rechte auch durchsetzen. Für engagierte Anwälte mit langem Atem ist der Sport – professionell und in der Freizeit – ein lohnendes Betätigungsfeld.

Spielen Sie selbst Fußball?
Ja, ich bin begeisterter Fußballer. Fußball ist von Kindesbeinen an meine Leidenschaft. Bis zur A-Jugend bin ich gekommen. Allerdings spiele ich nicht gut. Für eine Profi-Karriere bin ich nie in Frage gekommen. Natürlich verliert man durch den Blick hinter die Kulissen manchmal auch den Enthusiasmus, insbesondere wenn man erfährt, dass es häufig nur ums Geschäft und ums Geld geht. Wenn Sie sich ein Fußballspiel rein privat angucken: Können Sie dann abschalten und Ihren Beruf außen vor lassen?
Na ja, das ist ähnlich wie mit dem Wettbewerbsrecht, das ich früher gemacht habe. Wenn ein Lastwagen mit Werbung auf der Autobahn vor mir herfuhr habe ich mich immer wieder bei der Überlegung erwischt, ob die Werbung zulässig ist.
Natürlich stumpft man etwas ab. Aber wenn es um befreundete Personen geht, wie Trainer, die zum Beispiel auf der Kippe stehen, oder wenn einer meiner Vereine um den Abstieg kämpft, dann ist das für mich immer noch hoch emotional. Der Mandant muss in einer schwierigen Situation das totale Engagement des Anwalts spüren.

Haben Sie einen Lieblingsverein?
Ja, aber den nenne ich nicht (lacht). Oft hängt das aber auch von den Personen ab, mit denen ich befreundet bin. Vereine für sich sind ja nur Hüllen. Die Emotion entsteht durch die persönlichen Beziehungen und Bindungen zu den dort anwesenden Personen. Es ist wie überall. Gute Präsidenten, Chefs und Unternehmensführer schaffen für ihren „Betrieb“ Emotionen. Und meine Arbeit ist einfach von engsten persönlichen Vertrauensverhältnissen geprägt. Vertrauen genießen und rechtfertigen – das ist das schönste an diesem Beruf.

Interview mit Hans Helmut Schetter

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Die Faszination, selbst ein bauingenieurwissenschaftliches Studium aufzunehmen, lag für Hans Helmut Schetter in den vielfältigen Aufgabenstellungen, die am Bau und seinem gesamten Umfeld auftreten. Schnell stieg er die Karriereleiter hinauf, 1995 wurde er in den Vorstand der Bilfinger Berger AG berufen. Im karriereführer spricht er über die sich wandelnde Branche, neue Herausforderungen, Anforderungen an Absolventen und seinen eigenen Berufseinstieg. Die Fragen stellte Christoph Berger.

Zur Person

Hans Helmut Schetter wurde 1949 im württembergischen Albstadt geboren. Von 1968 bis 1974 studierte er Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt konstruktiver Ingenieurbau in Karlsruhe. Nach dem Abschluss ging er zur Ed. Züblin AG, wo er bis zum Niederlassungsleiter aufstieg.

1990 kam der Bauingenieur zur Bilfinger Berger AG in die Hauptniederlassung nach Frankfurt am Main, deren Leitung er ein Jahr später übernahm. 1995 folgte der Ruf in den Vorstand. Seine Verantwortungsbereiche liegen heute bei Personal, Technik, Hochbau sowie europäischen und außereuropäischen Beteiligungen. Darüber hinaus lehrt er als Honorarprofessor am Institut für Baubetrieb an der TU Darmstadt. Hans Helmut Schetter ist verheiratet und hat drei Kinder.

Wie sind Sie zu Bilfinger Berger gekommen?
Nach dem Studium des Bauingenieurwesens kam ich 1974 über die Direktansprache eines Vorstandes zur Ed. Züblin AG. Ich stieg in den technischen Innendienst ein und übernahm nach Ende meines zweiten Jahres Bauleitungsaufgaben im Spezialtiefbau. Nach einiger Zeit wurde ich dann Niederlassungsleiter in Frankfurt am Main, bevor ich 1990 zu Bilfinger Berger in die Hauptniederlassung kam, deren Führung ich 1991 übernahm. 1995 wurde ich in den Vorstand berufen. Meine Schwerpunkte sind das operative Baugeschäft, das Polen- Geschäft und der Hochbau in Deutschland. Seit drei Jahren bin ich zudem für den Bereich Personal verantwortlich.

Besuchen Sie bei all den Aufgaben noch hin und wieder selbst die Baustellen?
Es ist natürlich schwierig, ich besuche aber immer wieder selektiv die Baustellen, ausgewählte Projekte, schon allein um mein Auge für die Produktion wachzuhalten.

Welche Einstiegsmöglichkeiten bietet Bilfinger Berger Hochschulabsolventen?
Einsteiger fangen bei uns normalerweise in einer unserer Niederlassungen im Innendienst an. Dort legen wir über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren großen Wert auf die Einarbeitungsphase. Danach wird anhand der Eignung und des Bedarfs über die weitere Entwicklung entschieden.

In Ihrem Brückenbauprojekt in Vancouver wurde gezielt auch Hochschulabsolventen eingesetzt. Ist das normal?
Leitungsaufgaben erfordern natürlich eine gewisse Berufserfahrung, deshalb setzen wir auf den bereits erwähnten klassischen Einstieg: erst Innendienst und dann die Baustelle. Dort haben junge Leute die Möglichkeit, schnell Verantwortung zu übernehmen.

Was verlangen Sie von Bewerbern?
An erster Stelle steht eine gute Ausbildung, die sich in den Zeugnissen widerspiegelt. Doch da wir in einem sogenannten People-Business arbeiten – der Kontakt zu Menschen ist enorm wichtig – achten wir auch stark auf das Persönlichkeitsprofil der Bewerber, den Charakter. Die zwischenmenschliche Kommunikation ist immer wichtiger geworden. Darüber hinaus verlangen wir aufgrund unserer dezentralen Projekte Mobilität und im Sinne der beruflichen Spezialisierung Flexibilität, die sich im Laufe des Beruflebens immer mal verändern kann. Da in unserem Metier ständig Entscheidungen getroffen werden müssen, sollten die Kandidaten davor nicht zurückscheuen und den nötigen Durchsetzungswillen mitbringen.

Wie sieht es mit internationaler Erfahrung aus? Ihre Projekte sind weltweit gestreut.
Während des Studiums sollte jede Gelegenheit genutzt werden, ins Ausland zu gehen, dort Erfahrungen zu sammeln und Sprachen zu lernen. Allerdings sollten die Einsätze so gestaltet sein, dass sie das Studium nicht signifikant über die Regelstudienzeit hinaus verlängern.

Wie haben sich die Anforderungen an Absolventen seit Ihrem Berufseintritt verändert?
Zu meiner Zeit lag der Schwerpunkt vor allem auf Technik und Baubetrieb. In einer stabilen Welt haben wir ausschreibungsorientiert angeboten. Heute geht es dagegen mehr und mehr um ganzheitliche, nachhaltige Lösungen. So werden etwa Infrastrukturprojekte in einem Gesamtpaket nachgefragt. In einem solchen Umfeld haben die Anforderungen an das Vertragsmanagement stark zugenommen. Wir brauchen heute gutes Rüstzeug im Umgang mit Bauverträgen, ohne dabei den Juristen ersetzen zu wollen. Steigende Projektgrößen verlangen fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse.

Welches sind die entscheidenden Herausforderungen, denen sich die Branche heute zu stellen hat, und wie begegnen Sie Ihnen?
Die Branche hat in einer langen Rezession einen bitteren Aderlass erlebt. Heute stehen wir vor der Aufgabe, die Profitabilität im Baugeschäft zu verbessern. Chancen bietet das wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein, allerdings brauchen wir einen Wechsel vom Preiswettbewerb hin zu einem Kompetenzwettbewerb. Die Kernfrage wird dabei sein: Wie schaffen wir es, die Kosten im Lebenszyklus einer Immobilie zu optimieren. Dies sind die operativen Herausforderungen. Natürlich stehen wir aber, wie alle Unternehmen, auch vor den Herausforderungen des demographischen Wandels und der veränderten Lebensarchitekturen der jungen Generation. Aufgrund veränderter Prioritäten – man denke etwa an das Thema Familie und Kinder – stehen auch wir als Arbeitgeber vor neuen Aufgaben. Wir verlangen nicht nur von den Mitarbeitern Flexibilität, wir wollen als Unternehmen selbst flexibel sein. In meinen Vorlesungen sind heute etwa 30 Prozent der Studierenden weiblich, dieser wichtigen Zielgruppe wollen wir uns nicht verschließen.

Welches sind die momentan herausragenden Bauprojekte von Bilfinger Berger?
Wir haben natürlich viele große Projekte. Zwei möchte ich hier aber hervorheben. Zum einen handelt es sich um unser sechs Kilometer langes Kernstück des Gotthard-Basistunnels. Dort ist eine Welt im Berg mit modernster Technik entstanden. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Baustelle über 800 Meter tiefe Schächte mit allem Nötigen zu versorgen. Von dort aus werden jeweils zwei Tunnelröhren nach Norden und Süden bergmännisch aufgefahren. 2017 soll der Tunnel in Betrieb genommen werden. Bei dem zweiten Projekt mit einem Volumen von über einer Milliarde Euro handelt es sich um einen neuen Stadtteil mit 6000 Wohnungen für 20.000 Menschen in Katar. Innerhalb von nur drei Jahren bauen wir Barwa City auf einer Fläche von rund 2,7 Millionen Quadratmetern. An dem Projekt arbeiten bis zu 4500 Menschen.

Ihr Tipp an Bauingenieurabsolventen für eine erfolgreiche Karriere?
Fach- und Sozialkompetenz sind gleichermaßen wichtig. Unverzichtbar ist auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dazu sind Entscheidungsfreude und Durchsetzungswille erforderlich. Ein Mitarbeiter, der sich voll und ganz auf sein Projekt konzentriert, wird die besten Ergebnisse erzielen. Und das ist immer eine Empfehlung für weitergehende und nach und nach auch höhere Aufgaben.

Zum Unternehmen

Bilfinger Berger ist ein führender international tätiger Bau- und Dienstleistungskonzern. Als Multi Service Group bietet das Unternehmen im In- und Ausland ganzheitliche Lösungen in den Bereichen Immobilien, Infrastruktur und Industrieservice. Das Leistungsspektrum reicht von Beratung, Entwicklung, Planung und Finanzierung über betriebsfertige Erstellung bis hin zu Instandhaltung und Betrieb.

Entstanden ist das Unternehmen 1975 durch die Fusion traditionsreicher Baugesellschaften, deren Wurzeln bis ins Jahr 1880 zurückreichen. Dazu zählten die Grün & Bilfinger AG, die Julius Berger Tiefbau AG und die Berlinische Boden-Gesellschaft. Damals hieß das Unternehmen noch Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft. Im Zuge der strategischen Neuausrichtung zur Multi Service Group änderte das Unternehmen im Jahr 2001 den Namen zur Bilfinger Berger AG.

Interview mit Petra Schäfer

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Eine steile betriebswirtschaftliche Karriere als studierte Pharmazeutin? Für Petra Schäfer kein Problem. Die 50-Jährige ist seit 2003 Geschäftsführerin des Bereichs Marketing und Beschaffung in der Zentrale von dm-Drogeriemarkt. Wie sie ihr Fachwissen in diesem Umfeld einsetzt und welche Jobchancen die großen Drogeriemärkte heute für Pharmazieabsolventen bieten, erzählt sie im karriereführer-Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Petra Schäfer, 50, schloss 1989 ihr Pharmaziestudium an der Uni in Mainz ab. Schon als Studentin jobbte sie nebenher in einer Mainzer dm-Filiale. Direkt nach dem Studium übernahm sie die Filiale in Wiesbaden und anschließend drei Filialen in Mannheim und legte damit schnell die Basis für die weitere Karriere im Unternehmen.

Schon 1991 wurde sie Bezirksleiterin, wechselte in die Unternehmenszentrale zur Revision und arbeitete dann intern als Personalberaterin. Nach weiteren drei Jahren als Leiterin der Werbeabteilung stieß Petra Schäfer 1996 als Sortimentsmanagerin schließlich zum Ressort Marketing und Beschaffung. 1999 übernahm sie als Mitglied der Geschäftsleitung die Verantwortung für dieses Ressort und gleichzeitig die regionale Verantwortung für Filialen. Seit 2003 ist sie Geschäftsführerin Marketing und Beschaffung und somit hauptverantwortlich für das Gesamtsortiment sowie derzeit für 150 Filialen.

Frau Schäfer, Sie sind studierte Pharmazeutin, doch Ihr Jobprofil als Geschäftsführerin Marketing und Beschaffung scheint auf den ersten Blick auf einen Betriebswirt zugeschnitten zu sein.
Stimmt, ein BWLer würde sich auf meiner Position sicherlich wohlfühlen. Ich hatte im Laufe der Karriere aber nie Probleme, weil ich im Unternehmen von Anfang an Möglichkeiten vorfand, mir betriebswissenschaftliches Zusatzwissen anzueignen. Vielleicht wäre es ein bisschen einfacher gewesen, wenn ich schon vorher einen BWL-Hintergrund gehabt hätte. Aber im Grunde hatte ich keine Schwierigkeiten, mir das Know-how im Laufe der Berufsjahre anzueignen.

Gibt es in Ihrer Position Aufgaben, die Sie als Pharmazeutin besser bewältigen können als ein BWLer?
Sicherlich weiß ich einfach mehr über die Produkte unseres Gesundheitssortiments. Wir verkaufen mittlerweile rund 600 nicht apothekenpflichtige Arzneimittel – Tendenz steigend. In meinem Beruf habe ich es häufig mit Industriepartnern zu tun, die mit neuen Produkten auf uns zukommen, die ich dann beurteilen muss. Und das kann ich als Pharmazeutin besser, denn ich kann mit meinem Fachwissen einschätzen, ob ein Präparat mit bestimmten Wirkstoffen den Preis, den die Industrie dafür verlangt, Wert ist oder nicht.

Sind die Vertriebler der Pharmaindustrie überrascht, wenn sie im Einkauf auf eine Pharmazeutin treffen?
Ich bin innerhalb des Unternehmens 1996 in den Einkauf gewechselt, und damals war das noch ungewöhnlich. Ich habe die Lieferanten mit Fragen überrascht, die vorher niemand gestellt hatte. Ich wollte wissen, wie sich dieses Produkt von jenem unterscheidet, was es mit der Dosierung auf sich hat und wie es tatsächlich wirkt. Interessanterweise waren die Lieferanten damals solche Fragen nicht gewohnt. Oberstes Gebot damals war noch: Stimmt der Preis oder nicht. Dabei sind die anderen Aspekte in unserer Branche enorm wichtig – was man daran sieht, dass heute auch andere Drogeriemärkte im Einkauf auf pharmazeutisches Fachpersonal setzen.

Woher nahmen Sie damals das Selbstbewusstsein, Ihre Position als Pharmazeutin im Einkauf auf diese ganz eigene Art zu interpretieren?
Es war mir einfach bewusst, dass es in unserer Branche nicht ausreicht, nur zu fragen, was ein Produkt kostet. Das ist ein Teil meiner Arbeit, ganz klar. Aber ich kann ein Produkt aus dem Bereich Gesundheit eindeutig besser vermarkten, wenn ich dem Kunden sagen kann, wozu es überhaupt da ist und welchen Nutzen es hat. Je mehr ich von dem Produkt verstehe, desto besser kann ich es erstens einordnen und zweitens zielgruppenorientiert dem Kunden nahebringen. Und genau darum geht es im Bereich Marketing und Beschaffung.

Wie hat sich der Stellenwert von Drogeriemärkten in den vergangenen Jahren geändert?
Die Kunden nehmen uns als kompetenten Anbieter von Gesundheitsprodukten außerhalb der Apotheken wahr. Für Produkte aus der medizinischen Zahn- und Körperpflege sind wir heute erste Anlaufstelle, wobei uns dabei die Änderungen im Gesundheitswesen zugutekommen. Die Leute kümmern sich heute viel mehr eigenverantwortlich um ihre Gesundheitsvorsorge. Sie sind informiert, anspruchsvoll und möchten trotzdem preiswert einkaufen. Und da bieten Drogeriemärkte ein sehr gutes Angebot.

Inwiefern bietet dieser Wandel Pharmazieabsolventen neue Jobchancen?
Wir stellen sehr gerne Einsteiger mit hoher pharmazeutischer Fachkompetenz ein – vor allem mit Blick auf die weiteren Entwicklungen auf dem Gesundheitsmarkt. Die Bedeutung des Themas Prophylaxe wird weiter steigen, und es werden die Drogeriemärkte erfolgreich sein, die von den Kunden als glaubhafte Einkaufsstätte wahrgenommen werden. Dazu gehört eine kompetente Beratung vor Ort – und hier setzen wir auf qualifizierte Mitarbeiter, die zum Beispiel die Drogisten in den Filialen in dieser Hinsicht weiterbilden.

Sie haben schon während Ihres Pharmaziestudiums in einer dm-Filiale gearbeitet. War das damals ein ganz normaler Nebenjob – oder ganz bewusst bereits ein erster Karriereschritt?
Es war neben dem Kellnern zunächst nur ein weiterer Nebenjob, der sich vor allem zeitlich wunderbar in mein Studium eingliedern ließ. Im Laufe der Zeit habe ich aber zu meiner Freude gemerkt, wie groß das Aufgabenspektrum in diesem Unternehmen ist. Wer hier weiterkommen möchte, muss die Chancen, die sich ergeben, selbstgestalterisch ergreifen. Entscheidend ist, beurteilen zu können, welche Entwicklungen in Zukunft für das Unternehmen relevant sein werden.

Nun haben Sie schon kurz nach dem Studium drei Filialen geleitet. Ihr Ratschlag für Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer: Wie entwickelt man schon früh in der Karriere Führungsqualitäten?
Wissen Sie, Zutrauen veredelt den Menschen. Ich hatte von Beginn an die Maxime: Behandle deine Mitarbeiter so, wie du behandelt werden möchtest. Gib ihnen den Raum, eigene Ideen einzubringen, und erkläre ihnen, warum diese für das Unternehmen nachhaltig sinnvoll sind oder nicht. Ich bin selber ein Mensch, der nur ungern auf jemanden trifft, der mir sagt, was zu tun ist. Ich steuere gerne selber – und gebe diesen Raum auch meinen Mitarbeitern.

Haben Sie für diesen Führungsstil einen Mentor oder eine Mentorin gehabt?
Es ist eher die Summe aus Beobachtungen. Ich hatte als Schülerin den Wunsch, Apothekerin zu werden, und habe eine entsprechende Ausbildung absolviert. Doch dann habe ich mir diesen Beruf sehr genau angeschaut und entdeckt, dass mir in allen Jobs für Apothekerinnen ohne Approbation die Vielfalt fehlte, die ich mir schon immer für meinen Beruf gewünscht hatte. Ich konnte mir zum Beispiel nicht vorstellen, in einem Krankenhaus zu arbeiten – das war mir zu behördlich. Und als angestellte Apothekerin wollte ich auch nicht arbeiten. Daher habe ich eine Karriere mit der Option gestartet, mithilfe meines pharmazeutischen Fachwissens auch unternehmerisch tätig zu sein.

Vermissen Sie die Arbeit in den Laboren, das Experimentieren und Zusammenmischen?
Nein, gar nicht, denn das Potenzial, experimentieren zu dürfen, ist hier im Unternehmen größer als in jedem Labor. Was ich hier täglich erleben darf, ersetzt problemlos die Freude, die ich während des Studiums an der Laborarbeit hatte.

Zum Unternehmen

Prof. Götz W. Werner – Sohn einer Drogistenfamilie – gründete 1973 in Karlsruhe seinen ersten eigenen Drogeriemarkt. Kurz nach der Aufhebung der Preisbindung für Drogerieprodukte setzte er dabei auf das Discounterprinzip: günstige Preise und Selbstbedienung. Heute gibt es in Deutschland mehr als 1200 dm-Filialen; das Unternehmen betreibt zudem Märkte in Mittel- und Südosteuropa.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2009/10 erzielte das Unternehmen in Deutschland mehr als vier Milliarden Euro Umsatz, europaweit lag der Umsatz bei mehr als 5,5 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat insgesamt rund 23.000 Mitarbeiter, davon sind rund 1100 in der Zentrale in Karlsruhe angestellt. Gründer Götz Werner ist seit vielen Jahren auch politisch und sozial engagiert und gehört zu den Verfechtern eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Interview mit Eckhard Sauren

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Vor fünf Jahren brachte sein Unternehmen den ersten Dachfonds in Deutschland auf den Markt – mit nachhaltigem Erfolg, trotz schlechter Börsenjahre. Im 34. Stock des Kölnturms trafen sich Anne Thesing und Martin Rath vom karriereführer mit dem Fondsmanager. von Anne Thesing und Martin Rath

Zur Person

Den Erfolg seiner Fonds führt Eckhard Sauren auf die Philosophie seines Unternehmens zurück: Sie basiert auf der qualitativen Auswahl von Fondsmanagern, deren Produkte in die Dachfonds Saurens Eingang finden. Von den Fondsmanagern wird erwartet, dass sie längerfristig in guten wie schwierigen Marktsituationen Mehrwerte schaffen – gegenüber dem jeweiligen Vergleichsindex beziehungsweise gegenüber ihren Konkurrenten.
Angesichts des Erfolgs mit Dachfonds unterschiedlicher Riskiokategorien möchte Sauren die personellen Kapazitäten im Research-Bereich seines Unternehmens ausbauen.

Herr Sauren, wir treffen Sie an Ihrem Firmensitz in Köln – einer Stadt, die zwar viele Kirchen, aber keine Börse hat. Wie kann man einen erfolgreichen Fonds von einem Standort managen, der ein wenig abseits von der größten deutschen Börse liegt?
Als Dachfonds investieren wir in Fonds, anders gesagt: in die besten Fondsmanager. Was wir wissen müssen, um gute Resultate zu erzielen, können wir effizient auch per Telefon erfahren – und im direkten Kontakt mit bewährten Fondsmanagern. Anders als in einer Finanzmetropole trifft man diese Manager dann nicht unbedingt abends beim Bier. Aber zum Relaxen ist es gar nicht schlecht und man beginnt den nächsten Tag entspannter, wenn man nicht auch noch in seiner Freizeit über geschäftliche Fragen spricht.

Wie kamen Sie zu Ihrem heutigen Beruf?
Ende der 1980er-Jahre hatten viele noch Berührungsängste beim Stichwort „Aktie“. Damals habe ich mich mit drei Freunden zusammen getan, und wir haben unser Geld zur Bank gebracht – mit dem Wunsch, es erfolgreich in Aktien anzulegen. Wir haben dann schnell gemerkt, dass wir besser Bescheid wussten, welche Risiken und Chancen die Börse bietet, als die Berater hinter dem Bankschalter. – Ich habe mich dann mit 18 Jahren als unabhängiger Finanzberater selbstständig gemacht…

… ein ungewöhnlicher Schritt.
Als 18-Jähriger wurde mir natürlich erst einmal nicht viel Vertrauen als Finanzberater entgegengebracht. Aber es hat geklappt. Mit den ersten positiven Medienberichten stieg das Vertrauen. Als 1994 ausländische Fondsanbieter auf dem deutschen Markt antraten, wuchs auch das Interesse an unseren Finanzprodukten. 1994/1995 haben wir dann endgültig Boden gefasst.

Sie selbst haben nach der Schulzeit und einer Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann den direkten Weg in die Selbstständigkeit gefunden. Wie rekrutieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Zurzeit beschäftigt die Sauren Fonds-Service AG rund zwölf Mitarbeiter. Darunter sind fast mehr Häuptlinge als Indianer. (Lacht.) Manche haben natürlich das „klassische“ Fach studiert und kommen als Diplom-Kaufleute ins Unternehmen. Wir arbeiten gerne mit Studenten zusammen, die später bei uns bleiben. Entscheidend ist: Ein guter Verkäufer wird immer mehr verdienen als ein guter Analyst, so unfair das vielleicht sein mag, denn beide Fähigkeiten sind wichtig. Und wo die Fähigkeiten schwerpunktmäßig liegen, lässt sich schon ohne Weiteres während des Studiums herausfinden.

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit besonders Spaß?
Entscheidungen zu fällen. Und zu zeigen, dass ein kleines Haus erfolgreicher arbeitet als die großen Fondsanbieter aus dem Bankensektor, für die der Verkauf von Fonds oft zu sehr dem Absatz eigener Produkte dient. Für mich bringt jeder Tag eine Leistungsquittung, das macht mein Unternehmen zwangsläufig sehr transparent. Außerdem macht es natürlich Spaß, mit den Top-Fondsmanagern zusammenzuarbeiten – Menschen, die ich bewundere und von denen ich lerne. Und schließlich gefällt mir die Arbeit mit einem jungen, motivierten Team. Ich hoffe doch, dass ich es mehr motiviere als demotiviere. (Lacht.)

Was empfehlen Sie am Fondsgeschäft interessierten Hochschulabsolventen?
Sie sollten sich nicht von Strukturvertrieben anlocken lassen, über die von Studenten oder Absolventen provisionsorientiert zweitklassige Produkte verkauft werden. Das ist keine Basis für den Berufsanfang. – Unabhängige Finanzberater arbeiten heute auf einem Wachstumsmarkt, doch in jedem Fall will der Kunde überzeugt werden.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen anderen Beruf als das Management von Dachfonds – welcher wäre das?
Vielleicht hätte ich eine Wettbörse aufgemacht. (Lacht.) Die Idee kam mir vor einigen Jahren, noch bevor das Thema in Deutschland aufkam, der Handel mit Wetten. Noch früher wäre ich womöglich Minigolfplatz-Besitzer geworden, aber im Grunde habe ich aus meinem Hobby meinen Beruf gemacht.

Was wollten Sie am Start Ihres Berufslebens?
Eine bessere Beratung von Kunden und bessere Ergebnisse für sie. Besser als im Bankenbereich.

Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Cleverness? Ich glaube, meine Stärken liegen im strategischen Denken und in der Menschenkenntnis. Andererseits sehe ich Schwächen, zum Beispiel wenn es um Kunstkenntnisse geht oder um Fremdsprachen.

Wo möchten Sie leben, wenn nicht dort, wo Sie jetzt schon sind?
Es gibt keine Alternative zu Köln. Nirgendwo sonst.

Welchen Traum möchten Sie sich unbedingt erfüllen?
Es gibt sicher den einen oder anderen Traum. Aber ob man sie sich unbedingt erfüllen sollte…

Wo tanken Sie auf?
Bei Aral, Esso … – Am Wochenende finden Sie mich auf der Galopprennbahn. Abends bin ich dann oft mit Freunden unterwegs, Party machen.

Was war Ihr größter Flop?
Ich habe so viel Glück gehabt, dass mir größere Flops erspart geblieben sind.

Was möchten Sie in fünf Jahren tun?
Im Großen und Ganzen das Gleiche wie jetzt.

Kurz gesagt

Die Dachfonds auf dem Hause Sauren erhielten unter anderem fünf Sterne von Standard & Poor’s und höchste Auszeichnungen im fondsmeter-Ranking.

Interview mit Thomas Sattelberger

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Thomas Sattelberger arbeitet seit 31 Jahren im Personalmanagement. Für den karriereführer schaut der 57-Jährige zurück auf die Personalarbeit der vergangenen Jahrzehnte, betrachtet die Absolventen von heute und blickt auf die Herausforderungen von morgen. Die Fragen stellte Britta Hecker.

Zur Person

Thomas Sattelberger, geboren 1949, ist seit 31 Jahren Personalmanager. Nach dem Abitur absolvierte er zunächst bei der Daimler-Benz AG im Rahmen des so genannten Stuttgarter Modells eine Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (BA). Anschließend arbeitete er fast 20 Jahre im Management verschiedener Personal- und Vertriebsbereiche der Unternehmen des damaligen Daimler-Benz-Konzerns.
1994 wechselte er zur Deutschen Lufthansa AG, zunächst als Leiter der Konzern-Führungskräfte und Personalentwicklung, die letzten vier Jahre als Executive Vice President Produkt und Service und Mitglied des Airline-Vorstandes. Seit 2003 ist er Arbeitsdirektor und Personalvorstand der Continental AG in Hannover.

Worauf schauen Sie zuerst, wenn Sie eine Bewerbungsmappe in den Händen halten?
Für mich gibt es vier erste Eindrücke. Zunächst das Foto. Das ist der allererste Eindruck. Dann achte ich auf Schreibfehler. Das ist für mich ein Kriterium für die Gründlichkeit des Bewerbers. Als Drittes lese ich im Schnellüberblick die persönlichen Kommentare; denn durch standardisierte Internet-Bewerbungsbögen geht häufig ein Stück Persönlichkeit verloren. Und schlussendlich suche ich nach dem professionellen roten Faden, der sich durch die Bewerbung zieht.

Und worauf achten Sie, wenn Ihnen ein Bewerber gegenübersitzt?
Die Fähigkeit, dem Gegenüber – in diesem Falle mir – angemessen in die Augen zu blicken, ist eine Fähigkeit, auf die ich achte. Ich schaue durchaus auch auf korrekte Kleidung. Das heißt nicht, dass jemand überkandidelt angezogen sein muss, aber dem Anlass angemessen. Zudem achte ich auf passende Stärke des Händedrucks. Das sind laienpsychologische Themen, das gestehe ich gerne ein. Sie spielen sich im non-verbalen Bereich ab, beeinflussen aber die Einschätzung eines Bewerbungsgespräches.

Warum haben Sie sich als Betriebswirt damals für den Bereich Personal entschieden?
Ich habe 1972 bis 1975 das „Stuttgarter Modell“, die allererste Abiturientenausbildung Deutschlands absolviert, der Vorläufer der heutigen Berufsakademie. Ich war damals Studierender bei Daimler-Benz und erlebte am eigenen Leibe, wie attraktiv Ausbildungstätigkeit für mich war. So entschied ich begeistert, Ausbilder zu werden. Das war mein Traumberuf, und der war im Personalbereich.

Hatte Ihre BA-Ausbildung zur damaligen Zeit Vorteile gegenüber der Hochschulausbildung?
Schon damals war das ein eindeutiger Vorteil. Durch die betrieblichen Ausbildungsphasen waren die Herausforderungen, sich als junger Berufseinsteiger an die Wirtschaftswelt zu gewöhnen, im Grunde schon Schritt für Schritt abgearbeitet. Die BA-Absolventen waren mit den betrieblichen Abläufen und Prozessen bestens vertraut. Und die guten machten rasch Karriere. Das sprach sich herum.

Diese Praxisnähe soll auch durch die neuen Bachelor-Studiengänge erreicht werden. Glauben Sie, dass das gelingt?
Ich bin Vorreiter dieses Themas. Zusammen mit anderen führenden Unternehmen und Verbänden habe ich für die Continental AG bereits 2004 die Erklärung „Bachelors welcome!“ unterschrieben. Im Mai dieses Jahres haben 30 Personalchefs Deutschlands das Memorandum um den Zusatz „More Bachelors and Masters welcome!“ erweitert. Ich halte es für unverzichtbar, dass Deutschland seine Studiengänge so schnell wie möglich umstellt.

Nicht alle sind so überzeugt von dem neuen System. Warum tut man sich an manchen Stellen so schwer mit der Akzeptanz des Bachelors?
Deutschland ist nun mal eine Nation der Zweifler. Typisch deutsch: Die Reformunwilligkeit wird mit rhetorischen Argumenten verbrämt. Ich habe das Gleiche 1972 bei meiner eigenen Abiturientenausbildung erlebt. Heute ist sie ein etabliertes Standbein im Bereich der tertiären Bildung. Das wird bei den Bachelors genauso laufen.

Sind die Hochschulabsolventen von heute gut auf den Berufseinstieg vorbereitet?
Im Großen und Ganzen ja. Deutsche Universitäten und Fachhochschulen haben den Ruf, dass sie fachliche Güte produzieren. Was uns ein bisschen Sorge bereitet, sind die Stichworte praktische Problemlösung sowie Sozialkompetenz und persönliche Haltung. Aber auch das kann durch inhaltlich gut reformierte Studiengänge und Auswahlprozesse abgefedert werden. Die entscheidende Frage wird sein, ob die Hochschulen den Bachelor ernst nehmen und tatsächlich berufsbefähigend ausbilden. Aber auch auf Arbeitgeberseite, bei Unternehmen, gibt es noch viel Ignoranz zu überwinden.

Haben Sie in Ihrem Unternehmen schon gute Erfahrungen mit dem Bachelor gemacht?
Wir stellen amerikanische, englische oder irische Ingenieur- Bachelors schon seit Jahr und Tag ein. Als internationales Unternehmen werden wir mit allen Arten von Abschlüssen konfrontiert. Für uns ist das Thema also nichts Neues. Die Zahl der deutschen Absolventen, die sich mit einem solchen Abschluss bewerben, ist noch relativ gering und damit auch die Einstellungszahlen. Seit dem Jahr 2000 beispielsweise haben erst knapp über 2000 Ingenieur-Bachelors aus deutschen Universitäten den Arbeitmarkt betreten. Aber die, die wir einstellen, sind erste Sahne.

Sie arbeiten seit über 30 Jahren im Personalmanagement. Welche gravierenden Änderungen haben Sie miterlebt?
Die 70er und 80er Jahre waren die Ära opulenter betrieblicher Sozialpolitik. In dieser Zeit hat das deutsche Personalmanagement ein Stück Rundum-Versorgungsmentalität mit geschaffen. Das war auch eine Zeit des fast ungebrochenen Wachstums. Die 90er Jahre haben dann eine Trendwende eingeläutet. Von beiden Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – wurde der alte psychologische Vertrag zunehmend aufgelöst: lebenslange Treue gegen lebenslange Beschäftigung. Zum einen gab es Anfang der 90er die ersten großen Restrukturierungswellen in der deutschen Wirtschaft. Zum anderen haben insbesondere junge Arbeitnehmer und Führungskräfte in der Dotcom-Blase massenweise die Unternehmen verlassen, um in die New Economy zu wechseln. Der Arbeitsvertrag und das Beschäftigungsverhältnis wurden ab den 90er Jahren mehr und mehr unter den ökonomischen Marktkriterien von Angebot und Nachfrage gesehen – von beiden Seiten. Ab 2000 wurde deutsches Personal-Management dann in aller Schärfe mit einer dritten Herausforderung konfrontiert: der Globalisierung der Wirtschaft, der Kunden-, Finanz- und Arbeitsmärkte, insbesondere auch der globalen Talentmärkte.

Was unterscheidet die Absolventen von heute von den Generationen davor?
Ich spüre, dass junge Menschen heute mehr Sicherheit suchen. Doch die gibt es seit etwa 15 Jahren so nicht mehr. Denn der Wettbewerb an den Talentmärkten hat noch einmal einen Quantensprung gemacht. In großen Unternehmen konkurrieren deutsche Talente nicht nur mit ihren deutschen Kollegen, sondern auch mit rumänischen, chinesischen oder brasilianischen Talenten. Einen Rückzug in die vermeintliche Sicherheit betrachte ich mit einer gewissen Sorge. Junge Menschen müssen hungrig nach Neuem, nach Lernen und Veränderung sein. Ebenfalls mit Skepsis sehe ich, dass das Thema Mobilität, vor allem internationale Mobilität, oft nur ein Lippenbekenntnis ist. Anonyme Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass sich gerade männliche Studenten ein Stück in Richtung „Hotel Mama“ bewegen. Und für beide Geschlechter sind die USA als internationaler Mobilitätsstandort gerade noch akzeptiert, doch die Wachstumsregionen Asien, Osteuropa und Südamerika werden wenig geschätzt.

Wie gelingt es Ihnen, gute Leute an Ihr Unternehmen zu binden?
Durch interessante Aufgaben, eine respektvolle Unternehmenskultur und das breite Spektrum an Entwicklungsperspektiven.

Bei Continental rekrutieren Sie viele Ingenieure. Was ist das Besondere an dieser Berufsgruppe?
Ingenieure erwarten Fakten. Für sie muss der Realitätsbezug deutlicher sichtbar sein. Ein Ingenieur fragt zum Beispiel: „Zeigen Sie mir doch mal typische Ingenieurskarrieren. Wo finden die bei Conti statt? Wie ist es um die technische Qualität und um Innovationsfähigkeit bestellt? Wie sicher sind die Arbeitsplätze?“ Da muss man schon klar Stellung beziehen. Ein Kaufmann würde das nicht zwangsläufig so fragen.

Wie fördern Sie Ihren Führungsnachwuchs?
Durch die Förderung von konzernübergreifender Mobilität und das Angebot entsprechender Entwicklungspositionen. Wir haben einen sehr disziplinierten, strengen Prozess, mit dem wir die Qualität unseres Führungsnachwuchses jährlich beurteilen. Für diejenigen, die im oberen Drittel gesehen werden, gibt es die so genannte Cross-Move-Initiative. Damit fördern wir jedes Jahr 120 interessierte Nachwuchskräfte, die zwischen zwei und vier Jahren im Unternehmen sind, über die Grenzen von Business Units, Ländern und Funktionen hinweg zielgerichtet weltweit. Wir sind kein Unternehmen, das ans Klassenzimmer glaubt. Förderung wird ja oft mit Weiterbildung verwechselt. Wir sind der Meinung, dass sich Nachwuchs „im kalten Wasser“ praktisch bewähren soll. Gute Weiterbildung kommt flankierend dazu. Und natürlich haben wir für interessierte Nachwuchskräfte internationale Talentpools zum Einstieg.

Vor welchen Herausforderungen steht die Personalarbeit in Zukunft?
Einerseits werden administrative Tätigkeiten, die heute die Personalarbeit prägen, künftig entweder elektrifiziert oder in HR-Dienstleistungsfirmen qualitativ gut bearbeitet werden. Dort besteht die Herausforderung, hohe Servicequalität und Effizienz sicherzustellen. Andererseits müssen dann viele Personalverantwortliche im strategischen Geschäft umlernen und vom Verwalter zum Gestalter werden. Sie müssen sich Fragen stellen wie: Wie können wir durch Personalarbeit zur Produktqualität beitragen? Wie können wir die globalen Arbeitskosten managen? Wie können wir in verschiedenen Ländern der Welt eine Arbeitgebermarke aufbauen? Das sind die neuen Felder der Personalarbeit. Das empfinden viele noch als lästige oder schwierige Zusatzaufgaben, doch das werden in Zukunft die Hauptaufgaben sein.

Was möchten Sie in fünf Jahren tun?
Mit meinen 57 Jahren bin ich ja noch jung. Daher möchte ich noch mindestens zehn Jahre arbeiten. Und zwar an etwas, was mir immer viel Freude macht: in einem internationalen Großkonzern wie Continental die Personalarbeit zu verantworten. Personalarbeit ist Menschenarbeit, und das ist meine Leidenschaft. Ich könnte mir auch vorstellen, einen mehr als nur touristischen Ausflug in die Politik zu machen. Das würde mich auch reizen.

Interview mit Thomas Sattelberger

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Thomas Sattelberger ist als Personalchef gerne auf der Höhe der Zeit. Statt von Entwicklungen überrascht zu werden, denkt der Personalvorstand der Telekom lieber voraus. Sein Credo: Wissen wird immer wichtiger, der Expertenkarriere gehört die Zukunft. Ein Gespräch über das, was die Telekom von ihren Mitarbeitern erwartet – und was diese vom Konzern erwarten dürfen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Thomas Sattelberger ist seit Mai 2007 Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Deutschen Telekom. Der im Juni 1949 in Munderkingen/ Donau geborene Diplom-Betriebswirt war von Juli 2003 bis zu seiner Bestellung zum Telekom-Personalvorstand in derselben Funktion Mitglied des Vorstandes der Continental AG in Hannover. Dort verantwortete und gestaltete er insbesondere die zukunftsfähige und strategische Ausrichtung der Personalarbeit, die konzernweite Personalentwicklung, das weltweite Talentmanagement sowie das Arbeitskosten und Effizienzmanagement.

Von 1994 bis 2003 war Sattelberger für die Deutsche Lufthansa in Frankfurt tätig. Seine berufliche Karriere begann Sattelberger, der sein Lehramtsstudium abbrach und danach in Stuttgart BWL studierte, 1975 bei Daimler-Benz in Stuttgart, wo er in verschiedenen Funktionen für die Führungskräfteentwicklung zuständig war. Von 1982 bis 1988 war er bei der ebenfalls zum Daimler-Konzern gehörenden MTU Motoren- und Turbinen-Union in München und Friedrichshafen unter anderem für die Führungskräfteentwicklung der MTU-Gruppe zuständig.

Herr Sattelberger, in einem neuen Positionspapier der Telekom schreiben Sie, die Wirtschaft werde immer wissensintensiver. Woran machen Sie das fest?
Gesamtgesellschaftlich hat in den vergangenen 20 Jahren der Anteil der industriellen Handarbeit dramatisch abgenommen – und zwar zugunsten der Wissensarbeit. Bei der Telekom bedeutet das beispielsweise: Für das Berufsbild des Kupfermonteurs ist das Ende eingeläutet, stattdessen sprechen wir heute von einem Systemmonteur, der auch berät und Verkaufskompetenz mitbringt. In der Folge sehen wir in vielen Branchen seit Jahren einen deutlichen Trend hin zur Akademisierung von Berufen. Egal ob Vertrieb, IT, Personal oder Kundenservice: Analytische und tiefschürfende Problemlösungskompetenz ist gefragt. Und auch wissenschaftliche Bildungsabschlüsse unterliegen einem Veralterungsprozess.

Sind die Absolventen, die die Hochschulen verlassen, sofort soweit, dass Sie Ihnen in dieser Hinsicht helfen können?
In den ersten Jahren ja. Dann aber sehen wir auf etlichen Feldern ganz deutlich den Bedarf nach wissenschaftlicher Weiterbildung. Das Hochschulsystem gibt für Berufstätige heute kaum Antworten auf die Anforderungen. Darum haben wir innerhalb des Konzerns die Förderungsphilosophie Bologna@Telekom entwickelt. Wir haben berufsbegleitende Angebote zum Erwerb von Master- und Bachelorabschlüssen geschaffen, für die sich jährlich Hunderte von Talenten bewerben – und zwar nicht allein aus individueller Lust und Laune, sondern auch angeregt durch ihre Führungskräfte. Die fordern und fördern. Zudem bieten wir jährlich 400 jungen Absolventen die Chance des dualen Erststudiums.

Wie ändert sich die Unternehmenskultur in einem Konzern, in dem immer mehr Akademiker arbeiten?
Das gestalten wir als dynamische, fließende Veränderung innerhalb der Geschäftsbereiche, nicht als „Ruck“ durch plötzliche Veränderung: Mehr Wissens- und Experten- Communities entstehen. Zudem schaffen wir neue Karrierepfade, zum Beispiel Expertenkarrieren. Führung wird offener und moderierender. Ein Blick auf die Zahlen zeigt zum Beispiel, dass sich das Verhältnis der Mitarbeiter, die raus zum Kunden fahren, und der Mitarbeiter in den Service-Centern geändert hat. Durch den technologischen Wandel lässt sich heute vieles aus der Ferne warten.

Kritiker werfen Ihnen vor, dadurch zu einem unpersönlichen Konzern zu werden…
…und übersehen dabei die moderne Fülle an Vorteilen. So muss der Kunde etwa nicht mehr zu Hause sein, wenn wir aus „der Ferne“ Probleme lösen. Von zentralen Knotenpunkten aus sehen wir, wo eine mögliche Störung liegt und beheben diese teilweise sofort. Wir werden damit auch fixer in der Problemlösung. Die alte Idee eines Telekommunikationskonzerns als Flächenorganisation verliert an Bedeutung. Stattdessen bündeln wir Talent und Fähigkeiten in zentralen Planungs- und Steuerungseinheiten, was uns noch leistungsfähiger macht.

Was bedeutet das für akademische Mitarbeiter? Was ist ihre Rolle in einem so strukturierten Unternehmen?
Wir beobachten einen deutlichen Wandel des Selbstverständnisses, den man heute noch etwas prophetisch „Enterprise 2.0“ nennt. Mitarbeiter handeln zunehmend in dem Bewusstsein: Ich bin Unternehmer meines Wissens. Ich bin Herr oder Frau der Dinge – und nicht jemand, der sich nur in formale Autoritätsstrukturen einreiht. Ich rede und handle auf Augenhöhe mit anderen Experten. Wir spüren auch, dass in wissensintensiven Bereichen die Ansprüche und Erwartungen an die Freiheit über Arbeitszeit und Arbeitsort steigen.

Wie reagieren Sie auf diese Ansprüche?
Sie werden vollkommen zu Recht formuliert. Mehr Souveränität hinsichtlich Zeit und Ort ist ein wichtiges Thema: Übrigens nicht zu verwechseln mit „Selbstausbeutung“ eines Mitarbeiters. Es geht um das persönliche Maßschneidern. Deshalb sind individuelle Work-Life-Balance-Konzepte fester Bestandteil unserer Kulturpolitik. Ein Experte möchte auch nicht in sieben- oder achtstufigen Pyramiden arbeiten, in denen eine Idee oder Konzeption Monate benötigt, bis sie abgenickt wird – von jemandem, der nichts von der Thematik versteht. Deswegen werden unsere Hierarchien flacher. Ein Wissensexperte hat das Bedürfnis nach einer neuen Form von Arbeitsorganisation. Er ist nicht in klassischen Kästchenorganisationen zu Hause, sondern in fließenden Projektorganisationen. Wir als Unternehmen müssen deshalb lernen, Projektmanagement, Projektkultur und Wissensmanagement noch besser zu ermöglichen.

Hat sich bei den Wissensarbeitern auch der Blick auf den Begriff Karriere geändert?
Zusätzlich zur traditionellen Managementkarriere tritt die Expertenkarriere: Einfluss nehmen statt Macht ausüben. Viele Wissensexperten legen keinen großen Wert auf eine Laufbahn, die in die Administration führt. Sie stellen für sich den Anspruch auf, herausragend in ihrem Fach zu werden. In den 1980er- Jahren stand die Expertenkarriere schon einmal im Blickpunkt. Sie geriet dann ein wenig in Vergessenheit, gewinnt aber heute wieder an Bedeutung.

Wie verhindern Sie, dass Expertenkarrieren in der Fachidiotie münden?
Wissensmanagement heißt ja nicht nur tiefer, sondern auch breiter, interdisziplinärer. Eine Expertenkarriere bedarf zudem ganz besonderer Führungseigenschaften. Ich muss andere Menschen für mich gewinnen können – und zwar ohne formale Macht zu besitzen. Dafür benötige ich Kommunikationskompetenzen. Ich muss mir quer durch die Disziplinen meine Leute zusammenholen und Heterogenität organisieren.

Wie und wo lernt ein Experte diese anspruchsvollen zusätzlichen Skills?
Erst einmal durch Verantwortung für komplexere Aufgaben, in denen er sich bewährt. Dann durch gute Vorgesetzte als Coaches. Flankierend haben wir einen großen Trainingsbereich, der die Mitarbeiter mit einem breiten Programm bei der persönlichen Qualifikation unterstützt, gegebenenfalls mit Hilfe von externen Spezialisten sowie ausgezeichneten Hochschulen, also mit Lehrstühlen, die keine Scheu haben, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, und Wert auf eine praxisorientierte und ganzheitliche Lehre legen. Da hängt letztlich viel vom pädagogischen Ethos des Professors ab.

Welche Rolle spielen die Unternehmen bei der zusätzlichen Qualifikation – gerade auch mit Blick auf die zeitlich immer engeren Studienabläufe nach der Bologna-Reform?
Gute Unternehmen beklagen sich nicht ständig, dass sie eine Art Reparaturbetrieb für ein unausgegorenes Hochschulsystem sind, sondern nutzen die Chance einer gezielten, individuellen und dadurch sehr effektiven Personalentwicklung. Es muss also kein frisch gebackener Absolvent befürchten, Opfer der Reform zu sein und schlechtere Karrierechancen zu besitzen. Gibt es eine fachliche oder methodische Lücke, wird sie geschlossen – das ist nicht tragisch. Sehen Sie, die deutsche Wirtschaft beklagt sich seit 30 Jahren über die Qualität von Hochschulabsolventen. Und trotzdem ist sie in sehr vielen Bereichen Weltspitze. Das deutsche Gesamtsystem funktioniert doch ganz ordentlich.

Erkennen Sie denn Leute, die das Zeug zu einer exzellenten Expertenkarriere haben, an bestimmten, regelmäßig in Erscheinung tretenden Eigenschaften?
Nein. Rekrutierer, die das behaupten, leiden an Omnipotenzwahn. Wir sollten uns dagegen darauf verlassen, dass eine gute Unternehmenskultur Mitarbeitern das Ausschöpfen ihrer Begabungen ermöglicht. Für mich ist ein gutes Unternehmen ein Melting Pot, in dem letztlich 95 Prozent aller Mitarbeiter den richtigen Platz für ihre Fähigkeiten finden. Darauf vertraue ich. Daher schaue ich bei den Bewerbern weniger darauf, ob sie zu einem vorher definierten Standard passen, sondern ob ich Leidenschaft, Motivation und Persönlichkeit spüre. Mich interessiert, ob jemand aus seinen Stärken etwas macht. Und ob er die Abbrüche, die jeder Mensch in seinem Lebenslauf hat, konstruktiv verarbeitet.

Diese Abbrüche sind also kein Grund mehr, jemandem keine Chance zu geben.
Es gehört in einer Wissensgesellschaft dazu, immer mal wieder ins kalte Wasser zu springen. Früher war man nur einmal Lehrling, dann Geselle, dann Meister. Ich selbst war in meinem Berufsleben vier Mal Lehrling (lacht). Der Wechsel und auch das immer mal wieder Neuanfangen gehören heute dazu. Natürlich nicht das Job-Hoppen, weil da vieles unfertig bleibt. Aber drei Dinge sollte man sich auf die Fahne schreiben, wenn man in der Wissensgesellschaft als Experte eine Karriere machen möchte: lernen, lernen, lernen.

Zum Unternehmen

Die Deutsche Telekom ist weltweit eines der führenden Dienstleistungsunternehmen der Telekommunikations- und Informationstechnologiebranche. Als international ausgerichteter Konzern ist die Telekom in rund 50 Ländern vertreten. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen mit Hauptsitz in Bonn rund 260.000 Mitarbeiter (Stand vom Juni 2009).

Die Deutsche Telekom hat ihr Geschäft in drei Marken aufgeteilt. Dabei steht die Marke T-Home für Produkte für Zuhause, T-Mobile für mobile Dienstleistungen und Produkte für unterwegs. Unter der Marke T-Systems hat der Konzern Angebote für Großunternehmen. Das Unternehmen widmet sich Personalthemen wie Diversity, Work-Life-Balance sowie den Fragen zu Gender und Generation. Zudem bietet die Telekom Weiterbildungsmaßnahmen „on the job“, zum Beispiel einen berufsbegleitenden Studiengang im Rahmen des Programms Bologna@Telekom.

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Interview mit Barbara Salesch

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Bis vor einigen Jahren waren es solche oder ähnliche zivilrechtliche Fälle, die sie löste. Heute trifft sie an fünf Tagen in der Woche in öffentlichen Gerichtsverhandlungen strafrechtliche Entscheidungen auf SAT.1 und hat schon 500 Sendungen hinter sich – Richterin Barbara Salesch. Und ihre Sendung ist ein echter Hit. von Gabriele Roeder

Zur Person

Über 500 Mal hat Barbara Salesch inzwischen auf dem Richtersessel vor dem deutschen TV-Publikum Platz genommen. Ihre Fernsehkarriere begann 1999 mit dem Schiedsgericht Barbara Salesch auf Sat1.

Welchen Berufswunsch hatten Sie mit 15?
Jede Woche einen anderen. Aber Jura war nicht dabei.

Was war Ihre Motivation, Richterin zu werden?
Mein Berufswunsch war immer Rechtsanwältin, weil ich unbedingt selbstständig sein wollte. Aber dann bin ich in meiner letzten Referendarstation beim OLG Hamburg auf einen Richter gestoßen, der juristisch super und zugleich witzig, chaotisch und ungemein menschlich war und der mir mein bis dahin gepflegtes Vorurteil gegenüber Staatsbediensteten gründlichst genommen hat. Da habe ich mich spontan umentschieden, damals blauäugig, denn ich wusste keinesfalls, wie mein Examen ausgeht und ob die mich überhaupt als Richterin wollen. Ich habe es nie bereut, vor allem, weil man sich alle Seiten anhören kann, ohne die Interessen einer Partei vertreten zu müssen.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine gute Richterin aus?
Wichtig ist zum Beispiel Geduld und dass man sich so ausdrücken kann, dass man mit jedem ins Gespräch kommt. Zuhören können ist genauso wichtig und generell, dass die Parteien einen verstehen, ohne einen juristisch vorgebildeten Übersetzter zu benötigen. Einer meiner Ausbilder hat zudem immer gesagt, ein guter Strafrechtler hat die Pingeligkeit eines Oberbuchhalters und die Phantasie einer Puffmutter (was immer er damit gemeint hat…)

Was sehen Sie als Ihren bisher größten persönlichen und/oder beruflichen Erfolg?
Das weiß ich wirklich nicht, aber bestimmt nicht die Quoten.

Was sind Ihre persönlichen Stärken und Schwächen?
Zum Beispiel Geduld im Beruf und Ungeduld im Privaten

Wie kamen Sie zum Fernsehen?
„Beim Biertrinken“. Die damalige Präsidentin des Landgerichts Hamburg hat mich bei einem Betriebsfest darauf angesprochen, dass das Fernsehen für eine (damals) Schiedsgerichtssendung eine Richterin sucht und ob sie dafür meinen Namen weitergeben kann. Sie fände das gut. Und nach einigem Geschiebe – „… was soll ich mit Fernsehen, ich hab’ gar keinen, und was soll ich mit Zivilrecht, ich mag lieber Strafrecht, ich bekomm’ kein Wort raus, wenn eine Kamera läuft …“ – bin ich dann doch zu einem Casting nach Köln gefahren und habe in meiner Art eine Verhandlung gemacht. Und dann wollten sie mich dort unbedingt haben.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der Sendung?
Am einfachsten gesagt, weil sie gut ist. Es ist wohl die Mischung aus Unterhaltung, Spannung, Abwechselung und Information, und das Ganze eingebettet in einen festen Rahmen.

Was war ihr ungewöhnlichster Fall als Fernsehrichterin?
Weiß ich nie. Heute der, morgen der…

Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht als Fernsehrichterin auftreten?
Am liebsten wäre ich in einem Atelier und würde an Plastiken arbeiten, aber meistens schlaf ich nur aus, fünf Stunden Fernsehen wöchentlich bedeuten eine immense Vorbereitung.

Ihr Lebensmotto?
Braucht man eins?