Der studierte Jurist Alexander Fröhlich fertigt heute als ausgebildeter Schuhmacher Maßschuhe an. Seinen Traumberuf hat er erst über Umwege gefunden. Von Sabine Olschner
Eigentlich wusste Alexander Fröhlich nach dem Abitur gar nicht so recht, was er studieren sollte. Also folgte er dem Rat eines Freundes und entschied sich für Jura, „denn damit kann man schließlich alles machen“, so das Argument des heute 38-Jährigen, der sich damals vorstellen konnte, nach dem Studium im Auswärtigen Amt oder bei der EU zu arbeiten.
Schnell stellte Alexander Fröhlich jedoch fest, dass das Jurastudium nicht seinen Vorstellungen entsprach. Trotzdem studierte er erst einmal weiter, machte seine Zwischenprüfung und absolvierte ein Praktikum bei einer Auslandsvertretung – aber noch immer sprang der Funke nicht über. Die Suche nach Alternativen verlief erfolglos, er machte sein Erstes Staatsexamen und begann das Referendariat. „Vor allem die Arbeit in der Strafrecht-Station hat mich beeindruckt – aber ich wollte mich nicht den ganzen Tag mit Problemen anderer Menschen beschäftigen.“
Lesetipp
Schuhmacher Alexander Fröhlich ist einer von 30 Protagonisten, die im neuen Ratgeber „Design Your Life“ vorgestellt werden. Autoren des Handbuchs sind die beiden Coachs Robert Kötter und Marius Kursawe, die als Team in ihrem Beratungsunternehmen „Work-Life-Romance“ Menschen unterstützen, die sich beruflich verändern wollen. Robert Kötter und Marius Kursawe: Design Your Life. Dein ganz persönlicher Workshop für Leben und Traumjob. Campus 2015. ISBN 978-3593504476. 29,99 Euro
Mitten im Referendariat „brannte mein Fleißmotor aus“, erinnert sich Alexander Fröhlich, und er nahm sich erst einmal eine Auszeit, um zu überlegen, wie es weitergehen sollte. „Ein Freund wies mich auf eine Stelle als Redakteur bei einem Allgäuer Radiosender hin. Eigentlich sollte es nur eine kleine Auszeit sein – es wurden am Ende vier Jahre daraus.“
Seine Berufung hatte Alexander Fröhlich damit aber noch immer nicht gefunden. Zusammen mit seiner Frau, ebenfalls Redakteurin, ging er nach Jerusalem, wo er bei einer Hilfsorganisation arbeitete. „Eigentlich wollte ich etwas ganz Konkretes machen, wie einen Brunnen bauen. Aber die Organisationen wollten mich als Jurist immer in die Rechtsabteilung stecken. Das war nicht, was ich mir vorgestellt hatte.“
Also wieder ein Richtungswechsel: Für die Zeitungsberichte seiner Frau schoss er fortan die Fotos. „Bald merkte ich aber, dass ich eine Ausbildung gebraucht hätte, um besser zu werden. Und die Aussicht, zurück in Deutschland Hochzeiten fotografieren zu müssen, hat mich auch nicht gereizt.“
Dies war der Punkt, an dem Alexander Fröhlich ernsthaft überlegte: Was will ich eigentlich? Was ist beruflich mein Herzenswunsch? Er erinnerte sich daran, dass ihn als Jugendlicher das Handwerk des Schuhmachers beeindruckt hatte. „Bei meinen Klausuren zog ich immer meine besten Schuhe an. Denn wenn die Schuhe passen, fühlt man sich standfester“, so seine Überzeugung.
Nach einiger Überlegung kam Alexander Fröhlich zu dem Schluss, dass der Beruf des Schuhmachers alle seine Interessen vereinigte: Er muss bei den Zeichnungen für einen Maßschuh mathematisch denken können. Bei den Leisten muss er wie ein Bildhauer vor- gehen. Beim Material und der Ausgestaltung kommt der Designer in ihm zum Einsatz. „Maßschuhe sind fast so etwas wie ein Kunstwerk, sie machen etwas aus einem Menschen“, erklärt Alexander Fröhlich seine Faszination. Außerdem reizte ihn das Handwerk als handfester Beruf – während er gleichzeitig zögerte, den Schritt wirklich zu gehen. Erst das Gespräch mit einem Schuhmachermeister, der ebenfalls vorher studiert hatte, gab ihm den Mut, den Schritt zu wagen.
Ich habe im Studium gelernt, Probleme zu analysieren, sie zu strukturieren und eine Lösung zu suchen. Das war eine gute Denkschule und hilft mir heute bei meinen täglichen Aufgaben.
Mit 33 Jahren begann er seine Ausbildung zum Schuhmacher. Sein Meister ließ ihm freie Hand, das zu lernen, was ihn am meisten interessierte – das Anfertigen von Maßschuhen. „Nach der Ausbildung war es nicht leicht, eine Anstellung zu finden. Daher beschloss ich, mich selbstständig zu machen“, berichtet Alexander Fröhlich weiter. Die Werkstatt übernahm er von einem alten Schuhmacher in Bonn, wo die mittlerweile fünfköpfige Familie auch lebt. Das Ladenlokal teilt er sich mit einem Restaurator. „Das hält die laufenden Kosten niedrig und hat Synergieeffekte.“
Seit zweieinhalb Jahren arbeitet der Jurist nun als Schuhmacher – und ist glücklich über seine Entscheidung. „Ich bin froh, dass mir die richtigen Menschen Mut gemacht haben, diesen Schritt zu gehen. Der Weg bis zu meinem Traumberuf war hart, aber alles, was ich bis dahin erlebt habe, hatte auch seinen Sinn.“ Selbst das Jurastudium sieht Alexander Fröhlich nicht als vergebens an: „Ich gehe mit viel Verstand an eine Sache heran und denke immer viel über meine Arbeit nach, bevor ich sie beginne. Das macht sie am Ende qualitätvoller.“
Eine handwerkliche Ausbildung und praktische Berufserfahrung vor dem Studium würden sicherlich vielen Studenten guttun, ist Alexander Fröhlich überzeugt. Prinzipiell rät er Studenten jedoch, beim Berufswunsch ihrem Herzen zu folgen – aber trotzdem vernünftig zu denken. „Bei mir war es umgekehrt: Ich habe zu viel nachgedacht und erst spät auf mein Herz gehört. Letztlich bin ich froh, meine Berufung über Umwege gefunden zu haben.“