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Sprache als Schlüsselqualifikation

Wer als Rechtsberater die Sprache seiner internationalen Mandanten spricht, schafft Vertrauen. Dabei kommt es beim Reden nicht auf die akzentfreie Aussprache an. Wichtiger ist, dass die Inhalte stimmen. Anders ist es im Schriftlichen: Hier ist Perfektion Pflicht. Von André Boße

Eigentlich war Steffen Paulmann ein Fan der Insel. Als Schüler liebte er das Vereinigte Königreich. Die Kultur Großbritanniens. Die englische Sprache. Alles änderte sich bei einem Schüleraustausch, der ihn als 16-Jähriger nach Nantes an der französischen Atlantikküste führte. Als Deutscher im Klassenverband war er ein bunter Hund. Dass er ein wenig Französisch sprechen konnte, rechnete man ihm hoch an. Vor allem aber entdeckte der Schüler aus dem Taunus, wie viel Spaß interkulturelles Leben und Lernen machen kann. Steffen Paulmann erkannte die Unterschiede. Klischees zwar, aber doch wahr: Sein Hang zur Disziplin und Ordnung, und im Gegensatz dazu das berühmte „Laissez-faire“ der französischen Mitschüler – „wobei ich schnell beobachtete, dass beide Wege zum Erfolg führen können: der deutsche Weg, etwas sehr genau zu nehmen, aber auch die lockere französische Art“.

Die Teenager-Erfahrungen in Nantes haben schließlich Steffen Paulmanns Karriereweg entscheidend mitgeprägt: In der Wirtschaftskanzlei Grützmacher, Gravert, Viegener (GGV) ist er der Experte für die französischen Mandate. Heute gibt es in beinahe allen großen Sozietäten Juristen, die sich nicht nur durch ihre juristische Fachexpertise, sondern auch mit Hilfe ihrer besonderen Sprachkenntnisse spezialisieren. Mehrsprachigkeit wird dabei zum Karrieremotor: Wer als juristische Nachwuchskraft neben seiner Muttersprache noch eine weitere Sprache auf hohem Niveau beherrscht, setzt sich von der Konkurrenz ab und besitzt gute Chancen auf spannende Mandate.

So wie Steffen Paulmann, der bei GGV als Fachanwalt für Arbeitsrecht tätig ist. Für das Studium ging er nach Saarbrücken, näher kommt man Frankreich in Deutschland nirgendwo. Einige Semester verbrachte er in Paris, seine Promotion absolvierte er zugleich an den Unis Saarbrücken und Straßburg. Als Paulmann nach einigen Jahren in einer Hamburger Sozietät und als Anwalt mit eigener Kanzlei im Jahr 2008 schließlich bei GVV anheuerte, war sein Schwerpunkt schnell ermittelt. Der 41-jährige Jurist berät vor allem Unternehmen aus französischsprachigen Ländern im deutschen Wirtschaftsund Arbeitsrecht.

Sein festes Büro hat er in Frankfurt, beinahe monatlich ist er jedoch auch im Pariser Büro der Kanzlei. Dort trifft er sich mit den französischen Mandanten – und spricht mit ihnen selbstverständlich Französisch. Zwar sprechen heute auch die französischen Geschäftsleute in der Regel ein gutes Englisch. Doch der Austausch mit dem juristischen Berater in der Muttersprache gibt ihnen zusätzliche Sicherheit. „Unsere Mandanten fokussieren sich als Unternehmer vor allem auf ihr operatives Geschäft“, erklärt Steffen Paulmann. „Die Klärung von Rechtsfragen ist ihnen zwar wichtig. Doch sie fühlen sich in diesem Gebiet thematisch nicht unbedingt zu Hause. Daher ist es für die Mandanten angenehm, wenn sie mit ihrem juristischen Berater in der Muttersprache reden können.“

Hochschulpartnerschaften nutzen

Fast alle deutschen juristischen Fakultäten pflegen eine oder mehrere Partnerschaften mit internationalen Hochschulen. Über diese Kooperationen ist es nicht nur möglich, Auslandssemester einzulegen. Weitere Optionen sind Aufbaustudiengänge im Ausland, Promotionen mit internationalen Themen oder die Teilnahme an transnationalen Netzwerken. Tipp: Neben den Sprachkenntnissen an sich kommt es bei den Personalchefs der Kanzleien sehr gut an, wenn man sich international engagiert und Erfahrungen mit dem juristischen Denken in anderen Kulturen gesammelt hat. Informationen zu Studienmöglichkeiten im Ausland unter www.daad.de.

Schaut man in Stellenanzeigen oder in Bewerbungen, findet man dort häufig die Formulierung „hervorragende Sprachkenntnisse in Wort und Schrift“. Was das heißt, kann Steffen Paulmann erklären. Keine Sorgen sollte man sich als mehrsprachiger Einsteiger machen, wenn sich ein deutscher Akzent nicht ganz leugnen lässt. „Beim Sprechen einer anderen Sprache im Berufsleben geht es hauptsächlich um die Inhalte“, sagt der Jurist. „Klar, die Leute mögen es, wenn jemand die Sprache fast akzentfrei spricht. Im Job ist es jedoch beeindruckender, wenn man als Rechtsberater die Fachbegriffe beherrscht und den Inhalt gut vermitteln kann.“ Kurz: Ist der Akzent nicht zu krass, stört er nicht.

Anspruchsvoller ist das Schriftliche. „Hier sind die Stolpersteine am größten, denn bei Schriftstücken merkt man tatsächlich, wer Muttersprachler ist – und wer nicht“, so Paulmann. Daher ist die Absicherung wichtig: „Wenn wir Vertragsmuster vorbereiten oder wichtige Briefe aufsetzen, geben wir den französischen Teil immer einem Muttersprachler.“

Neben dem Wort und der Schrift hat die Mehrsprachigkeit noch eine dritte Dimension: Sprache ist der Schlüssel zu einer anderen Kultur. „Wer ein Land und seine Sprache mag und dort gerne Zeit verbringt, kennt die andere Kultur und ist in der Lage, die Leute mit ihrem Denken abzuholen“, sagt Steffen Paulmann. Ein Beispiel aus seinem juristischen Arbeitsalltag: In Frankreich gehe man vor Vertragsgesprächen gemeinsam essen. „Man beschnuppert sich, erzählt von seinem Projekt.“ Die Deutschen hätten es dagegen lieber, wenn man sich streng an einer strikten Tagesordnung entlanghangelt. Paulmann: „Es ist daher meine Aufgabe als anwaltlicher Berater, meine Mandanten auf kulturelle Unterschiede vorzubereiten.“

Dass es nicht nur darum geht, auf Unterschiede aufmerksam zu machen, verdeutlicht Rainer Birke, Jurist bei der Wirtschafts- und Steuerstrafrechtskanzlei Wessing & Partner. „Wichtig wird die Muttersprache der Mandanten auch, wenn man Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten entdecken möchte“, sagt der Fachanwalt für Strafrecht. In der Düsseldorfer Sozietät ist der 43-Jährige mit profunden Russischkenntnissen insbesondere für Mandanten aus dem osteuropäischen Raum zuständig. Durch seine Sprachkenntnisse wird Rainer Birke für die Mandanten dort zu einer juristischen Vertrauensperson. Das ist gerade in Ländern wie Russland wichtig, wo sich das Rechtsverständnis von dem in Deutschland unterscheidet.

Rainer Birke wurde 1971 in Plauen geboren, in der ehemaligen DDR also. Russisch lernte er schon in der Schule, „doch nach der zwölften Klasse hatte ich mit der Sprache zunächst einmal nichts mehr zu tun“. 2007 wechselte er dann in die Düsseldorfer Kanzlei, wo man feststellte, dass die Zahl der Mandate, bei denen die russische Sprache eine Rolle spielte, deutlich zunahm. Birke: „Also haben wir gemeinsam entschieden, dass ich mich sprachlich spezialisiere und mein Russisch reaktiviere.“

Nach Feierabend nahm der Jurist Termine mit seiner Russischlehrerin wahr oder büffelte auf eigene Faust Vokabeln und Grammatik. „Das disziplinierte Lernen war für mich eine Frage der Motivation“, erinnert er sich an die Zeit, als er sich als Strafrechtler in der Fremdsprache fortbildete. „Ich wollte die Kanzlei voranbringen und merkte, wie wichtig es ist, mehr zu bieten als nur Englisch.“ Es gibt das Vorurteil, dass es jüngeren Menschen deutlich leichter fällt, eine Sprache neu zu lernen oder Kenntnisse aufzufrischen. Rainer Birke war bereits Ende 30, als er an seinen Russischkenntnissen arbeitete – besonders schwer fiel es ihm nicht. Sein Fazit: „Beim Lernen einer Sprache spielt das Alter meiner Erfahrung nach eine viel geringere Rolle, als man annimmt.“

Gelten französische und russische Sprachkenntnisse in Deutschland noch als recht naheliegend, ist ein Anwalt, der seine Mandanten auch auf Hebräisch beraten kann, schon etwas Besonderes. Philipp Stricharz ist Partner bei der internationalen Sozietät Field Fisher, die in Deutschland Büros in Hamburg und Düsseldorf betreibt. Der Jurist mit Schwerpunkt Immobilienrecht besuchte schon als Jugendlicher Verwandte in Israel und lernte Hebräisch als Wahlfach in der Oberstufe.

Im Jurastudium verbrachte er einige Semester in Israel, während des Referendariats durfte er als Einsteiger sogar einige Monate in der Präsidialkammer des Obersten Gerichtshofs von Israel in Jerusalem mitarbeiten. „Hebräisch ist eigentlich eine recht einfach strukturierte Sprache“, sagt er. Das eigene Schriftbild schrecke viele ab – „dabei ist die hebräische Schrift mit ihren 22 Buchstaben leichter zu erlernen als einige andere Schriften“.

Als Anwalt berät Stricharz überwiegend Immobilieninvestoren aus Israel. „Häufig geht es um die klassische Ankaufprüfung und Transaktionsbegleitung, vielfach auch um die Schaffung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen und die Bankfinanzierung der Ankäufe.“ Der Partner von Field Fisher kann bestätigen, dass Sprachkenntnisse die Karriere fördern, weil sie seiner Kanzlei einen geschäftlichen Vorteil verschaffen. „Die Sprache spielt durchaus eine Rolle, wenn wir Mandate aus Israel erhalten. Allerdings legen israelische Unternehmen sehr großen Wert auf fachliche Empfehlungen sowie die Erfahrung der Berater in genau dem Bereich, zu dem sie eine rechtliche Begleitung wünschen.“

Egal ob Hebräisch, Französisch oder Russisch: „Wer eine Sprache lernen möchte, muss sich auf das Gespräch mit Muttersprachlern einlassen, auch wenn man vielleicht noch etwas unsicher ist, was die Vokabeln und die Grammatik betrifft“, empfiehlt Philipp Stricharz. Das ist das Besondere auf dem Weg in die Mehrsprachigkeit: Die beste Sprachschule ist das Gespräch. Eine Fortbildung, die nichts kostet – der juristischen Karriere aber nutzt.

Tipps: So lerne ich Sprachen

Unsere mehrsprachigen Experten raten Folgendes zu tun, um fit in einer neuen Sprache zu werden:

  • Häufige Urlaubsreisen in das Land – und zwar abseits von Touristenhochburgen, also dorthin, wo man die Sprache wirklich sprechen muss.
  • Romane in der Sprache lesen, Filme in der Sprache schauen.
  • Jede Möglichkeit zum Smalltalk nutzen, denn wer diesen beherrscht, gewinnt Sicherheit.
  • Texte schreiben, diese von einem Muttersprachler gegenlesen lassen – und aus den Fehlern lernen.
  • Intensivkurse, am besten als Einzelunterricht. Viele Kanzleien unterstützen Einsteiger dabei, fördern die Kurse finanziell oder gewähren freie Zeit als Ausgleich.
  • Nicht nur die Vokabeln und die Grammatik einer Sprache lernen, sondern auch die Rechtssysteme und die Rechtskultur der Länder studieren, in der sie gesprochen wird.
  • Bei aller Lernerei: Den Spaß nicht verlieren. Denn die Freude am Sprechen motiviert am meisten.

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