StartRechtReallabore – Innovationsförderung durch Regulierung?

Reallabore – Innovationsförderung durch Regulierung?

Die Entwicklung von Innovationen stößt – wegen ihrer Neuartigkeit – immer wieder auf rechtliche Herausforderungen. Dies überrascht nicht, denn Innovationen können gerade dort wirken, wo die bestehenden Regeln zwar greifen, aber nicht die besonderen und neuen Umstände der Innovation abbilden. Dies kann zur Folge haben, dass eine Innovationsentwicklung nicht abgeschlossen werden kann oder aufgrund von Rechtsunsicherheit nicht (weiter-)verfolgt wird. Reallabore knüpfen hier an und können Innovationen fördern. Wie, erklärt Rechtsanwältin Dr. Theresa Bachmann.

Zur Person

Dr. Theresa Bachmann ist Rechtsanwältin bei Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB in Berlin und berät in diversen Bereichen des öffentlichen Wirtschaftsrechts und Außenwirtschaftsrechts. Sie begleitet Unternehmen und Akteure der öffentlichen Hand bei regulatorischen Fragen im Zusammenhang mit Rechtsänderungen, Innovationen und komplexen Infrastrukturvorhaben und vertritt diese in Verwaltungs(gerichts)verfahren. Ihre außenwirtschaftsrechtlichen Schwerpunkte liegen in der Beratung von Unternehmen im Bereich des Sanktions-, Exportkontroll- und Zollrechts sowie in der Investitionskontrolle.

Nach der Definition des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sind Reallabore Testräume für Innovation und Regulierung, in denen nicht nur eine innovationsbezogene Erprobung stattfinden kann, sondern gerade auch eine Erprobung der einschlägigen oder benötigten Regulierung (siehe https:// www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/reallabore-testraeume-fuer-innovation- und-regulierung.html). Was aber genau ist unter solchen Testräumen zu verstehen und wie wirken sie sich in rechtlicher Hinsicht aus? Und kann eine Regulierung – der Erprobung im Reallabor als solcher oder die regulatorische Verankerung von Reallaboren – auch innovationsfördernd wirken?

Was ist ein Reallabor?

Der Begriff „Reallabor“ lässt an einen physischen Raum, eben ein Labor, denken. Und in der Tat ist diese Assoziation nicht fehl am Platz, auch wenn es sich bei einem Reallabor um ein Labor im übertragenen Sinne handelt, in dem neue Technologien, Produkte und Geschäftsmodelle in der Praxis unter realen Bedingungen erprobt werden können. Die Erprobung im Reallabor findet also gerade nicht in einem gesonderten Raum statt, sondern im Realbetrieb. Prominentes Beispiel hierfür ist der Einsatz innovativer Verkehrsmittel zur Personenbeförderung, deren Anwendung sich noch in der Erprobungsphase befindet, diese aber zu Erprobungszwecken bereits im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt und von der Allgemeinheit genutzt werden.

Das Reallabor als Testraum für Innovation und Regulierung legt einen besonderen Fokus auf die Ausforschung der regulatorischen Bedingungen, die die Nutzung der Innovation auch zukünftig erfordern wird. In der Regel ist eine Erprobung im Reallabor dann notwendig, wenn der Einsatz der Innovation auf regulatorische Hindernisse stößt, beispielsweise einen fachgesetzlichen Genehmigungsvorbehalt, dessen Voraussetzung die Innovation gerade aufgrund ihrer Innovativität nicht erfüllen kann. Da Reallabore an die konkrete Innovation anknüpfen, sind sie von der jeweiligen Innovation und dem jeweiligen Erprobungsbedürfnis geprägt.

Was können Reallabore leisten?

Die Ausgestaltung eines Reallabors bestimmt auch das Leistungspotenzial, das dieses entfalten kann. Reallabore, die der Regulierung dienen, weisen jedoch oft einige Aspekte auf, die im Zusammenhang stehen mit gesetzgeberischem Tätigwerden oder Verwaltungshandeln. Gesetzgeberisches Handeln ist in der Regel dann vonnöten, wenn die Erprobung einer Innovation an regulatorischen Hindernissen scheitert. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Erprobung nach der bestehenden Rechtslage aufgrund ihrer Innovativität einem Verbot unterliegt. Gesetzgeberisches Mittel, solchen Verboten zu begegnen, sind insbesondere Experimentierklauseln.

Experimentierklauseln wirken regelmäßig in dem für die Innovation anwendbaren Fachrecht. In den meisten Fällen schaffen sie Ausnahmetatbestände gerade zu Erprobungszwecken und ermöglichen so ein Abweichen vom bestehenden Rechtsrahmen (siehe z. B. § 2 Abs. 7 PBefG). Sie bieten aber auch Gelegenheit, den bestehenden Rechtsrahmen erprobungs- und innovationsbezogen weiterzuentwickeln.

Experimentierklauseln stellen folglich eine Form der Regulierung dar, die gerade dazu dient, Innovationen zu ermöglichen und entsprechend innovationsfördernd wirkt. Verwaltungshandeln im Zusammenhang mit Reallaboren geht oftmals mit Experimentierklauseln einher, ist aber nicht zwangsläufig auf deren Anwendungsbereich beschränkt und kann sich auch aus bestehendem Verwaltungsverfahrensrecht ergeben. Abhängig vom Bestehen einschlägiger Ermächtigungsgrundlagen kann die Verwaltung mit oder ohne Regelungswirkung tätig werden.

Denkbar sind beispielsweise der Erlass von Verwaltungsakten, mit denen Erprobungen genehmigt oder ein Nichteinschreiten zugesichert wird. Daneben kann die Verwaltung aber auch beispielsweise durch rein informatorisches Handeln eine Erprobung begleiten und auf diese Weise Rechtsunsicherheit entgegenwirken.

Welche Rolle spielen Reallabore im Rechtsrahmen und in der Innovationsförderung?

Reallabore als Testräume für Regulierung sind ein wichtiges Instrument, um den Rechtsrahmen innovationsfreundlicher zu gestalten. Gelingt dies, ebnen Reallabore den Weg zu einer innovationsfördernden Regulierung. Dabei ermöglichen sie zum einen die Entwicklung von Innovationen, so lange sich diese noch im Erprobungsstadium befinden. Sie bieten vor allem aber auch das Potenzial, wichtige Erkenntnisse über die erforderliche Regulierung von Innovationen im Regelbetrieb, also nach der Erprobungsphase, zu erlangen. Diese Erkenntnisse können – und sollten – in den regulären Regulierungsrahmen übertragen werden, um eine rechtssichere Etablierung der Innovationen zu gewährleisten.

Reallabore als Testräume für Regulierung sind ein wichtiges Instrument, um den Rechtsrahmen innovationsfreundlicher zu gestalten.

Beide Aspekte wirken in die Innovationslandschaft hinein: Für die Erprobungsphase bieten Reallabore einen Rahmen, der für Innovatorinnen und Innovatoren Rechtssicherheit bedeutet. Der Erkenntnisgewinn aus dem Reallabor, einhergehend mit einer nachgelagerten, dauerhaften Anpassung des Rechtsrahmens und die Ermöglichung des Regelbetriebs, schaffen wiederum einen der größten Innovationsanreize, nämlich die Aussicht, die Innovation über die Erprobungszeit hinaus zur Anwendung zu bringen.

Vor diesem Hintergrund kommt Reallaboren, die insbesondere auch der Erprobung von Regulierung dienen, eine wichtige Rolle zur Innovationsförderung zu. Doch nicht nur die regulatorischen Erkenntnisse aus den einzelnen Reallaboren wirken innovationsfördernd. Auch die regulatorische Verankerung des Instruments „Reallabor“ dient der Innovationsförderung: Wenn das Instrument des Reallabors zu einem festen Bestandteil in der Regulierungslandschaft wird und Reallabore nach einem einheitlichen Grundkonzept und innovationsfreundlich ausgestaltet werden, dürfte dies zu einer größeren Aufmerksamkeit für die Möglichkeit der Erprobung im Reallabor führen. Vor allem könnte eine solche regulatorische Verankerung eines Grundkonzepts zu gesteigerter Rechtssicherheit dessen, was im Rahmen von Reallaboren möglich ist, führen.

Dieser Aspekt der innovationsfördernden Regulierung ist geeignet, das Instrument Reallabor greifbarer und damit anwendungsfreundlicher zu machen. Die Bundesregierung hat die gesetzliche Verankerung von Reallaboren als Ziel im Koalitionsvertrag festgelegt (Koalitionsvertrag 2021, S. 33); das BMWK arbeitet aktuell an der Umsetzung eines Reallabore-Gesetzes (BMWK, 2021: Neue Räume, um Innovationen zur erproben – Konzept für ein Reallabore-Gesetz). Man darf also gespannt sein, wie die Bundesregierung das Potenzial zur Innovationsförderung durch Regulierung ausgestalten wird und wie sich ein Reallabore-Gesetz auf die Innovationslandschaft auswirken wird.

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