Fehlbehandlungen im Krankenhaus sind heute keine Seltenheit. Doch trotz des neuen Patientenrechtegesetzes ist es nicht einfach, als Geschädigter zu seinem Recht zu kommen. Oft ist anwaltliche Hilfe vonnöten, am besten von einem Anwalt, der sich auf Patientenrecht spezialisiert hat. Ein Gastbeitrag von Dr. Burkhard Kirchhoff, Patientenanwalt, Weilburg/Lahn
Eine Frau, die ihren geliebten Ehemann verliert, weil eine Blutvergiftung mit unterdosierten Antibiotika unzureichend behandelt wird. Ein Kind, das nach Entfernung eines eingewachsenen Zehennagels eine schwere Infektion durch multiresistente Erreger mit kapitalen Folgeschäden erleidet. Menschen, die nach orthopädischen Fehlbehandlungen im Rollstuhl sitzen und für ihr Leben gezeichnet sind. Solche oder ähnliche Fälle kennt sicherlich fast jeder – aus dem Bekannten- oder Familienkreis, der Presse, den Medien. Aber wie verhält man sich als Betroffener, wohin kann man sich wenden? Welche Rechte und Möglichkeiten bestehen? Was unternehme ich, wenn ich aus der Klinik oder der Arztpraxis „kränker“ herausgehe, als ich eingeliefert wurde? Oder wenn sogar ein Angehöriger in der Klinik, zum Beispiel nach einem vermeintlichen Routineeingriff, verstorben ist? Wie stehen die Chancen, gegen eine große Klinik vorzugehen?
Jeder Patient hat Anspruch auf eine ordnungsgemäße Aufklärung über Risiken und Nutzen einer medizinischen Behandlung und auf Durchführung der Behandlung gemäß den geltenden medizinischen Standards. Das bedeutet, die Diagnostik und Therapie muss auf dem betreffenden Fachgebiet dem gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen und in der Praxis zur Behandlung der gesundheitlichen Störung anerkannt sein. Der behandelnde Arzt muss nach seinen medizinischen Kenntnissen und Fähigkeiten die für das Krankheitsbild diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen auswählen und diese sorgfältig durchführen. Geschieht dies nicht und ist hierdurch ein kausaler Schaden entstanden, begründet dies eine Haftung des Arztes beziehungsweise der Klinik.
Um den Nachweis eines Behandlungsfehlers zu führen, können sich Betroffene verschiedener Mittel und Wege bedienen und an zahlreichen Anlaufstellen Hilfe erhalten, seien es die Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen, Schlichtungsstellen der Ärztekammern, Patientenverbände oder bei – im optimalen Fall spezialisiert tätigen – Rechtsanwälten. Aber nicht alle Stellen führen für den schwer geschädigten Patienten zum Ziel, nämlich zur Aufklärung des Vorwurfs des Aufklärungs- oder Behandlungsfehlers und zu Gerechtigkeit und einer Entschädigung.
Der betroffene Patient, der den Verdacht hat, Opfer eines „Kunstfehlers“ geworden zu sein, hat ein Recht, Einsicht in seine Patientenakte zu nehmen, und er kann auch verlangen, dass ihm (gegen Erstattung der Kopierkosten) eine vollständige Kopie ausgehändigt wird. Seit der Einführung des § 630 g BGB ist dieses Recht sogar gesetzlich normiert. Die Einsichtnahme in die Patientenakte an sich führt den Betroffenen in seiner Suche nach Aufklärung und Entschädigung allerdings noch nicht weiter, ebenso wenig die Tatsache, dass in den übrigen Vorschriften des am 26.02.2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetzes (§§ 630 a-630 h BGB) weitere Rechte des Patienten gesetzlich verankert wurden. Aufklärung über den Vorwurf eines Behandlungsfehlers bieten medizinische Sachverständigengutachten. Solche können kostenlos über die Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen und über Schlichtungsstellen eingeholt werden. Nachteil ist allerdings, dass selbst bei umfassend positiver Begutachtung keine Klinik und kein Arzt verpflichtet ist, die Inhalte des Gutachtens zu akzeptieren, einen Fehler einzugestehen oder eine Entschädigung zu leisten.
Wer sich entscheidet, einen spezialisierten Patientenanwalt zu beauftragen, die außergerichtliche Korrespondenz über diesen zu führen und – bei ablehnender Haltung des Arztes oder der Klinik – eine Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage einzureichen, erhält über das Gericht ein Sachverständigengutachten und damit Aufklärung und eine Entschädigung – sofern das Gutachten das Abweichen der Behandlung vom medizinischen Standard und einen kausalen Schaden bestätigt. Wer die zur Prozessführung notwendigen Mittel nicht zur Verfügung hat oder nicht rechtsschutzversichert ist, kann diesen Weg über Prozesskostenhilfe gehen. Die Erfolgsaussichten eines solchen Prozesses sind stets im Einzelfall zu prüfen. Allgemeingültige Aussagen sind hier nicht möglich, denn dazu sind die Sachverhalte zu unterschiedlich und häufig zu komplex. In einigen Fällen führen positive Sachverständigengutachten zum Ziel, in anderen kommt dem Patienten die im Arzthaftungsrecht bestehende erleichterte Darlegungs- und Beweislast zugute oder sogar eine Beweislastumkehr, bei Auftreten eines Fehler im voll beherrschbaren Bereich des Arztes oder des Klinikums.
Wenn Sachverständige im Einzelfall ihr Fachwissen überschätzen, steht uns als Patientenanwälte notfalls das prozessuale Mittel der Ablehnung zur Verfügung, in Extremfällen kann ein Gutachter gemäß § 839 a BGB sogar selbst haften.
Im Rahmen der Vertretung geschädigter Patienten steht im Mittelpunkt, dass man sich stets an spezialisierte Anlaufstellen wenden, den konkreten Einzelfall überprüfen und die sinnhaften Wege, Möglichkeiten und Risiken – insbesondere bei Fehlen einer Rechtsschutzversicherung – aufzeigen lassen sollte. Die Neueinführung des Patientenrechtegesetzes und die im Jahr 2011 erfolgte Novellierung des am 01.01.2001 in Kraft getretenen Infektionsschutzgesetzes mit den entsprechenden Hygieneverordnungen der Länder sind positive und wichtige Ansätze. Solange aber keine lückenlose und ausnahmslos effektive Kontrolle der Umsetzung der inzwischen in Deutschland strengen Hygienevorschriften im Alltag einzelner Krankenhäuser erfolgt, werden betroffene Patienten nach einer Krankenhausinfektion, einer erlittenen Blutvergiftung oder auch infolge eines allgemeinen Kunstfehlers weiter auf spezialisierte, anwaltliche Hilfe angewiesen bleiben.
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