Auf dem Weg zum Partner einer Kanzlei müssen junge Juristen nach dem ersten Staatsexamen zunächst mehrere Stationen im Referendariat durchlaufen. Zu den Pflichtstationen gehört auch die Strafstation. Dr. Arne Kießling absolvierte diese Station in Nordrhein-Westfalen. Von Dr. Arne Kießling, Rechtsanwalt bei Linklaters in Düsseldorf
Das Strafrecht wird im Referendariat oftmals stiefmütterlich behandelt. Mit Blick auf das zweite Staatsexamen gilt es eher als Pflichtübung; der praktische Teil der Strafstation wird teilweise als stark reglementiert und wenig abwechslungsreich empfunden. Dies indes zu unrecht – wenn man ein gewisses Maß an Eigeninitiative und Spaß an praktischer Arbeit mitbringt.
Mein Referendariat habe ich in Nordrhein- Westfalen abgeleistet. Dort dauert die Strafstation insgesamt drei Monate und bildet den zweiten Ausbildungsabschnitt nach der Zivil(gerichts)station. Üblicherweise werden Referendare einem Staatsanwalt zugewiesen, der den praktischen Teil der Ausbildung übernimmt. Einige wenige Referendare werden allerdings einem Strafrichter zugeteilt, wenn sie – etwa aufgrund ihres späteren Berufswunsches – eine entsprechende Zuteilung beantragen.
Diejenigen, die der Staatsanwaltschaft zugeteilt werden, nehmen als Sitzungsvertreter regelmäßig an Strafverhandlungen beim Amtsgericht teil. Sie übernehmen die Aufgabe eines Staatsanwalts beziehungsweise Amtsanwalts: Die Verlesung der Anklage, das Stellen sachdienlicher Anträge und das abschließende Plädoyer, das der Strafrichter als zusammenfassende Stellungnahme der Anklage in seine richterliche Entscheidung einfließen lässt. Insbesondere das freie Plädieren am Ende der Verhandlung habe ich als schöne Herausforderung empfunden: Trotz anfänglicher Nervosität gewinnt man mit zunehmender Praxis an Selbstsicherheit im Umgang mit dem Gericht, der Verteidigung sowie den anderen Beteiligten des Strafverfahrens, zum Beispiel der Jugendgerichtshilfe oder Sachverständigen. Hier lohnt es sich, so oft wie möglich die Sitzungsvertretung wahrzunehmen. Als Referendar wird einem in der Regel selten die Gelegenheit geboten, so eigenverantwortlich vor Gericht aufzutreten.
Unabhängig von dieser Komponente kann man sich in der Strafstation um weitere Highlights bemühen: In unserem Oberlandesgerichtsbezirk hatten Referendare die Möglichkeit, sich von Polizisten eine Nacht lang „auf Streife“ mitnehmen zu lassen. Ich konnte die Beamten bei Zeugenbefragungen nach einem Einbruch und einer Schlägerei sowie bei der Beendigung von Ruhestörungen begleiten. Neben dem „Streifendienst“ hatten wir uns darum bemüht, an einer Obduktion bei der Gerichtsmedizin teilnehmen zu können. Auch wenn dies sicherlich nicht jedermanns Sache ist, wird es für die meisten Referendare eine einmalige und äußerst interessante Erfahrung sein. Wann hat man außerhalb des Referendariats mal wieder solche Gelegenheiten? Insgesamt lebt gerade die Strafstation von der eigenen Initiative, weil man hier viele Gelegenheiten bekommt, die sich – sofern man nicht zur Staatsanwaltschaft geht – im Zweifel nicht wiederholen lassen.
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Weitere Berichte zu Referendariatsstationen finden sie bei uns unter:
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