Auf dem Weg zum Partner einer Kanzlei müssen junge Juristen nach dem Ersten Staatsexamen zunächst mehrere Stationen im Referendariat durchlaufen, um anschließend das Zweite Staatsexamen absolvieren zu können. Außerdem sind das sichere Beherrschen von Formalien und der Umgang mit „exotischen Themen“ essenzielle Bestandteile des Examens. Auch anwaltliche Aufgaben gehören fest zum Examensrepertoire. Von Marcel Goroll, LL.M., Associate im Frankfurter Büro der Kanzlei Ashurst LLP im Bereich Corporate
Als großen Vorteil haben es viele Referendarkollegen und ich empfunden, dass bereits beim Eintritt ins Referendariat klar ist, wann es „ernst“ wird mit dem Examen. Ich kann nur empfehlen, frühzeitig, am besten bereits nach einigen Monaten, mit der Examensvorbereitung beim Repetitor zu beginnen und dabei auf regelmäßige, wöchentliche Kurse zu setzen. Dies zwingt zur kontinuierlichen Nacharbeit. Mein Tipp: Schon bei der Wahl der Kanzlei für die Anwaltsstation fragen, ob die ausgewählte Kanzlei mit einem Repetitorium kooperiert und Kurse finanziell unterstützt. Solche Angebote und kanzleiinternen Workshops für Referendare, zum Beispiel zum Abfassen von anwaltlichen Mandantenschreiben, sollte man unbedingt nutzen.
Neben den klassischen Urteilsklausuren und Bescheiden im Öffentlichen Recht wird durch das verlangte Verfassen von Mandantenschreiben und Anwaltsschriftsätzen das Zweite Examen immer stärker auf die anwaltliche Beratungspraxis ausgerichtet. Vier meiner acht Examensklausuren waren anwaltliche Beratungsklausuren. Dies gilt auch im Öffentlichen Recht: Statt eines Bescheides wurde in meinem Examen ein Gutachten mit Handlungsempfehlungen zum Antrag des Bürgers im einstweiligen Rechtsschutz gefordert. Viele Bundesländer haben zudem erst kürzlich den Entwurf von Verträgen als Klausurtyp eingefügt. Daher empfiehlt es sich, im Rahmen der Anwaltsstation Vertragsgestaltungen in der Praxis zu üben. Im Stress der Examenssituation helfen bekannte, „gut sitzende“ Formulierungen über manche Unsicherheit hinweg und sparen enorm Zeit. Daher gilt es leider, Formalien zu büffeln: Das Beherrschen der Urteilsformalia, des Aufbaus von Bescheiden und Anwaltsschriftsätzen geben einem gerade bei hohem Adrenalinspiegel ein Gerüst und Sicherheit, insbesondere bei „exotischen“ Sachverhalten.
Exotische Themen in unbekannten Gesetzen, gerne mit europarechtlichem Bezug, sind keine Seltenheit. Der Verkauf eines mangelhaften Hauses durch einen Franzosen führte in meinem Examen zur Prüfung einer europäischen Verordnung zur Gerichtszuständigkeit, gepaart mit der inhaltlichen Prüfung einer Richtlinie. Hier kann die vorherige Tätigkeit in einer Großkanzlei durchaus als Übung angesehen werden, da man dort wie im Examen oft sehr komplexe Themen in der Kommentarliteratur zügig recherchieren und lösen muss. Ashurst ist stets daran gelegen, überzeugende Referendare für eine spätere Tätigkeit zu gewinnen. So hatte auch ich das Glück, schon zum Ende meiner Station ein festes Angebot für meinen heutigen Job zu bekommen. Die Sicherheit zu wissen, was nach der mündlichen Prüfung folgt, hat mir geholfen, auch die Ausnahmesituation des mündlichen Examens ein wenig gelassener zu sehen. Engagement in den Stationen kann sich also in der richtigen Kanzlei und mit etwas Glück sowohl für den beruflichen Lebensweg als auch im Examen positiv auswirken.
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