StartRechtJurist und Bestseller-Autor Dr. Sebastian Fitzek im Interview

Jurist und Bestseller-Autor Dr. Sebastian Fitzek im Interview

Mit einer weltweiten Auflage von rund acht Millionen Büchern zählt Sebastian Fitzek zu den Königen des Thriller-Romans. Vor seiner Karriere als Bestsellerautor studierte der Berliner Jura, promovierte sogar im Urheberrecht. Im Interview für den karriereführer erzählt der 44-Jährige, warum das Datenschutzrecht immer wichtiger wird, was ihm am Jura-Studium gefiel und was er beim Lernen rückblickend falsch gemacht hat. Die Fragen stellte André Boße.

Herr Fitzek, Ihr aktueller Thriller „Das Joshua-Profil“ beschäftigt sich mit dem Missbrauch von Daten, also indirekt auch mit dem Datenschutzrecht. Als promovierter Jurist: Wie bewerten Sie heute die Situation in Deutschland? Wie ist es um die Datensicherheit bestellt?
Ich gehörte lange Zeit zu den vielen Leuten, die sagten: „Na, sollen sie doch sammeln – ich habe nichts zu verbergen.“ Ich war selbst in marktforschungsbasierten Unternehmen tätig. Dort hat man eifrig gesammelt, viele Daten jedoch nie ausgewertet. Es ist nämlich eine große Herausforderung, der Flut von Daten überhaupt Herr zu werden. Heute denke ich jedoch: Irgendwann wird man sie meistern können. Und dann könnte es bedrohlich werden.

Zur Person

Sebastian Fitzek, Foto: Olivier Favre
Sebastian Fitzek, Foto: Olivier Favre

Sebastian Fitzek, geboren 1971 in Berlin, zählt mit einer Auflage von rund acht Millionen Exemplaren in 24 Ländern zu den erfolgreichsten deutschen Schriftstellern. Nach einem halben Semester Tiermedizin studierte er in Berlin Jura bis zum Ersten Staatsexamen und promo- vierte im Urheberrecht. Statt als Jurist zu arbeiten, ging er jedoch in die Medienbranche, dort war er unter anderem als Chefredakteur beim Radio und als Formatentwickler fürs Fernsehen tätig. Seinen ersten Thriller „Die Therapie“ veröffentlichte er 2006. Mittlerweile hat der 44-Jährige mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht, die allesamt zu Bestsellern wurden. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Berlin.

Von wem wird die Bedrohung ausgehen?
Ich denke weniger an die „da oben“, also an den Staat, als vielmehr an private Organisationen, die dann deutlich unkontrollierter als die Geheimdienste unsere Daten verwerten. Dann wird es unbehaglich, weil nicht klar sein wird, auf welche Weise Anthropologen unsere Daten gewichten werden.

Was befürchten Sie?
Es ist ja heute offensichtlich, dass sich Arbeitgeber die Facebook-Seiten von Bewerbern anschauen, um zu prüfen, welchen Lebenswandel sie pflegen. Nun habe ich eine Geschichte aus den USA gehört, in der der Mitarbeiter eines Unternehmens plötzlich einen höheren Krankenkassenbeitrag zahlen sollte als seine Kollegen. Er fragte, warum dem so sei, und die Kasse antwortete: Na ja, Sie sind nicht bei Facebook, daher können wir Ihren Risikofaktor nicht einschätzen – und dagegen müssen wir uns absichern. Sprich: Selbst der Entzug aus der Datenwelt ist nicht die Königslösung. Früher waren die Anthropologen in Südamerika unterwegs, um Urvölker zu erforschen. Heute werden sie von Konzernen angestellt, um Kunden, Mitarbeiter oder Bewerber nach Risikofaktoren zu bewerten.

Wenn selbst der Datenwelt-Entzug nicht funktioniert: Haben wir nichts gegen den Datenmissbrauch in der Hand?
Wir können uns heute dafür sensibilisieren, damit wir morgen die richtigen Entscheidungen treffen. Und das wird gerade für Juristen schwierig genug, denn das Datenschutzrecht wird sich in Zukunft großen Herausforderungen stellen müssen. Nehmen wir zum Beispiel die Abschaffung des Bargeldes. Dieser Schritt könnte strafrechtlich große Vorteile bringen. Geldwäsche und auch Dealergeschäfte werden erschwert, eine Karriere wie die von Drogenbaronen wäre ohne Cash kaum noch möglich. Das ist gut. Weniger gut ist jedoch, dass alle Bezahlvorgänge nachverfolgbar wären. Das in richtige Bahnen zu lenken, wird, wenn es so kommt, für den Datenschutz eine gigantische Aufgabe.

Sie haben Ihr Erstes Staatsexamen in Jura absolviert, danach promoviert. Welche Lehre haben sie aus Ihrem Studium gezogen?
Ich bin das Studium, wie viele andere auch, sehr strategisch angegangen. Sprich, ich habe mir überlegt, welche Fächer mit höherer Wahrscheinlichkeit geprüft werden als andere, und habe auf Lücke gelernt. Das hat funktioniert, ich kam sehr gut durch, weil ich genügend prüfungsrelevantes Wissen angehäuft hatte.

Ich warne davor, einen Karriereplan in Form einer Checkliste zu verfolgen, den man streng nach Erfolgsaussicht abarbeitet.

Also alles richtig gemacht?
Rückblickend eher nicht, denn so habe ich mich im Studium nicht eingehend mit den Themen wie Rechtsethik, Rechtsphilosophie oder auch Rechtsgeschichte befasst. Die Erfahrung zeigte einfach, dass man diese Inhalte für die Klausuren nicht brauchte. Was mir daher fehlte, war der Zugang zu einem Thema wie dem Sinn und Zweck einer Strafe. Heute sage ich: Das ist lebensrelevantes Wissen. Als Jurist wurde ich perfekt für das System ausgebildet, kam aber niemals auf die Idee, das System selbst in Frage zu stellen.

Bereuen Sie das?
Durchaus, ja. Man sollte nicht probieren, lediglich zu funktionieren, sondern auch lernen, die Dinge zu hinterfragen. Gerade als Jurist.

Leichter gesagt als getan, oder?
Da stimme ich zu. Wenn das prüfungsrelevante Wissen so groß ist, dass man überhaupt keine Zeit mehr dafür hat, dieses Wissen zu hinterfragen – dann wird es eng. Dennoch ist es wichtig.

Sebastian Fitzek, Das Joshua Prinzip, Cover: Knaur
Sebastian Fitzek, Das Joshua Prinzip, Cover: Knaur

Aktuelle Thriller von Sebastian Fitzek:

Das Joshua-Profíl. Bastei Lübbe 2015. ISBN 978-3785725450. 19,99 Euro
Passagier 23. Knaur Taschenbuch 2015. ISBN 978-3426510179. 9,99 Euro

Sebastian Fitzeks Thriller sind auch als Hörbuch und E-Book erhältlich.

Was sind die negativen Folgen, wenn man sein Wissen nicht hinterfragt?
Viele der Krisen, die wir heute erleben, wurden fächerübergreifend von Menschen verursacht, die exzellente Hochschulen besucht und ihre Staatsexamina mit Auszeichnung absolviert hatten. Wir sehen also, dass eine auf dem Papier perfekte Ausbildung nicht davor schützt, blind zu sein für die krisenhaften Entwicklungen, die sich draußen in der Realität abspielen. Ich warne daher davor, einen Karriereplan in Form einer Checkliste zu verfolgen, den man streng nach Erfolgsaussicht abarbeitet. Das mag sich an der Uni noch lohnen. Später im Leben erkennt man jedoch, dass sich eklatante Lücken auftun. Um den Kreis zu schließen: Wer heute als junger Jurist denkt, Datenschutzrecht sei ein kompliziertes Nebenthema, das man lieber auslässt, wird dann, wenn die Relevanz steigt, Schwierigkeiten haben, es zu durchdringen.

Hat Ihnen das Jura-Studium dennoch Spaß gemacht?
Ja. Ich bin ein Mensch, der nichts lernt, wenn jemand vor mir steht und Dinge aufzählt, die ich mir zu merken habe. Ich erinnere mich mit Grauen an meine Pflichtvorlesungen in Tiermedizin, wo vorne ein Professor stand, der mit seinem Stock jeden einzelnen Muskel eines Pferdes aufzählte. Ich habe mich entgeistert umgeschaut und verwundert gemerkt, dass die anderen das alles mitgeschrieben haben. Ich dachte mir: Wie soll man sich denn die Namen von tausend Muskeln merken? Weil ich eine Menge Freunde hatte, die Jura studierten, habe ich das dann auch begonnen. Die Art des Lernens durch die Vertiefung in Bücher hat mir dann sehr viel besser gefallen. Und: Ich fand viele Inhalte auch sehr interessant.

Zum Beispiel?
Alles, was sich um Recht und Gerechtigkeit dreht. Das sind ja auch Themen, die in meinen Büchern immer eine große Rolle spielen. So ist mir während des Studiums klar geworden, dass unser Rechtssystem nicht allein die individuelle Gerechtigkeit im Blick haben kann, sondern die allgemeine Gerechtigkeit. Ein Beispiel dafür ist die Verjährung. Nur weil ein Kalenderblatt umspringt, ist eine Tat nicht mehr strafbar, eine Forderung nicht mehr zu begleichen. Noch vor einer Minute war das anders. Das ist für ein Opfer oder einen Gläubiger individuell gesehen in keiner Weise gerecht. Für den Staat ist die Praxis der Verjährung jedoch notwendig, damit die Gerichte nicht durch alte Fälle verstopft werden. Denn dann würden die Gerichte ihre Handlungsfähigkeit verlieren – und es gäbe überhaupt keine Gerechtigkeit mehr. Es gibt also juristische Entscheidungen, die für ein Individuum bitter, für die Mehrheit jedoch notwendig sind. Für die Öffentlichkeit ist es manchmal sehr schwer, das zu begreifen.

Das Datenschutzrecht wird sich in Zukunft großen Herausforderungen stellen müssen.

Zum Abschluss noch einmal zurück zum Datenschutz. Machen Sie sich als Thriller-Autor eigentlich Sorgen, dass Ihr sicherlich extremes Suchverhalten im Netz negative Folgen haben könnte?
Ich hoffe, beim BKA weiß man, dass ich ein Thriller-Autor bin, sonst würde man es tatsächlich seltsam finden, wenn ich im Netz häufig nach verlassenen Orten suche, wo man gut eine Leiche verstecken könnte. (lacht) Aber diese Recherchen mache ich ja bewusst. Ich weiß, dass es verdächtig wirken könnte – kann das Verhalten aber mit meiner Arbeit erklären. Mehr Angst macht mir, dass einzeln genommen total unverdächtige Handlungen dazu führen können, in ein auffälliges Cluster zu rutschen. Zum Beispiel, wenn ich mir ohne großes Nachdenken eine bestimmte Art von Reinigungsmittel kaufe. So wie es mal die Theorie gab, dass ein hoher Anteil von Serienmördern und Psychopathen das Buch „Der Fänger im Roggen“ im Regal stehen hat. Man vermutete, dass diese Leute die Fiktion nicht von der Wirklichkeit unterscheiden konnten. In Wahrheit war Salingers Buch einfach nur sehr beliebt. Es war also wohl eher eine Frage der Wahrscheinlichkeit als der Kriminologie.

Filmtipp

Wie entstehen eigentlich die Gesetze in Europa? Das zeigt die Kino-Dokumentation „Democracy – im Rausch der Daten“, die den Weg eines wichtigen EU-Gesetzes nachgeht. Regisseur David Bernet erzählt eine spannende und hochbrisante Geschichte über eine kleine Gruppe von Politikern, die versucht, die Gesellschaft in der digitalen Welt vor den Gefahren von Big Data und Massenüberwachung zu schützen. Zweieinhalb Jahre hat David Bernet den Gesetzgebungsprozess begleitet. Vereinzelt läuft der Film noch in den Kinos – aktuelle Termine finden sich auf www.democracy-film.de. Ab dem 20. Mai 2016 wird es „Democracy“ auch als DVD im Verkauf geben.

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