In einer globalisierten Welt werden auch Juristen zunehmend mit grenzüberschreitenden Sachverhalten und damit auch mit Menschen aus anderen Kulturkreisen konfrontiert. Dies schafft auch für den Juristen und die Juristenausbildung neue Herausforderungen. Von Gabriele Schlegel, Geschäftsführerin, Institut für nationale und internationale Kommunikation; Lehrbeauftragte der HS Bonn Rhein Sieg, und Professor Dr. Klaus Peter Berger, LL.M., CENTRAL, Universität zu Köln
Menschen aus einem vergleichbaren sozialen Umfeld teilen Verhaltensmuster beim Grüßen, Essen, Zeigen oder Nichtzeigen von Gefühlen, beim Umgang mit dem anderen Geschlecht etc. Begegnet der Jurist aber Verhandlungs- oder Gesprächspartnern aus anderen Kulturkreisen, ist neben fundiertem juristischen auch interkulturelles Know-how gefragt. Interkulturelle Standards bei einem Geschäftsbesuch zu erwarten, programmiert aber Fettnäpfchen, die wir umgehen können.
Dabei muss sich auch der Jurist bewusst werden, dass wir unterschiedliche Kommunikationsformen und ein Auseinanderdriften in puncto Statusdenken nicht nur in entfernten Kulturen, sondern auch in westeuropäischen Ländern finden. Frankreich, Italien, Niederlande und Skandinavien – diese Länder scheinen uns vertraut, und wir erwarten (unbewusst) vergleichbares Denken und Handeln.
Unvorbereitet in unsere Nachbarländer zu reisen, um dort Verhandlungen zu führen, Präsentationen oder Vorträge zu halten, ist aber unprofessionell. Interkulturelle Kompetenz beginnt dabei in uns selbst und in unserem Werte-Verhalten. Interkulturell versierte Persönlichkeiten halten Vorurteile zurück, beobachten sorgsam – ohne zu bewerten, agieren langsam und wählen einen international akzeptierten Sprachgebrauch.
In der internationalen Kommunikation geht es letztlich um den Aufbau von Vertrauen. Vertrauen aufbauen heißt, dem Gegenüber zu vermitteln, dass sein/ihr Anliegen zu meinem eigenen wird. Dabei muss man sich aber der ganz unterschiedlichen Auffassungen auch von für uns selbstverständlichen Dingen und Institutionen bewusst sein.
Ein typisches, für den Juristen sehr relevantes Beispiel: die Vertragstreue. In westlichen Ländern, deren Rechtssystem auf den römischen Rechtsprinzipien beruht, bleibt ein einmal geschlossener Vertrag mit seinen fixierten Einzelheiten gültig bis zum Ende seiner Laufzeit – egal, wie sich die Rahmenbedingungen verändern. Ganz anders in China, Indien und im arabischen Raum: grob beschrieben, fühlt sich ein Vertragspartner aus diesen Ländern zwar an die vertraglichen Einzelheiten gebunden, aber nur für den unmittelbaren Zeitraum nach Vertragsabschluss; wenn sich dann im Laufe der Zeit – zum Beispiel durch eine Finanzkrise oder einen Politikwechsel – die Rahmenbedingungen verändern, geht ein solcher Vertragspartner wie selbstverständlich davon aus, dass über den Vertragsinhalt wieder gesprochen werden muss.
Ein Vertrag stellt sich nach dortigem Verständnis als ein „gelebter“ Organismus, nicht als eine „kalte“ Ansammlung von unabänderlichen Rechten und Pflichten der Parteien dar. Der deutsche Jurist muss verstehen, dass der Vertrag letztlich auf dem Gedanken des gegenseitigen Vertrauens der Vertragspartner beruht („my word is my bond“). Nur dem, der es schafft, sich jenseits des vertraglich Vereinbarten auf diese kulturell bedingten Erwartungen der anderen Seite einzustellen, wird es gelingen, auch im interkulturellen Kontext langfristige und stabile Beziehungen aufzubauen.
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