Die Erwartungen an Anwälte sind hoch – sowohl von Mandantenals auch von Kanzleiseite. Dazu kommt oft ein hohes Arbeitspensum. Da ist die Grenze zwischen Stress und Burnout manches Mal fließend. Von Christoph Berger
Die Zahl von psychischen Erkrankungen wie Burnout, Depressionen und Angststörungen nimmt kontinuierlich zu. Laut einer von Swiss Life Deutschland 2019 veröffentlichten Untersuchung, sind Diagnosen in diesem Krankheitsbereich mit 37 Prozent mittlerweile die häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit, also dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsleben. Damit einhergehen dürften auch die Zunahme von Stress, Leistungsdruck und mangelndem Ausgleich im Arbeitsumfeld vieler Berufstätiger, heißt es vonseiten des Lebensversicherers und Biometrie-Spezialisten.
Dass die Anwaltsbranche von dieser Negativentwicklung nicht ausgenommen ist, wird nicht verwundern. Der Deutsche Anwaltsverein hat eigens eine Informationsseite mitsamt Tool- Box zum Thema Stressmanagement und Burnout-Prophylaxe eingerichtet. In der 2016 vom Soldan Institut veröffentlichten Studie „Anwaltstätigkeit der Gegenwart“ heißt es, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte würden durchschnittlich 51,1 Stunden pro Woche arbeiten. Damit lagen sie zum damaligen Zeitpunkt rund zehn Stunden über der aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland. In den letzten vier Jahren dürfte das Thema Work-Life-Balance das Verhältnis zwar ein wenig geradegerückt haben. Doch Angebote für Mitarbeitende, wie sie etwa die Hamburger Kanzlei Rose und Partner macht, dürften noch eine Seltenheit sein: Dort beträgt die Wochenarbeitszeit 36 Stunden in Kombination mit Gleitzeit, der Möglichkeit der 4-Tage-Woche – und das bei vollem Gehalt.
Es ist sinnvoll, sich so frühzeitig wie möglich den eigenen Umgang mit Stress bewusst zu machen.
Jetzt ist die 4-Tage-Woche aber nicht jeder Kanzlei Sache. Und ebenso wenig ist sie ein Garant gegen Burnout. Denn dieser kann in der Regel dann entstehen, wenn das Gleichgewicht zwischen „Energie geben“ und „Energie bekommen“ über einen längeren Zeitraum nicht mehr stimmig ist. Diese Balance gilt es also zu finden beziehungsweise es sollte dem Ungleichgewicht entgegengewirkt werden.
Info-Seite des DAV zum Thema Burnout
Dafür kann jeder Einzelne etwas tun, siehe die Info-Seite des DAV. Es ist aber auch so, dass das Thema Aufgabe des Arbeitgebers ist. § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), „Beurteilung der Arbeitsbedingungen“ beinhaltet auch eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen sowie die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken. Daneben gibt es die internationale Norm DIN EN ISO 10075, in der nicht nur die psychischen Arbeitsbelastungen, die psychischen Beanspruchungen und deren Auswirkungen beschrieben werden, sondern auch welche Festlegungen bei der Entwicklung von Messverfahren erforderlich sind, damit ein gegebenes Verfahren hinsichtlich seiner Gebrauchstauglichkeit als Messverfahren für die Erfassung der psychischen Arbeitsbelastung bewertet werden kann. Achtsamkeit ist trotzdem ratsam. Daher dürfte prinzipiell der Rat, den die beiden Autorinnen des DAV-Informationsangebots, Ellen Pachabeyan und Christiane Huismans, am Ende ihres Textes geben, mit Sicherheit für alle ratsam sein: Es ist sinnvoll, sich so frühzeitig wie möglich den eigenen Umgang mit Stress bewusst zu machen.