Das Recht auf freie Meinungsäußerung gehört in Deutschland zu den Grundrechten. Aber wo ist die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben, wenn ich im Internet etwas über meinen Arbeitgeber äußere? Darüber müssen die Gerichte von Fall zu Fall entscheiden. Von Sebastian Belzner
Zur Person
Sebastian Belzner, LL.M. (University of Sydney), ist Rechtsanwalt bei Beiten Burkhardt in München. Er berät nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des deutschen und europäischen Arbeitsrechts.
YouTube, Facebook, Twitter – Begriffe, die in aller Munde und in unserer medialen Gesellschaft mittlerweile unumgänglich geworden sind. Allein der Bekanntheitsgrad sozialer Netzwerke und Medien zeigt, wie tief diese Plattformen mittlerweile in unserem Alltag, unserer Gesellschaft und damit auch in der Unternehmenswelt verankert sind. Da war es nur eine Frage der Zeit, wann das Thema „Social Media“ die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung beschäftigen wird.
Jüngst hatte sich erstmalig das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Thematik einer außerordentlichen Kündigung wegen geschäftsschädigender Äußerungen eines Arbeitnehmers auf YouTube und Facebook zu beschäftigen. In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl in einer von der Gewerkschaft produzierten Videofilmaufzeichnung eine Erklärung abgegeben. Er sagte, es gebe in dem Betrieb „Probleme“, an Maschinen fehlten Sicherheitsvorkehrungen, man könne „fast behaupten“, keine Maschine sei „zu 100 Prozent ausgerüstet“, dass es ein Problem sei, dass „keine Fachkräfte vorhanden“ seien und „das Beherrschen der Maschinen nicht zu 100 Prozent erfüllt“ werde. Die Videoaufzeichnung wurde ins Internet gestellt und war bei YouTube und auf dem Account des Arbeitnehmers bei Facebook zu sehen. Aufgrund der öffentlich gemachten Äußerungen kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich.
Das BAG entschied, dass die Kündigung unwirksam ist. Die verbreiteten Erklärungen des Arbeitnehmers seien erkennbar darauf gerichtet gewesen zu verdeutlichen, weshalb er die Bildung eines Betriebsrates als sinnvoll ansah. Hingegen habe er nicht behaupten wollen, die Arbeitgeberin beschäftige überwiegend ungelernte Arbeitskräfte, so das BAG. Weiter führte es aus, dass ein Arbeitnehmer auch im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Behauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten dürfe. Sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten hingegen sei erlaubt. Nach Auffassung des BAG müssen Arbeitgeber regelmäßig auch überspitzte und polemische Äußerungen von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl hinnehmen, da das Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch auf betrieblicher Ebene seine volle Wirkung entfaltet.
Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben wird durch die Nutzung von Social Media immer häufiger verwischt. Klar ist, dass Arbeitnehmer das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern und zu verbreiten und der Arbeitgeber grundsätzlich kein Recht hat, private Äußerungen im Web 2.0 zu untersagen oder zu sanktionieren. Eine Grenze ist aber sicher dann überschritten, wenn außerdienstliches Verhalten das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Denn Arbeitnehmer haben gegenüber ihrem Arbeitgeber arbeitsvertragliche Rücksichtnahme- und Treuepflichten. Privates Verhalten darf daher nicht zu einem (Image-)Schaden des Arbeitgebers führen.
In den letzten Jahren mussten sich Arbeitsgerichte vermehrt mit Kündigungen von Arbeitnehmern wegen Beleidigungen von Vorgesetzten oder Kollegen in sozialen Netzwerken auseinandersetzen. Das Landesarbeitsgericht Hamm musste 2012 einen Fall entscheiden, in dem ein Auszubildender auf seiner Facebook-Seite seinen Arbeitgeber als „Menschenschinder“ und „Ausbeuter“ titulierte und seine Tätigkeit als „dämliche Scheiße“ bezeichnete. Das Gericht qualifizierte die Äußerungen als massive ehrverletzende Äußerungen und sah die außerordentliche Kündigung als wirksam an. Hierbei war es nach richtiger Auffassung des Gerichts irrelevant, dass die Äußerungen nicht in verbaler Form getätigt wurden, da die Lesbarkeit im Netz für den Arbeitgeber selbst, aber auch für Dritte die gleiche Wertigkeit habe wie eine entsprechende verbale Äußerung.
Derartige Abgrenzungsfälle zwischen privater Meinungsäußerungsfreiheit und beruflichen Rücksichtnahmepflichten werden die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung wohl auch in Zukunft wegen des vermehrten Einzugs von Social Media in die Arbeitsbeziehungen beschäftigen. Fest steht, dass hier der jeweilige Einzelfall zu beurteilen ist und das dargestellte Urteil des BAG sicher nicht das Ende der Fahnenstange darstellt.
Zum Nachlesen
Urteil zu einer außerordentlichen Kündigung wegen geschäftsschädigender Äußerungen eines Arbeitnehmers auf YouTube und Facebook:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.07.2014 – 2 AZR 505/13Urteil zu Kündigungen von Arbeitnehmern wegen Beleidigungen von Vorgesetzten oder Kollegen in sozialen Netzwerken:
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10.10.2012 – 3 Sa 644/12