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Die Psychologie im Schlussplädoyer

Als Student vergisst man im Laufe der vielen Klausuren und Hausarbeiten, dass die spätere Arbeit als Rechtsanwalt nicht nur darin besteht, seine Rechtsposition zu Papier zu bringen. Natürlich verbringt ein Anwalt viel Zeit an seinem Schreibtisch, aber oft werden Prozesse auch durch mündliche Verhandlungen geführt und gewonnen. Hier geht es darum, die Position des Mandanten mündlich überzeugend zu transportieren. Von Dr. Lisa B. Reiser, Associate der Dispute Resolution-Gruppe bei Baker & McKenzie in Frankfurt

Das deutsche Prozessrecht kennt das Plädoyer nur im Strafverfahren. Nach dem Schluss der Beweisaufnahme erhält zuerst der Staatsanwalt, dann der Verteidiger und abschließend der Angeklagte das Wort (§ 258 StPO). Im Zivilprozess ist ein Schlussplädoyer unüblich. Anders ist es im Schiedsverfahren: Hier hält der Anwalt zum Schluss der mündlichen Verhandlung oft ein Schlussplädoyer. Ebenso wie im Strafprozess dient das Schlussplädoyer im Schiedsverfahren primär dazu, die Beweise zu würdigen, die während der Beweisaufnahme gesammelt wurden.

Das Schlussplädoyer ist kein Muss. Doch der Anwalt sollte keinesfalls darauf verzichten. Denn es ist der letzte Eindruck, der bei den Schiedsrichtern dauerhaft in Erinnerung bleibt. Den Beweis liefern psychologische Tests: Zeigt man Testpersonen in kurzer Abfolge eine Reihe beliebiger Wörter und bittet sie danach, sämtliche Wörter zu wiederholen, ist das Ergebnis eindeutig: Die Testpersonen erinnern sich an sehr viele Wörter, die zu Beginn der Testreihe genannt wurden (Primary-Effekt). Aber sie erinnern sich an fast genauso viele Wörter, die am Ende der Testreihe genannt wurden (Recency-Effekt). Diesen Recency-Effekt sollte der Anwalt für sich nutzen und durch ein Schlussplädoyer den entscheidenden letzten Eindruck beim Schiedsrichter hinterlassen.

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Aufreißer entscheidet über den Erfolg
Der erste Satz des Schlussplädoyers entscheidet über die Sympathie der Zuhörer. Der Grund liegt in der kognitiven Dissonanz: Menschen sind harmoniebedürftig und empfinden Unstimmigkeiten in der eigenen Wahrnehmung als unangenehm. Sie versuchen daher, eine einmal getroffene Entscheidung möglichst zu rechtfertigen. Neue Informationen werden tendenziell abgewertet, wenn sie im Widerspruch zu der getroffenen Entscheidung stehen. Übereinstimmende Informationen werden hingegen aufgewertet. Hat der Anwalt die Schiedsrichter also am Beginn des Schlussplädoyers von sich überzeugt, ist der Rest ein Kinderspiel. Ein starker „Aufreißer“ könnte beispielsweise lauten: „Im Verlauf dieser mündlichen Verhandlung haben wir viel Gutes und viel Neues gehört. Aber das Neue war nicht gut und das Gute war nicht neu.“ Mit diesem Wortspiel ist das Eis gebrochen und die Schiedsrichter hören dem Rest des Plädoyers gern zu.

Der Anwalt muss ein Schlussplädoyer zudem gut strukturieren. Denn mit einer guten Struktur nimmt er seine Zuhörer an die Hand. Die einfachste Struktur ist eine Aufzählung oder eine Chronologie. Die Zuhörer sollten außerdem wissen, welcher Struktur sie in den kommenden Minuten folgen sollen: Wer weiß, wohin die Reise geht, kann besser zuhören. Nach dem „Aufreißer“ folgt in einem gelungenen Schlussplädoyer also eine kurze Einführung, wie beispielsweise: „Es gibt drei Gründe dafür, warum der Anspruch begründet ist: Erstens …, Zweitens … Drittens …“ oder „Was ist hier passiert: Zunächst … Dann … Zum Schluss…“

KISS – Keep it short and simple
Ein Schlussplädoyer gelingt, wenn der Anwalt nicht den Inhalt sämtlicher Schriftsätze und der mündlichen Verhandlung wiederholt. Stattdessen muss er sich auf die wesentlichen Aspekte konzentrieren und auf den Punkt kommen.

Den Beweis liefert wieder einmal die Psychologie: Psychologen der Columbia Universität/USA testeten Kunden eines Supermarkts auf ihre Entscheidungsfreudigkeit. Sie boten den Kunden zunächst 24 Marmeladensorten zum Kauf an. 60 Prozent der Kunden blieben am Marmeladenstand stehen, aber nur drei Prozent dieser Kunden kauften ein Glas Marmelade. In einer zweiten, vergleichenden Testrunde boten die Psychologen nur sechs Marmeladensorten zum Kauf an. In diesem Fall blieben zwar nur 40 Prozent der Kunden stehen, aber 30 Prozent dieser Kunden kauften anschließend ein Marmeladenglas. Das Phänomen ist bekannt als „Too Many Choices“ (TMC): Wir sind mit zu vielen Auswahlmöglichkeiten schlicht überfordert. Was für Marmelade gilt, gilt auch für ein gelungenes Schlussplädoyer: Lässt man den Schiedsrichtern zu viele Wahlmöglichkeiten, dann wählen sie am Ende gar nicht, und keines der vielen Argumente wirkt tatsächlich überzeugend. Und in einem Schiedsverfahren steht schließlich mehr auf dem Spiel als der Kauf von Marmelade.

Redaktionstipp: Soldan Moot Court 2014

Ausgabe des Soldan Moot Falles:
3. Juli 2014
Ablauf der schriftlichen Anmeldefrist zum 2. Soldan Moot:
24. Juli 2014, 24:00 Uhr
Einreichen der Klageschrift:
7. August 2014, 24:00 Uhr
Einreichen der Beklagtenschrift:
11. September 2014, 24:00 Uhr
Mündliche Verhandlungen in Hannover:
08. – 11.10.2014
Alle Infos unter: www.soldanmoot.de

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