Bereits am 9. Mai 2018 hatte das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Möglichkeit der Kollektivklage beschlossen – der so genannten Musterfeststellungsklage. Zum 1. November 2018 soll das Gesetz in Kraft treten. Von Christoph Berger
Mit dem neuen Gesetz sollen „anerkannte und besonders qualifizierte“ Verbraucherverbände die Möglichkeit erhalten, künftig die Ansprüche in einem einzigen Gerichtsverfahren verbindlich klären zu lassen – insofern mindestens zehn Verbraucher in gleichartiger Art und Weise geschädigt worden sind. Dazu wird die jeweilige Klage in einem Klageregister eingetragen und bekannt gemacht. Melden sich innerhalb von zwei Monaten mindestens 50 Verbraucher an, wird das Verfahren durchgeführt. Und: Mit der Anmeldung im Klageregister verhindern die Betroffenen zugleich die Verjährung ihrer möglichen Ansprüche.
Der Vorteil: Mit dem neuen Gesetz muss nicht mehr jeder einzelne Verbraucher alleine vor Gericht ziehen. Bisher, so das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, sei der erlittene Nachteil im Einzelfall manchmal zu gering gewesen, sodass Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche oft nicht individuell verfolgt wurden – der erforderliche Aufwand aus Sicht des Geschädigten unverhältnismäßig erschienen. Ein weiterer Vorteil: Den Betroffenen entstehen keinerlei Kosten.
Laut einer Befragung des Soldan Instituts unter 1179 Anwälten wird das Gesetz von einer knappen Mehrheit begrüßt. So bewerten 51 Prozent die Einführung der Musterfeststellungsklage positiv. Doch es gibt auch Kritik. 18 Prozent der Befragten geht die von der Bundesregierung vorgeschlagene Möglichkeit einer Musterfeststellung von Ansprüchen nicht weit genug. Sie sprechen sich für die Zulässigkeit einer darüber hinaus gehenden kollektiven Rechtsdurchsetzung nach dem Vorbild ausländischer Rechtsordnungen aus. Weitere 31 Prozent der Befragten halten die Einführung des neuen Gesetzes für gänzlich überflüssig.
Es ist erstaunlich, dass sich ein relativ großer Anteil der Anwälte für den für sie eher ungünstigeren Vorschlag ausspricht.
Laut den für die Studie Befragten ist besonders die Klagebefugnis zur Erhebung einer Musterfeststellungsklage kritisch zu betrachten: 54 Prozent von ihnen sprachen sich dafür aus, dass auch anwaltlich vertretene adhoc-Interessengemeinschaften klagebefugt sein sollten. Doch immerhin 30 Prozent befürworteten auch die Beschränkung auf Verbraucherverbände. „Es ist erstaunlich, dass sich ein relativ großer Anteil der Anwälte für den für sie eher ungünstigeren Vorschlag ausspricht“, stellt der Direktor des Soldan-Instituts, Prof. Dr. Matthias Kilian, fest.
Zurückzuführen sei dies auf die Tatsache, dass viele Rechtsanwälte nicht mehr für Verbraucher tätig werden und sie in den neuen Instrumenten kollektiver Rechtsdurchsetzung eher Risiken für die von ihnen „bevorzugt betreute unternehmerische Mandantschaft“ sehen.