Dr. Claudia Hahn ist nicht nur Anwältin, sondern auch Kartoffelbäuerin. Im Interview erzählt sie von Gemeinsamkeiten der beiden Berufe, welchen Bezug sie zum Feld hat und was ihre Kolleginnen und Kollegen darüber denken. Die Fragen stellte Christoph Berger.
Zur Person
Claudia Hahn, Jahrgang 1968, ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht sowie Partnerin der in Stuttgart ansässigen Kanzlei Frahm Kuckuk Hahn Rechtsanwälte PartG mbB. Sie studierte Rechtswissenschaften in Saarbrücken und promovierte im Arbeitsrecht zu flexiblen Arbeitszeitsystemen. In ihrer ursprünglichen Heimat, im Hunsrück, bewirtschaftet Claudia Hahn ihren Bauernhof und baut alte, seltene Kartoffelsorten an. https://fk.legal
Frau Hahn, Sie sind Anwältin und Partnerin in einer Kanzlei in Stuttgart, gleichzeitig Kartoffelbäuerin. Ihre beiden Berufe stellen Sie auch auf der Internetseite der Kanzlei anhand von zwei Bildern vor. Wie wichtig sind Ihnen diese beiden Berufe?
Wenn ich Beruf mit Berufung gleichsetze, dann ist auf jeden Fall Anwalt sein meine Berufung. Das bestimmt mein ganzes Leben. Ich bin für meine Mandanten verantwortlich und als Kanzleipartnerin zudem für meine Mitarbeitenden. Aber natürlich ist Kartoffelbäuerin zu sein, auch mein Beruf. Beide ergänzen sich übrigens sehr gut.
Inwiefern?
Anwalt zu sein ist ein kreativer Beruf, man könnte fast sagen, wir sind auch Künstler. Doch für die Kreativität, wenn ich zum Beispiel juristische oder strategische Dinge gut entwickeln muss, brauche ich gedanklichen Freiraum. Im Kartoffelfeld bekomme ich einen freien Kopf.
Wie das?
Im Kartoffelfeld muss ich keine wichtigen Fragen richtig beantworten. Niemand redet dort mit mir, ich habe auch kein Handy dabei. Trotzdem muss ich mich sehr auf die ungewohnte körperliche Arbeit konzentrieren, weil ich ansonsten nichts ernten werde. Ich muss viel Mühe walten lassen, um schönen Kartoffelpflanzen beim Wachsen zusehen zu können. Diese Mühe und das ernannte Ziel sind Schnittmengen zwischen den beiden Berufen.
Dabei sollte man erwähnen, dass Sie von dem Hof kommen, den Sie heute bewirtschaften, also einen Bezug zum Kartoffelanbau haben?
Ich bin ein Hunsrücker Bauernkind und bewirtschafte heute den Hof, auf dem schon meine Großmutter, meine Eltern und meine Geschwister gelebt haben. In meinem zweiten Jahr als Anwältin habe ich ihn übernommen, erst verpachtet und später dann selbst bewirtschaftet.
Seitdem pendeln Sie zwischen Stuttgart und dem Hunsrück?
Man kann sagen, ich muss. Allerdings gibt es Zeiten, in denen ich mich intensiver um das Feld kümmern muss und Zeiten, in denen ich die Kartoffeln einfach wachsen lassen kann. Prinzipiell gilt: Je mehr ich die Kartoffeln einfach nur wachsen und machen lasse, desto besser werden sie. Und was die Distanz betrifft: Diese Entfernung brauche ich, um von der einen Welt in die andere zu kommen.
Sie stellen diese beiden Welten auch auf der Internetseite Ihrer Kanzlei vor.
Dass unsere Kanzlei Arbeitsrecht kann, hat sich inzwischen rumgesprochen. Wir sind aber auch Menschen. Dass ich mich um die Kartoffeln kümmere, dass ich sie zum Beispiel von den Kartoffelkäfern befreie, beruht auf demselben Verantwortungsgefühl und meinem Verständnis des Anwaltsberufs. Meine ganze Unterstützung lasse ich auch den Arbeitnehmern und Arbeitgebern zukommen, die ich vertrete. Außerdem sind beide Berufe mit viel Arbeit verbunden. Die manchmal hübsch dargestellte Romantik in Zeitschriften über das Landleben kenne ich nicht.
Haben Sie von Kolleginnen und Kollegen schon einmal Rückmeldungen über Ihren Zweitberuf als Kartoffelbäuerin bekommen?
Ja. Der Beruf ist häufig ein Gesprächsanker. Dadurch, dass der Beruf für Anwälte so exotisch ist, ist er oft ein Thema. Wir reden dann nicht über das Wetter oder Fußball, sondern über Kartoffeln.
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