Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) und die mit ihm zusammenhängenden Inhalte befinden sich derzeit noch in der Entwicklung. Es gibt keine eindeutige Definition von CSR: Vieles fällt unter den Begriff, ganz unterschiedliches wird unter ihm verstanden. Dr. Birgit Spießhofer gibt einen Einblick. Die Fragen stellte Christoph Berger
Frau Dr. Spießhofer, was fällt alles unter den Begriff CSR?
CSR bedeutet zu Deutsch „Unternehmerische Verantwortung“. Somit hat das Thema viele Facetten: Es gibt den philosophisch-wirtschaftsethischen sowie den betriebswirtschaftlichen Ansatz. Und in zunehmender Weise gibt es auch juristische Aspekte. Dabei ist das Thema für Juristen prinzipiell nicht neu. Vielmehr geht es beim gesamten Wirtschaftsrecht letztlich darum, eine rechtliche Rahmenordnung für Wirtschaften darzustellen oder zu entwickeln. Auch bei der anwaltlichen Beratung geht es um unternehmerische Verantwortung. Juristen kennen das Thema bisher aber vor allem in der Ausformung rechtlicher Verantwortung.
Zur Person
Dr. Birgit Spießhofer M.C.J. (New York University), ist Rechtsanwältin und seit 2010 als Of Counsel im Berliner Büro von Dentons vorwiegend im öffentlichen Wirtschaftsrecht sowie im Bereich der unternehmerischen Verantwortung (Corporate Social Responsibility – CSR) tätig. Birgit Spießhofer gründete im Juni 2009 die „Gaemo Group – Corporate Responsibility International“. Sie ist Chair des CSR Committee des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) und Vorsitzende des Ausschusses Compliance und CSR des Deutschen Anwaltvereins. Sie war unter anderem Co-Chair des CSR Com-mittee der International Bar Association.
Welche Formen kann diese Verantwortung annehmen?
Im Falle des Umweltrechts kann die Verantwortung zum Beispiel vorsorglich sein. Sie kann exekutiv sein, indem man bestimmte Tätigkeiten in einer ganz bestimmten Weise ausführt, weil es dafür klare Vorgaben gibt. Und die Verantwortung kann reaktiv beziehungsweise repressiv sein, indem für Unverantwortlichkeiten entweder zivilrechtliche Schadenersatzpflichten, strafrechtliche oder auch verwaltungsrechtliche Sanktionen drohen. Das Thema ist somit das tägliche Brot der Juristen. In der juristischen Beratung läuft es auch oftmals unter dem Stichwort Compliance. Das ist ein etabliertes juristisches Geschäftsfeld für Anwälte und Inhouse-Juristen.
Was ist dann neu an CSR aus der juristischen Perspektive?
Es geht darum, dass das Recht im Wesentlichen national ist. Das Wirtschaften ist aber global geworden. Das nationale Recht bietet daher ein nicht ausreichendes Handwerkszeug, um globales Wirtschaften in eine angemessene Rahmenordnung zu bringen. Wie kommen wir zu globalem Recht, zu globalen Normen, zu einer globalen Rahmenordnung für globales Wirtschaften? Das ist die entscheidende Frage. Ausgelöst wurde die Debatte dazu zum Beispiel durch die Arbeitsbedingungen oder Umweltbedingungen in der 3. Welt. Es geht auch darum, dass die westlichen Unternehmen in westlichen Ländern eine sehr präzise und effektive Rahmenordnung für ihr Wirtschaften haben, womit ihnen bestimmte Dinge untersagt werden und klar ist, dass diese Rahmenordnung auch durchgesetzt wird. Dem ist nicht so in anderen Ländern. Das Gefälle – die sogenannten Governance Gaps – zwischen der 1. und der 3. Welt muss überbrückt werden. Dafür sind normative Mechanismen zu entwickeln.
Wie schwierig ist eine solche Entwicklung und Umsetzung?
Ausgangspunkt ist, dass das herkömmliche Völkerrecht nicht suffizient ist, es ist an Staaten gerichtet, basiert vor allem auf völkerrechtlichen Verträ-gen. Es dauert jedoch lange bis völkerrechtliche Verträge ausgehandelt werden – dann oft nur zu spezifischen Detailthemen –, und die Verträge sind von nationalstaatlichen Ratifizierungen und der Umsetzung im innerstaatlichen Bereich abhängig. Aus dieser Insuffizienz hat sich die Forderung nach neuen Instrumenten abgeleitet.
CSR-Richtlinie
Ab dem 6. Dezember 2016 gilt: Große, börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigen müssen in ihren Lageberichten künftig stärker als bisher auf wesentliche nichtfinanzielle Aspekte der Unternehmenstätigkeit eingehen: Es geht um Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
Wie weit ist das Thema in Deutschland verbreitet?
Das Thema ist in Deutschland sehr verbreitet. In der Vergangenheit wurde das Thema mehr unter dem Aspekt der Freiwilligkeit gesehen. Das war 2001 auch zunächst die Definition der Europäischen Kommission: CSR ist die freiwillige Befolgung von ökologischen, menschenrechtlichen und sozialen Standards über das herkömmliche Recht hinaus. Diese Definition hat sich geändert durch ein Strategiepapier der Europäischen Kommission von 2011: Unternehmen sind für ihre negativen Auswirkungen verantwortlich; die Einhaltung des geltenden Rechts ist das Minimum; die unternehmerische Verantwortung ist dadurch aber nicht erschöpft, sondern geht darüber hinaus. Dieses „darüber hinausgehen“ hat teilweise freiwillige Aspekte, verdichtet sich aber immer mehr zu verbindlichen Instrumenten.
Zum Beispiel wurde CSR nun in den Vergaberichtlinien berücksichtigt. Und auch im Fall der CSR-Reporting-Richtlinie wurde geltendes EU-Recht geschaffen. Wir sehen also Instrumente harten Rechts, mit denen CSR-Aspekte implementiert werden. Wir sehen darüber hinaus aber auch, und dies ist das Hauptfeld, zunehmend normative Instrumente internationaler Provenienz wie zum Beispiel den UN Global Compact, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder auch die ISO 26000. Hier werden soziale Erwartungen an Unternehmen formuliert, die eine Form von ethischem Anspruch oder, wie man früher sagte, Anstand beinhalten. Die Unternehmen, die diesen Ansprüchen nicht genügen, werden oftmals im Internet oder an anderen Orten an den Pranger gestellt.
Die Verbindung von Soft- mit Hard-Law wird also zunehmend für die Praxis relevant?
Genau. Der Bereich der Compliance, also des geltenden harten Rechts, muss zunehmend um weiches Recht ergänzt werden, weil die Soft-Law-Vorgaben in der als Beispiel angesprochenen CSR-Reporting-Richtlinie relevant sein können. Wir haben hybride Formen, die bei den Unternehmen auftreffen, die dann Beratung abfragen. Wir haben aber auch die Entwicklung, dass Soft-Law-Vorgaben zur im Verkehr üblichen Sorgfalt werden. Damit werden sie zum Element des Fahrlässigkeitstatbestands von zivilrechtrechtlicher als auch strafrechtlicher Haftung. Das Thema wird also zu einem zunehmenden Faktor in der Rechtsberatung.
CSR-Ausbildung
Die DIHK-Bildungs-GmbH bietet den Zertifikatslehrgang CSR-Manager (IHK) an. Weitere Infos unter:
www.dihk-bildungs-gmbh.de/news/2012/erfolgreich-engagiert-neuer- zertifikatslehrgang-csr-manager-ihk
Was bedeutet das für die Arbeit der Anwälte und Kanzleien?
Das Thema kommt dort erst langsam an. Im angelsächsischen Bereich ist man schon weiter, von dort kommt es auch. Relevant wird es sowohl für die Beratung der Öffentlichen Hand als auch für die Beratung der Zivilgesellschaft und der Unternehmen. Und die Kanzleien selbst sollen auch CSR-Vorgaben erfüllen. Sie veröffentlichen CSR- oder Nachhaltigkeitsberichte. Inhaltlich geht es da zum Beispiel darum, wie auf Diversity geachtet wird, man versucht den Carbon-Foot-print zu reduzieren unterstützt soziale oder kulturelle Projekte oder berät pro bono.
Ein eigener Rechtsbereich wird CSR aber nicht werden, oder?
Es wird kein Rechtsbereich wie Umwelt- oder Kartellrecht werden. CSR ist ein Querschnittsbereich, der ganz verschiedene Bereiche beeinflusst. Zum Beispiel schlägt sich der menschenrechtliche Bereich im Arbeits- und Arbeitsschutzrecht nieder und im Bereich der Nicht-Diskriminierung oder Diversity. Aber auch auf das Bergrecht hat CSR Einfluss: Nehmen Sie zum Beispiel „Land Grabbing“ bei großen Bergbauvorhaben. Und auch die Themen Korruption, das Kartellrecht und die Geldwäsche fallen unter CSR. Beim Steuerrecht wird zudem diskutiert, inwieweit Anwälte zukünftig nur zur Legalität des Steuerrechts oder ob sie auch zur Legitimität beraten sollen oder müssen.
Buchtipp
Das Buch „Steuerung von Corporate Social Responsibility durch Recht“ greift die These auf, dass zuletzt auch staatliche und überstaatliche Stellen die Dynamik der Thematik CSR aufgegriffen haben und somit vermehrt von einer „Verrechtli-chung“ der CSR gesprochen wird. Der Autor identifiziert und strukturiert das vielfältige Normenmaterial der CSR-Politik und schafft damit einen Zugang zu einer rechtlichen Betrachtung der Thematik. David Wolfmeyer: Steuerung von Corporate Social Responsibility durch Recht – Der normative Rahmen der Unternehmens-verantwortung im europäischen und globalen Raum. Peter Lang 2016. 88,89 Euro.