Der Fachkräftemangel ist für Arbeitgeber im Allgemeinen eine Herausforderung. Für KMUs ist er ein Risiko für wirtschaftlichen Erfolg und eine Wachstumsbremse. Unternehmen begegnen der Knappheit bei der Ressource Personal häufig damit, dass sie (angehende) Fachkräfte bei ihrer Aus- und Weiterbildung finanziell unterstützen. Zur Absicherung dieser „Investition in die Zukunft“ ist in der Regel die Vereinbarung einer sogenannten Bleibeklausel vorgesehen. Was so eine Klausel regelt, und welche Anforderungen eingehalten werden müssen, wird nachfolgend gezeigt. Von Pascal Verma, Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der nbs partners Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg
Es gibt viele Konstellationen, in denen Unternehmen die Aus- oder Weiterbildung von Beschäftigten finanziell unterstützen. Es kann sich um die berufliche Weiterbildung handeln, zum Beispiel zum Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder zum Fachanwalt. Auch die Unterstützung bei den Kosten für eine Meisterschule im Handwerk oder die Übernahme von Studiengebühren für ein duales Studium kommen häufig vor. Die unterschiedlichen Ausgangssituationen haben aber eines gemeinsam: Typischerweise unterstützt der Arbeitgeber die Aus- oder Weiterbildung, um die höhere Qualifizierung des oder der Arbeitenden für eine Zeit in seinem Unternehmen zu nutzen. Umgesetzt wird dieses Ziel mit Bleibeklauseln. Das sind Vereinbarungen, nach denen sich der oder die Arbeitende zur Rückzahlung der Arbeitgeberleistungen verpflichtet, wenn die vereinbarte Bleibedauer nicht eingehalten wird.
Um eine Bleibeklausel wirksam vereinbaren zu können, muss allerdings eine grundlegende Voraussetzung erfüllt sein: Die Maßnahme, zu der der oder die Beschäftigte die finanzielle Unterstützung erhält, muss den individuellen „Marktwert“ des oder der Beschäftigten erhöhen. Vermittelt die Weiterbildung lediglich betriebsbezogene Kenntnisse, von denen ausschließlich der aktuelle Arbeitgeber profitiert, ist die Bleibeklausel unzulässig. Zudem muss der Arbeitgeber ein Interesse daran haben, dass die in der Weiterbildung erworbenen Fähigkeiten auch in seinem Unternehmen eingesetzt werden. Ohne dieses Interesse ist die Bleibeklausel unzulässig. Die weiteren Voraussetzungen, damit eine Rückzahlungspflicht besteht, sind durch die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren detailliert definiert worden.
Neben der genauen Vereinbarung der Rückzahlungstatbestände ist entscheidend, dass die Bleibeklausel nur einen zeitlich begrenzten Bleibedruck ausübt, der in einem angemessenen Verhältnis zu der unterstützten Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme steht.
Dabei sind Fallgruppen herausgearbeitet worden, die einen gemeinsamen Nenner haben: Hält der oder die Beschäftigte gegenüber dem Arbeitgeber für die vereinbarte Zeit die Betriebstreue ein oder kann er oder sie die vereinbarte Betriebstreue aus einem Grund, der nicht aus seiner oder ihrer Sphäre stammt, nicht einhalten, so darf keine Rückzahlungspflicht bestehen. Das Bestehen der Rückzahlungspflicht ist daher nur in drei Fallgruppen anerkannt: bei Ausspruch einer unberechtigten Eigenkündigung, bei Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung, die auf einem von dem oder der Beschäftigten zu vertretenden Grund beruht und bei einem Aufhebungsvertrag, der aufgrund einer Pflichtverletzung auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wird.
Neben der genauen Vereinbarung der Rückzahlungstatbestände ist entscheidend, dass die Bleibeklausel nur einen zeitlich begrenzten Bleibedruck ausübt, der in einem angemessenen Verhältnis zu der unterstützten Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme steht. Für die Praxis hat das Bundesarbeitsgericht einen Regelstufenplan entwickelt, der, abhängig vom Weiterbildungszeitraum, für den der Arbeitgeber bezahlt freistellt, eine regelmäßig zulässige Bindungsdauer vorsieht. Dieser Plan reicht von einer zulässigen sechsmonatigen Bindungsdauer bei einer fortbildungsbezogenen Freistellung von bis zu einem Monat bis hin zu einer maximal fünfjährigen Bindungsdauer bei einer mehr als zweijährigen fortbildungsbezogenen Freistellung.
Die Praxis zeigt allerdings, dass Bleibeklauseln fehleranfällig sind und ihre Überprüfung regelmäßig rechtliche Angriffsfläche bietet. Ist die Bleibeklausel fehlerhaft, führt dies in der Regel dazu, dass die Rückzahlungspflicht ganzheitlich entfällt. Für die Unternehmen ist es also wirtschaftlich wichtig, bei der Gestaltung von Bleibeklauseln sensibel und rechtlich gut beraten zu agieren. Für Beschäftigte, denen eine Bleibeklausel zum Abschluss vorgelegt wird oder die in der Vergangenheit eine Bleibeklausel abgeschlossen haben, kann eine fachmännische Überprüfung der Klausel von Interesse sein, da eine realistische Chance besteht, dass auch die konkret vorgesehene Klausel angreifbar ist.