Ein Kartell? Dabei muss es weder um die OPEC-Staaten noch um mafiöse Strukturen gehen. Ein Kartell ist definitionsgemäß bereits gegeben, wenn Unternehmen Vereinbarungen über ihr künftiges Wettbewerbsverhalten treffen. Zu den zahlreichen Fragen in diesem Zusammenhang beraten Kartellrechtler. Von Dr. Johannes Ylinen, Senior Associate bei WilmerHale Berlin
Kartelle – aber auch eine Vielzahl weiterer wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen von Unternehmen – sind wegen ihrer schädlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb grundsätzlich verboten. Das Kartell- recht dient dem Schutz des freien Wettbewerbs, da dieser nach Auffassung des Gesetzgebers zu den besten Marktergebnissen führt. Typische illegale Wettbewerbsbeschränkungen sind zum Beispiel Preis- oder Quotenabsprachen oder die Aufteilung von Märkten zwischen Wettbewerbern (sogenannte Hardcore-Kartelle).
Anders als der Begriff „Kartellrecht“ suggeriert, sind aber auch Beeinträchtigungen des Wettbewerbs durch einzelne „marktbeherrschende“ Unternehmen im Grundsatz verboten. Auch die Fusionskontrolle, bei der geprüft wird, ob ein Unternehmenszusammenschluss zweier Konkurrenten zu einer „marktbeherrschenden“ Stellung führt oder eine solche verstärkt, ist ein wichtiger Teil des Kartellrechts.
Wer sich mit dem Kartellrecht befasst, sollte sich gern in komplexe wirtschaftliche Sachverhalte einarbeiten und juristisch Generalist sein. Ein Verständnis der wirtschaftlichen Gegebenheiten ist in der Regel unabdingbar. Den Arbeitsalltag des Kartellrechtlers prägen nicht nur das deutsche und das europäische Wettbewerbsrecht, sondern auch unter anderem die Vorschriften des Verwaltungs-, Ordnungswidrigkeiten-, Strafprozess-, Zivil- und Zivilprozessrechts.
Neben schwindelerregenden Bußgeldern, spektakulären Zusammenschlussverfahren und kniffligen Streitigkeiten um marktversperrende Patentstrategien sind zuletzt insbesondere zivilrechtliche Schadensersatzprozesse ins Blickfeld des Kartellrechts gerückt. Dabei sind Kartellverstöße und das davon abhängige Ausmaß des eingetretenen Schadens aufzuklären. Umstritten ist, inwieweit die Geschädigten hierfür die amtlichen Verfahrensakten und die dort befindlichen Kronzeugenanträge von Kartelltätern einsehen dürfen. Für die Ermittlung der Schadenshöhe muss das Gericht den hypothetischen Wettbewerb – also den Wettbewerb, der ohne das verbotene Kartellverhalten stattgefunden hätte – zugrunde legen.
Auch Verjährungs- und Regressthemen, die mit der gesamtschuldnerischen Haftung der Kartelltäter zusammenhängen, machen das Ganze spannend. Insgesamt bietet die breit angelegte juristische Grundausbildung eine ausbaufähige Grundlage für die Befassung mit dem Kartellrecht. Im Rahmen einer Referendariatsstation kann man sich daher auch ohne eingehende kartellrechtliche Vorbildung einen guten ersten Eindruck von diesem vielfältigen Tätigkeitsgebiet verschaffen.