Jean Pütz und die „Hobbythek“, das gehört einfach zusammen. Aber die bekannte Wissenschafts-Sendung ist nicht sein einziger Lebensinhalt. Mindestens genauso wichtig: seine junge Familie, seine Überzeugungen und seine Vergangenheit. Wir trafen den begeisterten Physiker, Chemiker, Soziologen und Vater bei Pizza und Pasta in der Kölner City. von Anne Thesing
„Lust ist einer der größten Antriebe unserer Zeit, der Menschheit, ja der ganzen Welt.“ Die Augen des 67-Jährigen leuchten. Unzählige Lachfältchen ziehen sich durch sein Gesicht, und hinter dem alles dominierenden Schnurrbart lässt sich ein Schmunzeln erahnen. Jean Pütz ist in seinem Element.
Lässig, in Jeans, Hemd und mit ungebändigten Locken, sitzt er da. Sein Blick schweift durch das Restaurant. Genießerisch nimmt er einen letzten Bissen von seinem italienischen Salat, schiebt den Teller zur Seite und erzählt: Von seinen Anfängen als Redakteur, seinen Überzeugungen, seinen ersten Erfolgen und davon, wie er Anfang der 70-er Jahre eigenständig die WDR-Redaktion „Naturwissenschaft und Technik“ aufbaute. Schnell wird klar: Die Lust auf etwas Neues hat auch Jean Pütz angetrieben. „Ich bin vor allem ein neugieriger Mensch“, beschreibt er seine Motivation.
Gesammeltes Wissen unter einem Hut
In seiner bekanntesten Sendung, der „Hobbythek“, lebt der Sohn einer Luxemburgerin seine Neugier seit 29 Jahren aus. Bis zum Jahr 2001 war er als Autor und Moderator aktiv. Die Moderation hat seine Pensionierung überdauert. „Wir basteln einen Heißluftballon“, „Weine zum Selbermachen“, „Spaß mit Chemie“, „Buchbinden für Anfänger“, „Ökowaschmittel beim Wort genommen“, „Gut gekaut ist halb verdaut“,Hobbythek-Moderator Jean Pütz „Preiswert telefonieren“, … Es gibt kaum ein Thema, das er in seiner Sendung noch nicht wissenschaftlich beleuchtet hätte. „Ich hatte immer Horror davor, ein Fachidiot zu werden.“ Ein Blick auf seinen Lebenslauf verrät, dass diese Gefahr nie bestand: Seine Ausbildungen reichen von einer Lehre zum Elektromechaniker übers Ingenieur-, Physik-, Chemie-, Mathematik- und Lehramts- bis hin zum Soziologie- und Volkswirtschaftsstudium. „Früher hätte ich nie geglaubt, dass ich diese verschiedenen Studien und Berufe irgendwie zusammenbringen könnte.“ Heute weiß er, dass es möglich ist: In der WDR-Redaktion setzte er sein Wissen praktisch um. In der „Hobbythek“ und in den Sendereihen „Wissenschaftsshow“, „Bilder der Wissenschaft“, „Globus“ und „Dschungel“.
Begeisterung aus Überzeugung
Jean Pütz mit Sohn AdrianoDiese Arbeit hat ihn jung gehalten. Doch nicht nur die Arbeit. Ein Blick zum Nachbartisch, an dem eine fröhliche Runde gerade Pizza und Pasta schlemmt, zeigt, was noch dazu gehört: Freunde, Familie, Kollegen. Unter ihnen seine künftige Lebensgefährtin Pina. „Das Privatleben ist ungeheuer wichtig für mich. Ich brauche einen Menschen, auf den ich mich verlassen kann“, betont er. Diesen Menschen hat er in der jungen Italienerin gefunden. Kennen gelernt hat er sie vor fünf Jahren auf Sylt. Ihr gemeinsamer Sohn Jean Adriano ist heute vier Jahre alt. Für Adrianos Vater ist ein „Hobbythek“-Thema Wirklichkeit geworden: Anti-Aging. „Mir ist es vergönnt, drei Generationen zu leben. Und genau das war immer mein Traum. Ich lebe jetzt wieder so, als wäre ich 25. Zwar kann auch ich dem Alter auf Dauer kein Schnäppchen schlagen, aber ich kann meine Begeisterung bewahren.“ Und wieder ist da dieses Funkeln in seinen Augen, das bei allem, was ihn begeistert, sein Gesicht erhellt – Ob er nun mit kölschem Tonfall von seinem erfüllten Privatleben erzählt, von seinen politischen Überzeugungen, von Molekülen oder Thermodynamik. Problemlos springt der gesprächige Moderator von seinen Erinnerungen an die 68er, in denen er Mitbegründer eines radikal-demokratischen Clubs wurde, zu seinen ersten Sendereihen. Darunter „Energie, die treibende Kraft“, „Einführung in die Elektronik“, deren Begleitbuch noch heute verkauft wird, und „Einführung in die Digitaltechnik“. „All diese Themen sind noch heute hochaktuell. Zum Beispiel die Digitaltechnik: Damals glaubten die Menschen noch, das sei etwas Unanständiges. Dabei war das wirklich ein prophetisches Thema“, schwärmt er. Und der Stolz, den richtigen Riecher gehabt zu haben, ist nicht zu überhören. „Mir war das von Anfang an klar, ich war ein Überzeugungstäter.“ Die Überzeugung, seine Zuschauer zum Hinsehen, Nachdenken und Mitmachen zu motivieren, hat den einstigen Lehrer durch alle Sendungen begleitet. Aber auch die Überzeugung, nicht der alles wissende Guru zu sein. Mit einem Mal verschwindet das Funkeln in den Augen, Pütz:“Viele Moderatoren halten sich heute für die Größten”die Lachfalten werden zu Sorgenfalten und hinter dem sorgfältig geschwungenen Schnurrbart macht sich Verbitterung breit. „Wenn ich mir anschaue, wie viele Moderatoren sich heute für die Größten halten, dann ärgert mich das. Schließlich machen sie nur ihre Arbeit, wie jeder andere auch. Mit dem einzigen Unterschied, dass diese Arbeit elektronisch vervielfältigt wird.“ Für ihn sind Moderatoren „auch nur Menschen“. Mit Stärken und Schwächen, mit guten und schlechten Erfahrungen.
Wissen mit Risiken und Nebenwirkungen
Erfahrungen haben auch Jean Pütz geprägt und etwas in ihm ausgelöst. Zum Beispiel die Kindheitserfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Nur durch Zufall überlebte der damals Siebenjährige einen der schrecklichsten Bombenangriffe auf Köln. „Von 60 Menschen aus unserer Stasse, dem Blaubach, haben nur fünf überlebt“, erzählt er mit belegter Stimme. Jean PützGlücklicherweise hatte sein Vater, ein Bierbrauer, Zugang zu einem hermetisch abgeschlossenen Raum. Vier Stockwerke unter der Erde bot dieser Kühlraum Vater, Sohn und einigen Flüchtlingen sicheren Schutz vor den Bomben. Alle anderen Hausbewohner kamen ums Leben. Jean Pütz musste über ihre Leichen steigen, um den Keller zu verlassen. Nach diesem Erlebnis begann er, sich für Gesetzmäßigkeiten in der Natur und im menschlichen Verhalten zu interessieren. „Wie konnte ein zivilisiertes Volk wie die Deutschen zu solchen Barbaren werden?“, fragt er sich noch heute. Bei allem, was Jean Pütz künftig tat, behielt er im Hinterkopf, dass Wissen nicht nur Positives bewirken kann. „Ich habe Wissenschaft immer mit ihren Risiken und Nebenwirkungen dargestellt“, erklärt er seinen kritischen Ansatz.
„Jecke Fairsuchung“
Neben der Kriegserfahrung prägte die Herkunft aus einfachen, nicht-akademischen Verhältnissen seine Arbeit. „Chancengleichheit“ ist das große Thema, dass er fast in einer Doktorarbeit vertieft hätte. „Aber dadurch, dass ich begleitend zu meinen Sendungen auch noch viele Bücher schrieb, fehlte mir die Zeit.“ Statt in einer Doktorarbeit setzte der Moderator das Thema ganz praktisch um.Jean Pütz „Wissenschaft für jedermann“ – diesem Motto der „Hobbythek“, aber auch seinen humanistischen, ökologischen und moralischen Ansprüchen versuchte er immer treu zu bleiben. Jüngstes Beispiel: Beim letzten Rosenmontagszug trat der begeisterte Karnevalist als Schirmherr der Kampagne „Jecke Fairsuchung“ auf und warf „fair gehandelte Kamelle“ unter das Narrenvolk. Nicht, um den Menschen einen kurzen Genuss zu bieten, sondern um seinen langjährigen Einsatz für Transfair-Produkte zu untermauern. „Bei allem was ich mache, geht es mir nicht um kurzfristige Erfolge, sondern um die Wirkung über mich hinaus“, betont er. „Ich bin ein Mensch, der immer Nachhaltigkeit sucht, sozusagen ein Langstreckenläufer.“
Anti Aging live
Jean Pütz„Das alles klingt vielleicht wie das Wort zum Sonntag, aber es ist mir wichtig“, bemerkt er augenzwinkernd und gesellt sich zu der fröhlichen Runde am Nachbartisch. Hier, im Kreis seiner Familie, lebt er regelrecht auf. Von einer Sekunde auf die andere wird der „Hobbythek“-Moderator zum Familienvater und präsentiert live, was die Lust am Leben für ihn bedeutet. Er genießt das italienische Großfamilien-Flair mit allem, was dazu gehört: Jung und Alt an einem Tisch, Gelächter, freundliche Gesichter, spielende Kinder und ein wenig Chaos. Jeder probiert von jedermanns Teller, Antipasti machen die Runde, Gespräche übers Kochen, Essen und über die Schönheiten der italienischen Landschaft bringen Leben in das Restaurant. „Holen Sie auch den kleinen Jean mit aufs Foto“, regt er noch an und ruft seinen kaum zu bändigen Sohn zu sich. Und bei der Verabschiedung gibt er schmunzelnd einen letzten Tipp: „Lesen Sie unbedingt mein Anti-Aging-Buch“. Und, ein bisschen Selbstmarketing muss sein: „Mein nächstes Buch schreibe ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin. Zum Thema Bauchtanz“. Die Lust am Leben, die Neugier und die außergewöhnlichen Ideen werden dem Halbzeit-Pensionär noch lange nicht vergehen.