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Interview mit Dr. Wolfgang Gawrisch

Wolfgang Gawrisch hat Physik studiert und arbeitet heute als Leiter des Ressorts Zentrale Forschung/Technologie bei Henkel. Er zeigt, dass auch die Industrie ein sehr spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsfeld für Naturwissenschaftler bietet. Denn bei Henkel wird geforscht – an vorderster Front und mit Blick auf die Märkte. Im karriereführer spricht Wolfgang Gawrisch über seinen Aufgabenbereich, die Bedeutung der Biotechnologie und die Anforderungen an Hochschulabsolventen. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Zur Person

Wolfgang Gawrisch wurde am 25. Januar 1951 im südpfälzischen Germersheim geboren. Er studierte Physik und promovierte am Institut für physikalische Chemie in Mainz. Als Doktorand forschte er am weltgrößten Hochflussreaktor in Grenoble.

Von 1980 bis 1997 arbeitete er bei der Hoechst AG. 1998 begann er bei Henkel in Düsseldorf. Hier leitet er das Ressort Zentrale Forschung/ Technologie und ist Vorsitzender des Sustainability Council Henkel. Wolfgang Gawrisch ist außerdem unter anderem Mitglied im Ausschuss Technik und Umwelt des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DECHEMA), Mitglied im Bewilligungsausschuss Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder sowie Aufsichtsratsmitglied anderer Unternehmen.
Wolfgang Gawrisch ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Herr Dr. Gawrisch, Sie sind Physiker. Hat Ihr heutiger Job als Manager bei Henkel noch etwas mit Ihrer ursprünglichen Ausbildung zu tun?
Zur Steuerung von Forschungsprojekten ist ein fundiertes naturwissenschaftliches Verständnis ein absolutes „Muss“, denn als Leiter des Ressorts Zentrale Forschung/Technologie muss ich mit unseren Naturwissenschaftlern diskutieren können. Hierbei hilft mir meine Ausbildung durch Studium und Promotion.

Was genau ist denn Ihre Aufgabe als Leiter des Ressorts Zentrale Forschung/Technologie?
Wir orientieren uns mit unseren Forschungsprojekten an der strategischen Ausrichtung von Henkel. Unsere Kompetenzen setzen wir dabei zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ein. Mit unseren Innovationen gestalten wir in enger Kooperation mit den drei Unternehmensbereichen Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik und Körperpflege und Adhesives Technologies die Zukunft von Henkel.

Sie haben sich bewusst entschieden, Forschung nicht an der Universität zu betreiben, sondern in einem Unternehmen. Wo liegen für Sie die Vorteile?
Auch in der Industrie wird intensiv geforscht – und immer mit Blick auf die Märkte. Denn Produkt- oder Prozessinnovationen sind essenziell für den Erfolg von Unternehmen. Somit bietet auch die Industrie ein sehr spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsfeld für Naturwissenschaftler. Unserer Forschungsaktivitäten sind zahlreich: In der Zentralen Forschung in Düsseldorf arbeiten wir in den Feldern Chemie, Biologie und Technologie. In unserem Kompetenzzentrum Scientific Computing beispielsweise erarbeiten wir mit computergestützten Modellen Henkelrelevante Problemlösungen. In der Forschung und Entwicklung bei Henkel nutzen wir interne und externe Kompetenzen. Als Forscher in der Industrie arbeitet man also ganz und gar nicht isoliert. Wir begreifen uns als Teil eines weltweiten interdisziplinären Wissensverbunds. Und diese Zusammenarbeit mit führenden Universitäten und Instituten wird zukünftig noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Mit Phenion wurde ja bereits 2001 ein Public-Private-Partnership zwischen Henkel und der Universität Frankfurt ins Leben gerufen. Mittlerweile ist Phenion eine 100-prozentige Forschungsgesellschaft von Henkel. Was genau wird in diesem biotechnologischen Forschungszentrum gemacht?
Phenion ist das Kompetenzzentrum von Henkel für Haut- und Haarforschung sowie für die Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen. Langfristiges Ziel ist die Etablierung von Methoden, die durch eine Kombination verschiedener In-vitro- und Insilico- Alternativmethoden – also Tests im Reagenzglas und auf Basis von Computerberechnungen – Tierversuche letztlich komplett überflüssig machen.

Henkel hat die Vision, mit seinen Produkten das Leben der Menschen leichter, besser und schöner zu machen. Ist die Biotechnologie ein Weg dahin?
Wir sehen die Biotechnologie als eine Schlüsseltechnologie. Viele Wirksubstanzen – zum Beispiel in Waschmitteln und Kosmetika – werden in industriellen, abgeschlossenen Prozessen erzeugt. Fachleute bezeichnen dies als weiße oder industrielle Biotechnologie. Dabei werden Substanzen durch Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze hergestellt. Mit der weißen Biotechnologie werden zum Beispiel Enzyme für Wasch- und Reinigungsmittel erzeugt, die die Entfernung hartnäckiger Flecken ermöglichen. Außerdem tragen Enzyme dazu bei, dass Waschen umweltverträglicher wird: Waschmittelmenge und Waschtemperatur können deutlich reduziert und dadurch der Energieverbrauch gesenkt werden. Durch moderne kompakte Waschmittel sinken außerdem der Wasserverbrauch sowie der Aufwand für Verpackung und Transport.

Welches herausragende Forschungsergebnis im Bereich der Biotechnologie gab es in letzter Zeit bei Henkel?
Anfang dieses Jahres haben wir die Entwicklung einer neuen „Tieftemperaturprotease“ ausgezeichnet. Proteasen sind Enzyme, die eiweißhaltige Flecken wie Blut oder Kakao aufspalten. Mit einem neuen Screening-System und gentechnologischen Verfahren haben unsere Wissenschaftler eine Protease für Flüssigwaschmittel gefunden, die bereits bei einer Waschtemperatur unter 20 Grad Celsius eine verbesserte Leistung zeigt. Ein Waschgang bei 20 statt bei 40 Grad Celsius spart außerdem über die Hälfte der Energie und des ausgestoßenen Kohlendioxids.

Sie sind auch Vorsitzender des Sustain – ability Council Henkel. Was bedeutet das konkret?
Wir bemerken zunehmend, dass Verbraucher neben der Produktqualität auch nach der Verantwortung des Unternehmens fragen. Also beispielsweise: Wo kommen eure Rohstoffe her? Werden ökologische und soziale Standards eingehalten? Diesen Trend hat Henkel schon vor Jahrzehnten erkannt und mitgeprägt. In unserem Sustainability Council arbeiten wir daran, dass die Begriffe „fortschrittlich“, „sozial“ und „ökologisch“ in einem Zusammenhang gesehen werden.

Wie sehen Sie die Karrierechancen von Hochschulabsolventen, die in Unternehmen wie Henkel einsteigen wollen?
Ein global aufgestelltes Unternehmen wie Henkel eröffnet mit seiner Vielseitigkeit eine große Bandbreite an Möglichkeiten sowie die Chance, auf verschiedenen Feldern tätig zu sein. Unabhängig davon, ob man eine Laufbahn in Forschung und Entwicklung oder im Marketing anstrebt, im Ingenieur- oder im Finanzwesen – Henkel hat in jedem Fall eine Menge zu bieten.

Was erwarten Sie von jungen Wissenschaftlern, die bei Henkel anfangen wollen? Welche Qualifikationen sollte ein Hochschulabsolvent beim Start ins Berufsleben Ihrer Meinung nach bereits erworben haben und welche Kenntnisse und Fertigkeiten kann man im Berufsalltag erwerben?
Forschende Unternehmen brauchen begabte und begeisterte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit exzellenten Fachkenntnissen und ersten internationalen Erfahrungen. Darüber hinaus halten wir bei Henkel viel von Individualität und Teamfähigkeit und suchen Persönlichkeiten, die bereit sind, gemeinsame Ziele zu verfolgen.

Zum Unternehmen

Henkel AG & Co. KGaA ist ein börsennotiertes Unternehmen und hat seinen Hauptsitz in Düsseldorf. Von über 55.000 Mitarbeitern sind 80 Prozent außerhalb Deutschlands tätig: in zahlreichen europäischen Ländern, in den USA und Kanada, in Lateinamerika, in Nordafrika und dem Nahen Osten sowie in Asien – in über 125 Ländern der Welt. Henkel ist in den drei Geschäftsfeldern Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik und Körperpflege sowie Adhesives Technologies (Klebstofftechnologien) aktiv und zählt zu den „Fortune Global 500 Unternehmen“. Das Unternehmen wurde 1876 von Fritz Henkel als Waschmittelfabrik Henkel & Cie. in Aachen gegründet. Bereits zwei Jahre später zog das Unternehmen nach Düsseldorf und mit Henkel’s Bleich Soda begann die Erfolgsgeschichte namhafter Marken, die jeder kennt: Persil, Loctite, Schwarzkopf, Ceresit, Dixan, Teroson, Dial, Bonderite, Purex, Liofol, Fa oder Pritt. Im Jahr 2007 erzielte Henkel einen Umsatz von 13 Milliarden Euro.

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