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Interview mit Werner Kieser

Der Gründer von Kieser Training hat mit eigener Kraft eine Menge geschafft. Die Idee, dass ein starker Rücken keinen Schmerz kennt, hat ihn zu einem der erfolgreichsten Unternehmer Europas gemacht – mit über 130 Trainingsbetrieben, in denen mittlerweile rund 235000 Kunden ihre Muskulatur stärken. Und es werden immer mehr. Anne Thesing vom karriereführer traf den 64-jährigen Schweizer in einer seiner Kölner Zweigstellen.Von Anne Thesing

Von der Straße aus weist nur der berühmte blau-gelbe Schriftzug darauf hin, dass hier ganz in der Nähe an wuchtigen Geräten hart trainiert wird – Muskel für Muskel. Das Studio selbst ist im Hinterhof untergebracht. Unauffällig, schlicht, geschmackvoll. Außen eine sanierte Altbaufassade und viel Glas, innen ein großer, heller Raum mit Holzfußboden und einem Gerät neben dem anderen. Noch ist hier nicht viel los, der große Andrang kommt am späten Nachmittag und Abend. Oder in der Mittagspause, schließlich dauert eine Trainingseinheit nur 30 Minuten. Einige Kunden mittleren Alters, bequem statt hip gekleidet, geben aber schon jetzt, am frühen Morgen, alles. Bis zum muskulären Erschöpfungszustand.
Die Einrichtung des Kölner Studios gleicht denen der anderen 132 Betriebe. Ob in Zürich, Eindhoven oder Wien: Kieser Training ist für seine technisch ausgefeilte, aber schlichte Einrichtung bekannt. Damit grenzt sich das Unternehmen bewusst von der Konkurrenz ab. Weder Sauna, Solarium, Getränkebar Fernseher oder Musikgedudel sollen vom Wesentlichen ablenken: der Kräftigung der Muskulatur. Die Hektik, der Lärm und die grellen Farben der Fitnesswelt sollen draußen bleiben, scheint sich Werner Kieser gedacht zu haben. Und das passt zu ihm. Auch er ist alles andere als hektisch, laut und grell. Seine Bewegungen sind langsam und kontrolliert, seine Sätze überlegt, seine Kleidung ist schlicht und korrekt, sein schweizerischer Dialekt gemütlich und zugleich fröhlich, sein Umgang mit den Mitarbeitern familiär vertraut. Werner Kieser lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Vielleicht ist das das Geheimnis seines Erfolges?

Herr Kieser, 1967 haben Sie Ihr erstes Kraftstudio in Zürich eröffnet. Wie sah das aus?
Mein erstes Studio war ein Abbruchobjekt, in das ich sehr günstig einziehen konnte. Die Geräte habe ich anfangs selber zusammengeschweißt – aus Eisen vom Schrottplatz.

Das klingt nach harter Arbeit.
Ja, ich habe mich damals auch oft gefragt: Wieso machst du das überhaupt? Meine Frau hielt mich für besessen, und wahrscheinlich war ich das auch.
In meiner Vermessenheit habe ich dann zur Eröffnung sogar die Presse eingeladen. Es kam nur eine einzige Journalistin von der Neuen Zürcher Zeitung. (Schmunzelt). Dass die über mein Studio berichtet haben, werde ich ihnen nie vergessen.

Was haben Sie gemacht, bevor es Kieser Training gab?
Eine Tischlerlehre, also „was Rechtes“. (Lacht). Außerdem habe ich geboxt und wurde sogar als Talent gehandelt. Aber dann, ich war 17 oder 18, verletzte ich mich: eine Rippenfellquetschung, schmerzhaft und langwierig. Ich durfte nicht mehr boxen und ein Kollege empfahl mir Krafttraining. Das war damals in Deutschland noch relativ unbekannt, das Wort stand noch nicht einmal im Duden. Ich habe mit Hanteln und anderen Geräten trainiert und in der Tat gingen die Schmerzen weg. Der Clou an der Sache war, dass sowohl mein Arzt als auch mein Trainer dagegen waren. Mein Trainer meinte, ich würde dadurch an Beweglichkeit verlieren und könnte danach meine Boxerkarriere vergessen. Damit hatte er ja auch Recht. Das Boxen verlor für mich immer mehr an Bedeutung.

Zu Gunsten des Krafttrainings?
Ja, das war für mich wie eine neue Entdeckung. Ich habe weiter trainiert und das wenige Material, das es zu dem Thema damals gab, intensiv studiert.

Und wovon haben Sie in der Zeit gelebt?
Ich habe Boxunterricht gegeben, heute würde man sagen als „Personal Trainer“. Nebenbei habe ich auch noch andere Jobs angenommen, zum Beispiel auf dem Bau.

Wie kam es dann zur Gründung Ihres ersten Studios?
Inspiriert wurde ich durch das erste deutsche Fitness-Studio in Berlin. Als ich das gesehen hatte, wusste ich plötzlich: Das ist meine Zukunft. Das war, als hätte ich mich verliebt. Ich war so begeistert von der ganzen Szene, dass ich sogar den Schweizer Bodybuilding-Verband mitgegründet habe.

Warum haben Sie sich dann im Laufe der Zeit von Bodybuilding und Fitness-Studios distanziert?
Anfangs war das beim Bodybuilding noch ein ganz anderer Ansatz, das war eine gesunde, idealistische Geschichte. Eine Art modernes Turnen. Aber nach und nach wurden das Show-Element und die äußere Erscheinung immer wichtiger als die Funktion und der Nutzen. Natürlich ist es schön, wenn man gut aussieht, aber es ist nicht das Wesentliche. Also bin ich meinen Weg allein gegangen.

Welche Eigenschaften haben Ihnen dabei geholfen, diesen Weg so erfolgreich zu gehen?
Ich glaube, ich kann mich sehr lange mit Dingen beschäftigen und denke Ideen gerne zu Ende. Man könnte mich also als konsequent und hartnäckig charakterisieren. Und ich gehe immer an die Quelle, frage nach den Ursprüngen. Mein ältestes Buch, auf das ich bei meinen Studien zum Krafttraining gestoßen bin, wurde 1711 geschrieben.

Mit Ihrer Trainingskette machen Sie sich sicher nicht nur Freunde. Ein Spiegel-Journalist bezeichnete Sie mal als „Todfeind der Orthopäden“. Was halten Sie von dieser Aussage?
(Lacht). Der Spiegel-Journalist bezog sich damals auf mein Buch „Die Seele der Muskeln“, in dem ich das Dilemma der Orthopäden beschrieben habe: Die Rückenpatienten kommen in ihre Sprechstunde, die Orthopäden geben ihnen eine Spritze und im nächsten Jahr sind die Patienten mit den gleichen Beschwerden wieder da. Bei Kieser Training dagegen werden sie ihre Rückenschmerzen für immer los. Die ehemaligen Patienten gehören also nicht mehr zum „Krankengut“ und bringen auch kein Geld mehr ein. Das ist wahrscheinlich der Grund, weshalb der Spiegel mich als „Todfeind der Orthopäden“ bezeichnete.
Die Aussage ist aber insofern widersprüchlich, als sehr viele Orthopäden für uns arbeiten. Orthopäden sind die uns am nächsten stehende medizinische Berufsgruppe. Insofern ist der „Todfeind“ hier ein bisschen übertrieben.

Was war bisher Ihr größtes Erfolgserlebnis?
(Überlegt.) Das war ein Zeitungsartikel, 1972. Ich hatte einen ziemlich umfangreichen Text über Krafttraining geschrieben, den ich an die Neue Zürcher Zeitung schicken wollte. Meine Frau damals war Germanistin und hielt mich für völlig verrückt, als ich ihr davon erzählte. Ich habe den Artikel trotzdem abgeschickt, und zwei Tage später erschien er auf der Wissenschaftsseite der Zeitung. Das war für mich ein Highlight. Aber daneben gibt es viele andere Erfolgserlebnisse und natürlich auch viele Misserfolge.

Zum Beispiel?
Misserfolge gibt es laufend, das ist mein Tagesgeschäft. (Lacht). Einige haben sich aber auch in Erfolge verwandelt.
Mein Beginn in Deutschland zum Beispiel war ein Riesen-Misserfolg, aus dem dann ein Erfolg wurde. Meine ersten beiden Studios in Hamburg liefen einfach nicht an. Ich hatte aber schon Mietverträge in München und Köln unterschrieben, also blieb mir nur die Flucht nach vorn. Aber bis sich das Blatt schließlich wendete, war das ein gigantischer Misserfolg. Millionen habe ich damals in den Sand gesetzt.

Und wie wendete sich das Blatt?
Irgendwann kam es einfach anders. Es kamen immer mehr Leute, man schrieb darüber, man hörte davon, das Fernsehen berichtete. Zum Beispiel lief im Fernsehen ein Bericht über „das andere Studio“, ohne Namensnennung. Über die nüchterne Atmosphäre und darüber, dass dort auch ältere Menschen trainierten. Daraufhin wurde der Sender mit Anfragen nach dem Studio überhäuft. So wurde Kieser Training langsam immer bekannter.

Heute haben Sie über 130 Betriebe. Wollen Sie Ihren Bekanntheitsgrad noch weiter steigern?
Ja, in Deutschland sollen weitere 30 Betriebe entstehen. Wegen der Wirtschaftsflaute läuft das allerdings alles etwas langsamer als geplant. Aber wir sind auch dabei, im Ausland Fuß zu fassen: in England, in Holland und in Spanien. Und dann haben wir auch die ersten Kontakte nach China, Indien und in die USA. Dieser Schritt in den Weltmarkt ist die logische Konsequenz der bisherigen Unternehmensentwicklung: In den 80er-Jahren haben wir uns vom Ein-Mann-Betrieb ausgehend in der ganzen Schweiz verbreitet. Im zweiten Schub kam die Expansion in Deutschland und jetzt geht es auf den Weltmarkt. Dass die Wirtschaftszeichen im Moment nicht so günstig stehen, verlangsamt die Sache bestimmt etwas, wird sie aber kaum stoppen. Denn eine gute Sache sollte sich durchsetzen.

Was raten Sie Menschen, die auch eine gute Idee im Kopf haben und daraus ein Unternehmen machen wollen?
Wenn jemand eine Idee hat, sollte er sie erst einmal für sich behalten und nachforschen, ob es so etwas schon gibt. Dann muss er überlegen, ob er die Idee auch verwerten und vermarkten kann. Vielen Erfindern fehlt der Kommunikator, der sich zum Beispiel um Investoren kümmert. Das ist eine absolut überlebenswichtige Notwendigkeit. Nicht nur für den Erfinder, sondern auch für die Leute, denen sonst dieser Nutzen entgeht. Stellen Sie sich die vielen Tausend Menschen vor, die heute keine Rückenschmerzen mehr haben. Was wäre aus denen geworden, wenn ich aus meiner Idee nichts gemacht hätte?

In der Tat gibt es viele Menschen, die über Rückenschmerzen klagen und etwas dagegen tun möchten. Das fängt ja schon bei den täglichen Verspannungen nach einem langen Bürotag an. Welche Tipps können Sie da geben – abgesehen vom Kieser Training?
Naja, Kieser Training ist wirklich die beste Lösung. (Lacht). Grundsätzlich muss man die Beschwerden aber erst einmal beim Arzt abklären. Wenn sie wirklich etwas mit fehlender Kraft zu tun haben, brauchen Sie eine spezielle Technologie, um dieses Problem anzugehen. Maschinen, die genau Ihre Bewegungen verfolgen und den Widerstand dort dosiert abgeben, wo Sie ihn brauchen.
Natürlich können Sie Dehnübungen machen oder zur Massage gehen. Das hilft aber nur kurzfristig. Zwei Tage später kommen die Schmerzen zurück, weil das Grundübel, der Mangel an Kraft, nicht behoben wurde.

Mit welchen Sportarten sorgen Sie bei sich selbst für die nötige Kraft?
Zweimal in der Woche gehe ich natürlich zu Kieser Training. Und dann gehe ich täglich eine knappe Stunde mit meinem Hund spazieren, das ist mein Kreislauftraining. Im Winter fahre ich auch mal Ski, aber ansonsten treibe ich nicht viel Sport.

Kein tägliches Joggen?
Nein, das halte ich auch für problematisch, vor allem in meinem Alter. Die Gelenke nutzen sich so schon ab, und beim Joggen müssen sie dann noch dauernde Schläge mit einem Mehrfachen des Körpergewichts aushalten. Wenn schon, dann würde ich Radfahren empfehlen. Das ist am sinnvollsten für den Kreislauf und belastet die Gelenke nicht so sehr.

Wie können wir uns Ihren Alltag vorstellen?
Ich stehe um vier Uhr morgens auf, manchmal auch später. Bis sechs Uhr lese ich und rufe meine E-Mails ab.
Um halb sieben gehe ich dann mit dem Hund spazieren, einmal den Zürichberg rauf und runter. Wenn ich zurückkomme, ist meine Frau mittlerweile aufgestanden und wir frühstücken zusammen mit Hund und Katze. So gegen neun Uhr geht’s ins Büro, wo ich als erstes die Post durchsehe. – Mir wird gerade bewusst, dass mein Alltag nicht besonders aufregend ist. (Lacht). – Dann kommen meistens Sitzungen und Aktenstudium. So gegen drei Uhr gehe ich nach Hause, lege mich eine halbe Stunde hin und dann arbeite ich weiter. Um sechs oder sieben Uhr ist dann der Ofen aus. Abends lese ich noch leichte Kost oder treffe mich mit Freunden.
Sie sehen, ein ganz normaler Tag.

Herr Kieser, was ist Ihr Lebensmotto?
Der Mensch wächst am Widerstand.

Kieser Training

Von eins auf 130 Expansion einer starken Idee
1967 Werner Kieser gründet sein erstes Kraftstudio in Zürich
1981 Kieser Training expandiert in der Schweiz mittels Franchising
1990 Erster Pilotbetrieb in Frankfurt
1994 Expansion in Deutschland mit vier weiteren Betrieben in Hamburg, Köln und München
1997 erster Franchisebetrieb in Deutschland (Bremen)
2002 100ster Kieser Training-Betrieb in Wien
2003 100ster Betrieb in Deutschland (Berlin-Köpenick)
2004 erster Franchisebetrieb in den Niederlanden (Eindhoven). Kieser Training gibt es jetzt in Deutschland, Großbritannien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz

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