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Interview mit Rainer Schulz

„Rainer Schulz, guten Tag.“ Der Leiter der Bereiche Operations/Technik, Materialwirtschaft und Logistik geht direkt selbst ans Telefon. Professionell und offen beantwortet der Top-Manager von Rehau jede Frage, die Interviewer Peter Neumann ihm stellt. Selbst bei persönlichen Themen bleibt Rainer Schulz keine Antwort schuldig und steht zu dem, was er sagt.

Zur Person

Rainer Schulz ist seit einem guten Jahr Mitglied im Group Executive Board der Rehau Gruppe. Der Ingenieur der Produktionstechnik arbeitet seit Mai 2001 bei dem mittelständischen Unternehmen der Kunststoffindustrie. Das Familienunternehmen hat seinen Sitz im oberfränkischen Rehau. Nach verschiedenen leitenden Funktionen stieg Schulz im Januar 2001 in die Unternehmensspitze auf. Der 42-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Welche Hürden mussten Sie auf Ihrem Weg in die Führungsetage nehmen?
Statt Hürden würde ich es lieber als Herausforderungen bezeichnen. In meiner Karriere musste ich mich in unterschiedlichste Aufgaben einarbeiten. Dabei habe ich gelernt, dass es nicht einfach ist, sich mit Gebieten vertraut zu machen, die man nicht von der Pike auf gelernt hat. Daher ist es generell überaus wichtig, dass man sich als Mitglied des Top-Managements auf seine Mitarbeiter verlassen kann. Für mich bedeutete dies die größte Herausforderung: Personalführung – oder, wie man heute so gern sagt, Leadership-Management – zu lernen. Und mit meinen Mitarbeitern zusammen einen erfolgreichen Weg zu gehen.

Wie erlernt man so etwas?
Neben Rehau hat auch einer meiner früheren Arbeitgeber großen Wert auf dieses Thema gelegt, wir haben dort viele Trainings absolviert. Ich habe mich immer darum bemüht, einen Platz bei diesen Trainings zu bekommen, weil ich spürte, dass ich etwas für meine Entwicklung auf diesem Gebiet tun musste. Hinzu kamen das Training-on-the-Job und der Erfahrungsschatz, den man sich im Laufe der Zeit aufbauen konnte.

Welche wichtige Erfahrung haben Sie dabei gemacht?
Dass jeder Mitarbeiter eine individuelle Führung braucht – es gibt da keine Patentrezepte.

So etwas gehört ja nicht zur klassischen Ausbildung eines Ingenieurs. Wie viel von Ihrer Ausbildung können Sie heute überhaupt noch anwenden?
Das ist eine Frage, die mich sehr berührt. Obwohl ich heute als Chief Operating Officer der höchstgestellte Techniker im Unternehmen bin, muss ich mir eingestehen, dass ich viel weniger als Techniker agiere als direkt nach meinem Studium. Das heißt, man muss Entscheidungen treffen in Dingen, die man nicht so direkt durchblickt wie in seinem eigentlichen Fachgebiet.

Sie mussten sich also zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen?
Ja, vor allem betriebswirtschaftliche. Und Kompetenz in strategischen Fragestellungen. Dabei hat mir sehr geholfen, dass ich im Laufe meiner Karriere auch einmal im Einkauf gearbeitet habe. Damals konnte ich an viele Aufgaben einmal aus einer anderen Perspektive als der des Technikers herangehen.

Zu welchem Anteil seiner Tätigkeit ist Rainer Schulz denn nun noch Ingenieur?
Etwa zur Hälfte. Die andere Hälfte bin ich Kaufmann.

Welche Qualifikationen muss man mitbringen, um diesen Spagat zu schaffen und gleichzeitig eine Spitzenposition auszufüllen?
Es ist sicher eine Kombination aus verschiedenen Eigenschaften. Uns Ingenieuren wird ja nachgesagt, dass wir sehr strukturiert denken, Probleme systematisch lösen und dabei detailversessen sind. Wenn man diese Eigenschaften verbindet mit dem Talent eines Generalisten, erfüllt man ideale Voraussetzungen, um auch höhere Karrierestufen zu erreichen.

Das sind Fähigkeiten, die sich erlernen lassen. Was muss man aber „genetisch“ mitbringen, um an die Unternehmensspitze aufzusteigen?
Man muss führen können und wollen. Wem in der Sportmannschaft von seinen Mannschaftskameraden die Kapitänsbinde übertragen wurde, der hat im Zweifel auch Talent für eine Führungsposition im Berufsleben.

Und wie war das bei Ihnen?
Ich habe früher Handball gespielt, war auch Mannschaftsführer. Beim Handball muss man zum einen mannschaftsdienlich spielen, zum anderen kommt es auf die Leistung des Einzelnen an. Beides zu verbinden hat mir auf meinem Berufsweg sehr geholfen.

Wann haben Sie erstmals den Wunsch verspürt, eine Top-Position anzustreben?
Ich habe immer nur die nächste Stufe auf der Karriereleiter im Auge gehabt. Als Sachbearbeiter habe ich mit dem Posten des Gruppenleiters geliebäugelt. Als das geschafft war, strebte ich den Abteilungsleiterposten an. Ein Endziel im Top-Management habe ich nicht im Visier gehabt. Also immer step-by-step.

Sie haben Ihre Karriere also nicht durchgeplant?
Karriereberater werden jetzt sicher aufschreien. Aber meine Überzeugung ist: Man kann eine Karriere nicht planen. Es kommt für den Erfolg vielmehr darauf an, dass man jeweils die richtigen Entscheidungen trifft – also, wie gesagt, step-by-step. Dazu gehört auch der Mut, von einem angestammten Aufgabengebiet in ein komplett neues zu wechseln. In meiner Laufbahn habe ich sehr unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen, in der Arbeitsvorbereitung und als Produktionsleiter. Einkauf, Logistik, Forschung und Entwicklung waren weitere Stationen. Dieser breite Hintergrund hat mich immer weiter nach oben gebracht.

Wie dicht ist Ihr Terminkalender?
Er ist immer vier Wochen im Voraus verplant, lässt aber Raum für kurzfristige Themen. Und meine Tür ist immer offen für Anliegen von Mitarbeitern.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?
An meinem Arbeitsplatz in Deutschland geht es sehr häufig um Entscheidungen über neue technische Entwicklungen und um die Frage, ob wir in diese investieren sollen. Neben den großen Themen stehen aber auch viele kleine alltägliche Dinge an bis hin zu Personalentscheidungen.

Wie treffen Sie Entscheidungen?
Rehau ist ein mittelständisches Unternehmen. Ein prägendes Merkmal für diese Unternehmensform ist, dass wir versuchen, Entscheidungen kollegial und einvernehmlich zu treffen. Ist kein Konsens zu erzielen, muss einer den Ausschlag geben. Diese Verantwortung liegt dann oft bei mir. Der kollegiale Meinungsaustausch erstreckt sich übrigens auch auf die Eigentümerfamilie, die sich sehr für alle Belange des Unternehmens interessiert. Sie diskutiert ausgiebig mit uns – und hört auch zu. Das ist nicht überall üblich.

Wie ist Ihnen zumute, wenn Sie einsame Entscheidungen treffen müssen?
Konsens hat bei uns einen hohen Stellenwert. Einsame Entscheidungen versuchen wir zu vermeiden.

Sind Sie manchmal einsam?
Mit zunehmender Karriere wird man immer einsamer, das ist leider so.

Haben Sie einen „besten Freund“, den Sie Tag und Nacht jederzeit anrufen können, wenn Sie der Schuh drückt?
Einen solchen Freund hatte ich. Aber leider konnte ich die Freundschaft in letzter Zeit wegen meines beschränkten Zeitbudgets nicht mehr so pflegen, wie ich es gern getan hätte. Mein bester Freund ist jetzt meine Frau.

Wagen es Ihre Mitarbeiter, Sie zu kritisieren?
Das ist für mich sehr wichtig. Es gehört zu guter Personalführung, eine kritische Mannschaft aufzubauen. Wer nur Ja-Sager um sich hat, wird keinen Erfolg erzielen. Dennoch: Wahrscheinlich sind Mitarbeiter oft weniger zur Kritik an ihrem Vorgesetzten bereit, als man es selber wahrhaben möchte.

Was glauben Sie, wie Ihre Mitarbeiter Sie sehen?
Sie werden wahrscheinlich sagen: Er ist fair, trifft Entscheidungen, versucht zuzuhören, er fordert aber auch.

Sind Sie damit zufrieden?
Nun, das sind wichtige Eigenschaften. Ich wünschte mir, sie würden auch sagen: Er lebt das vor, was er von uns fordert.

Haben Sie im Unternehmen Freunde?
Freunde nicht. Aber ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Kollegen und ebenso zu den Mitarbeitern. Das ist typisch bei uns, aber nicht unbedingt typisch für deutsche Unternehmen – da habe ich schon andere Dinge erlebt.

Ist eine Karriere mit dem Endziel Top-Management eigentlich erstrebenswert?
Gute Frage. Jeder muss sich fragen, ob er wirklich aus seinem Innersten heraus einen solchen Weg anstrebt. Denn man muss Opfer bringen: Opfer an Freizeit, an Sicherheit, also nicht mehr der Fachmann für viele Themen zu sein. Wer Führungsaufgaben übernimmt, wird abhängig von Entscheidungen, die von seinen Mitarbeitern vorbereitet werden. Er kann immer weniger seine Entscheidungsgrundlagen selbst erarbeiten.

Welche Rolle haben Ihre Familie, Ihre Freunde bei der Karriereplanung gespielt?
Meine Familie hatte schon einen entscheidenden Einfluss. Denn ohne ihren Rückhalt und vor allem den meiner Frau wäre es nicht möglich gewesen, einen solchen Weg zu gehen. Man opfert ja auch sehr viel Freizeit für den Berufserfolg.

Wie viel Zeit verbringen Sie denn on the job?
Zwischen 50 und 60 Wochenstunden.

Und wo?
Vornehmlich in der Schweiz, wobei ich auch regelmäßig in Deutschland bin. Viel Zeit wende ich außerdem für Reisen zu unseren zahlreichen ausländischen Standorten auf.

Bleibt da überhaupt Zeit für die Familie?
Meine Kinder sind acht und zwölf Jahre alt. Und ich habe es fast immer geschafft, das Wochenende für die Familie zu reservieren. Wir wohnen in einem kleinen Dorf in der Schweiz, dort können wir wandern und segeln, im Winter Ski fahren.

Haben Sie auch ein Hobby?
Ja, die Astronomie.

Was geben Ihnen die Sterne für Ihren Beruf?
Sie sind ein schöner Gegensatz zu meiner beruflichen Tätigkeit. Die Beschäftigung mit fernen Galaxien zeigt mir immer wieder, wie winzig doch letztlich unsere alltäglichen Probleme auf der Erde sind.

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