Tognum in Friedrichshafen schafft den Spagat. Das Unternehmen steht für Ingenieurskunst aus Deutschland und setzt zudem auf Internationalität. Matthias Jobmann ist als Leiter Human Resources, Organisation und Interne Dienste für das Zusammenspiel der Mitarbeiter verantwortlich. Wie wichtig Veränderungen sind und was für Eigenarten ein Arbeitsleben am Bodensee hat, erzählte er im Interview. Das Gespräch führte André Boße.
Zur Person
Matthias Jobmann, geboren 1955 in Hamburg, schloss Mitte der Achtzigerjahre das Jurastudium ab und arbeitete zunächst zwei Jahre lang in einer Anwaltskanzlei in Bad Homburg. 1987 wechselte er in die Industrie und wurde Leiter der Personalabteilung des Pharmazieunternehmens Boehringer Ingelheim. Weitere Stationen seiner Karriere als Personalmanager waren die Eurocard-Zentrale Deutschland, PricewaterhouseCoopers, die Eon-Tochter Viterra und Siemens.
Nach vielen Jahren im Rhein-Main-Gebiet wechselte Matthias Jobmann im Mai 2008 an den Bodensee. Dort ist er Leiter Human Resources, Organisation und Interne Dienste der Tognum-Gruppe in Friedrichshafen – und geht in seiner Freizeit seinen sportlichen Hobbys Tennis und Golf nach.
Herr Jobmann, auf was muss sich ein junger Ingenieur einstellen, der in einer großen Stadt studiert hat und sich nun bei Ihnen am Bodensee bewirbt?
Der Bodensee ist ein riesiges Urlaubsgebiet. Hier ist zwar keine Großstadt in der Nähe, dafür lassen sich hier die Vorteile des Dreiländerecks genießen: Shoppen in der Schweiz, Skifahren in Österreich, Segeln vor Lindau. Zudem ist das Angebot an Freizeit- und Sportmöglichkeiten enorm, was diese Region für aktive Menschen und junge Familien besonders attraktiv macht. Und eines fällt uns immer wieder auf: Wenn die Leute erst einmal hier sind, dann wollen sie gar nicht mehr weg. Man verliebt sich sehr schnell in diese Gegend, und ganz genauso erging es mir übrigens auch.
Trotz dieser Vorteile: Ist es für Sie schwierig, junge und hochqualifizierte Ingenieure nach Friedrichshafen zu locken?
Nein. Vor allem nicht, wenn man unsere Vorzüge als Arbeitgeber und die Vorteile dieser Region kommuniziert. Das tun wir, zum Beispiel über Imagefilme auf unserer Homepage. Auch sollten bei beruflichen Entscheidungen andere Kriterien als der Unternehmenssitz eine Rolle spielen. Zum Beispiel herausfordernde Aufgaben oder die Entwicklungsmöglichkeiten, die ein Unternehmen bietet. Und da punkten wir sicher.
Gibt es Vorteile dieser Region, die auch das Arbeitsleben positiv beeinflussen?
Was hier fehlt, ist die Hektik der großen Städte und Ballungsräume. Stattdessen sind Sie nach Feierabend direkt in der Natur, wo Sie Kraft tanken und sich erholen können. Und wer sich in der Mittagspause einmal für zehn Minuten an den Bodensee gesetzt hat, spürt sofort, wie förderlich eine solche Auszeit für die Work-Life-Balance ist.
Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere als Personaler zurückdenken, wie hat sich Ihr Jobprofil in den Jahren verändert?
Von Haus aus bin ich Jurist. Wie sicher viele junge Menschen bin ich mit der Wahl des Studienfachs zunächst dem Wunsch meines Vaters gefolgt. Ich hatte damals die Vorstellung, den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, habe aber schnell festgestellt, dass das so einfach nicht funktioniert. Mehr oder weniger durch Zufall bin ich dann Personaler geworden. Das bin ich auf dem Papier bis heute, aber der Job hat sich gewandelt. Ich sehe mich heute als Allrounder. Ich bin neben der klassischen Personalarbeit international für alle Themen der Tognum-Gruppe im Hinblick auf Organisationsentwicklung, Facility- und Infrastrukturmanagement wie Fuhrpark, Gastronomie und Umweltschutz bis zum Gesundheitsmanagement verantwortlich. Dabei sehe ich mich als Manager, der die Türen öffnet und der organisiert – und das hat nicht mehr viel zu tun mit dem üblichen Bild eines reinen Personalers.
Sprich: Sie sind immer dann gefragt, wenn es um die Menschen im Unternehmen geht.
Um Menschen und um Veränderungen. Dieses Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren sehr gewandelt. Es war für viele Jahre ein mittelständisches Unternehmen, dann eine Tochtergesellschaft von Daimler und jetzt eine Aktiengesellschaft, die sich seit einiger Zeit rasch weiterentwickelt – und zwar auch international. Meine Aufgabe ist es, in einer übergreifenden Funktion dieses notwendige Change Management vorausschauend mitzusteuern.
Wie schwer ist es, in einem Unternehmen mit langer Tradition Veränderungen voranzutreiben?
Eines ist klar: Veränderungen setzt man nicht mal so eben um. Manche Menschen haben Einstellungen, die dem Wandel eher hinderlich sind. Und die Historie eines Unternehmens fördert einige dieser Einstellungen. Unsere größte Tochtergesellschaft, die MTU Friedrichshafen, wurde im vergangenen Jahr 100. Doch seit knapp drei Jahren sind wir an der Börse und entwickeln uns international immer weiter. Und um das erfolgreich hinzubekommen, müssen sich Menschen, Strukturen und Prozesse ändern. Man kann diesen Wandel aber nicht anordnen, er muss sich entwickeln, und dafür benötigt man viel Geduld und eine Menge überzeugender Argumente. Das ist eine echte Herausforderung. Aber vor allem eine sehr spannende Aufgabe, für die man Zeit braucht.
Welche Vorteile genießt ein junger Ingenieur, der bei Ihnen seine Karriere startet?
Erstens haben wir hier in Friedrichshafen das wichtigste Entwicklungszentrum für Motoren und Antriebssysteme. Wobei es niemanden gibt, mit dem wir uns absprechen müssen: Was entwickelt wird, was umsetzungsfähig ist und was letztlich produziert wird, entscheiden wir selbst. Zweitens sind die Führungsstrukturen dieses Hauses extrem flach. Der Vorstand ist sehr nah dran am Geschäft, sodass man nicht das Gefühl hat, die Spitze sei so weit oben, dass man fünf Jahre braucht, um eine Idee an den Mann zu bringen. Entscheidungen werden bei uns schnell getroffen – und dann wird auch sofort Gas gegeben. Es gibt hier eine Open-Door-Policy, die wirklich gelebt wird.
Sie haben die Internationalität des Unternehmens bereits erwähnt. Profitieren die Ingenieure davon?
Ja, denn bei uns zeigt sich: Man muss nicht zwingend im Ausland leben, um international zu arbeiten. Das funktioniert auch in international besetzten Teams, wie sie bei uns alltäglich sind. Wir haben zudem seit zwei Jahren ein internationales Traineeprogramm. Die Trainees erhalten eine Festanstellung und verbringen im Lauf des Programms garantiert sechs Monate im Ausland. Und wir versuchen auch, berufserfahrene Ingenieure aus unseren ausländischen Tochtergesellschaften für eine Zeit nach Friedrichshafen zu bekommen.
Was können denn junge deutsche Ingenieure von ihren Kollegen in anderen Ländern lernen?
Den Umgang mit anderen Kulturen. Ein junger deutscher Ingenieur muss wissen, dass die Qualitätsmarke „Made in Germany“ noch immer besteht, aber nicht alles Gute ausschließlich aus Deutschland kommt. So eine Form von Arroganz bringt ihn nicht weiter, denn internationale Kollegen sind genauso clever und kreativ, gerade was die Methodik betrifft. Besonders die Asiaten haben Methoden zur Lösung von Problemen entwickelt, die in meinen Augen der traditionellen Herangehensweise voraus sind. Das Geheimnis ist, die Pluspunkte aus den verschiedenen Ansätzen zusammenzuzählen und daraus einen eigenen Weg zu entwickeln. Und das kann nur gelingen, wenn man Projekte länderübergreifend angeht und Teams bildet, die international besetzt sind und in denen man sich auf gleicher Ebene intensiv und auch interdisziplinär austauscht.
Ein Ingenieur ist heute also zwingend ein Teamplayer.
Gemeinsam mit anderen arbeiten zu können, ist eine entscheidende Voraussetzung für eine gute Karriere, ja. Dafür muss er neben der fachlichen Qualifikation über seine Bereiche hinaus kommunizieren können. Er muss Verständnis aufbringen und Dinge vermitteln können. Und er muss kreativ sein. Solche Menschen suchen wir, und wir freuen uns, wenn sie uns finden.
Womit darf ein junger Ingenieur rechnen, der bei Tognum Karriere machen möchte?
Er hat von Anfang an einen großen Gestaltungsspielraum. Mit allen Chancen und Risiken. Hinzu kommt, dass man als Ingenieur in diesem Unternehmen Teil des Ganzen ist. Die Verzahnung und Vernetzung der Ingenieure – wie aller Mitarbeiter – untereinander ist sehr intensiv. Das Netzwerk ist so dicht, dass an jedem Arbeitstag deutlich wird, dass man tatsächlich am Erfolg des Unternehmens mitwirkt und letztlich auch beteiligt ist.
Zum Abschluss, wie beurteilen Sie den Arbeitsmarkt für Ingenieure in der näheren Zukunft?
Weiterhin sehr gut. Ich glaube nicht, dass der Bedarf an qualifizierten Ingenieuren nachlassen wird. Unabhängig von der Krise sind die großen Unternehmen weiterhin sehr daran interessiert, guten Nachwuchs an Bord zu holen. In den nächsten drei, vier Jahren wird diese Nachfrage nicht sinken. Im Gegenteil, ich gehe davon aus, dass der Bedarf steigen wird, weil es ausgezeichnete Wachstumschancen zum Beispiel im Bereich der Erneuerbaren Energien im weiteren Sinne gibt. Im weiteren Sinne, weil sich aus diesem Thema heraus neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln werden, die noch lange nicht erschlossen sind.
Zum Unternehmen
Der Name Tognum ist vielen noch nicht geläufig, die Abkürzung MTU jedoch schon. Die Motor- und Turbinen-Union Friedrichshafen am Bodensee ist ein Inbegriff für das deutsche Ingenieurwesen. Das Unternehmen entstand aus einem Zusammenschluss der Motorenbaufirmen von Mercedes Benz und Maybach, deren Geschichte bis ins Jahr 1909 zurückreicht. 1995 wurde die GmbH zu einer direkten Tochter von Daimler-Benz. 2006 verkaufte Daimler die MTU Friedrichshafen an einen schwedischen Investor.
Das Geschäft ging über in die Tognum GmbH, deren Kernunternehmen nunmehr die MTU Friedrichshafen war. Der Name Tognum leitet sich aus dem Germanischen „tog“ für „kraftvoll ziehen“ ab. 2007 folgte die Umwandlung der GmbH in die Tognum AG, die nun unabhängig agiert.
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