Als Manfred Volk 1979 sein erstes Wasserkraftwerk konstruierte, war er noch Student. Heute gehört seine Wasserkraft Volk AG zu den internationalen Playern der Branche und baut Kraftwerke für Kunden in mehr als 40 Ländern. Im Interview erzählt Manfred Volk seine Unternehmensphilosophie und verrät, welches Basiswissen Ingenieure in seinen Augen mitbringen müssen. Die Fragen stellte André Boße.
Ihr Unternehmen begann 1979 als kleine „Garagenfirma“ im Schwarzwald. Sie waren seinerzeit noch Student. Hatten Sie schon damals den Gründertraum, dass das Unternehmen so stark wachsen und zu einem internationalen Player werden wird?
Es war schon in den Siebzigerjahren klar, dass fossile Brennstoffe endlich sind und die Atomkraft ein enormes Risiko mit einem nicht absehbaren Entsorgungsproblem birgt. Von daher war die positive Zukunft der regenerativen Energien insgesamt – und der Wasserkraft speziell – vorgezeichnet. Dass unser Unternehmen derart erfolgreich werden würde, hat meine Erwartungen aber dennoch übertroffen.
Können Sie sich noch an den Moment erinnern, an dem Sie der „Faszination Wasserkraft“ erlegen sind?
Ja, in Simonswald, einer Kleinstadt im Südschwarzwald, gab es ein ganzes Stadtviertel, das sich mit Wasserkraft versorgt hat. Dass das funktionierte, gab mir letztlich den Impact.
Sie haben früher als Lehrer im Schuldienst gearbeitet. Sehen Sie es als Ihre Aufgabe an, mit Ihrem Unternehmen nicht nur Gewinne zu erzielen, sondern den Menschen auch etwas beizubringen – in diesem Fall die Möglichkeiten der Energiequelle Wasser?
Selbstverständlich! Ich habe bereits in frühen Jahren des Unternehmens Wert darauf gelegt, dass wir jungen Menschen einen qualifizierten Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen. Entsprechend haben wir eine Ausbildungsquote von rund zehn Prozent. Was das Umweltbewusstsein betrifft, versuchen wir, durch Führungen und Öffentlichkeitsarbeit die Vorteile der Wasserkraft zu erklären.
Funktioniert das?
Bei den Bürgern gelingt uns das sehr gut, bei den Politikern wünsche ich mir mehr Offenheit – und vor allen Dingen weniger Reden, sondern mehr Taten.
Ihr Unternehmen steht für Innovation – doch Innovation benötigt kluge Köpfe. Wie gelingt es Ihnen, bei Ihren Mitarbeitern das innovative Denken in Gang zu setzen?
Wir haben flache Hierarchien, das hält den internen Meinungs- und Erfahrungsaustausch aufrecht. Eine Besonderheit bei uns ist, dass nahezu alle Mitarbeiter einen Auftrag von Beginn bis zur Auslieferung begleiten. Hierdurch schaffen wir eine hohe Identifikation mit dem Produkt. Die Mitarbeiter kennen die Schnittstellen und sind so in der Lage, immer einen Schritt weiter zu denken. Darüber hinaus analysieren wir laufend die Märkte und sind auch mit Universitäten in regem Kontakt.
Die Ingenieurbranche beklagt einen Mangel an Fachkräften. Fällt es auch Ihnen schwer, für Ihr Unternehmen junge qualifizierte Ingenieure zu finden?
Sicherlich ist es für mittelständische Unternehmen immer schwieriger, qualifizierten Nachwuchs zu finden. Viele Uni-Absolventen streben in die großen Konzerne, weil dort die Einstiegsgehälter in der Regel höher sind. Dabei übersehen sie den Aspekt, dass mittelständische Unternehmen in der Regel einen breiteren und tieferen Einblick geben können als Großunternehmen mit einer Vielzahl von Abteilungen. Ich halte dies gerade zum Berufseinstieg für extrem wichtig. Wir nutzen diese Einarbeitungsphase zum Beispiel auch dazu, um unseren neuen Mitarbeitern die Firmenphilosophie zu vermitteln
Was sind denn die wichtigsten Einstiegsvoraussetzungen bei Wasserkraft Volk? Gibt es darunter notwendige Qualifikationen, die viele Hochschulabsolventen zunächst einmal gar nicht auf der Agenda haben?
Ein solides Grundwissen sowie ein großes praktisches Verständnis sind für uns wichtige Eigenschaften. Wir möchten weder Theoretiker noch die berühmten „Fachidioten“ einstellen. Uns sind Ingenieure wichtig, die konstruieren können und in der Lage sind, eine Montage – zum Beispiel in einem Schwellen- und Entwicklungsland – in einem kleinen Team erfolgreich durchzuführen. Dazu gehört, auch selbst Hand anzulegen. Die meisten Uni- Absolventen glauben, dass sie mit dem Diplom alles wissen, doch das Gegenteil ist der Fall. Es dauert mindestens eineinhalb bis zwei Jahre, bis bei uns die Ingenieure in der Lage sind, relativ selbstständig Projekte zu betreuen. Dass dies eine gewisse Zeit dauert, unterschätzen viele Neueinsteiger.
Sie sprachen gerade vom soliden Grundwissen als Voraussetzung. Beobachten Sie da bei jungen Ingenieuren Defizite?
Das Basiswissen geht heute durch einen zum Teil irrsinnigen Einsatz von Computern verloren. Daher ist es wichtig, dass ein Ingenieur Dinge abschätzen und prüfen kann – und dies geht mit den alten Handformeln wesentlich schneller und effektiver. Zudem sollte er Skizzen und Zeichnungen von Hand erstellen können. Dies ist für eine erste Auslegung nach wie vor die beste Methode. Leider wird diese Fähigkeit an der Universität heutzutage total vernachlässigt und meist sogar belächelt.
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Welche konkreten Vorteile erleben junge und topausgebildete Ingenieure, die ihre Karriere bei Ihrem Unternehmen beginnen – und nicht in einem großen Konzern?
Wir vermitteln systematisch ein tiefgreifendes Wissen und Know-how für die komplette Anlagentechnik. In den Konzernen beschäftigen sich die Mitarbeiter in der Regel mit einem kleinen Ausschnitt. Was in der nächsten Abteilung geschieht, kann man meist nur erahnen. Bei uns ist dies genau umgekehrt. Unsere Ingenieure lernen das Projekt bereits kennen, wenn wir die ersten Rohdaten erfahren, und sie begleiten es so lange, bis die Anlage schließlich ausgeliefert wird. Das ist eine Besonderheit, die unsere Mitarbeiter sehr schätzen.
Wie wichtig ist für Ihr Unternehmen die regionale Verankerung im Schwarzwald?
Für uns ist diese Verankerung sehr wichtig. Wir sind stolz darauf, Produkte „Made in Germany“ zu bauen und dies in einer der schönsten Regionen Deutschlands zu tun – eine Region übrigens, in der die Wasserkraft eine lange Tradition besitzt.
Wobei ja schon interessant ist, dass viele Unternehmen, die erfolgreich auf Erneuerbare Energien setzen, im Südwesten der Republik ansässig sind. Gibt es – neben der Schönheit der Landschaft – einen Grund für diese Konzentration?
Ich kann mir vorstellen, dass dies mit dem geplanten Bau des Kernkraftwerkes in Wyhl am Kaiserstuhl Mitte der Siebzigerjahre zusammenhängt. Damals hatte sich eine breite Bürgerbewegung gegen die Atomkraft formiert – und viele, die heute ein Unternehmen leiten, gehörten damals zu den Demonstranten. Das prägt bis heute. Hinzu kommt, dass wir vielleicht auch ein wenig sturer sind in unseren Plänen, Dinge gegen den politischen Mainstream durchzusetzen.
Ihr Unternehmen bekommt viele Aufträge aus dem Ausland, aus Ländern wie Chile oder Ost-Timor. Was bieten Sie Ihren internationalen Kunden, was andere Unternehmen aus der Branche nicht bieten?
Zwei Dinge: Qualität „Made in Germany“ sowie das Know-how für „Waterto-Wire“. Wir fertigen mit hoher Qualität und gewährleisten unseren Kunden damit einen störungsfreien und langlebigen Betrieb ihrer Anlage. Dies spricht sich herum. Darüber hinaus fertigen wir vier der fünf Turbinentypen. Das heißt, dass unsere Kunden eine technisch optimal ausgelegte Anlage für ihren Standort bekommen. Weltweit sind wir seit Ende letzten Jahres der einzige Lieferant, der Turbinen, Generatoren sowie Steuer- und Reglertechnik aus einem Haus liefern kann.
Angenommen, Sie haben die Möglichkeit, einen ganzen Tag lang mit jungen Ingenieurabsolventen zu verbringen, die kurz vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen. Was würden Sie mit der Gruppe unternehmen, um dem Nachwuchs Ihre Ingenieurphilosophie näherzubringen?
Ich würde mit ihnen von morgens bis abends hart arbeiten, denn harte Arbeit ist die Grundlage für den beruflichen Erfolg – und zwar sowohl in der Werkstatt als auch im Büro. Nach getaner Arbeit würde ich bei einem guten Glas Wein den Arbeitstag reflektieren und überlegen, wie das Gute besser zu machen ist.
Zum Unternehmen
Das Unternehmen Wasserkraft Volk (WKV) mit Sitz in Gutach im Schwarzwald zählt zu den weltweit führenden Herstellern von kleinen und mittleren Wasserkraftanlagen. Die Firmengeschichte begann 1979 in einer Scheune auf dem Gernhansenhof in Simonswald (Südschwarzwald), wo Manfred Volk noch als Naturwissenschaftsstudent mit dem Bau einer eigenen Wasserturbine begann, um seinen Hof in nachhaltiger Eigenleistung mit Elektrizität zu versorgen. Volk ging nach seinem Studium als Physik- und Chemielehrer in den Schuldienst, doch die Nachfrage nach den von ihm und seinem kleinen Team gebauten Turbinen stieg kontinuierlich. Als die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die Firma 1985 mit dem Bau einer Wasserkraftanlage in Peru beauftragte, beendete Volk 1986 seine Beamtenlaufbahn und widmete sich endgültig seinem Unternehmen. Dafür gründete er zunächst eine GmbH, elf Jahre später wurde das Unternehmen 1997 schließlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, deren Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Volk heute ist. Volk gab seinem Unternehmen mit heute mehr als 100 Mitarbeitern den Leitspruch: „Die Welt und ihre Ressourcen haben wir von unseren Kindern nur geliehen.“
In der mehr als 30-jährigen Unternehmenstätigkeit konstruierte Wasserkraft Volk (WKV) mehrere hundert kleine und mittelgroße Wasserkraftwerke, die in mehr als 40 Ländern in Europa, Süd- und Mittelamerika, Afrika sowie Asien Erneuerbare Energie erzeugen. Dabei übernimmt das Unternehmen die komplette Planung und Herstellung der Wasserkraftwerke und zählt zu den weltweit wenigen Spezialunternehmen, die über das Know-how verfügen, vier der fünf Turbinentypen (Pelton-, Turgo-, Francis- sowie Durchström-Turbine) produzieren zu können. Im Mai 2010 weihte WKV die sogenannte Energiefabrik ein, ein neues Produktionswerk für Spezialgeneratoren auf rund 4000 Quadratmetern.