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Interview mit Dr. Johannes F. Lambertz

Dr. Johannes F. Lambertz hält seit Februar 2008 das Ruder eines der größten europäischen Stromerzeuger in Händen. Im karriereführer spricht er über die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland sowie den Ausstieg aus der Kernenergie, gibt Tipps für die Karriere und zeigt Chancen für den Berufseinstieg in seinem Unternehmen auf. Die Fragen stellte Arne Olerth.

Zur Person

Dr. Johannes F. Lambertz wurde 1949 in Kerpen (Rheinland) geboren. An seine Maschinenschlosserlehre und Tätigkeit als Konstrukteur schloss er ein Diplomstudium der Kernverfahrenstechnik an der Fachhochschule Aachen an. Darauf sattelte er ein Maschinenbaustudium mit dem Schwerpunkt Kraftwerkstechnik an der RWTH Aachen auf. An der gleichen Hochschule arbeitete er sechs Jahre als Assistent am Institut für Turbomaschinen und promovierte.

1981 nahm Lambertz ein Beschäftigungsverhältnis bei der Rheinbraun AG, einer hundertprozentigen Tochter der RWE AG, auf. Er war mit Forschungs- und Entwicklungsaufgaben betraut.

1997 wurde Lambertz Direktor der Kohleveredelung und Fabriken, 2000 Spartenleiter der Kraftwerke der RWE Rheinbraun AG und 2002 Mitglied des Vorstands der RWE Rheinbraun AG.

2003 wurde die RWE-Holding umstrukturiert und Lambertz Vorstandsmitglied der neu geschaffenen RWE Power AG. Seit Februar 2008 ist er der Vorstandsvorsitzende der RWE Power AG.

Herr Dr. Lambertz, Sie haben nach Ihrer Maschinenschlosserlehre ein Diplomstudium der Verfahrenstechnik und ein Diplomstudium des Maschinenbaus erfolgreich abgeschlossen. Inwieweit profitieren Sie heute als Vorstandsvorsitzender des größten deutschen Stromerzeugers von dieser breiten technischen Ausbildung?
RWE Power ist ein technikgetriebenes Unternehmen, und deshalb ist auch in meiner heutigen Funktion ein fundierter Hintergrund überaus hilfreich. Wichtig ist, dass man bei allem theoretischen Wissen, das die Universität vermittelt, auch ein Gefühl für die Praxis behält. Zudem: Technik war für mich immer mehr als eine Pflichtübung – ich habe mich in meinem gesamten Berufsleben mit Sachverhalten, die die Funktionsweise unserer Anlagen und Innovationen betreffen, intensiv auseinandergesetzt.

Laut Spiegel Online rechnet RWE mit einer Kapazitätslücke von mindestens 30 Gigawatt ab dem Jahr 2015. Wie wollen Sie die Lücke schließen?
Bereits in den nächsten Jahren müssen in Deutschland und in Europa Kraftwerkskapazitäten in erheblichem Umfang ersetzt werden. In Europa muss angesichts des steigenden Strombedarfs, insbesondere in Osteuropa, sogar zugebaut werden. Wir in Deutschland sollten dabei auch künftig auf einen breiten Energiemix setzen. Konkret: Neben dem notwendigen Ausbau der regenerativen Energien, den wir bei RWE vorantreiben, müssen auch die fossilen Energieträger und die Kernenergie einen festen Platz in diesem Mix haben. Nur so können wir die Zielsetzung Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit auch künftig erreichen. RWE will hierzu einen wichtigen Beitrag leisten: Bis 2012 werden wir allein in Deutschland rund fünf Milliarden Euro für neue Kraftwerke investieren.

Der Energiemix von RWE Power enthält einen Kernenergieanteil von rund 25 Prozent. Welche Auswirkungen hätte ein Ausstieg auf den Klimaschutz?
Wir halten den Ausstieg aus der Kernenergie insbesondere vor dem Hintergrund der CO2-Einsparung für falsch. Mit dieser Meinung stehen wir nicht alleine. In einer aktuellen Umfrage haben sich 49 Prozent der Bevölkerung für eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke ausgesprochen, nur 44 Prozent lehnen sie ab. Auch das EU-Parlament hält die Kernenergie für einen unverzichtbaren Bestandteil einer kosteneffizienten Klimaschutz- und Energieversorgungsstrategie. Ich hoffe, dass diese guten Argumente hierzulande zu einem Umdenken in der Politik führen. Durch die Nutzung der Kernenergie in Deutschland werden jedes Jahr 150 Millionen Tonnen CO2 vermieden. Das entspricht den Emissionen des gesamten Straßenverkehrs in unserem Land.

2010 will RWE Power ein neues BoA-Kraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 43 Prozent in Betrieb nehmen. Welche Maßnahmen haben Sie noch im Visier, um diesen Energieträger zukunftsfähig zu machen?
Die BoA-Doppelblockanlage, die wir in Neurath errichten, wird das modernste Braunkohlenkraftwerk der Welt. Mit einem Wirkungsgrad von über 43 Prozent spart die 2100 MW-Anlage jährlich rund sechs Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zu Altanlagen ein. Doch wir bleiben bei diesem Stand der Technik nicht stehen. Durch die Vortrocknung der Braunkohle, die wir in einer von uns entwickelten Wirbelschichttrocknungsanlage erproben wollen, werden wir den Wirkungsgrad um weitere vier Prozentpunkte steigern. Das heißt, für die gleiche produzierte Strommenge brauchen wir deutlich weniger Kohle als bisher. Zudem arbeiten unsere Ingenieure daran, das CO2 im Kraftwerksprozess abzutrennen und langfristig zu speichern, damit es nicht mehr in die Atmosphäre abgegeben wird. Mit dem sogenannten IGCC-Verfahren und der CO2-Wäsche können bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen bei der Kohleverstromung vermieden werden. Um sie zur Marktreife zu bringen, wollen wir über eine Milliarde Euro investieren. Allerdings muss die Politik einen sicheren Rechtsrahmen für den Transport und die Speicherung von CO2 schaffen sowie gemeinsam mit uns für die Akzeptanz dieser Technik in der Bevölkerung sorgen.

Welchen Stellenwert haben technische Innovationen für die Zukunft Ihres Unternehmens?
Alle Innovationen, die zur Erhöhung der Effizienz und zur Entlastung des Klimas beitragen, haben eine immense Bedeutung. Unser Fokus in der Stromerzeugung liegt dabei zum einen auf Technologien zur CO2-Vermeidung und -Speicherung. Zum anderen spielen Themen wie neue Speichermöglichkeiten eine wichtige Rolle. Mit General Electric haben wir gerade eine Vereinbarung unterzeichnet, um gemeinsam ein Druckluftspeicherkraftwerk auf den Weg zu bringen.

In welchen Bereichen will RWE Power sein Wachstum intensivieren?
Die Energieversorgung wird zunehmend ein europäisches Thema. Dementsprechend haben wir unsere Aktivitäten ausgerichtet, wenngleich unser Kernmarkt Deutschland bleibt. Dabei lassen wir keinen Energieträger aus: So wollen wir uns am Bau neuer Kernkraftwerke, zum Beispiel in Rumänien oder Bulgarien beteiligen. Und in den Niederlanden ist die Errichtung eines neuen Kohlenkraftwerks geplant.

Wie definieren Sie Karriere?
Etwas bewegen, etwas vorantreiben – das war stets meine berufliche Triebfeder. Wer dabei klare Zielvorstellungen hat, nie aufhört, sich selbst zu entwickeln, und sich selbst dabei treu bleibt, der wird seinen Weg machen. Bei RWE gibt es hierfür derzeit zahlreiche Möglichkeiten: Für die Bereiche Kraftwerksneubau und -optimierung sowie die Schwerpunkte Klimaschutz und regenerative Energien suchen wir Diplom-Ingenieure und Diplom-Wirtschaftsingenieure aus allen Fachbereichen. Informationen hierzu gibt es im Internet.

Hatten Sie schon zu Studienzeiten das Ziel, in einer höheren Managementfunktion tätig zu sein?
Berufliche Karrieren verlaufen nur in den seltensten Fällen so geradeaus wie eine Autobahn. Natürlich hatte ich schon während des Studiums gewisse Vorstellungen, wo und wie ich mich einbringen will. Um davon eine Menge umzusetzen, benötigt es aber neben allem Ehrgeiz, Können und Engagement auch Glück. Nämlich das Glück, zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein.

Würden Sie sich als zielstrebig bezeichnen?
In der Tat, Zielstrebigkeit ist sicherlich eine der wichtigsten Eigenschaften, um erfolgreich zu sein. Zielstrebig sollte aber nicht bedeuten, nur seinen persönlichen Vorteil im Auge zu haben. Vielmehr muss es darum gehen, inhaltliche Ziele zu erarbeiten und diese dann zu verfolgen. Von den Erfolgen, die sich dann einstellen, profitieren beide Seiten: das Unternehmen und der Einzelne persönlich.

Welche Eigenschaften muss ein Hochschulabgänger mitbringen, um in höchste Managementpositionen aufzusteigen?
Es ist besonders wichtig, seine Neugierde auf Neues nie zu verlieren. Außerdem sollte man sich nicht ausschließlich auf sein Fachgebiet konzentrieren. Mein Rat: sich möglichst breit aufstellen, dabei auch gesellschaftliche und politische Entwicklungen nie aus den Augen verlieren.

Ist die Bereitschaft zur räumlichen Flexibilität Voraussetzung für eine gute Karriere?
Es wird in Zukunft die Ausnahme bleiben, ausschließlich an einem Ort, in einem Unternehmen tätig zu sein. Flexibilität – und nicht nur räumliche – hat deshalb vor allem für Führungskräfte einen hohen Stellenwert. Das ist aber nicht per se etwas Negatives: Ein Neuanfang in einer fremden Umgebung mit veränderten Aufgaben ist eine besondere Herausforderung, an der man persönlich wachsen kann.

Welchen Stellenwert hat Auslandserfahrung für die Karriere?
Die Welt wächst zusammen, Märkte rücken enger aneinander. Da wird es künftig noch wichtiger sein, andere Kulturen oder Gesellschaftsformen zu kennen. Wer die Chance hat, sich frühzeitig durch Auslandsaufenthalte – sei es in der Schul- , der Studien- oder den ersten Jahren der Berufszeit – Erfahrung und Wissen anzueignen, der sollte diese auf jeden Fall nutzen. Das ist im gesamten Berufsleben von Vorteil.

Zum Unternehmen

Die RWE Power AG ist die Erzeugungsgesellschaft im RWE-Konzern, dem größten deutschen Energieversorger. Sie produziert Strom und Wärme und fördert Kohle. Im Bereich der Stromerzeugung gehört das Unternehmen zu den größten in Europa. 18 Prozent des erzeugten Stroms stammen aus der Kernenergie. RWE Power besitzt vier Atomkraftwerke in Deutschland, wovon eins momentan zurückgebaut wird. Den Löwenanteil am Strommix trägt die Braunkohle mit 42 Prozent. RWE Power ist mit rund 100 Millionen Tonnen Förderleistung aus den Tagebauen Garzweiler, Hambach und Inden der weltgrößte Braunkohleproduzent. Der Steinkohleanteil am Strommix liegt bei 31 Prozent, der Rest stammt aus erneuerbaren Energien, Erdgas, Pumpwasser, Öl und Sonstigem. Mehr als 18.000 Mitarbeiter sind bei RWE Power angestellt. Sie erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2007 einen Außenumsatz von rund 6,6 Milliarden Euro.

Der tagebaubetreibende Teil des Unternehmens war vormalig ein eigenständiges Unternehmen, die Rheinische AG für Braunkohlebergbau und Brikettfabrikation, ehemals Gewerkschaft Fortuna Köln. Dieses wurde 1932 von der RWE AG übernommen und im Laufe der Jahre unter wechselnden Unternehmensnamen (Rheinbraun AG, RWE Rheinbraun AG) als hundertprozentige Tochter im RWE-Konzern geführt. Im Zuge einer Umstrukturierung der RWE-Holding 2003 wurden die beiden stromerzeugenden Gesellschaften RWE Rheinbraun AG und RWE Power AG zusammengefasst. Sie werden seither unter dem Namen RWE Power AG geführt. Die Unternehmenssitze sind Köln und Essen.

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