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Interview mit Jochen Kienbaum

Zur Person

Jochen Kienbaum ist seit 1986 Vorsitzender der Geschäftsführung der Kienbaum Consultants International GmbH. Außerdem ist er Geschäftsführer der Kienbaum Executive Consultants GmbH. Seinen beruflichen Werdegang begann Jochen Kienbaum mit einer Banklehre, anschließend studierte er an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftswissenschaften.

Welche Eigenschaften und Fertigkeiten bringen heutige „Young Professionals“ mit, die ihren Vorgängern vor 40 Jahren fehlten?
Die heutigen Young Professionals zeichnen sich im Vergleich zu ihren Vorgängern durch ein wesentlich höheres Maß an interkultureller Kompetenz aus. Heutige Hochschulabsolventen wissen um den Stellenwert einer internationalen Ausbildung sowie fundierter Fremdsprachenkenntnisse und setzen verstärkt auf Auslandserfahrungen in Form von Praktika und Auslandssemestern. Übrigens völlig zu recht: Im Zuge der Globalisierung wird eine internationale Ausbildung immer wichtiger. Unsere aktuelle High Potential Studie zeigt, dass Unternehmen bei der Bewerberauswahl dem Kriterium Auslandserfahrung während des Studiums oberste Priorität beimessen. Generell gewichten Unternehmen Soft Skills stärker und anders als vor 40 Jahren. Dominierte damals in vielen Unternehmen ein autoritärer Führungsstil mit stark ausgeprägten hierarchischen Strukturen, so pflegt der Großteil der Unternehmen heute einen offenen Führungsstil mit flachen Hierarchien. In der Folge gewinnen Soft Skills wie Teamorientierung, Lernbereitschaft, Eigenmotivation sowie selbstbewusstes und tolerantes Auftreten an Bedeutung.

Und welche fehlen ihnen, im Vergleich zu ihren Vorgängern?
Als häufigstes Defizit stellen wir bei High Potential-Kandidaten gegenwärtig eine mangelhafte Fähigkeit zur Selbstkritik, fehlende Konfliktfähigkeit und Selbstüberschätzung fest – kurzum ein schlechtes Sozialverhalten. Dies spiegelt sich auch in übersteigerten Ansprüchen, zum Beispiel in puncto Vergütung, wider. Der Spielraum beim Fix-Gehalt ist gerade bei Einsteigern heute nicht mehr so groß wie noch vor einigen Jahren. Unternehmen setzen immer mehr auf eine Variabilisierung des Gehaltes. Das heißt auch: Wer bereit ist, ein höheres Risiko einzugehen, sich auf seine Fähigkeiten verlässt und konkrete Leistungsziele als Parameter für die Höhe seines Gehaltes akzeptiert, kann überdurchschnittlich verdienen.

Woran sollten sie arbeiten, um diese Mängel zu beheben?
Die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen kommt an vielen deutschen Universitäten leider immer noch zu kurz. Die Konzentration auf fachliche Lerninhalte geht auf Kosten der Social Skills, die zumeist – wenn überhaupt – erst am Ende des Studiums „abgehandelt“ werden. Studenten, die sich bereits während des Studiums beispielsweise mit Kommunikations- und Moderationstechniken, mit Teamverhalten oder praxisorientierten Fallstudien beschäftigen, haben am Ende ihres Studiums klare Vorteile. Ergänzend bieten betriebliche Praktika und studentische Nebentätigkeiten Möglichkeiten, die nachgefragten Persönlichkeitsmerkmale zu stärken und entsprechende Fertigkeiten zu üben. Das Erkennen und Analysieren des eigenen Verhaltens sowie die Aufnahme von Signalen anderer, Selbstreflexion, soziale Wahrnehmung und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel gehören zu den sinnvollsten Personalentwicklungsmaßnahmen beziehungsweise Trainingsinhalten für Young Professionals.

Steigen die Chancen von „Young Professionals“ in der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage durch die Zögerlichkeit der „Old Professionals“, den Arbeitsplatz zu wechseln – oder sinken sie?
Generell können wir eine Entspannung des Arbeitsmarktes nur erzielen, wenn es uns gelingt, starke und nachhaltige Wachstumsimpulse zu setzen. Für Young Professionals werden die Chancen mit dem demografischen Wandel weiter steigen. Unsere aktuellen Studien zeigen, dass deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr wieder mehr Nachwuchs eingestellt haben. Für das kommende Jahr gehen die Personalchefs zudem davon aus, dass der Bedarf weiter steigen wird. Fach- und Führungskräfte werden zu einem raren Gut. Nur wer seine Personalstrategie heute darauf ausrichtet, wird im kommenden „war for talents“ siegen.

Wird mit „Management-“ oder „Führungsmodellen“ – in den Wirtschaftswunderjahren „Harzburger Modell“, heute so genannte systemische Ansätze – alter Wein in neuen Schläuchen verkauft?
Der Vorwurf vieler Kritiker, dass die Managementlehre inzwischen ein Reifestadium erreicht hat, in der es keine neuen Erkenntnisse, sondern nur noch neue Verpackungen gibt, ist nicht neu. Inhaltlich würde ich das Harzburger Modell jedoch nur in einem schwachen Zusammenhang mit der systemischen Managementlehre sehen. Auch wenn das Harzburger Modell bis in die 1980er-Jahre den Führungsstil vieler Manager prägte, spielt es heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Herausforderungen verlangen in ihrer Komplexität nach einem flexiblen und modularen System. Hier ist der systemische Ansatz mit Sicherheit ein positives Beispiel für die Innovationsfähigkeit der Betriebswirtschaftslehre.

Ein Blick in die Glaskugel: Wird es jemals Topmanager mit einem Achtstundentag geben?
Auf einen Nine-to-five-Job werden Topmanager auch künftig vergeblich hoffen. Im Gegenteil: Die zunehmende Globalisierung und Vernetzung bedingt ein erhöhtes Maß an Flexibilität und Mobilität. Generell gilt, je höher Sie die Karriereleiter heraufklettern, je mehr Verantwortung Sie tragen, desto weniger können Sie eine geregelte Arbeitszeit erwarten. Das heißt aber nicht, dass Sie nur noch für den Job leben sollten. Langfristig sichert nur eine ausgeglichene Work-Life- Balance persönlichen und unternehmerischen Erfolg.

Harzburger Modell

Das Harzburger Modell – ein Modell, das in den Wirtschaftswunderjahren sehr erfolgreich war. Zuvor war der Führungsstil in deutschen Unternehmen patriarchal-autoritär geprägt. Der „Chef“ war – wie ein Handwerksmeister in seiner Werkstatt – „Herr im Haus“. Das „Harzburger Modell“ – benannt nach der in Bad Harzburg ansässigen, 1956 gegründeten Akademie für Führungskräfte – sollte damit brechen. Fortan waren alle im Betrieb Tätigen „Mitarbeiter“ genannt – inklusive des Chefs. An die Stelle seiner Allzuständigkeit trat das Delegieren von Verantwortung und die „Mitarbeiterbesprechung“ wurde erfunden.

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