Henrie W. Kötter ist bei ECE, dem europäischen Marktführer für innerstädtische Shopping-Center, für das Management der Einkaufsmeilen verantwortlich. Sein Job: den manchmal widersprüchlichen Interessen von Mietern, Kunden, Investoren und den Politikern und Bürgern der Stadt gerecht werden – und dafür sorgen, dass in den Shopping-Centern der Handel blüht. Im Interview erzählt der 37-Jährige, worauf es dabei ankommt und was letztlich die wichtigere Schule war: das BWL-Studium oder seine Zeit als Obst- und Gemüseverkäufer auf dem Markt. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Henrie W. Kötter (37) wurde in Bünde in Ostwestfalen geboren. Er absolvierte zunächst eine Bankausbildung und studierte dann Internationale Betriebswirtschaftslehre an der European Business School mit Auslandssemestern an der Universidad Argentina de la Empresa in Argentinien und der Richard Ivey School of Business in Kanada. Nach Abschluss seines Studiums begann er 2000 als Business Development Manager bei einem IT-Unternehmen und wechselte 2001 in die Unternehmensberatung zu Roland Berger.
2004 ging Henrie W. Kötter als Development Manager zu ECE. Von 2006 bis 2009 baute er als Geschäftsführer die bulgarische Tochtergesellschaft des Unternehmens in Sofia auf. 2009 wurde er stellvertretender Geschäftsführer Center-Management, bevor er 2011 die alleinige Verantwortung für das Center-Management in der Geschäftsführung der ECE-Gruppe übernahm.
Herr Kötter, was zeichnet eigentlich ein gutes Shopping-Center aus?
Die einfachste Antwort lautet: Alle Beteiligten müssen es lieben. Kompliziert wird die Sache, wenn man sich die Vielzahl der Beteiligten vergegenwärtigt. Da sind ja nicht nur die Endkunden, sondern auch die Mieter, die Verantwortlichen in den Kommunen oder die Investoren – wobei diese Beteiligten teilweise gegenläufige Ziele haben, die zu Interessenskonflikten führen können. Die hohe Kunst des Center-Managements ist es dann, hier einen Ausgleich zu finden. Dabei müssen wir zum Beispiel den Gestaltungswillen der Politiker und vor allem der Bürger einer Stadt respektieren.
Entscheidend sind also Kompromisse. Aber wie findet man diese?
Indem man schon in der Planungsphase mit allen Beteiligten offen redet und schließlich die Argumente abwägt, um herauszubekommen, was für einen bestimmten Standort gewünscht wird und wichtig ist. Da wir in der Regel in Innenstädten bauen, ist die Analyse des Ist-Zustands entscheidend: Wo liegen die Probleme und was sind die gegenwärtigen Angebote des Einzelhandels? Wie ist die städtebauliche Situation, welche Konkurrenten sind vor Ort und wie ist die Verkehrsanbindung? Das sind nur einige Fragen, auf die wir in der Planung Antworten finden müssen. Wobei wir nicht das Ziel haben, mit unseren Shopping-Zentren die Kaufkraft in einer Stadt umzuverteilen, sondern neue Kaufkraft aus dem Umland in die Stadt zu holen. Und das geht nur mit hoher Attraktivität.
Wie bewerten denn Kunden heute die Attraktivität eines Shopping-Centers
Einkaufen bedeutet nicht mehr, sich mit dem Nötigsten einzudecken. Shopping ist heute eine Freizeitaktivität. Es reicht daher schon lange nicht mehr, ein Einkaufszentrum hochzuziehen, ein paar Mieter ins Haus zu holen, morgens die Tür zu öffnen – und schon brummt es. Wir haben den Anspruch, den Leuten einen Marktplatz zu bieten: kommen, sehen, Menschen treffen, sich inspirieren lassen. Ob die Leute in unsere H&M-Filiale oder in eine andere gehen, liegt weniger am Laden selbst als an dem Umfeld.
Ihr Tipp für Einsteiger in diesem Bereich: Gibt es eine vermeintliche Handelsweisheit, die sich in Ihren Augen als falsch herausgestellt hat?
Ich erkenne die angebliche Preissensibilität der Deutschen nicht. Schauen Sie sich die Coffee-Shops an: Dort holen sich die Leute einen Latte Macchiato für 3,60 Euro. Das ist ein Pappbecher mit warmer Milch und einem Schuss Espresso, Warenwert vielleicht 30 Cent. Aber darum geht es nicht, denn ich hole mir in diesem Moment nicht nur den Kaffee. Ich kaufe mir urbanes Lebensgefühl. Ein Stück New York. Durch diese Beobachtung werden die Preise nicht unwichtig, ich muss mir aber im Klaren sein, dass das Drumherum mindestens den gleichen Stellenwert besitzt.
Wie wichtig ist Menschen- und Milieu- Kenntnis, um im Bereich Shopping-Center-Management Karriere machen zu können?
Es geht nicht ohne. Unsere Center-Manager kennen ihre Kunden – und zwar nicht nur durch ihre Arbeit. Sie wohnen in der Stadt oder in dem Viertel, gehen dort selber einkaufen, sind Mitglied im Sportverein und vernetzen sich innerhalb der Community, in der sie leben. Man muss sich klar werden, dass Center-Manager eine sehr hervorgehobene Position einnehmen. Sie sind der erste Ansprechpartner für alle Mieter – und das können schnell mehr als 100 sein. Sie müssen zudem mit den Einzelhandelsverbänden der Kommunen sowie der Verwaltung und Politik zusammenarbeiten können. Schließlich geht es eben nicht darum, sich nur auf den innerstädtischen Wettbewerb zu fokussieren. Viel wichtiger ist es, im Wettbewerb der Städte Erfolg zu haben.
Wie beurteilen Sie die Perspektive für Shopping-Center, ist der Markt gesättigt oder besteht weiterhin Bedarf?
Der Markt ist weiterhin da, aber er ist in gewisser Weise endlich, weil es immer weniger Flächen gibt, auf denen neue Shopping-Center einen Mehrwert bringen können. Gefragt ist jetzt die Kreativität, um Einkaufszentren mit Luft nach oben durch Umstrukturierungen, Umbauten, neue Konzepte und Investitionen attraktiver zu machen. Dafür benötigt man eine Idee und das Know-how. Wer diese beiden Sachen mitbringt, wird im Center-Management gute Chancen haben.
Was zeichnet dieses Know-how konkret aus?
Eine Leidenschaft für den Einzelhandel, eine Affinität für Marketing sowie die Fähigkeit, mit Menschen auf unterschiedlichsten Ebenen umgehen zu können. Der Kontakt zur Reinigungsfrau ist wichtig, ebenso der zum Bürgermeister. Das spezifische fachliche Know-how, das über das an der Uni vermittelte betriebswirtschaftliche Wissen hinausgeht, bringen wir Einsteigern in unserer internen Akademie bei.
Haben Sie sich eigentlich schon immer für Einkaufszentren interessiert?
Ich bin meine Karriere in diesem Bereich nicht gezielt angegangen, hatte aber zwei gute Grundvoraussetzungen, nämlich ein Faible für Architektur sowie ein Interesse an Marktplätzen. Ich habe bereits als Teenager einige Jahre lang auf einem Markt Obst und Gemüse verkauft.
Was war denn rückblickend die wertvollere Lerneinheit für Ihre Karriere, das BWL-Studium oder die Erfahrung als Marktverkäufer?
(lacht) Das ist eine etwas gemeine Frage, weil Sie natürlich nicht jeden Obst- und Gemüsehändler zum Center-Manager machen können. Das Geheimnis ist eine gute Balance zwischen Theorie und Praxis. Theoretisches Wissen ist dann wichtig, wenn es dabei hilft, die Praxis zu analysieren. Und je mehr praktische Erfahrung ich gesammelt habe, desto sicherer werde ich im Umgang mit meinem theoretischen Wissen, weil ich dann feststellen kann, warum Dinge nicht immer nach dem Modell verlaufen, das ich mir überlegt habe. Theoretisches Wissen gibt mir einen Werkzeugkoffer an die Hand, die Erfahrung lehrt mich, welches Werkzeug in welcher Situation das richtige ist.
Zum Unternehmen
Das Unternehmen ECE – kurz für Einkaufs- Center Entwicklungsgesellschaft – wurde 1965 vom Otto-Versand-Gründer Werner Otto ins Leben gerufen. Seit 2000 wird es von dessen Sohn Alexander Otto geführt und ist heute europäischer Marktführer für innerstädtische Shopping-Center mit Fokus auf Deutschland und Länder Osteuropas. Zudem entwickelt und realisiert die Gruppe Verkehrsimmobilien, Logistikzentren, Firmenzentralen, Bürokomplexe und weitere Immobilien für die Industrie.
Derzeit arbeiten rund 3000 Beschäftigte im In- und Ausland im Unternehmen. Dabei managt ECE aktuell 132 Shopping-Center, die zusammen einen Umsatz von jährlich rund 15 Milliarden Euro erzielen und pro Tag von durchschnittlich rund 3,2 Millionen Kunden besucht werden.