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Interview mit Fabrice Roghé

Der Aufzug hält im 20. Stock, der Ausblick auf Düsseldorf ist atemberaubend. Hier, in der obersten der drei Etagen des Sitzes der Boston Consulting Group (BCG) in der Landeshauptstadt, hat Fabrice Roghé sein Büro. Er ist Partner und einer der Geschäftsführer der Strategieberatung und erzählt im Interview, wie sich die Consultingbranche gewandelt hat und was das für junge Unternehmensberater zu Beginn ihrer Karriere bedeutet. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Fabrice Roghé, Jahrgang 1973, ist seit 2007 BCG-Partner und Geschäftsführer. Er arbeitet im Büro Düsseldorf und beschäftigt sich mit Fragen um die nationale und internationale Konzernorganisation, insbesondere in Bezug auf die Aufstellung der Unternehmenszentrale. Er berät häufig Unternehmen aus der Berg-, Maschinen- und Schiffsbaubranche in strategischen und operativen Fragen.

Fabrice Roghé studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Darmstadt und der University of Illinois at Urbana-Champaign in den USA. Nach seinem Abschluss stieg er 1999 im BCG-Büro in Düsseldorf ein, verbrachte als Teilnehmer des „Ambassador-Programms“ ein Jahr im BCG-Büro in Washington, bevor er nach Düsseldorf zurückkehrte.

Herr Roghé, es ist bestimmt ein schönes Gefühl, morgens in sein Büro zu kommen und einen Blick auf ganz Düsseldorf zu genießen, oder?
Schon, aber so oft ist man in diesem Beruf gar nicht in seinem Büro. Wenn ich zum Beispiel an Projekten im Ausland arbeite, kann es schon mal vorkommen, dass ich einen Monat lang nicht im Büro bin. Dann sehe ich lange nichts anderes als Business-Hotels und die Konferenzräume meiner Kunden.

Strengen Sie solche Zeiten an?
Sie sind vor allem eine Herausforderung an das Zeitmanagement, denn die Reiserei ist ein unglaublicher Zeitfresser. Beim Warten am Gate oder in den Flughafen-Lobbys bin ich halt nicht sehr produktiv – auch wenn ich mittlerweile dank der Möglichkeiten der modernen Kommunikation auf Reisen etwas effizienter arbeiten kann als früher.

Muss sich ein Unternehmensberater am Anfang seiner Karriere eigentlich darauf einstellen, immer und überall erreichbar sein zu müssen?
Es gibt Menschen, die tatsächlich jede E-Mail innerhalb von Minuten beantworten. Ich persönlich finde jedoch, dass das meine Arbeit zu sehr fragmentiert, daher schaue ich nicht ständig auf mein Blackberry. Aber natürlich ist Beratung ein Dienstleistungsgeschäft. Wir arbeiten an den für den Kunden bedeutenden und kritischen Themen – und da kann es auch mal brennen. Daher kann es bei BCG keine dogmatische Regel geben, die bestimmt, dass ab einer bestimmten Uhrzeit nichts mehr geht. Unsere Maxime ist: Wir werden nie einen Kunden hängen lassen – aber wir legen auch Wert auf persönliche Freiräume.

Können Sie auf den Punkt bringen, wie sich in jüngerer Vergangenheit die Consultantbranche gewandelt hat?
Die Anforderungen an die Unternehmen, um wirtschaftlich erfolgreich sein zu können, haben sich geändert – und dadurch auch deren Anforderung an die Berater. Eine richtige Strategie ist zwar nach wie vor eine wichtige Voraussetzung für Erfolg, jedoch nicht mehr eine hinreichende. Die wirkliche unternehmerische Herausforderung verlagert sich in Richtung Umsetzung und stetige Adaption dieser Strategie in einem turbulenten Umfeld. Hinzu kommt, dass die Beraterbranche gereift ist und sich dadurch zunehmend Spezialgebiete herauskristallisieren.

Führt der Weg damit weg vom Beratungsgeneralisten?
Das nicht, nein. Unsere jungen Berater spezialisieren sich nicht schon in der Anfangsphase ihrer Karriere, denn gerade Generalisten können einen Kunden ganzheitlich und langfristig betreuen. Und das ist uns wichtig. Man muss sich einen großen Konzern wie einen Tanker vorstellen, der unglaublich schwer zu bewegen ist. Unser Ziel ist keine marginale Verbesserung, sondern eine echte Transformation. Und diese gelingt nur, indem wir mit unseren Kunden ganzheitlich und kontinuierlich Veränderungen vorantreiben. Dafür müssen wir die Generalisten mit den Experten kombinieren. Experten unter sich wären dabei längst nicht so erfolgreich.

Transformationen haben immer auch etwas mit Überzeugungsarbeit zu tun. Können Sie Absolventen an dieser Stelle Tipps geben, wie diese gelingen kann?
Zunächst helfe ich meinen Gesprächspartnern dabei, sich die neue Situation vorzustellen – beispielsweise mithilfe von Simulationen. Außerdem ist es manchmal sinnvoll, externe Beispiele heranzuziehen, um zu zeigen, dass bestimmte Konzepte und strategische Schritte in der Praxis schon Erfolge erzielt haben. Dabei sollten die Beispiele natürlich so gewählt werden, dass sich der Kunde damit identifizieren kann. Drittens kann es überzeugend sein, Veränderungen in bestimmten Segmenten des Unternehmens einfach mal zu testen – als Showcase oder Pilot.

Wie muss ein Unternehmensberater qualifiziert sein, um diese Tipps auch anwenden zu können?
Zunächst muss er über starke analytische Fähigkeiten verfügen und strukturiert vorgehen können – nur so kann er sicherstellen, dass die geplanten Veränderungen das Problem tatsächlich an der Wurzel packen. Wenn zum Beispiel Mitarbeiter in einem Unternehmen nicht das tun, was man sich von ihnen erhofft, dann muss der Unternehmensberater der Frage auf den Grund gehen: Warum tun sie es denn nicht? Er muss die Ursache suchen – und die findet er nicht selten im Top-Management selbst. Anschließend muss er seine kommunikativen Fähigkeiten unter Beweis stellen und alle für den Prozess wichtigen Kundenmitarbeiter einbinden. Der letzte Schritt verlangt nach Rückgrat, denn dann heißt es: Jetzt wird exekutiert. Es wird nicht mehr das „Ob“ diskutiert, sondern nur noch das „Warum“ erläutert. In dieser Phase ist der Unternehmensberater der Hüter der eigentlichen Idee. Kommt der Prozess vom Kurs ab, muss er darauf aufmerksam machen. Intervenieren jedoch muss das Top-Management, denn es darf nicht sein, dass dort Führungsaufgaben an den Berater delegiert werden.

Zum Abschluss: Gibt es Ihrer Ansicht nach einen aktuellen Trend, der die Branche auch noch in 15 Jahren beschäftigen wird?
Volatilität wird künftig eine große Rolle spielen. Zum Beispiel im Bereich der Marktführerschaft, die in bestimmten als relevant definierten Märkten immer flüchtiger wird. Ausgehend von den Fünfzigerjahren bis heute kann man eine kontinuierliche Zunahme der Volatilität im Geschäftsleben beobachten, und diese Entwicklung wird aus meiner Sicht weitergehen. Zudem werden sich die Trends, die ihre Ursache in der Globalisierung haben, fortsetzen: Unsicherheit, Komplexität, Vielfalt, Wettbewerbsintensität. Auch die Anforderungen an die Unternehmensorganisationen verändern sich: Sogenannte weiche Themen wie die Motivation der Mitarbeiter und eine hohe Führungskompetenz des Managements werden gegenüber „harten“ Themen wie Struktur- oder Prozessoptimierung weiter an Bedeutung gewinnen. All das wird unsere Branche auch 2020 und 2025 beschäftigen.

Zum Unternehmen

Die Boston Consulting Group (BCG) ist mit einem Jahresumsatz von global 2,4 Milliarden Dollar (2008) eine der weltweit größten Unternehmensberatungen. Gegründet wurde sie 1963 in Boston von Bruce D. Henderson. Das Unternehmen gehört mehr als 500 Partnern, weltweit arbeiten rund 4300 Berater in 68 Büros in 39 Ländern für die BCG. Deutsche Büros unterhält die Unternehmensberatung in München, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Stuttgart, Berlin und Köln.

Berater bei der BCG arbeiten zunächst einige Jahre lang als Generalisten und treten danach in die sogenannten Praxisgruppen ein. Diese bündeln die Expertise einerseits nach Branche, also beispielsweise die Energie- oder die Konsumgüterbranche, sowie nach Funktionen, beispielsweise Marketing oder Strategie.

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