Bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG fing sie mit 23 Jahren ihre Ausbildung an – heute leitet sie als Vorsitzende des Beirats die Geschicke des Künzelsauer Familienunternehmens. Bettina Würth folgt damit ihrem Vater Reinhold, der seine Firma in den vergangenen fünf Jahrzehnten zum weltweit größten Handelsunternehmen in der Befestigungs- und Montagetechnik gemacht hat. Im Interview mit S-taff spricht sie über Neugier, Weiterentwicklung und Frauen in einer Männerbranche.
Zur Person
Geboren am 9. Oktober 1961 in Schwäbisch Hall, machte Bettina Würth mit 23 Jahren eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG. Von da an arbeitete sie sich Stück für Stück im familieneigenen Unternehmen hoch: Sie leitete den Bereich Vertrieb, Produkt und Marketing in der Division Bau, wurde verantwortliche Regioleiterin für Umsatz und Personal in Nord- und Ostdeutschland und stieg 2001 als Mitglied in die Konzernführung der Würth-Gruppe ein. Im März 2006 übernahm sie von ihrem Vater den Beiratsvorsitz des Unternehmens. Sie setzt sich unter anderem besonders für die Themen Nachwuchsförderung und Teamorientierung ein. Bettina Würth ist verheiratet und vierfache Mutter.
Sie haben in der elften Klasse die Schule abgebrochen und sich dem klassischen Berufseinstieg zunächst verweigert. Wie haben Sie trotzdem den Dreh zur erfolgreichen Unternehmerin geschafft?
Ich habe die Schule nach der elften Klasse mit mittlerer Reife verlassen und anschließend eine Findungsphase eingelegt. Ich denke, wenn man eine gewisse Zeit für seine Orientierung nutzt, findet man heraus, was für einen wichtig ist. Danach habe ich eine Ausbildung zur Industriekauffrau innerhalb der Würth-Gruppe absolviert. Nach und nach habe ich alle Bereiche des Unternehmens kennen gelernt. Ich habe dabei gemerkt, dass mich die einzelnen Prozesse im Unternehmen faszinieren. Vor allem für den Vertrieb – unser Kerngeschäft – habe ich eine große Begeisterung entwickelt. So bin ich Schritt für Schritt meinen Weg gegangen.
Wie bewältigen Sie die Gratwanderung in der Würth-Gruppe, das zu bewahren, was Ihr Vater aufgebaut hat, und Neues ins Unternehmen einzubringen?
Einer unserer Grundsätze lautet: „Wir machen alles Erfolgreiche konsequent weiter und packen neue Dinge an.“ Es geht nicht darum, mit Zwang etwas Neues in das Unternehmen zu bringen. Außerdem ist mein Vater weiterhin als Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrates aktiv, und seine Ratschläge werden sowohl von der Konzernführung als auch von mir gerne angenommen. Darüber hinaus stimme ich mich bei wichtigen Entscheidungen mit meinem Vater ab. Die Grundwerte unserer Firmenkultur sind tief verankert, und unsere Bodenständigkeit lässt uns nie vergessen, wo wir herkommen. Dabei wollen wir allerdings nie stehen bleiben und haben eine grundlegend offene Haltung zum Beispiel neuen Geschäftsfeldern gegenüber. Wie wichtig uns das ist, zeigt schon unser Jahresmotto: „Vibrierende Neugier“.
Mussten Sie sich als Frau eigentlich in der männerdominierten Montagetechnikbranche erst durchsetzen?
Ja, aber grundsätzlich hänge ich das Thema „Frauen in Managementpositionen“ nicht so hoch. Ich liebe es, bei unseren Kunden im Handwerk zu sein, und fühle mich in dieser Welt sehr wohl.
Glauben Sie denn, dass Frauen die gleichen Karrierechancen haben wie Männer?
Ja, ich glaube bei uns im Unternehmen schon. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich als Frau benachteiligt bin. Und im Gespräch mit anderen Frauen bei uns im Unternehmen haben mir diese das Gleiche berichtet.
Einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte ist das Personal. Wie wichtig sind für Sie Querdenker und gemischte Männer-Frauen-Teams?
Für mich ist wichtig, dass wir im Unternehmen Mitarbeiter haben, die sich einbringen, die Verbesserungsvorschläge machen, aber sich auch gleich mit möglichen Lösungen beschäftigen, die Ärmel hochkrempeln und ganz pragmatisch an der Umsetzung arbeiten. Gemischte Teams sind notwendig, um ein Gleichgewicht an Ratio und Emotion zu schaffen.
Wie sehen Sie Ihre neue Rolle als Beiratschefin? Was hat sich für Sie im Gegensatz zur Arbeit in der Konzernführung geändert?
In der Konzernführung habe ich eine operative Tätigkeit wahrgenommen. Als Vorsitzende des Beirats sind meine Aufgaben auf die strategische Unternehmensführung ausgerichtet. Der Beirat ist ein Kontrollgremium. Ich nehme eine beratende Funktion ein, zum Beispiel wenn es um Personalentscheidungen geht. Das heißt, ich habe operative Aufgaben abgegeben. Trotzdem setze ich mich intensiv mit den anstehenden Themen auseinander, um diese Kontrollaufgabe auch gut ausführen zu können.
Sie begleiten – wie jeder Innendienstmitarbeiter bei Würth – einmal pro Jahr den Außendienst. Wie werden sich Vertriebsstrukturen in den nächsten Jahren verändern? Was können Neueinsteiger erwarten?
Das Einkaufsverhalten unserer Kunden wandelt sich. Wir passen uns mit einem stationären Handel, der unseren Direktvertrieb ergänzt, an diesen Wandel an. Somit bleiben wir unserer Linie des Verkaufens über Außendienstmitarbeiter treu, können aber zusätzlich noch einen Mehrwert schaffen. Würth bietet Neueinsteigern im Außendienst erstklassige Qualifizierungsmöglichkeiten zum Beispiel über das Würth Junior-Verkäuferprogramm.
Stimmt es, dass Sie in Ihrem Büro keinen Computer haben?
Ja.
Und warum nicht?
Ich werde mir erst einen Computer anschaffen, wenn er mit mir spricht. (lacht)
Ihr Motto lautet: „Nie stehen bleiben und sich kontinuierlich weiterentwickeln.“ Was sind Ihre nächsten Ziele?
Das Unternehmen soll weiter gesund wachsen. Wir wollen Chancen nutzen, aber auch mit einem scharfen Blick dafür sorgen, dass unsere Grundwerte bewahrt werden und nicht verwässern. Die Mitarbeiter in diese Richtung zu motivieren, liegt mir sehr am Herzen.
Welchen Tipp haben Sie für junge Leute, die nach dem Studium erst am Anfang ihrer Karriere stehen und es wie Sie an die Spitze eines Unternehmens schaffen wollen?
Neugierig sein, Dinge hinterfragen, eine eigene Identität entwickeln und sich nicht verbiegen gehört genauso dazu wie Ausdauer, Fleiß, Eigenverantwortlichkeit und Freude an der Arbeit. Das sind sicherlich wichtige Grundeigenschaften, die man mitbringen sollte, wenn man im Beruf erfolgreich sein möchte.
Zum Unternehmen
Von Schrauben und Dübeln über Möbel- und Baubeschläge bis hin zu Werkzeug und Arbeitsschutzkleidung reicht das Sortiment der Würth-Gruppe. Mit über 100.000 Produkten wurde aus dem einstigen Schraubenspezialisten ein Experte für Montagetechnik. Weltweit beliefert Würth mittlerweile über 2,9 Millionen Kunden aus Handwerk und Industrie. 1945 von Adolf Würth gegründet, entwickelte sich das Familienunternehmen mit Sitz im baden-württembergischen Künzelsau zu einem internationalen Handelsunternehmen, das mit 370 Gesellschaften in 83 Ländern der Welt tätig ist und über 55.000 Mitarbeiter beschäftigt, über 29.000 davon als Verkäufer im Außendienst. Nach dem frühen Tod des Vaters übernahm Reinhold Würth 1954 mit gerade einmal 19 Jahren die Schraubengroßhandlung mit einem Umsatz von rund 80.000 Euro. 2006 lag der Umsatz der Würth-Gruppe bei 7,74 Milliarden Euro. Im März 2006 gab Reinhold Würth den Posten als Vorsitzender des Beirats an seine Tochter Bettina ab.