Dr. Andreas Schuessler hatte eine Vision und hat sein Ziel mehr als erreicht: Er wurde zum erfolgreichen Unternehmer. Die Führungsrolle zu übernehmen, war für ihn ein selbstgestalteter Prozess, und er ist mit der Aufgabe gewachsen. Im Interview mit dem karriereführer sprach er über Erfolgsfaktoren, Prioritäten, Alternativen bei der Karriere und ermutigt Absolventen, auch nach vielen Absagen auf Bewerbungen nicht aufzugeben. Die Fragen stellte Meike Nachtwey.
Zur Person
Andreas Schuessler wurde in Burgstädt in der ehemaligen DDR geboren. Nach dem Abitur studierte er an der Bergakademie Freiberg „Entwicklung metallischer Werkstoffe“ und schloss das Studium 1981 als Diplom-Ingenieur ab. Anschließend arbeitete er als Entwicklungsingenieur bei der heutigen Firma Flender in Wittgensdorf, bevor er am 24. April 1984 in die Bundesrepublik übersiedelte.
Hier promovierte er am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart. Nach Abschluss der Promotion ging er 1987 für ein Jahr an das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und untersuchte dort das Permeationsverhalten von Polyimid für integrierte Schaltkreise. Nach einer dreimonatigen Tätigkeit als Unternehmensberater ging er bis zur Gründung der Admedes Schuessler GmbH als wissenschaftlicher Mitarbeiter in das Kernforschungszentrum Karlsruhe und entwickelte Verfahren zur Laser-Mikrobearbeitung von Nitinol- Werkstoffen. Heute lebt Andreas Schuessler mit seiner Familie in der Nähe von Karlsruhe.
Herr Dr. Schuessler, seit 16 Jahren entwickelt sich Ihr Unternehmen zu einem weltweit führenden Unternehmen in der OEM-Herstellung von Komponenten für Gefäßimplantate – wie gelingt eine solche Erfolgsgeschichte?
Ich hatte eine Vision, ein Ziel, auf das ich hingearbeitet habe. Zudem hat mir die Arbeit Spaß gemacht. Der zentrale Punkt für Erfolg ist jedoch auch, die richtigen Leute zu finden und für diese Vision zu begeistern. Wichtig ist, dass man am gleichen Strang zieht. So entwickelt sich eine Unternehmenskultur, die geprägt ist von hoher Verantwortung und sehr viel Freiheit für die Mitarbeiter, so dass diese im Rahmen ihrer Verantwortung ihre Aufgaben mit hoher Selbstständigkeit wahrnehmen können. Alles zusammen führt zum Erfolg.
Sie selbst waren vorher in der Forschung tätig – was haben Sie dort für Ihre heutige Position gelernt?
Man lernt, wie man entwickelt und forscht sowie wissenschaftliche Literatur und Patente liest. Man lernt auch, sich den Dingen systematisch zu nähern und nicht bloß Bestehendes auszufeilen. Und man lernt, den eigenen Horizont ständig zu erweitern. Ich war während meiner Zeit in der Forschung ein Jahr am MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Boston. Die internationale Prägung, die ich dadurch erfahren habe, ist sehr vorteilhaft für unser Geschäft. Über 90 Prozent unserer Kundschaft sind amerikanische Unternehmen. Es ist grundsätzlich gut, wenn man in frühen Jahren Kontakt zu anderen Kulturkreisen hat, so lernt man, sich darin zu bewegen. Und Englischkenntnisse sind heutzutage enorm wichtig. Bei uns müssen alle Englisch können, die im Kundenkontakt stehen: Projektleiter und Ingenieure.
Heute sind Sie erfolgreicher Unternehmer – wie gelang Ihnen die Umstellung auf eine Führungsrolle?
Die Führungsrolle zu übernehmen war ein Prozess, den ich selbst gestaltet habe. Die Umstellung erfolgte sukzessive, ich habe sie nicht als großen Schritt vollzogen. Die Verantwortung, und die Tatsache, dass man sich auch mit rechtlichen Dingen und Zahlen beschäftigen muss, war kein Problem, sondern eher eine Herausforderung, die ich gern angenommen habe. Ich bin mit der Aufgabe gewachsen.
Und bleibt Ihnen noch viel Freizeit in Ihrer jetzigen Position?
Eher nicht. Aber da mir die Arbeit Spaß macht, fällt das nicht ins Gewicht. Man muss eben Prioritäten setzen und sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren, und das war bei mir der Aufbau eines Unternehmens.
2007 gehörten Sie zu den Finalisten des von Ernst & Young ausgeschriebenen Wirtschaftspreises „Entrepreneur des Jahres“. Sehen Sie sich als Vorbild für junge Ingenieure und Hochschulabsolventen?
An der Hochschule zu bleiben ist nur spannend, wenn man Professor wird. Alles andere ist in meinen Augen nicht sehr reizvoll, da die Karriere an der Hochschule sehr schnell nach oben hin begrenzt ist. Ich selbst war einige Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter, und als ich mich mit Mitte 30 verändern wollte, schon fast zu alt für die Industrie. Also habe ich bewusst eine Alternative gesucht und die Möglichkeit ergriffen, meine Karriere noch zu gestalten. Gerade für Hochschulabsolventen ist es interessant zu sehen, dass es noch andere Möglichkeiten gibt als eine Karriere an der Hochschule oder in der Industrie. Insofern sehe ich mich als Vorbild, den Absolventen zu zeigen, dass es immer noch mindestens eine Alternative gibt, und die heißt, sich selbstständig zu machen.
Sie sagten zu Beginn, dass Sie eine Vision hatten, als Sie sich selbstständig gemacht haben – ist sie Realität geworden?
Die Realität hat die Vision weit übertroffen. Ich hatte die Vorstellung, die Forschung in der Praxis anzuwenden, eine erfüllte Arbeit zu haben und Geld zu verdienen, aber dass es sich tatsächlich so gut und weit entwickelt, habe ich mir damals nicht vorgestellt.
Sind Visionen wichtig, um Karriere zu machen?
Unbedingt. Man sollte sich nicht nur treiben lassen. Wenn man ausschließlich nimmt, was gerade kommt, wird man nur irgendwo angespült und tut Dinge ohne innere Energie. Eine Vision aber entspringt aus der inneren Energie, etwas erreichen zu wollen. Und diese Energie braucht man auf dem Weg nach oben. Natürlich gibt es auch Tage, an denen man nicht so viel Energie hat, müde ist, gegen viele Probleme angehen muss, aber dann hilft einem die innere Energie weiterzumachen. Menschen, die keine Energie haben, können meiner Meinung nach auch keine Vision haben.
Im Rahmen der Initiative „Mutige Unternehmer braucht das Land“ wurden Ihr Engagement, Ihr unternehmerischer Geist und Ihr Mut gewürdigt – wie viel Mut braucht ein Ingenieur heute im Arbeitsleben, um erfolgreich zu sein?
Ich brauchte nur Mut dazu, die feste Anstellung aufzugeben und als Unternehmer zu arbeiten. Da man als junger Mensch aber immer viele Möglichkeiten und Alternativen hat, Dinge auszuprobieren und gegebenenfalls etwas anderes zu tun, braucht man nicht viel Mut, um Karriere zu machen.
Welche Eigenschaften braucht man dann um erfolgreich zu sein?
Um unternehmerisch erfolgreich zu sein, braucht man in jedem Fall die Bereitschaft, sich auf seine Aufgabe zu fokussieren. Man muss seine Arbeit als ganz zentrale Aufgabe betrachten, die man auch gern erfüllt. Man kann nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen und privat noch viele Hobbys haben, das funktioniert nicht. Generell ist es wichtig, seine persönlichen Fähigkeiten und das, was man gern tut, unter einen Hut zu bekommen … das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Es gibt nur wenige Momente, in denen ich persönlich Erfolg empfinde. Zum Beispiel bei unseren zweimal jährlich stattfindenden Betriebsfeiern, die sehr gut besucht sind. Wenn ich dann die große Mannschaft sehe, und sehe, dass sie sich vergnügt und es allen gut geht, dann bin ich wirklich zufrieden mit dem, was ich erreicht habe.
Mussten Sie auch schon einmal Krisen durchstehen?
Es ist ganz normal, dass es in Unternehmen, die wachsen, Krisen gibt. Nämlich immer dann, wenn es notwendig ist, die Organisationsstruktur aufgrund des Unternehmenswachstums umzustellen. Ein kleines Unternehmen mit 15 Leuten kann nicht strukturell genauso aufgestellt sein wie ein größeres Unternehmen mit 200 oder 300 Angestellten.
Was muss ein Hochschulabsolvent oder junger Ingenieur mitbringen, um von Ihnen eingestellt zu werden?
Er sollte in jedem Fall fachlich gut und begeisterungsfähig sein. Wir fordern ein hohes Maß an Eigenmotivation und bevorzugen Leute, die Interesse an der eigenen Weiterentwicklung haben und diese auch selbst vorantreiben. Außerdem sollte ein Hochschulabsolvent in der Lage sein, eigenständig zu arbeiten und Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Darüber hinaus sind Teamfähigkeit wichtig und natürlich sehr gute Englischkenntnisse.
Und was tut Admedes, um als attraktiver Arbeitgeber zu gelten?
Als wachsendes Unternehmen bieten wir außergewöhnliche berufliche Perspektiven. Und neben sehr guten Sozialleistungen und Weiterbildungsangeboten haben wir eine gute Unternehmenskultur, das zeigt sich an der niedrigen Fluktuation der Mitarbeiter.
Haben Sie einen Tipp für unsere Leser?
Ich selbst habe nach meinen USA-Aufenthalt viele Bewerbungen geschrieben und zirka 50 Absagen bekommen. Ich habe aber nicht aufgegeben, sondern die Zeit mit anderen Jobs überbrückt, bis ich die Stelle am Forschungszentrum Karlsruhe bekommen habe. Das war zwar auch nicht die Wunschstelle, aber sie war das Sprungbrett für alles Weitere. Wenn ich daran zurückdenke, bin ich im Endeffekt dankbar für die Absagen. So konnte ich auf meine innere Stimme hören und den Weg gehen, den ich wirklich wollte. Meine Empfehlung ist es also, sich nicht von Absagen entmutigen zu lassen. Denn sie eröffnen andere Wege und Möglichkeiten.
Zum Unternehmen
Die Admedes Schuessler GmbH wurde 1996 von Dr. Andreas Schuessler gegründet und ist heute das weltweit führende Unternehmen in der OEM-Herstellung von hochpräzisen Gefäßimplantaten aus der Formgedächtnislegierung Nitinol. Neben Stents und Herzklappenhalterungen produziert das Unternehmen Verschluss- und Filter-Komponenten, orthopädische Implantate und Mikroinstrumentenbauteile aus superelastischen und Formgedächtnis-Legierungen sowie medizinischen Stählen, Co- Cr-Legierungen, Tantal und Titan-Legierungen.
Das Unternehmen produziert ausschließlich am Standort Pforzheim und beschäftigt dort knapp 400 Mitarbeiter, darunter Ingenieure, Techniker und Produktionshelfer. Auf die Mitarbeiter und deren Qualifikation wird besonderer Wert gelegt: So erschafft Admedes in diesem Jahr gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer ein Qualifikations-Zertifikat speziell für ungelernte Produktionshelfer.