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Interview mit Ralf Blauth

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Ralf Blauth ist nicht nur Mitglied der Geschäftsführung und Arbeitsdirektor der Evonik Degussa. Seit 1. Juli 2009 ist er auch Personalvorstand und Arbeitsdirektor des Mutterkonzerns Evonik Industries. Ralf Blauth sprach mit dem karriereführer über seine Erfahrungen als Top-Manager. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Zur Person Ralf Blauth

Ralf Blauth, 58 Jahre, begann nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Hüls AG in Marl seine berufliche Karriere 1971 im technischen Einkauf des Unternehmens. 1981 wurde er in den Betriebsrat berufen, dessen Vorsitz er ein Jahr später übernahm.

Ralf Blauth gehört seit dem 1. März 2006 dem Vorstand von Bayer an. Er ist verantwortlich für Innovation, Technologie und Umwelt und betreut die Region Asien/Pazifik. Darüber hinaus ist er Vorstandsvorsitzender des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA).

Herr Blauth, Sie haben im Sommer einen neuen Job angefangen. Wie ist es bei Evonik?
Wenn Sie so wollen, habe ich bereits vor 40 Jahren erstmals meinen Fuß in das Unternehmen gesetzt. Ich habe damals bei der ehemaligen Hüls AG eine Ausbildung gemacht. Das Unternehmen hat dann später mit der Degussa fusioniert und die wiederum ist inzwischen in Evonik aufgegangen. Also, ich kenne das Unternehmen schon seit einiger Zeit. Über meine neuen Aufgaben im Evonik-Vorstand freue ich mich. Um Ihre Frage zu beantworten, wie es hier ist: Prima. Arbeit in einem globalen Konzern mit starken Wurzeln in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, macht Freude.

Greifen Sie auf Ihre Erfahrungen als Arbeitsdirektor bei Evonik Degussa zurück?
Wie gesagt: Ich starte ja nicht bei Null. Ich kenne den Konzern, seine Struktur, seine Mitarbeiter und Führungskräfte. Das ist mir mit Blick auf die anstehenden Aufgaben von Nutzen. Denn es ist nicht viel Zeit, um anzukommen. Wir bewegen uns in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die auch an Evonik nicht spurlos vorübergehen. Sparen ist das Gebot der Stunde und auch unsere Mitarbeiter tragen dazu maßgeblich durch den Verzicht auf bestimmte Leistungen bei. Doch Verzicht ist allemal besser als betriebsbedingte Kündigungen. Diese wollen wir unbedingt vermeiden.

Was sind denn Ihrer Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, die ein Manager braucht?
Grundausrüstung: Ein gesunder Menschenverstand und Offenheit. Dazu Gestaltungskraft und gute Mitarbeiter an seiner Seite.

Und wie sieht das Rüstzeug für Hochschulabsolventen aus, wenn sie Karriere machen wollen?
Wir erwarten von Absolventen solide Fachkenntnisse und soziale Kompetenz. Oft wird die Frage gestellt: Welche Ausbildung bringt mir die besten Chancen am Arbeitsmarkt? Die generalistische oder die spezialisierte Ausbildung? Darauf gibt es keine abschließende Antwort. Es kommt auf die jeweilige Einstiegstätigkeit an. Unabdingbar ist auch die Fähigkeit, Wissen zu aktualisieren und im Dialog mit anderen zu beschaffen. Das bedeutet im Umkehrschluss, auch die Fähigkeit zu besitzen, Erfahrungen und Wissen weiterzugeben.

Wie wichtig sind Fremdsprachenkenntnisse?
In einer zunehmend globalisierten Welt sollten junge Akademiker Fremdsprachenkenntnisse mitbringen und Offenheit für andere Kulturen. Evonik ist ein international agierender Konzern. Bei uns gehört Englisch zum sprachlichen Grundrüstzeug. Weit vorn im Wettbewerb um die besten Arbeitsplätze ist auch derjenige, der beispielsweise während Praktika schon erste Praxiserfahrung sammeln und Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern knüpfen konnte. Ich würde jedem Studenten empfehlen, sich frühzeitig auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren.

Wir leben ja heute leider in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten – wie können angehende Akademiker trotzdem sichere Arbeitsplätze finden?
Sicher ist immer relativ. Der eine denkt in Zeithorizonten von zwei bis drei Jahren, bis er weitere Erfahrungen machen möchte – sei es im Zuge eines Wechsels innerhalb des Unternehmens, eines Auslandsaufenthaltes oder auch durch den Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber. Der andere möchte am liebsten bis zum Ruhestand in nur einem Unternehmen bleiben. Letzteres wird es kaum noch geben. Deshalb sollte sich jeder ein gewisses Maß an Flexibilität bewahren. Um dann einen „sicheren“ Arbeitsplatz zu finden, sollten sich Absolventen intensiv mit dem potenziellen Arbeitgeber auseinandersetzen. Die wirtschaftliche Entwicklung verfolgen und hinterfragen, die Integrität und den nachhaltigen Umgang des Unternehmens mit seinen Mitarbeitern näher betrachten. Die Sicherheit eines Arbeitsplatzes hängt in hohem Maße von der Qualität des Arbeitgebers und von der Leistung des Absolventen ab.

Viele Unternehmen verlangen von jungen Nachwuchskräften vor allem Leistungsbereitschaft. Ist das eine Eigenschaft, die auch bei Evonik wichtig ist, und was verstehen Sie darunter?
Ohne die Bereitschaft und den Ehrgeiz etwas leisten zu wollen, geht es nicht. Sie müssen schon ein gewisses Maß an eigenem Antrieb mitbringen. Denn Leistungsbereitschaft kann man nicht erzwingen. Natürlich trägt ein positives Arbeitsumfeld zur Steigerung der Leistungsbereitschaft bei. Man braucht aber auch weitere Fähigkeiten, um als Nachwuchskraft einen guten Karrierestart hinzulegen. Ein Beispiel: Wenn Sie leistungsbereit sind und in einem Team arbeiten sollen, aber keine Kommunikationsfähigkeit besitzen, dann werden Sie aller Voraussicht nach nicht ans Ziel kommen. Wichtig ist, dass Fähigkeiten wie beispielsweise Kommunikations-, Kritik- und Teamfähigkeit, Selbstdisziplin, Fleiß und Verantwortungsbereitschaft möglichst früh erlernt werden.

Und ist Ihrer Meinung nach auch Talent wichtig oder kann man alles lernen, wenn man nur will?
Talent und Interesse an der Aufgabe sind unverzichtbar. Aber natürlich kann man vieles bis zu einem gewissen Grad erlernen. Wichtig ist, die eigenen Stärken zu kennen, daraus das Beste zu machen und gleichzeitig an den eigenen Schwächen zu arbeiten. Diese Einstellung ist eine solide Basis für eine erfolgreiche Karriere.

Wie bilden Sie bei Evonik Ihre Nachwuchskräfte fort?
Grundsätzlich fördern wir Lernen durch herausfordernde Aufgaben. Eine Kernkompetenz unseres Konzerns ist die kontinuierliche Selbsterneuerung. Abgeleitet bedeutet das für unsere Mitarbeiter: lebenslanges Lernen. Dabei unterstützen wir sie mit einem großen Seminarangebot. Wir bieten fachspezifische Seminare oder Kurse, die den Schwerpunkt auf Soft Skills legen. Auch On-the-job-Maßnahmen kommen zum Einsatz – wie beispielsweise Mentoring oder Projektarbeit.

Und was bieten Sie Leuten, die frisch von der Hochschule kommen?
Im Regelfall den Direkteinstieg. Junge Hochschulabsolventen können sich häufig zunächst in Projekten einbringen, mit dem Ziel, sich im Team in die neue Aufgabe einzufinden und dann auch möglichst früh Verantwortung zu übernehmen. Für uns gehört „Freiraum geben“ zu einem sehr wichtigen Prinzip. Aber wir erwarten auch, dass unsere Mitarbeiter diesen Freiraum nutzen, um kreative Wege zu gehen. Es gilt das Motto unserer Personalmarketingkampagne „Gesucht: Querdenker und andere Talente“. Wir wollen damit nicht zuletzt die Begeisterung für die eigene Aufgabe fördern: Die Identifikation mit der Aufgabe und dem Unternehmen – das zusammen ergibt den nötigen Antrieb und bringt Unternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen voran.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, würden Sie sich wünschen …
… dass es uns weiterhin gelingt, fähige junge Talente für die Zukunftsgestaltung des Konzerns zu finden; auch für die Zukunft Gesundheit, Zufriedenheit und das erforderliche Quäntchen Glück im beruflichen und privaten Leben und schließlich weitere freie Wünsche, weil es immer noch viele Probleme auf dieser Welt gibt.

Evonik Industries

Evonik Industries ist ein Industriekonzern aus Deutschland mit den Geschäftsfeldern Chemie, Energie und Immobilien. Evonik ist eines der weltweit führenden Unternehmen in der Spezialchemie, Experte für Stromerzeugung aus Steinkohle und erneuerbaren Energien sowie eine der größten privaten Wohnungsgesellschaften in Deutschland. Evonik ist in mehr als 100 Ländern der Welt aktiv. Rund 41.000 Mitarbeiter erwirtschafteten im Jahr 2008 einen Umsatz von circa 15,9 Milliarden Euro und ein operatives Ergebnis (EBITDA) von rund 2,2 Milliarden Euro.

Reinhard Georg Birkenstock

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Ben Matlock oder Perry Mason – amerikanische Gerichtssäle hat man im Kopf, wenn man an die Arbeit eines Strafverteidigers denkt. Näher an der Realität: Die Arbeitswoche des Kölner Strafverteidigers Reinhard Georg Birkenstock. Von Reinhard Georg Birkenstock

Eine Woche meines Berufslebens soll ich zu Papier bringen Kölner Strafverteidiger Reinhard Georg Birkenstockund das, was ich mir als Strafverteidiger beim Rückblick auf die eigene Arbeit so für Gedanken mache. Vorab: die Arbeitswoche eines Strafverteidigers hat sieben Tage und jedenfalls dann, wenn ein Mandant in Untersuchungshaft sitzt, der nun wirklich nicht dahin gehört, dauert der Arbeitstag eines Strafverteidigers viele Stunden, nämlich vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Fangen wir also an.

Sonntag, 7. Dezember 2003

Es ist der zweite Advent, mit zwei Mandanten muss unbedingt heute gesprochen werden. Bei beiden wurde das Mandat in laufender Hauptverhandlung vor der Strafkammer übernommen. Im Brandstiftungsfall war der Vorgänger entlassen worden, weil er sich mit der Strafkammer auf eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verständigt hatte, obwohl der Mandant jede Tatbeteiligung bestreitet. Im anderen Fall geht es um den Vorwurf der Vergewaltigung in einer Beziehung, mein Vorgänger hatte das Mandat niedergelegt.

Wir teilen uns die Arbeit. Meine als Mediatorin in meiner Kanzlei tätige Frau befasst sich mit der Sacheinlassung des Mannes, der als Außenstehender dafür verantwortlich sein soll, dass ein Unternehmer seine Fabrik in Brand gesetzt hat, indem er ihm Leute zur direkten Tatausführung beschafft habe.

Ich widme mich dem Mann, der nach einem Streit eine Freundin vergewaltigt haben soll und behauptet, es sei von beiden Seiten freiwillig geschehen. Die häufigste Frage an den Strafverteidiger: „Kann man dann überhaupt verteidigen, wenn man, gerade bei Gewaltdelikten, weiß, dass der Angeklagte schuldig ist?“.

Wie so oft, auch auf diese Frage gibt es keine generelle Antwort. Zunächst kommt es sicher darauf an, wie man verteidigt. Man muss die (möglichen) Opfer bei der Befragung nicht in den Dreck ziehen. Und: Je älter man wird, ich bin 59 Jahre alt und seit 1975 selbstständiger Anwalt, umso sokratischer wird es einem: man weiß immer mehr, dass man nichts weiß.
Vor der Tagesschau verlassen beide Mandanten das Haus.

Montag, 8. Dezember 2003

Statt des geplanten Besuchs in der JVA Rheinbach wegen der Besprechung eines Wiederaufnahmeverfahrens nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe Hauptverhandlung in Köln. Den Besuch nimmt statt meiner eine junge Kollegin wahr.

In der Hauptverhandlung in der Vergewaltigungssache herrscht dünne Luft. Unter anderem wegen des Verteidigerwechsels und wegen der Beweisanträge macht der Vorsitzende eine Äußerung, die der Verteidigung unterstellt, man benenne bewusst einen kranken Zeugen, um das Verfahren platzen zu lassen. Daraufhin wird er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Ein Antrag, der wenig Freude auslöst und dessen Bearbeitung sich über die ganze kommende Woche hinziehen wird.

„Strafverteidigung ist Kampf, solange es um die Schuld oder Unschuld des Mandanten geht“ schreibt Hans Dahs in seinem „Handbuch des Strafverteidigers“, das jeder, der mit dem Gedanken spielt, Strafjurist zu werden, Staatsanwalt, Richter oder Verteidiger, zumindest einmal quergelesen haben sollte.

Die Hauptverhandlung wird am Spätvormittag unterbrochen. Mittags Besprechungen: Ein Ehepaar will wissen, welcher Schadensersatz ihm zustehe nach Einstellung des Mordverdachts-Ermittlungsverfahren gegen den Ehemann, der sich als unschuldig erwiesen hatte. Die Auskunft enttäuscht. Der Staat gewährt nur wenig Entschädigung bei zu Unrecht erfolgter Strafverfolgung.

Weitere Besprechungen bis in den Abend, in den meisten geht es darum, dass ich bei feststehender Schuld für möglichst milde Strafe sorge. Strafmaßverteidigung nennen wir das, und funktional definiert Hans Dahs das in seinem Klassiker mit der gebräuchlichen Definition von Politik, nämlich mit dem Begriff der „Kunst des Möglichen“. Recht hat er auch hier. Man muss verhandeln wie ein Politiker, um bei dem Staatsanwalt oder dem Richter möglichst viel Verständnis für das Verhalten des Mandanten zu wecken und beim Mandanten muss man dafür sorgen, dass er nicht zu rechthaberisch ist.

Otto Schilly hat das einmal mit dem Wort „optimieren“ beschrieben. Man müsse den Mandanten für die Justiz, deren Vertreter für die Sache des Mandanten optimieren.

Dienstag, 9. Dezember 2003

9 Uhr 15 Hauptverhandlung gegen einen Kollegen, der der Gegenseite seines früheren Mandanten zu viel Vertrauen in dessen Anlagetätigkeit geweckt und deshalb seinem Mandanten Beihilfe zur Untreue geleistet haben soll.

Der Hauptzeuge, nämlich der frühere Mandant des von mir verteidigten Kollegen, lebt in Lichtenstein und hat sich per Telefax krank gemeldet. Da lacht das Herz des Verteidigers, wie immer, wenn er eine Position des Verfahrensrechts ausnutzen kann, um eine Verurteilung des Mandanten zu verhindern, zu erschweren oder zumindest hinauszuzögern.

In der Sache hat mich schon als Student das Zivilrecht, besonders die perfekte Redaktion des BGB weitaus mehr begeistert als das Strafrecht. Diese ewigen Abgrenzungsklausuren oder -hausarbeiten, Diebstahl oder Unterschlagung, Betrug oder Untreue, ödeten mich eher an. Als Strafverteidiger habe ich mit solchen Abgrenzungen auch eher selten zu tun. Jedenfalls weitaus weniger, als die Richter und Staatsanwälte, deren Kernaufgabe es ist, ermittelte oder in der Hauptverhandlung festgestellte Sachverhalte zu ordnen und zu subsumieren.

Der Verteidiger arbeitet weitaus ergebnisorientierter. Ob sein Verhalten als Diebstahl oder Unterschlagung gewürdigt wird, ist dem Mandanten schnuppe. Freispruch will er haben oder Einstellung wegen Geringfügigkeit, Paragraf 153 a StPO, oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt oder wenn es nicht anders geht, Geldstrafe oder Bewährung. Um die Höhe der Sanktion geht es dem Mandanten im Ergebnis und während des Verfahrens um das Vermeiden jeder medialen Erwähnung.

Hier hat das alles funktioniert. Nach kurzer Verhandlung ist die an der Gerichtssaaltür angebrachte Rolle mit dem Namen des von mir verteidigten Kollegen, der unter Anklage steht, verschwunden, bevor ein Gerichtsreporter sie entdeckt hat. Die Sache ist vertagt worden. Gericht und Staatsanwaltschaft schlagen eine Einstellung wegen Geringfügigkeit vor. Mein Mandant hat drei Wochen Zeit, sich dazu zu erklären.

Nachmittags Besprechung mit dem deutschen Geschäftsführer eines internationalen Konzerns in einer Steuerstrafsache, in der viele Millionen Euro im Streit sind. Klar, worum es geht: nur so viele Steuern wie unbedingt nötig nachzahlen, möglichst keine Strafe und um Gottes wegen keine Publizität. Je vermögender die Mandanten sind, umso anspruchsvoller sind sie auch. Gott sei dank liegt der BRAGO auch das Institut der Honorarvereinbarung zugrunde, so dass man sich seine Mühe auch angemessen vergüten lassen kann.

Mittwoch, 10. Dezember 2003

7 Uhr 30 Aufbruch zur Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer des Landgerichts Siegen. Es geht um den Brandstiftungsfall. Die Strafkammer hatte eine Verständigung vorgeschlagen: Der geständige Unternehmer sollte als Mittäter und mein jetziger Mandant als Haupttäter zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt werden.

Nur: mein Mandant sagt, er habe an der Tat nicht mitgewirkt. Bisher hatte er geschwiegen. Meine Ankündigung, er wolle sich im nächsten Termin zur Sache einlassen, findet großes Wohlwollen, die Atmosphäre ist hervorragend. Doch auch bei bester Atmosphäre liegt ein Überzeugungskampf vor uns. Von der Sacheinlassung meines Mandanten und von der Art und Weise, wie er die Fragen des Gerichts beantworten wird, hängt entscheidend ab, ob es uns gelingt, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen.

Nachmittags Verlagsbesprechung. Es geht um die Präsentation und Bewerbung meiner Rechtsprechungssammlung „Verfahrensrügen im Strafprozess“, die ich in mehrjähriger Arbeit zusammengestellt habe.
Denn weitaus mehr noch als das BGB und seine faszinierende Struktur hatte mich schon immer die Frage interessiert, wie ernst der Staat die hehren Grundsätze der Menschenrechtskonvention und des Grundgesetzes nimmt, wenn es im Strafverfahren wirklich darauf ankommt.

Aus heutiger Sicht stelle ich fest, dass ich parallel zu meinem Interesse, wenn auch aus ganz anderen Gründen, den Aufbau meiner Strafverteidigerkanzlei betrieben habe. Von 1972 an habe ich Tag für Tag als Referendar in einer Zivilkanzlei gearbeitet, wurde dort alsbald nach meinem Zweiten Juristischen Staatsexamen Juniorsozius, um innerhalb dieser Zivilkanzlei mich auch Strafverfahren zu widmen. Erst seit 1980 bin ich (nahezu) ausschließlich Strafverteidiger. Zu verhandeln habe ich also im Umgang mit Ziviljuristen gelernt, ebenso wie den Gerichtsbetrieb als Parteivertreter.

Ich bin nicht undankbar für diese Schule. Zumindest ebenso wichtig ist jedoch der ökonomische Aspekt. Wie die Wirtschaftsprüfer und die Steuerberater leben die Zivilkanzleien von Dauermandanten, von Unternehmen und auch von Familien, die immer wieder dasselbe Anwaltsbüro aufsuchen, solange man dort nicht durch grobe Schnitzer oder missbräuchliche Behandlung für Vertrauens- und Mandatsentzug sorgt.

Wir Strafverteidiger haben die „guten“ Mandanten in der Regel nur einmal. Die Ärzte begehen, wenn überhaupt, nur einmal im Leben einen Kunstfehler, die Geschäftsleute und Unternehmer in der Regel nur einmal eine Untreue- oder Steuerstraftat. Und nur von denen, die als kleine, mittlere oder auch Gewaltkriminelle immer wieder auffällig werden, kann man sein Büro nicht finanzieren, geschweige denn leben.

Sicher, auch bei ihnen muss man einen vernünftigen Ruf haben, ebenso wie bei den Gerichten und den Staatsanwaltschaften, wirtschaftlich ganz entscheidend ist aber die Akzeptanz des Strafverteidigers bei den zivilrechtlich tätigen Kollegen. Sie müssen sicher sein, dass man den von ihnen empfohlenen Mandanten wirklich optimal verteidigt. Genauso sicher müssen sie wissen, dass man ihn nur in der empfohlenen Sache verteidigt und ihn mit allen übrigen Anliegen wieder in die Kanzlei zurückschickt, aus der man empfohlen wurde.

Donnerstag, 11. Dezember 2003

Haftprüfung gegen den Betreiber eines bordellartigen Betriebes, dem vorgeworfen wird, illegal in Deutschland lebenden Frauen die Ausübung der Prostitution ermöglicht und umfangreich Steuern hinterzogen zu haben. Die Entscheidung wird auf die nächste Woche vertagt.

Nachmittags Besprechungen, Strafmaßverteidigungen, eine Kleinstsache dabei: eine Studentin soll eine Nachbarin als „Schlampe“ bezeichnet haben.

Anschließend Weiterarbeit an dem Ablehnungsgesuch von Montag. Der abgelehnte Richter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft haben sich dienstlich geäußert. Dazu muss akribisch Stellung genommen werden. Man muss schon sehr detailliert belegen, dass ein Richter auch bei Anwendung vernünftiger Maßstäbe durch einen besonnen Angeklagten durch sein Verhalten den Anschein geweckt hat, er stehe der Sache des Angeklagten nicht unparteiisch gegenüber.

Freitag, 12. Dezember 2003

Besuch eines türkischen Mandanten in der JVA, der auf der Basis eines Geständnisses angeklagt ist, gemeinsam mit anderen eine Serie von bewaffneten Raubüberfällen auf Spielhallen begangen zu haben. Der Staatsanwalt hat beantragt, das Gericht möge die Angeklagten darauf hinweisen, dass auch Sicherheitsverwahrung in Betracht komme. Das Gericht hat die Begutachtung durch eine ganz hervorragende psychiatrische Sachverständige angeordnet. Dazu ist Stellung zu nehmen.

Nachmittags Presseanfragen wegen der Einstellung des Verfahrens im Kölner Parteispendenskandal und Vorbereitung einer Besprechung mit der Geschäftsführung eines Unternehmens der Abfallwirtschaft. „Müllskandal“ heißt das in den Zeitungen.

Auch der Umgang mit den Journalisten ist wesentlicher Teil der Strafverteidigertätigkeit. Den Mandanten gilt es, vor voreiligen Unschuldsbeteuerungen und Beschimpfungen der Justiz zu bewahren, und zugleich ist dafür zu sorgen, dass der Mandant in den Medien nicht vorverurteilt wird. Ein manchmal interessantes, aber immer ein Betätigungsfeld, das höchste Konzentration erfordert.

Samstag, 13. Dezember 2003

Frei.

Einen Tag brauche ich. Wenn es eben geht, dass ich ihn mir frei nehme. Es sei denn, der Telefon-Notdienst ruft. Gemeinsam unter anderem mit der jetzigen Justizministerin von Schleswig-Holstein, Frau Rechtsanwältin Anne Lütkes haben wir in Köln vor vielen, vielen Jahren die Gefangenenberatung für mittellose Gefangene eingerichtet – und eben den Notdienst.

Der wird von allen möglichen Personen in Anspruch genommen. Familienkrach, Nachbarschaftsärger, manchmal auch nur schlechte Laune im Suff. Aber immer mal wieder auch von solchen, die völlig ratlos sind, weil sie vorläufig festgenommen wurden. Dann heißt es, zu welcher Tages- und Nachtzeit auch immer, rein ins Auto, hin zum Polizeipräsidium, Erstberatung durchführen und dafür sorgen, dass der Mandant und seine Familie wissen, dass sie nicht ohne Beistand sind.

Wenn ich jetzt hoffe, dass mich am Wochenende der Notdienst nicht trifft, dann ist das geheuchelt, denn natürlich machen das seit langem in meiner Kanzlei die jüngeren Kollegen für den Chef mit und rufen mich nur dann an, wenn es wirklich brennt oder es sich wirklich lohnt.

Strafverteidiger sind Einzelanwälte, in aller Regel jedenfalls. Sie werden von den Mandanten und Kollegen wegen ihrer Persönlichkeit empfohlen und können an die nachstrebende jüngere Generation nur behutsam delegieren. Wenn mal eine junge Juristin oder ein junger Jurist sich dazu entschließt, in einer Strafverteidigerkanzlei Fuß fassen zu wollen, dann sollte man als Grundvoraussetzung das Interesse für die Konfliktsituationen mitbringen, die jedem strafrechtlichen Vorwurf innewohnen, sollte bereit sein, auch mit dem eigenen Mandanten den Kampf um die Wahrheit zu führen.

Man sollte die wirkliche Bereitschaft dazu mitbringen, in der ersten Zeit dem Praxissenior oder der Praxisseniorin zu assistieren und dabei zuzuschauen, wie sich Strafverteidigung im Einzelfall organisiert, wie der sachgerecht vernünftige Umgang mit den Mandanten, den Mitverteidigern, den Beamten der Polizei und der Steuerfahndung, den Staatsanwälten und den Richtern gesucht und gepflegt wird. Nicht, um irgendwann einmal zu versuchen, die große Lehrmeisterin oder den großen Lehrmeister abzukupfern, sondern um die eigene Persönlichkeit darauf zu prüfen, ob man das mit den eigenen Mitteln nicht genauso gut oder noch besser kann.

Der Einstieg ist schwer, weil wir Strafverteidiger es sehr scheuen, durch eine voreilige Zusage die finanzielle Verantwortung für das Berufsleben einer jungen Kollegin oder eines jungen Kollegen mit zu übernehmen. Wir werden uns an der vermuteten Einsatzbereitschaft, Verhandlungskompetenz, am juristischen Wissen, also doch wieder an der Note, aber ebenso daran orientieren, ob wir es der Bewerberin oder dem Bewerber zutrauen, auch in der eigenen Juristengeneration Mandanten zu akquirieren, und ob wir davon ausgehen können, dass mit dem Mandanten und mit denen, die die Mandanten geschickt haben, sachgemäß und sorgfältig umgegangen wird.

Sonntag, 14. Dezember 2003

Vorbereitung der letzten Woche vor Weihnachten und Besprechung des Entwurfs für die Sacheinlassung in der Brandstiftungssache.

Interview mit Alfred Biolek

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Jeder kennt ihn – aber nicht alle wissen, dass er als Jurist beim ZDF anfing, um dann doch der Karriere vor der Kamera den Vorzug zu geben: Dr. Alfred Biolek im Gespräch mit dem karriereführer. von Gabriele Roeder

Mit welcher Intention haben Sie seinerzeit das Fach Jura studiert?
Ich wollte ursprünglich die Rechtsanwaltspraxis meines Vaters übernehmen.

Welche „Berührungspunkte“ bestehen zwischen Ihrer heutigen Tätigkeit und Ihrer juristischen Ausbildung?
Es gibt eigentlich keine Berührungspunkte. Wobei ich sagen würde, dass Jura zu studieren eine Art Lebenserfahrung ist, weil man mit sehr vielen verschiedenen Aspekten konfrontiert wird, aus den Bereichen der Kriminalität über Erbschaftsfragen bis hin zu internationalen Angelegenheiten. Das Studienfach Jura ist sehr breit gestreut, sodass es einem natürlich sehr viel über das Leben vermittelt. Meine Arbeit heute hat ja ebenfalls mit dem Leben zu tun. In dieser Hinsicht gibt es eine Verbindung, aber die ist sehr indirekt.

Würden Sie sich selbst juristisch vertreten, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?
Nein, auf keinen Fall. Ich habe sehr schnell, etwa nach einem oder zwei Jahren, aufgehört juristisch zu arbeiten. Am Anfang war ich kurze Zeit in der Rechtsabteilung des ZDFs tätig und bin dann schnell ins Programm gekommen.
Ich fühle mich auch nicht als Jurist und kann somit schlecht sagen, ich bin Jurist. Ich habe mir auch ganz schnell klar gemacht, dass ich meine juristische Tätigkeit beende. Wenn ich heute eine juristische Beratung benötige, dann hole ich mir einen professionellen Ratgeber.

Wie kamen Sie als ZDF-Jurist zum Programm?
1963 wurde das ZDF gegründet und das Fernsehen steckte sozusagen noch in den Kinderschuhen. Es gab schon ein bisschen ARD und noch nicht einmal die dritten Programme. Und natürlich gab es noch nicht so viele Leute, dass man sie alle für das ZDF hätte abwerben können, um es aufzubauen. Es gab aber auch keine Fernsehakademien etc. Und das bedeutet, dass man natürlich allen Leuten, von denen man glaubte, dass sie ganz gut ins Team passen und ein bisschen talentiert sind, eine Chance gegeben hat. Das war sozusagen die Goldgräberzeit.
Die neuen Mitarbeiter wohnten alle in Mainz in Hotels und trafen sich abends im Restaurant zum Essen. Ich war dann auch da und habe sie unterhalten. Dies führte dazu, dass sie erkannt haben, dass ich offensichtlich noch ein anders Talent besitze. Dass ich im Fernsehprogramm gelandet bin hat wirklich mit dieser damaligen Zeit zu tun. Das gibt es heute so nicht mehr.

Welche beruflichen Chancen bietet nach Ihrer Ansicht die heutige Medienlandschaft für junge Juristen?
Alle Chancen – junge Juristen können sehr vielseitig sein. Wenn man das Jurastudium als eine Art Basis ansieht, dann kann man überall in die Medien. Es besteht die Möglichkeit, als reiner Jurist in die Medien zu gehen, als Verwaltungsdirektor eines Senders oder eben auch in den Bereich des Programms. Das Handwerkliche oder Fachliche müssen sie dann natürlich noch dazulernen.

Auf welche „Soft Skills“ legen Sie bei den Mitarbeitern und Kollegen wert?
Meine Mitarbeiter sollten angenehme, intelligente und bewegliche Leute sein, die Menschlich vor allem in Takt sind. Sie müssen positiv und freundlich sein und auf jeden Fall Humor besitzen. Im fachlichen Bereich sollten Sie schon viel wissen oder sehr schnell dazulernen.

Welchen „Rat fürs Leben“ möchten Sie der jungen Generation mit auf den Weg geben?
Jeder muss da seinen Weg finden, das Wichtigste ist, dass man sich nicht selbst verrät und aufgibt. Von Bedeutung ist ebenfalls, dass man nicht etwas tut, was man schlecht findet, nur weil man glaubt, andere erwarten es oder der Beruf verlangt es. Also mit sich selbst im Reinen sein, mit sich selbst eins sein und nur Sachen machen, zu denen man auch steht und die man auch verantworten kann, das halte ich für sehr entscheidend. Allerdings sind ja auch Intriganten schon Intendanten geworden. Mein persönlicher Rat ist, dass man sich selbst immer treu bleibt, aber ob das letztendlich immer zum Erfolg im Sinne von Karriere führt, das weiß ich nicht.

Was möchten Sie in Ihrem weiteren beruflichen Leben noch erreichen?
Nichts mehr. Ich möchte, dass das Erreichte jetzt nicht mehr in Frage gestellt wird. Dass ich jetzt keinen Fehler mehr begehe und auch keine Sendung mehr mache, die sozusagen das wieder relativiert, was ich bis jetzt erreicht habe. Beruflich muss ich nichts mehr erreichen.

Ihre persönliche Definition von Erfolg?
Der Erfolg besteht darin, dass man etwas erreicht hat – sowohl vom Ansehen, von der Befriedigung und vielleicht auch vom Einkommen her. Dass man etwas erreicht hat, mit Dingen, die man gerne macht und zu denen man stehen kann. Dass man von sich selbst sagen kann, ich habe Erfolg, aber dieser Erfolg ist nicht teuer erkauft – mit Verrat an sich selbst, zu viel Arbeit, sodass man kein Privatleben mehr hat. Dann ist es für mich kein Erfolg. Erfolg steht in einer vernünftigen Relation zu dem Preis, den man gezahlt hat, den intellektuellen, den psychologischen und den zeitlichen Preis. Ich habe immer auch Zeit gehabt für mein Leben. Es gibt nichts, was ich bedauere oder wo ich sagen würde, dass ich es anders machen würde, wenn ich von vorne anfangen würde. Das finde ich eigentlich einen sehr schönen Erfolg für mich selbst.

Was schätzen Sie an sich selbst, was halten Sie für verbesserungsfähig?
Das kann ich nicht beantworten, das sollen andere sagen.

Worauf möchten Sie mit 70 Jahren zurückblicken können?
Darauf, dass ich eben eine stetige und nicht sprunghafte oder explosionsartige Karriere gemacht habe. Auf diese Karriere möchte und kann ich auch wohl zurückblicken, wenn ich keine Fehler mehr mache. Ich will jetzt die nächsten Jahre, bis ich 70 bin, nicht mehr irgendeinen Quatsch machen. Ich bin also sehr, sehr vorsichtig mit dem, was ich jetzt mache. Um das Ansehen, das ich habe, nicht im Nachhinein zu gefährden. Es gibt im Fernsehen eine ganze Reihe von schlechten Beispielen, von Menschen, die hoch angesehen waren und phantastische Erfolge hatten und die dann einfach nicht aufhören, nicht loslassen konnten und dann Sachen gemacht haben, die ihrer unwürdig waren. Und das war dann sehr unerfreulich und eigentlich Schade. So ein schlechter Abgang!

Interview mit Terry von Bibra

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Er stammt aus einer deutschen Familie, wuchs in den USA auf und studierte Germanistik an der University of California in Santa Barbara, um Deutsch zu lernen. Seit 19 Jahren lebt und arbeitet Terry von Bibra in Deutschland. Im Januar 2005 wurde er zum Geschäftsführer von Yahoo Deutschland berufen. Im karriereführer informationstechnologie spricht er über den Vorteil, eine andere Perspektive einnehmen zu können und die Fähigkeit, die Sprache des Marktes zu sprechen. Er fordert Offenheit gegenüber Neuem. Meike Nachtwey stellte die Fragen.

Zur Person

Terry von Bibra, 42 Jahre, ist gebürtiger Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Er studierte Germanistik an der University of California in Santa Barbara und danach Werbe-Fotografie am Art Center College of Design in Pasadena, USA. Nach siebenjähriger erfolgreicher Selbstständigkeit als Werbefotograf entschied er sich bewusst für einen anderen Berufsweg.

Er absolvierte seinen MBA/MBI an der Rotterdam School of Management und stieg 1998 als European Head of Business Development bei Amazon ein. Seit 2005 ist Bibra Geschäftsführer von Yahoo Deutschland und Vice President Central Europe. Sein vorrangiges Ziel sieht er darin, Yahoo auch im Zeitalter des „Web 2.0“ und „Social Web“ als das führende Online-Portal in Deutschland zu positionieren.

Terry von Bibra, wohnt in München, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Sie haben zunächst Germanistik, anschließend Werbefotografie studiert – welches Berufsziel hatten Sie vor Augen, als Sie mit dem Studium anfingen?
Bei meinem ersten Studium der Germanistik in den USA hatte ich noch keine feste Vorstellung von meinem späteren Beruf. In den USA legt man sich klassischerweise vor dem Studium noch nicht auf einen Beruf fest, sondern studiert das,was einen interessiert. Mein Interesse war breit gefächert, daher habe ich ein Studium gewählt, das einen praktischen Zusatznutzen beinhaltet: Ich habe Deutsch gelernt. Mein zweites Studium war dann sehr auf den zukünftigen Beruf ausgerichtet, ich wollte professioneller Werbefotograf werden.

Wie kamen Sie nach sieben Jahren erfolgreicher Selbstständigkeit als Werbefotograf zur IT?
Als Werbefotograf konnte ich nicht so kreativ arbeiten, wie ich es mir vorgestellt hatte, da ich nur die Vorgaben der Agenturen umsetzen musste. Das bedeutet, ich befand mich am Ende der Wertschöpfungskette. Ich wollte aber höher in die Wertschöpfungskette – ins Marketing. So habe ich mich bewusst für einen Berufswechsel entschieden und zusätzlich ein Master-of- Business-Administration-/Master-of- Business-Informatik-Studium absolviert. Durch dieses Zusatzstudium bin ich zwar kein richtiger Informatiker geworden, habe aber umfassende Einblicke in den IT-Bereich bekommen. Zudem bekam ich die Möglichkeit, meinen ersten Kontakt zum IT-Unternehmen Amazon zu knüpfen.

Sie kommen ursprünglich aus dem kreativen Bereich – wie technikaffin sind Sie?
Durch meine mittlerweile lange praktische Erfahrung bin ich sehr technikaffin, ich liebe die Technik. Ich muss aber nicht bis in alle Einzelheiten verstehen, wie die Technik funktioniert. Mich interessiert, wie die Technik mir hilft, das zu erreichen, was ich will. Ich bin begeistert, wenn ein IT-Ingenieur etwas schafft, das mich als User unterstützt und mir hilft. Im Unternehmen bin ich der oberste Prüfer,was die Usability angeht. Ich schaue mit den Augen des Users auf unsere Produkte, nicht mit denen des Software-Ingenieurs.

Ist das ein Vorteil, den Quereinsteiger wie Sie in ein IT-Unternehmen mitbringen?
Quereinsteiger sind generell offener für den Usability-Aspekt und haben grundsätzlich mehr Verständnis für die „Nicht- Experten“, da sie selbst nicht unbedingt Experten sind. Und Quereinsteiger bringen frischen Wind und frische Ideen mit. Es ist immer ein Vorteil, wenn man eine andere Perspektive einnehmen kann.

Heute sind Sie Geschäftsführer von Yahoo Deutschland – welche Aufgaben nehmen Sie wahr?
Ich bin verantwortlich für drei Bereiche: Zum einen muss ich rechtliche Pflichten und Verantwortungen wahrnehmen und gewährleisten. Zum zweiten habe ich die wirtschaftliche Verantwortung, Umsatzziele zu erreichen. Hierzu gehören auch strategische Überlegungen, wie Yahoo sich für die Zukunft aufstellen soll, um noch größeren wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Der dritte Bereich ist die menschliche Verantwortung. Ich muss die Menschen in meinem Unternehmen in die Lage versetzen, Erfolg zu haben. Die letzte ist für mich persönlich die angenehmste und wichtigste Verantwortung.

Wie definieren Sie Erfolg?
Erfolg ist, wenn ich mir etwas vornehme und mein Ziel auch erreiche. Wenn ich mir nichts vornehme, kann ich auch keinen Erfolg haben.

Was raten Sie Hochschulabsolventen bei ihrer Karriereplanung?
Hochschulabsolventen sollten überlegen, wo sie ihren ersten Job finden und wo sie sich einsetzen wollen. Dabei sollten sie nicht davon ausgehen, dass sie zehn Jahre oder länger bei dem ersten Unternehmen bleiben. Das ist heute nicht mehr die Realität. Deshalb sollte sich jeder Absolvent Ziele setzen, sich einen für ihn spannenden Sektor aussuchen, aber er sollte sich im Klaren darüber sein, dass er sich nicht fürs Leben festlegt und nach fünf Jahren wohl nicht mehr in dem gleichen Job, bei dem gleichen Unternehmen sein wird.
Deshalb ist auch die persönliche Entwicklungsmöglichkeit im ersten Job wichtiger als der Sektor, die Branche, in der der erste Job angestrebt wird. Der erste Job bietet mit Sicherheit jede Menge Karrierechancen, aber das tut jeder weitere auch. Man sollte sich also nur darauf festlegen, was man als Einstieg machen möchte, und dann sollte man sich Ziele setzen. Dabei sollte man aber immer offen für das Neue bleiben.

Welche Qualifikationen muss ein Informatiker mitbringen, wenn er Karriere machen will?
Informatiker dürfen nicht im Elfenbeinturm sitzen. Sie müssen – ich nenne es mal – die geforderten Sprachen sprechen. Sowohl die des Entwicklers als auch die des Users und die des Marketings. Ansonsten können sie weder im Team funktionieren, noch können sie die Nutzerbedürfnisse erkennen. Informatiker, die ihre Sprache beherrschen wie ein Instrument und das dann auf die Bedürfnisse des Marktes umsetzen können, werden weit über ihre Kollegen herausragen. Sie werden nicht mehr selbst entwickeln, sondern Entwicklungsteams leiten und Entwicklungen der Zukunft mitverantworten und vorantreiben. Jemand, der diese Fähigkeit hat, die Sprachen der anderen zu verstehen und für sein Team zu übersetzen, wird in Zukunft sehr gefragt sein, da er zwei Welten zusammenbringt.

Warum sollten sich Informatiker bei Yahoo bewerben?
Erstens: Wir sind eines der führenden IT-Unternehmen der Welt, das das Internet, so wie wir es heute kennen, von Anfang an mitgestaltet hat und natürlich auch kontinuierlich in das Internet der Zukunft investiert. Zweitens: Yahoo formiert sich gerade strategisch um und braucht viele Software-Ingenieure. Drittens: Bei uns finden Informatiker spannende Herausforderungen: Sie können die Zukunft mitgestalten.

Sie arbeiten von früh bis spät – wie entspannen Sie sich?
Ja, ab und zu entspanne ich mich sogar (lacht). In letzter Zeit spiele ich sehr viel Golf mit meinem 14-jährigen Sohn. Das macht mir Riesen-Spaß. Jetzt im Winter wird es mir fehlen. Ansonsten entspanne ich am Wochenende mit meiner Familie oder ich fahre Mountainbike an der Isar. Ich gehe am Wochenende sehr gerne spazieren, weg von den ganzen E-Mails, das macht den Kopf frei.

Yahoo Deutschland

Was 1994 als Hobby der beiden Stanford- Studenten Jerry Yang und David Filo in einem Wohnwagen begann, entwickelte sich zu einer Erfolgsgeschichte des Internets: Yahoo.

Heute ist das Unternehmen mit Hauptsitz im amerikanischen Sunnyvale die weltweit erfolgreichste Internetmarke. Yahoo gibt es in mehr als 25 Ländern und 13 Sprachen. Es bietet seinen Nutzern über 40 Produkte und vielfältige Dienste, wie zum Beispiel Reisen, Shopping, Dating oder Yahoo Go.

Durch Partnerschaften mit anderen Content-Providern liefert Yahoo zudem Inhalte und Medienprogramme in Bereichen des Entertainment und der Informationen, wie beispielsweise Nachrichten oder Finanzen.

Im Geschäftsjahr 2006 erzielte das Unternehmen weltweit einen Umsatz in Höhe von rund 6,43 Milliarden US-Dollar und beschäftigte circa 12.000 Mitarbeiter, davon über 200 in Deutschland.

Interview mit Günther Beyer

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Top-Manager lernen anders. Hohe Anforderungen, wenig Zeit – Weiterbildungsangebote für die oberste Führungsriege müssen massgeschneidert sein. Sabine Olschner sprach mit Managementtrainer Günther Beyer über die Besonderheiten von lernenden Managern und die Suche nach dem Bauchgefühl.

Zur Person

Günther Beyer ist Gründer und Leiter der Beyer-Seminare GmbH sowie des Instituts für Creatives Lernen GmbH. Er studierte Mathematik, Physik und Psychologie mit dem Schwerpunkt Lernpsychologie. Als Autor hat er 25 Management-Bücher verfasst, als Gast und Moderator war er in über 20 Fernsehsendungen. Beyer trainiert und coacht Führungskräfte vom Teamleiter über den Geschäftsführer bis zum Inhaber und Vorstandsmitglied.

Was wollen Top-Manager, die es schon ganz nach oben geschafft haben, eigentlich noch lernen?
Im Moment gibt es einen Trend: Führungskräfte auf höchster Ebene wollen „Waffen“ an die Hand bekommen, um in ihrer Position noch stärker zu werden. In den Top-Management-Etagen weht ein rauer Wind, der einen schnell fortblasen kann: Medien stürzen sich auf Vorstände und Geschäftsführer, und diese suchen Instrumente, mit denen sie sich besser präsentieren können. Wenn es in Verhandlungen und Gesprächen ums Ganze geht, wollen sie „Waffen“, mit denen sie ihre Gegner leichter besiegen können. Sehr beliebt ist derzeit ein Seminar, wo es um „Dirty Tricks“ und Fallen geht, denen man im Job begegnet – und wie man professionell kontern kann, um Schaden abzuwenden.

Gibt es weitere Seminarthemen, für die sich Top-Manager interessieren?
Manager buchen oft Angebote zu stressabbauenden Techniken. Denn sie stehen in ihrem Job permanent unter hohem Druck. Als Alternative gehen sie häufig direkt in Wellness-Hotels mit Einzelbetreuung. Allerdings nicht, um zu lernen, wie sie kürzertreten können – sondern um noch stärker für ihre Position zu werden.

Bei all dem Stress, den sie haben: Finden Top-Manager tatsächlich die Zeit, sich in Seminaren mit Gleichgesinnten zusammenzusetzen?
In Seminaren, in denen es um die Entwicklung der Persönlichkeit geht, finden Sie kaum Top-Manager. Sie wollen vor einer Gruppe nicht ihr Persönlichkeitsprofil preisgeben und zeigen, wo sie nachbessern müssen. Für diese Themen nehmen sie sich lieber einen Coach oder einen Berater. Geht es darum, fachliche Problemstellungen zu erörtern, wählen sie offene Seminare, wo sie niemand kennt. Dort können sie sich über ihr Problem austauschen, ohne dass der Vorstandskollege etwas darüber erfährt. Interessant ist auch, dass der Manager das Institut, das er für sein Seminar gewählt hat, selten für seine Mitarbeiter wählen würde. Denn diese könnten ja herausfinden, wo es dem Chef an Stärken mangelt. Geht es um Anregungen für Strategien, Zukunftstrends oder Analysetools, wählen Top-Manager häufig Tagungen und Vortragsveranstaltungen und weniger die Seminarform.

Sind Top-Manager überhaupt offen für neue Anregungen, die sie in Seminaren bekommen?
Meine Beobachtung: Sie sind weniger offen als Teilnehmer aus mittleren und unteren Managementebenen. Top-Manager bestimmen ihr Leben selbst und haben gewisse Ansichten von Vornherein für sich festgelegt. Sie lassen sich – in Form von Vorschlägen – kaum reinreden, sondern wissen meist schon vor dem Seminar, was sie daraus mitnehmen wollen. Aus diesem Grund wählen sie oft lieber einen Berater: Man lässt sich die Dinge, die der Berater gesagt hat, durch den Kopf gehen und wählt dann aus, was zur eigenen Strategie passt.

Wo lernen Top-Manager, neue Ideen für bahnbrechende Innovationen und einzigartige Produkte zu generieren?
Es gibt eine ganze Reihe von Kreativitätstechniken, mit denen man sehr schnell auf neue Ideen kommt. Zum Teil werden mit dieser Hilfe neue Strategien in den oberen Managementetagen generiert. Die Umsetzung geschieht dann jedoch auf anderen Ebenen des Unternehmens.

Gibt es eine Möglichkeit, Trendgespür zu erlernen?
Auch hierzu engagieren Top-Manager häufig Berater, oder sie abonnieren Trendzeitschriften, die sie selber lesen oder lesen lassen. Eine Möglichkeit, Trendgespür zu lernen, ist etwa, den Kunden als Innovator zu nutzen oder die eigene Blickrichtung gezielt zu verändern. Oder man lernt, Szenarien zu entwerfen: Was würde es für meine Firma in den nächsten zwei Jahren bedeuten, wenn ich eine bestimmte Maßnahme umsetze? Wie lassen sich die Risiken minimieren und die Chancen optimieren? Viele Top-Manager haben aber hierfür schon aus Erfahrung ein gutes Gefühl.

Bauchgefühl versus Kopfentscheidung – kann man lernen, was richtig ist?
Meine Beobachtung: In den obersten Chef-Etagen entscheiden die meisten eher mit dem Kopf. Wir empfehlen: Wer ein starker Kopfmensch ist, sollte, um das Bauchgefühl hinzuzuziehen, auch mit seiner Ehefrau über berufliche Herausforderungen reden. Denn Frauen können in der Regel sehr gut auf ihren Bauch hören. Wer als Kopflastiger selber sein Bauchgefühl trainieren will – und das ist durchaus möglich –, muss allerdings oft einen sehr weiten Weg gehen. Denn wer nur Zahlen und Fakten zulässt, für den ist die Welt schon stimmig und er kommt gar nicht auf den Gedanken, dass er auch mal nach dem Gefühl gehen könnte. Ein Mix aus Kopf und Bauch ist oft die beste Entscheidung.

Top-Manager haben meist eine starke Persönlichkeit. Inwieweit kann man diese erlernen?
Jeder kann entsprechend seiner Veranlagung mehr oder weniger viel erreichen. Hat jemand schon von Natur aus eine starke Persönlichkeit, wird er mit ausgesuchten Trainingsmethoden natürlich weiterkommen als ein anderer, der mit einer schwachen Persönlichkeit an den Start geht. Es gibt verschiedene wirksame Methoden, die helfen können, wie etwa Workshops zur Körpersprache oder zur Rhetorik. Auch mentales Training und Tipps zum Outfit können eine Person innerlich stärken und die Persönlichkeit immer mehr aufbauen.

Wer fragt solche Persönlichkeitsseminare nach?
Eher Personen aus der mittleren und unteren Managementebene. Top-Manager haben bereits eine starke Persönlichkeit, sonst würden sie dem Druck dort oben nicht standhalten können.

Zusammengefasst: Kann man lernen, ein guter Top-Manager zu sein?
Man kann sich ein gutes Stück in die Richtung Top-Manager entwickeln, indem man systematisch und konsequent eine ganze Reihe von passenden Trainings durchläuft. Eins ist allerdings klar: Niemand wird Top-Manager werden, wenn er nicht eine gewisse Grundbegabung besitzt. Aber jeder kann seine Fähigkeiten, die er in diesem Moment hat, außerordentlich ausbauen. Und es gibt viele gute und clevere Methoden, die helfen, weit nach vorn zu kommen.

Interview mit Thomas Berlemann

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128 Millionen Kunden – um diese Zahl werden den Telekom-Manager Thomas Berlemann viele beneiden. Ein Gespräch mit dem Verantwortlichen für Vertrieb und Service bei T-Mobile über die Kunst, bei dieser Zahl nicht den Überblick zu verlieren, und die Vorteile, bei der Telekom im Vertrieb zu arbeiten. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Thomas Berlemann (Jahrgang 1963) ist seit September 2003 Geschäftsführer Kundenservice für T-Mobile Deutschland und hat zum 1. Mai 2009 zusätzlich die Verantwortung für den Vertrieb übernommen. Seit Januar 2007 ist er außerdem als Bereichsvorstand T-Home und als Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutsche Telekom Kundenservice GmbH für den Kundenservice der Deutschen Telekom verantwortlich.

Berlemann war nach seinem Studium an der Wirtschaftsakademie der Mannesmann AG von 1990 bis 1992 als Vorstandsassistent in dem Düsseldorfer Konzern tätig. Seine berufliche Laufbahn setzte er beim Otto Versand fort, zunächst als Projektleiter Vertrieb, später als Leiter des Kundencenters Berlin.1997 wechselte er zu AOL Europe; 2003 ging Thomas Berlemann zu T-Mobile Deutschland.

Herr Berlemann, können Sie sich noch erinnern, wie Ihre Stimmung am 21.04.2009 war?
Da müssen Sie mir bitte helfen, den 21.04. einzuordnen.

Stichwort: Netzausfall bei T-Mobile.
Uns ging es an diesem Tag um zwei Dinge: erstens die Kunden möglichst gut zu informieren und zweitens den Grund des Ausfalls möglichst schnell zu beheben.

Haben Sie keine Angst, so ein Netzausfall könnte sich wiederholen?
Wir werden seit nunmehr zehn Jahren für das beste Mobilfunknetz der Branche gelobt. Das war der erste Ausfall dieser Art. Wir haben daraus gelernt. Wir haben keine Angst, dass so ein Ausfall häufiger passieren kann.

Wer heute Menschen in der Öffentlichkeit beobachtet, sieht kaum noch jemanden, der nicht mit einem Handy unterwegs ist. Würden Sie sagen, der Markt ist gesättigt?
Nein, in keiner Weise. Wenn wir in andere europäische Länder schauen, stellen wir fest, dass wir noch Luft nach oben haben. In anderen Ländern wird deutlich mehr mobil telefoniert. Beim Datengeschäft, also mobiles Internet über Handys oder Laptops, haben wir Wachstumsraten, um die uns andere Geschäftsfelder beneiden. Der Markt ist also ganz bestimmt nicht gesättigt. Kommunikation mit Sprache und Daten ist weiterhin ein Wachstumsgeschäft. Wir haben gerade aus vertrieblicher Sicht gute Chancen, an diesem Wachstum zu partizipieren. Und wir treiben die Entwicklung voran, weil wir weiterhin in Produkte und Netzqualität investieren.

Die Telekom ist ein riesiges Unternehmen mit einer enormen Bandbreite an Kunden. Da gibt es die Experten, die bei jeder Neuerung dabei sind, aber auch die konservativen Kunden, die eigentlich nur wollen, dass ihr Telefon funktioniert. Wie schwierig ist es, beim Thema Vertrieb und Kundenservice da den Spagat hinzubekommen?
Das ist gar nicht schwer, weil wir im Privatkundenmarkt unsere Zielgruppen sehr genau definiert haben. Wir wissen, welche Produkte in welchem Kundensegment gefragt sind. Wir wissen, wie wir sie ansprechen und wie die Preise gestaltet sein müssen. Und wir wissen auch, wie diese Kunden letztlich unsere Produkte nutzen. Weil wir das verstanden haben, sind wir sehr gut darin, unseren Kunden entsprechend ihrer Vorstellung passende Produkte anzubieten.

Wie gelingt es Ihnen, Ihre Kunden so genau zu verstehen?
Ganz einfach: Wir haben sie gefragt. Kunden verschiedener Altersklassen und sozial-demografischer Kriterien. Das ist klassische Marktforschung mit dem Ziel zu verstehen, was die Menschen von ihrem Telekommunikationsanbieter eigentlich erwarten: Was für Produkte?, Was für Preise?, Was für eine Ansprache? Dieses Wissen haben wir uns hart erarbeitet und profitieren nun davon.

Klingt, als würden Sie es in vertrieblicher Hinsicht durchaus genießen, in einem so großen Unternehmen wie der Telekom zu arbeiten, das sich so eine intensive Marktforschung leisten kann.
Es ist natürlich schön, wenn man über Möglichkeiten verfügt, die einem helfen, erfolgreich am Markt agieren zu können. Wenn das Unternehmen in die Intelligenz investiert, die man benötigt, um erfolgreich Vertrieb machen zu können. Denn daraus entsteht aus meiner Sicht langfristiger Erfolg – auch in einer sich so rasant entwickelnden Branche wie der Telekommunikation.

Wie entgeht man der Gefahr, dass sich bei einem so großen Konzern aus dem vielen Wissen und der angesammelten Intelligenz eine Art von Selbstherrlichkeit entwickelt?
In dem wir mit den Kunden sprechen und sie fragen: „Wie zufrieden sind Sie mit dem, was wir machen?“ Wir haben dafür ein sehr dezidiertes System verankert, mit dem wir unsere Annahmen validieren. Sprich: Kommt das, was wir wollen, auch tatsächlich beim Kunden an? An der Kundenzufriedenheit justieren wir dann im nächsten Schritt die gesamte Produktentwicklung sowie Fragen des Vertriebs und des Service.

Sie sind seit Anfang der 90er-Jahre im Vertrieb von großen Unternehmen tätig. Wie hat sich das Berufsfeld seitdem geändert, was ist heute komplett anders als damals?
Die Kunden wissen heute mehr. Sie sind besser über Angebote und Preise informiert, sie verfügen auch über viel mehr Vertriebskanäle.

Ist der über alles informierte Kunde für Ihre Arbeit im Vertrieb ein Vor oder Nachteil?
Weder noch. Wir denken nach vorne und wollen uns von unseren Mitbewerbern differenzieren. Es ist eine spannende Herausforderung, die gut informierten Kunden von unserem Angebot zu überzeugen. Wir wollen ja nicht die Billigsten sein, sondern das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Das ist unser Ziel. Aufgabe des Vertriebs ist es, immer wieder zu prüfen, ob wir auf einem guten Weg zu diesem Ziel sind. Ob unsere Produkte mit Blick auf dieses Ziel in Ordnung sind.

Es heißt oft, Jobs im Vertrieb eines Unternehmens zählten nicht zu den begehrtesten …
… was bei der Telekom so nicht stimmt. Eine Umfrage hat gerade jetzt wieder gezeigt, dass bei uns die Zufriedenheit der Mitarbeiter im Vertrieb am höchsten ist. Im Vertrieb wird das Geld für die Firma verdient. Und analog dazu kann man im Vertrieb auch selber gutes Geld verdienen.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, an einer Universität als Dozent eine Einzelveranstaltung für den Bereich Vertrieb anbieten zu können, welches Thema würden Sie dafür wählen?
Ich würde versuchen, den Studierenden die vertriebliche Praxis näherzubringen, um die Lücke zwischen Theorie und Praxis möglichst klein zu halten. Es ist in meinen Augen wichtig, dass die Absolventen eine gute Vorstellung davon haben, was im beruflichen Alltag von ihnen erwartet wird und wie man sich in dem Umfeld, das einen erwartet, bewegen muss. Kurz: Zeigen was man können muss, um erfolgreich zu sein.

Zum Unternehmen

Die Deutsche Telekom AG ist weltweit eines der führenden Dienstleistungs- Unternehmen der Telekommunikations- und Informationstechnologie-Branche. Als international ausgerichteter Konzern ist die Telekom in rund 50 Ländern vertreten. Mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes wird außerhalb Deutschlands erwirtschaftet. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Bonn rund 260.000 Mitarbeiter (Stand Juni 2009).

Die Deutsche Telekom hat ihr Geschäft in drei Marken aufgeteilt. Dabei steht die Marke T-Home für Produkte für Zuhause, T-Mobile für mobile Dienstleistungen und Produkte für unterwegs – mit insgesamt 128 Millionen Kunden in Deutschland und den USA. Unter der Marke T-Systems bietet der Konzern weltweit Angebote für Großunternehmen an.

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Interview mit Roland Berger

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Sein Name steht für eines der großen, weltweit tätigen Consultingunternehmen. Einer breiten Öffentlichkeit ist Roland Berger durch viele Interviews bekannt geworden, in denen er Reformen für die deutsche Wirtschaft und Politik anmahnt. Im karriereführer kommt er auf die Grundsätze der Berater-Profession zu sprechen.
Von Martin Rath.

Der Begriff „Consulting“ wird in der Öffentlichkeit oft recht beliebig gebraucht. Wie würden Sie ihn näher bestimmen?
Consulting, oder zu deutsch Beratung, bedeutet zunächst, die Probleme des auftraggebenden Unternehmens, die in dem speziellen Projekt gelöst werden sollen, exakt zu definieren. Dazu werden die relevanten Fakten quantifiziert, womöglich qualifiziert und schließlich priorisiert, um daraus Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Berater und Klienten arbeiten dabei eng zusammen. Die meisten Unternehmen wünschen außerdem, dass der Berater sie bei der Umsetzung der Empfehlungen unterstützt – vorausgesetzt, das Management hat sich für eine Lösung entschieden.

Wo verbietet es sich Ihrer Meinung nach, Beratung zu offerieren – in der Wirtschaft und im Privaten?
Grundsätzlich verbietet es sich dort, wo die legalen und ethischen Grenzen für wirtschaftliches, privates oder gesellschaftliches Handeln überschritten werden. Weder unser Unternehmen noch ich persönlich würden beispielsweise eine Partei beraten, die nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht und unsere gesellschaftlichen Wertestrukturen verteidigt.

Welche Charaktereigenschaften sollte ein Berater haben, die über die normalen „Soft Skills“ hinausgehen?
Ein Berater muss analytisch denken können und gleichzeitig kreativ sein. Er sollte sich mit den Problemen des Kunden identifizieren können. Er muss fleißig sein und notfalls bereit, lange Arbeitstage in Kauf zu nehmen. Berater müssen vor allem Unabhängigkeit und Integrität beweisen, denn von ihnen wird ja verlangt, objektiven Rat zu erteilen und dabei keine eigenen politischen, wirtschaftlichen oder Karriere-Interessen zu verfolgen. Das sind aus meiner Sicht die wesentlichen Anforderungen an die Persönlichkeit eines Beraters.

Haben Consultants etwas mit Hofnarren gemein, die das aussprechen, was der König oder der Kunde sich im eigenen Haus nicht erlauben kann?
Das mag in Ausnahmefällen vorkommen, aber ich habe es in meiner Laufbahn noch nicht erlebt: Welches Unternehmen würde schon Geld dafür ausgeben, um Ergebnisse ans Licht zu bringen, die ohnehin bekannt sind?

Hätte heute ein BWL-Student die Chance, in ein großes internationales Beratungsunternehmen einzusteigen, wenn er während des Studiums eine Wäscherei betrieben hat?
Unternehmerische Erfahrung schadet sicher keinem Bewerber, wenn auch alle anderen Qualifikationen stimmen. Während des Studiums und vor meinen Lehrjahren in einer internationalen Consulting-Gesellschaft habe ich, wie von Ihnen angesprochen, erfolgreich eine eigene Wäscherei betrieben. Und unternehmerischer Elan ist auch heute noch ein wesentliches Momentum in der Kultur von Roland Berger Strategy Consultants, worauf wir stolz sind.

Was sind die Todsünden, die Bewerber auf dem Weg in ein Beratungsunternehmen immer noch machen?
Erstens: Sich nicht genügend informiert zu haben über das Unternehmen, bei dem man sich bewirbt, und den Beruf, den man anstrebt.
Zweitens: Sich nicht auf die Fragen vorbereitet zu haben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gestellt werden, weil sie sich aus den beruflichen Anforderungen ergeben.
Drittens: Arrogantes Auftreten. Mehr Schein als Sein zu bieten.
Viertens: Den eigenen Marktwert zu überschätzen und es grundsätzlich an realistischer Selbsteinschätzung fehlen zu lassen.
Fünftens: Nicht offen im Gespräch zu sein und Dinge vorzuspiegeln, die nicht haltbar sind.

Wenn Sie sich für Ihr Unternehmen heute ein neues Recruitment-Tool einfallen lassen müssten, um beispielsweise Assessment Center abzulösen, wie könnte das Tool aussehen?
Wir setzen durchaus auf Bewährtes. Assessment Center eignen sich, weil sie Situationen simulieren, mit denen der Bewerber auch in seinem künftigen Beruf konfrontiert wird. Wichtig ist uns außerdem, dem Kandidaten Gespräche mit Kollegen unterschiedlicher Unternehmensbereiche zu ermöglichen, damit er unsere Kultur kennen lernen und prüfen kann, ob er zu uns passt.

Eine Frage, die ich gerne Menschen stelle, die in ihrem Beruf viele Pflichtlektüren haben: Was lesen Sie, wenn Sie es beruflich nicht lesen müssen?
Ich lese viel über Politik und Geschichte, außerdem Biografien. Aber auch Belletristik.

Was halten Sie von populärer Managementliteratur?
Meist nicht sehr viel. Die Welt ist zu komplex, als dass die simplen Ratschläge, die in populärer Managementliteratur vermittelt werden, helfen könnten. Interessant sind Autoren, die grundlegend neue Ansätze entwickelt haben, wie zum Beispiel Peter Drucker, oder die selbst erfolgreich ein Unternehmen gemanagt haben, wie Jack Welch von General Electrics, und die dann vor einem autobiografischen Hintergrund schreiben. Aber sie zählen eher zu den Ausnahmen.

Was ist leichter: zu entscheiden oder zuberaten?
Das widerspricht sich nicht, denn für jeden Rat, den ich gebe, muss ich mich ja vorher entschieden haben. Schon allein, um ihn gegenüber dem Klienten glaubhaft vertreten zu können. Deshalb müssen Empfehlungen möglichst eindeutig formuliert sein. Ob sie am Ende umgesetzt werden, darüber entscheidet natürlich der Klient.

Nachgehakt

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Beruf weit ab von der Wirtschaftsberatung, welcher wäre das?
Entweder Architekt, weil man viel gestalten kann, oder Dirigent, weil es eine sehr kreative Tätigkeit ist.

Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Ich möchte etwas bewegen und zum Fortschritt der Gesellschaft beitragen.

Welche Eigenschaften schätzen Sie?
Ehrlichkeit, Kompetenz, Loyalität und Fleiß.

Was ist Ihr größter Vorzug?
Offenheit und Verlässlichkeit.

Was ist Ihnen sehr unangenehm?
Menschen, die lügen oder sich illoyal verhalten.

Was dulden Sie auf keinen Fall?
Mangelnde Kompetenz, Bequemlichkeit zu Lasten Dritter und Fehler, die wider besseres Wissen wiederholt werden.

Was entschuldigen Sie sofort?
Kleinigkeiten und gelegentliche Unzulänglichkeiten.

Gibt es etwas, was Sie unter allen Umständen auf eine Reise mitnehmen würden?
Natürlich immer einige Bücher.

Wo ist Ihre Grenze, zum Beispiel im Sport?
Ich bin – Gott sei Dank – auch heute noch sehr belastbar.

Was war Ihr größter Flop?
Einen bedeutenden Flop gab es glücklicherweise nicht.

Was möchten Sie in fünf Jahren tun?
Nichts wesentlich anderes als heute.

Haben Sie ein Motto?
Alle Dinge sofort erledigen. Und Aufgaben optimistisch angehen, frei nach Theodor Heuß, der sagte: Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist.

Interview mit Dirk Berensmann

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Die Fachzeitschrift „Computerwoche“ zeichnete ihn im Dezember 2004 zum „IT-Executive des Jahres“ aus: Dirk Berensmann. Besonders beeindruckt zeigte sich die Jury davon, dass es dem Chief information officer (CIO) der Deutschen Postbank AG nicht nur gelungen war, durch die Einführung von SAP die Zahl der kontobezogenen Geschäftsprozesse im Kreditinstitut von 120 auf 35 zu reduzieren, sondern sich damit auch als Outsourcing-Dienstleister in der deutschen Bankenlandschaft zu etablieren. Von Martin Rath

Zur Person

Dirk Berensmann wurde 1963 im sächsischen Penig geboren und schloss seine Ausbildung zum Diplom-Mathematiker 1987 an der Technischen Universität Karl-Marx-Stadt ab.1999 wurde er in den Vorstand der Postbank Systems AG, 2002 in den der Deutschen Postbank AG gewählt. Er ist zuständig für die Bereiche IT und Operations.

Herr Berensmann, der Begriff „Outsourcing“, die Verlagerung von Geschäftsprozessen auf externe Dienstleister, ist eher BWLern vertraut – wie würden Sie ihn einem IT-Absolventen näher bringen?
Dazu würde ich etwas relativ Einfaches tun: Ich würde ihn an die Hand nehmen und mit ihm gemeinsam ein modernes Automobilwerk besichtigen. So wie dort die Produktion geschieht, mit einem Plattformkonzept, bei dem ganze Komponenten angeliefert und just in time zusammengebaut werden – darin besteht das Prinzip „Outsourcing“. Allerdings ist es in der IT schwieriger umzusetzen, weil die Automobilhersteller mit physischen Dingen arbeiten. Die Stoßdämpfer, die Dieseleinspritzpumpe kann ich sehen und anfassen. Dagegen hat es die IT mit unsichtbaren Komponenten, der Software, zu tun. Darum ist hier das Outsourcing komplizierter als in anderen Branchen, die dieses Konzept oft schon weitgehend umgesetzt haben.

Um an solchen Prozessen teilnehmen zu können: Was sollten IT-Absolventen an wirtschaftlichen Kenntnissen mitbringen?
Sie müssen für jede ihrer technischen Entscheidungen einen Business-Case rechnen Fotos: Deutsche Postbank AG nn können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger muss jeder Techniker an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen haben. Wenn IT-Mitarbeiter in der Lage sind, die wirtschaftlichen Konsequenzen ihrer Entscheidung richtig zu beurteilen, bin ich zufrieden.

Wie kommt man zu den notwendigen Kenntnissen?
Es ist sicher eine Anforderung an die Hochschulen, eine entsprechende Ausbildung gezielt anzubieten. Denn es ist durchaus kompliziert, einen Geschäftsplan für technische Entscheidungen zu rechnen. Den Studenten Methoden und Konzepte an die Hand zu geben, um beispielsweise die wirtschaftlichen Folgen einer Entscheidung zwischen MS-Produkten oder Linux-Einsatz in einem Business-Case durchzuspielen, könnte die Wissenschaft noch stärker als heute aufgreifen.

Was dominiert denn in Ihrer täglichen Arbeit inzwischen, das naturwissenschaftlich- technische oder das betriebswirtschaftliche Wissen?
Weder noch, sondern etwas, das Sie für beide Seiten benötigen: logisches Denken. Einer meiner Professoren sagte einmal: „Ein Mathematiker ist in der Wirtschaft eigentlich zu nichts zu gebrauchen, aber man kann ihn überall einsetzen.“ Wenn ein Mathematiker vor einem Problem steht, fragt er sich zuerst: „Gibt es für dieses Problem überhaupt eine Lösung?“ Seine zweite Frage: „Ist die Lösung eindeutig oder gibt es mehrere verschiedene Lösungen?“ Der nicht in diesem logischen Denken ausgebildete Mensch dagegen sieht ein Problem und meint, gleich eine Lösung finden zu müssen. Dabei ist ihm nicht bewusst, dass er in einigen Fällen erst einmal die Rahmenbedingungen ändern müsste, damit ein Problem überhaupt lösbar wird. In meiner Position ist es extrem hilfreich, diese logische Herangehensweise zu beherrschen, weil man so Entscheidungen schneller und besser treffen kann.

Woran arbeiten Sie gerade?
Ich „rippe“ derzeit meine private CDSammlung. Das sind mehrere tausend Platten, und ich bin schon beim Buchstaben „C“ angekommen. (Lacht.) Von bankinternen Projekten kann ich Ihnen natürlich nichts berichten.

Sie haben zu DDR-Zeiten an der Technischen Universität von Chemnitz studiert, als es noch Karl-Marx-Stadt hieß. Später arbeiteten Sie für US-amerikanische Unternehmen. Gab es Verwicklungen, beispielsweise weil die US-Zollbehörden fragten: „Waren oder sind Sie Mitglied einer kommunistischen Partei?“
(Lacht.) Eindeutig: Nein! Aber es gab andere Startschwierigkeiten, nachdem ich – übrigens noch vor der Wende – in den Westen gekommen war.

Inwiefern?
Obwohl 1988 Informatiker händeringend gesucht wurden, war es sehr schwer, im Westen einen ersten Job zu finden. Damals konnte niemand einschätzen, was jemand konnte, der im Osten ausgebildet worden war. Ich schrieb mehr als 80 Bewerbungen, gerade einmal vier Unternehmen luden mich zum Vorstellungsgespräch ein. So kam ich über das Umschulungsprogramm eines mittelständischen Softwarehauses zu einem kleinen britischen Unternehmen, das schließlich von Texas Instruments übernommen wurde. Nachdem ich fünf, sechs Jahre Berufserfahrung gesammelt hatte, wechselte ich zu McKinsey & Company, was ohne berufliche Praxis vermutlich nicht möglich gewesen wäre.

Warum entschieden Sie sich für den Wechsel in ein internationales Beratungsunternehmen?
Es hing mit dem unangenehmen Gefühl zusammen, etwas tun zu wollen, es aber nicht zu können. Ich habe mir meine Jobs immer nach einem einfachen Kriterium ausgesucht, und zwar: Wo finde ich ein Umfeld, in dem ich mehr gefordert werde als heute? So kam ich vom deutschen Mittelständler zu einem britischen, von McKinsey zur Postbank, bei der ich nun die gesamte Managementverantwortung trage. Das ist eine Art privates „up or out“-Prinzip: sich weiterentwickeln oder seine Grenzen erkennen. Wobei das „out“ für mich nie ein Problem war, weil ich mir immer sagen konnte: „Ich wäre auch ein ganz guter Programmierer geworden.“

Woran haben Sie festgestellt, dass es Zeit für einen Wechsel ist?
Immer dann, wenn ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr wirklich etwas dazulernen konnte. Ein einfaches Kriterium dafür ist, dass man von seinem Umfeld viel häufiger um Rat gefragt wird, als es umgekehrt der Fall ist. Das mag in Ordnung sein, wenn man 50 Jahre und älter ist, aber nicht während der Zeit der beruflichen Entwicklung.

Sie haben rund sechs Jahre bei McKinsey gearbeitet. Ist das ein empfehlenswertes Karrieresprungbrett?
Ja und nein. Ja, in dem Sinn, dass es eine zweite, zusätzliche Ausbildung sein kann. Man sieht dort, worauf es in der Wirtschaft wirklich ankommt, lernt betriebswirtschaftliche Zusammenhänge kennen, erfährt, wie Entscheidungen in Unternehmen getroffen werden. Als eine Art persönliche Weiterbildung bei guter Bezahlung ist die Arbeit in einer Unternehmensberatung empfehlenswert, auch wenn sie sehr anstrengend ist. Nein, wenn man glaubt, in der Wirtschaft würde jeder nur darauf warten, einen Ex-Mitarbeiter von McKinsey zu rekrutieren. Auch das Gerücht von McKinsey-Seilschaften im Management ist eher irreführend. Mein persönliches Erleben ist – und danach handle ich auch –, dass an Ex-McKinsey-Kandidaten meist höhere Anforderungen gestellt werden als an andere Bewerber.

Wie schätzen Sie die Stärken und Schwächen heutiger IT-Absolventen im Vergleich zu Ihrer Zeit ein?
Ich glaube nicht, dass die Ausbildung heute schlechter ist als früher. Aber was mir bei jungen Leuten auffällt – nicht nur bei Absolventen aus IT-Fächern –, ist oft ein Mangel an Bereitschaft, erst einmal Leistung zu zeigen, bevor man Ansprüche anmeldet. Viele vergessen, dass man sich Ansprüche zunächst erarbeiten muss. Ich finde diese Haltung, die bei früheren Generationen kaum zu finden war, schon etwas bedenklich.

Zum Schluss gefragt: Ihr erster Computer?
Ein C64 und zwar ein gebrauchter. Er hat heute einen Ehrenplatz in meinem kleinen privaten Computer-Museum.

Nachgefragt

Welchen Beruf weit ab vom IT-Sektor können Sie sich vorstellen?
Discjockey.

Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Toleranz.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an anderen Menschen?
Erstens Zielstrebigkeit. Zweitens Hilfsbereitschaft.

Was ist Ihr größter Vorzug?
Für meinen Job als IT- Chef: gute Nerven zu haben.

Was ist Ihnen sehr unangenehm?
Gedankenlosigkeit, egal, ob sie bei mir oder bei anderen vorkommt.

Was dulden Sie auf keinen Fall?
Sich auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen.

Was entschuldigen Sie sofort?
Fehler, die mit guter Absicht geschehen sind.

Gibt es etwas, das Sie unter allen Umständen mit auf eine Reise mitnehmen würden?
Einen Notizblock, aus Papier – keinen elektronischen. Man sollte sich von der Elektronik nicht zu sehr abhängig machen.

Wo liegt Ihre Grenze?
Als ehemaliger DDR-Bürger hasse ich jegliche Art von Grenzen. Aber wenn Sie hartnäckig nachfragen, würde ich sagen: Meine Grenzen liegen eindeutig im sportlichen Bereich.

Was war Ihr größter Flop?
Mein erster Job, im VEB Datenverarbeitungszentrum. Dort hatte ich keinen Zugriff auf einen Computer (es gab zu wenige).

Was möchten Sie in fünf Jahren tun?
Hoffentlich etwas anderes als heute; denn ich möchte nach wie vor noch dazulernen und regelmäßig etwas Neues anpacken.

Haben Sie ein Motto?
Wer wagt, gewinnt. – Leider ist der Mut, kontrollierbare Risiken einzugehen, in der IT-Branche eher selten anzutreffen.

Interview mit Dr. Norbert Bensel

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Dr. Norbert Bensel übernahm im Juni 2002 den Personalvorstand bei der Deutschen Bahn AG. Seine ersten „Personalerfahrungen“ sammelte er in der Kneipe seines Großvaters. Was zwischen Kneipe und Bahn geschah, erzählte er dem karriereführer. Von Heike Jüds

„Ich wollte immer Förster werden“, antwortet Norbert Bensel spontan auf die Frage seines Wunschberufs als Kind, „nicht Feuerwehrmann“. Auch jetzt schwingt die Begeisterung dafür noch in seiner Stimme mit. Aus Steinau kommt er und sein Großvater hatte einen Bauernhof, daher seine Naturverbundenheit. Und was haben Sie gelernt? „Chemielaborant.“ Die Arbeit im Labor hat ihm sehr großen Spaß gemacht. Das motivierte ihn auch später in seinem Chemie-Studium, das er mit der Promotion abschloss. Mit den Naturwissenschaften blieb er erst einmal bei seinem Lieblings-Thema: der Natur. Und der Bezug zum Personalwesen? Der kam zum Teil im Laufe des Studiums dazu. Er engagierte sich bei der Fachschaft und machte sich dort für seine Kommilitonen stark. „Die ersten Grundsteine sind aber schon vorher bei der Arbeit in der Kneipe gelegt worden, die mein Großvater neben dem Bauernhof hatte.“ In einer Kneipe? „Ja. Dort erzählen einem die Menschen Ihre Probleme. Da lernte ich zuhören und mich auf andere einstellen.“ Auch während seines Studium jobbte er dort. Nach seinem Studium bewarb sich Norbert Bensel bei der Schering AG. Es war die einzige Bewerbung, die er jemals geschrieben hatte, „Danach hat sich vieles so ergeben.“ So einfach? Nein, natürlich nicht so einfach. Bensel hatte hart dafür gearbeitet. Das ist ihm jedoch leicht gefallen, denn die Arbeit faszinierte ihn. „Spaß an der Arbeit, Interesse an der Sache und den Wunsch, immer wieder etwas Neues kennen zu lernen“, das ist für ihn die Motivation für Arbeit und Karriere.

Vom Labor zum Personalwesen
Später wechselte er bei der Schering AG in die Personalentwicklung und arbeitete zuletzt dort als Leiter. Seine Vorbilder stammen noch aus dieser Zeit. Zum einen war es der vorherige Leiter der Forschungsabteilung. Bensel war beeindruckt von seinem analytischen Verstand und seiner Art und Weise Probleme anzupacken. Und zum anderen? „Der Leiter der Personalentwicklung. Mir gefiel es gut, wie er die Mitarbeiter führen und motivieren konnte. Ganz besonders imponierte mir, dass er immer ein Augenmerk auch auf alle Personalbereiche hatte. Eine Kombination aus beiden Vorbildern habe ich immer angestrebt.“ Ist Ihnen das gelungen? „Ich arbeite jeden Tag daran“, kommt mit einer Portion Humor herüber.

Neue Besen kehren gut
Von der DaimlerChrysler Services (debis) AG ist er im Juni 2002 zur Deutschen Bahn AG gewechselt. Bewerbungsverfahren gibt es in dieser Position nicht mehr. In der Regel liegt ein Interesse von beiden Seiten vor, und dann wird geredet. Welche Tipps gibt er für die ersten Tage in einer neuen Firma? „Offen auf die neuen Mitarbeiter zugehen und sich nach allen Seiten umschauen. Aber das gilt nicht nur für den ersten Tag, sondern auch für alle weiteren.“ Ist es denn gut, direkt verbessernd in Verfahrensabläufe einzugreifen oder ist es besser, erst einmal abzuwarten? Bensel hat da ein ganz einfaches Rezept: „Veränderungen sind für ein Unternehmen wichtig. Alles, was mir auffällt, versuche ich positiv zu beeinflussen. Manches muss aber auch erst beobachtet werden.“ Und wie werden diese Entscheidungen getroffen? „Auch aus dem Bauch heraus. Der gehört auf jeden Fall zu der Fachkompetenz dazu.“ Gab es denn schon einmal eine Fehlentscheidung? „Ja, vor meiner Zeit bei der Bahn, da habe ich nicht auf meinen Bauch gehört und zwei Mitarbeiter eingestellt, obwohl ich mir nicht sicher war. Ich dachte, dass sie sich mit positiver Unterstützung vielleicht noch verändern. Aber das hat nicht funktioniert.“ Wenn Bensel von positiver Unterstützung spricht, meint er die Intensivierung der Personalentwicklung für Führungskräfte, die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, den Aufbau einer DB Akademie für Führungskräfte..

Wechsel der Perspektiven
Auf die Frage, wie oft in der Regel ein Beruf oder eine Stelle gewechselt wird, antwortet er mit der statistischen Angabe: alle fünf Jahre. Er selbst hat, bis auf eine Ausnahme, alle zehn Jahre gewechselt. „Der Anspruch, immer etwas Neues zu lernen, ist eine große Herausforderung. Das war auch in den meisten Fällen mein Grund zu wechseln.“ Ob Bensel noch einmal die Firma vor seiner Pensionierung wechseln wird, sagt er lachend: „Nein, dafür bin ich zu alt.“ Wann wollen Sie denn die Füße hochlegen? „Früher wollte ich mit 50 aufhören, aber da bin ich ja schon drüber weg. Nein, aufhören möchte ich noch nicht, vielleicht werde ich später noch als Berater arbeiten, das könnte ich mir gut vorstellen.“ Also doch noch zu jung, auf jeden Fall zum Aufhören. Und wie lassen sich Privatleben mit Ihrem Einsatz im Beruf vereinbaren? „Fragen Sie da mal lieber meine Frau. Obwohl, sie ist Ärztin und arbeitet auch sehr viel. Ich denke, dass es mir in den meisten Fällen gut gelungen ist, beides miteinander zu vereinbaren. Jedenfalls beschweren sich meine Kinder nicht. Woran ich das merke? Sie besuchen uns auch jetzt noch gerne und fahren sogar ab und an mit uns in den Urlaub, obwohl sie schon studieren und nicht mehr zu Hause wohnen.“

Interview mit Rainer Beisel

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Rainer Beisel wurde dazu ausgebildet, große Brücken und Bauwerke zu errichten. Doch als die erste Rezession die Baubranche beutelte, änderte der Mannheimer die Richtung. Sein Credo: Für Bauingenieure werden Servicekompetenzen und kaufmännische Qualitäten immer wichtiger. Das Gespräch führte André Boße.

Zur Person

Rainer Beisel wurde am 2. Februar 1963 geboren. 1989 schloss er sein Studium des Bauingenieurwesens an der Universität Karlsruhe (TH) als Diplom-Ingenieur ab. Danach arbeitete er zunächst bei dem Mannheimer Bauunternehmen Klee. 1993 wurde er zum Mitgeschäftsführer der SKE GmbH berufen, in Deutschland Marktführer für Facility-Management, PPP-Lösungen und kommunale Projekte. Dort legte Rainer Beisel seinen Fokus auf den Ausbau des Facility-Management-Bereiches und strukturierte die PPP-Hochbau-Aktivitäten der SKE-Unternehmensgruppe, die ein Tochterunternehmen der Vinci-Abteilung Construction ist.

2006 wurde er Geschäftsführer der Vinci Construction Deutschland GmbH sowie stellvertretender Direktor der Europa- Aktivitäten der internationalen Tochtergesellschaften der Konzernsparte Vinci Construction. Zum Geschäftsführer von Vinci Deutschland wurde er 2008 ernannt.

Herr Beisel, Sie haben vor 20 Jahren Ihr Studium abgeschlossen. Was ist rückblickend die größte Veränderung, die Sie seitdem in der Branche erlebt haben?
Die Rezession im Baugewerbe, die wir zwischen 1996 und 2005 fast zehn Jahre lang aushalten mussten. Der Einfluss dieser Rezession ist noch heute spürbar, denn der Bau hat gegenüber anderen Industrien deutlich an Bedeutung verloren. Ich habe – wenn auch eher unbewusst – meine Karriere vom Start weg an diesen Wandel angepasst, indem ich mich in Richtung Dienstleistung orientierte. Diesen Weg hat mir ein Professor an der Uni in Karlsruhe gezeigt, der uns damals sagte: Entweder Ihr geht ins Ausland, oder Ihr baut in Deutschland Eure Karriere auf der Tatsache auf, dass es in diesem Land viel weniger Baustellen geben wird.

Liegt das nur daran, dass es einfach keinen Bedarf mehr für große Baumaßnahmen gibt?
Hinzu kommt, dass die Umsetzung eines großen Bauvorhabens immer schwieriger wird. Dafür gibt es aktuell viele Beispiele. Nehmen Sie das Projekt Stuttgart 21 oder geplante Neubauten von Energie-Kraftwerken. Jeder will sauberere Kohlekraftwerke oder Kraftwerke für Erneuerbare Energien haben – aber bitte nicht vor der eigenen Haustür. Die Baustelle musste einen Imagewandel durchmachen. Mein Vater war auch Bauingenieur, und ich bin mit ihm schon als Kind auf die großen Baustellen gegangen, die man heute in Deutschland kaum noch findet. Damals sendete der Bau das positive Signal aus: „Wir bringen Deutschland voran.“ Heute hingegen gründet sich in dem Moment, in dem es einen Bauplan gibt, schon die erste Protestbewegung.

Wie sollte ein angehender Bauingenieur auf diesen Stimmungswandel reagieren?
Der Blick auf die Bedürfnisse des Kunden muss in den Fokus rücken. Und als Kunde sehe ich an erster Stelle den Endkonsumenten, also den Bürger. Ein Bauingenieur muss heute nicht nur gut bauen können – er muss seine Projekte auch erklären und verkaufen können.

Fühlten Sie sich nach Ihrem Studium für diese neuen Herausforderungen der Branche vorbereitet?
Meine Ausbildung hätte für einen Job in einem Planungsbüro gereicht. Für den Baubetrieb waren meine Kenntnisse recht schwach. Weil mein Vater auch als Bauingenieur tätig war, hatte ich jedoch den Vorteil, während des Studiums leicht an Nebenjobs auf dem Bau oder in Planungsbüros zu kommen. Das ist wichtig, denn ansonsten wechselt man als Student mit einem großen Praxisdefizit ins Berufsleben. Ich beobachte, dass junge Leute, die schon vorher für Unternehmen tätig waren, bei uns schneller vorankommen. Ich muss klar sagen, dass Neueinsteiger mit praktischen Erfahrungen für ein Unternehmen einen höheren Wert besitzen.

Sie leiten die deutsche Dependance eines französischen Baukonzerns. Was ist der größte Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Baubranche?
In Frankreich legt man bei der Ausbildung der Bauingenieure einen höheren Wert auf kaufmännische Qualifikationen. Das ist ein zusätzlicher Schwerpunkt, den ich in Deutschland schmerzlich vermisse, denn Bauleiter müssen heute auch gute Kaufleute sein. Wer eine Baustelle leitet, führt im Prinzip ein eigenes Unternehmen. Und wer dann technisch zwar gut, kaufmännisch aber kaum gerüstet ist, bekommt Probleme.

Können Sie konkret eine kaufmännische Aufgabe am Bau benennen?
Aufgabe der Bauleitung ist in erster Linie, eine Baustelle mit Erfolg abzuschließen – wobei Erfolg mit Blick auf den Arbeitgeber bedeutet, dass das Unternehmen Geld verdient. Daher geht es nicht darum, zwingend die technisch beste Lösung zu finden. Entscheidend ist der optimale Kompromiss zwischen Technik und Kosten. Ein Bauingenieur muss wissen, dass eine technische Lösung mit Abstrichen unter Umständen die bessere Lösung ist. Das ist für uns technikverliebte deutsche Ingenieure ein Ansatz, den wir so nicht gelernt haben.

Ticken Bauingenieure in anderen Ländern in dieser Hinsicht anders?
Durchaus. Wir in Deutschland streben immer danach, das Bestmögliche zu entwickeln – und wenn das nicht bezahlbar ist, specken wir solange ab, bis es passt. In China zum Beispiel läuft es genau umgekehrt: Dort sucht man von Beginn an nach der günstigsten Lösung – und versucht, von diesem Niveau aus die Technik zu optimieren.

Sehen Sie auch hierzulande die Tendenz zum Paradigmenwechsel?
Da immer mehr Bauunternehmen nicht nur bauen, sondern ihre Bauten auch betreiben, nimmt das kaufmännische Denken automatisch zu. Die Unternehmen bauen heute nicht mehr und ziehen dann weiter. Sie liefern ihren Kunden ein Gebäude, zum Beispiel eine Schule, und versichern dem Kunden per Vertrag, dass das Gebäude 25 Jahre lang in einem guten Zustand sein wird. Daher ist es Aufgabe auch der Bauingenieure, mit Hilfe eines Lebenszyklusmodells ein Gebäude zu errichten, das in seiner Gesamtheit möglichst wenig kostet. Ich sage bewusst in der Gesamtheit, denn es geht nicht alleine um die Baukosten, sondern auch um die Planung und den Betrieb. Und bei dieser Kalkulation entdecken Sie als Bauingenieur interessante Feinheiten. So kann es zum Beispiel passieren, dass die Reinigungskosten in den 25 Jahren 40 Prozent der Baukosten ausmachen, weil sie eine Oberfläche gewählt haben, die sich nur kostspielig reinigen lässt.

Damit steht der leitende Nachwuchs vor neuen Herausforderungen. Welche Qualifikationen erwarten Sie von den kommenden Bauingenieuren?
Sie müssen ein Gespür dafür besitzen, was ein Kunde wirklich möchte und braucht – und zwar nicht nur heute, sondern im Verlauf von 25 Jahren. In jedem Gebäude wird es einen Alltag geben, und ein Bauingenieur hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieser dauerhaft problemlos abläuft. Das ist eine neue Herausforderung, aber sie ist in meinen Augen zu stemmen, weil viele der klassischen Ingenieurarbeiten heute von Computern übernommen werden können. Ein Bauingenieur muss sich daher andere Ziele stecken und komplexe Aufgaben suchen, die ein Computer nicht übernehmen kann.

Zum Unternehmen

Die Wurzeln des Baukonzerns Vinci führen bis in das Jahr 1899, als die zwei französischen Ingenieure Alexandre Giros und Louis Loucheur das Unternehmen SGE gründeten. Nach ersten Erfolgen mit Eisenbahnprojekten fokussierte sich das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Ingenieurbau und wurde dank zahlreicher Großbauten in Frankreich Marktführer. Nach einigen Eigentümerwechseln und Beteiligungen in den 1980er- und 90er-Jahren ist der Unternehmensverbund seit 2000 selbstständig.

Er nannte sich in Vinci um und gliederte seine Aktivitäten in vier Sparten: Bau, Energie-Information, Straßenbau und Konzessionen. Mit diesen vier Sparten erwirtschaftete der Konzern 2009 einen Umsatz von 32 Milliarden Euro, derzeit sind gut 164.000 Mitarbeiter für die Unternehmensgruppe tätig. Die Gruppe hat Tochterunternehmen und Dependancen auf der ganzen Welt. Vinci Deutschland, gegründet 1988, arbeitet mit 9600 Mitarbeitern an gegenwärtig 331 Standorten und erwirtschaftete 2009 einen Umsatz von 1,9 Milliarden Euro.

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Gehalt

Während es im ersten Bewerbungsgespräch meist noch um das gegenseitige Kennenlernen und das Abwägen einer möglichen Zusammenarbeit geht, wird es im zweiten oder dritten Gespräch konkret. Ein Verhandlungspunkt ist dabei das Gehalt. Von Christoph Berger

Das Einstiegsgehalt hängt zum einen mit den Noten aus dem Studium und dem Abschluss zusammen. Zum anderen hat auch das Unternehmen und die Abteilung, bei dem oder der man sich bewirbt, einen Einfluss auf die Höhe des künftigen Gehaltsschecks. „Prinzipiell gibt es in den meisten Fällen aber nur wenig Spielraum bei den Gehaltsverhandlungen“, weiß Aleksander Rakovic, Experte für die Bereiche Finance und Banking beim Personalberatungsunternehmen Robert Walters.

Was ist ein „übliches“ Gehalt?

Oft sei das Gehalt schon im Vorfeld durch das Unternehmen festgelegt und vereinheitlicht. Trotz dieser Tatsache gilt es, sich auf das Thema vorzubereiten. Denn die Frage „Was wollen Sie verdienen?“ wird Einsteigern mit Sicherheit gestellt werden. „Die Unternehmen wollen sehen, ob man eine realistische Einschätzung abgeben kann und auf dem Boden bleibt“, sagt Rakovic.

Wie viel Monat bleibt am Ende des Geldes?

Netto-Brutto-Gehaltsrechner

Über Foren im Internet und Gespräche mit Kommilitonen ließe sich schon eine Menge über übliche Einstiegsgehälter herausbekommen. Weitere Quellen sind Internet (u. a. www.gehalt.de), Berufsverbände und Gewerkschaften bzw. Tarifverträge, Fachliteratur oder auch Personalberatungen wie beispielsweise die Gehaltsstudien von Kienbaum. In manchen Fällen sei man auch mit einer Gegenfrage erfolgreich: „Was würden Sie mir denn anbieten?“ oder „Was verdienen denn die Kollegen im Team?“ sind hierbei nach Rakovics Erfahrung mögliche Varianten. Auf jeden Fall sei es jedoch ratsam, seine Untergrenze im Vorfeld der Verhandlungen festzulegen und keine Spannen zu nennen.

Die Gehaltsverhandlung

Die manchmal schon in den Stellenausschreibungen formulierte Aufforderung, die Gehaltsvorstellungen bereits im Anschreiben zu nennen, würde Rakovic hingegen ignorieren beziehungsweise darauf hinweisen, dass man darüber erst im späteren Verlauf des Bewerbungsprozesses sprechen wolle . „Wenn es dann zur Sprache kommt, muss man aber gut darauf vorbereitet sein“, sagt der Fachmann.

Doch auch wenn es beim Grundgehalt nur wenig Verhandlungsspielraum gibt, sieht Rakovic durchaus andere Möglichkeiten, sein Gehalt indirekt nach oben hin zu beeinflussen: „Man kann bei der Einstellung beispielsweise schon eine Gehaltssteigerung für die Phase nach der Probezeit vereinbaren“, sagt er. Auch Erfolgsboni für erfolgreiche Arbeit oder Zusatzleistungen seien durchaus Verhandlungsbasis, beispielsweise ein Jobticket oder auch ein privat nutzbares Mobiltelefon. „Die Betriebsrente ist hingegen meist fest in den Verträgen verankert“, erklärt der Spezialist. Um die brauche man demnach auch nicht verhandeln.

Bestandteile der Vergütung

Bei der Beurteilung des Gehalts, das normalerweise in einem Jahresbruttoeinkommen angegeben wird, sollten alle Vergütungsbestandteile in Betracht gezogen werden. Dazu gehören beispielsweise:

  • leistungsorientierte Vergütung/Prämien
  • Aktienoptionen
  • Sozialleistungen (z. B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen, betriebliche Altersvorsorge)
  • Weiterbildung
  • Firmenwagen
  • Erstattung der Umzugskosten
  • firmeneigener Kindergarten

Kriterien für ein höheres Gehalt

Das in der jeweiligen Branche übliche Durchschnittsgehalt kann sich angesichts von Zusatzqualifikationen oder der Lebenssituation erhöhen:

  • Promotion
  • MBA
  • Weiterbildungen
  • Auslands- bzw. Spracherfahrung
  • ledig, verheiratet
  • Kinder
  • Berufserfahrung

Interview mit Gerhart R. Baum

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Geplant hatte er seine Karriere in der Politik nicht, aber schon als Student setzte er sich für die Rechte der Schwächeren ein. Als UNO-Beauftragter kämpfte er für die Menschenrechte im Sudan und auch heute verteidigt Gerhart Baum als Rechtsanwalt die Grundrechte seiner Mandanten. Im karriereführer spricht er über Streitkultur, Engagement und die Fähigkeiten, die Hochschulabsolventen heutzutage mitbringen müssen, um erfolgreich zu sein. von Meike Nachtwey

Zur Person

Gerhart Rudolf Baum wurde am 28. Oktober 1932 in Dresden geboren. 1954 wurde Baum Mitglied der FDP. 1961 schloss er das juristische Studium mit dem 2. Staatsexamen ab. Er arbeitete zunächst als Anwalt und wurde 1962 Mitglied der Geschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. 1972 bis 1994 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Er arbeitete als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern. 1978 wurde er selbst zum Innenminister ernannt. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 trat er aus diesem Amt zurück. Von 1993 an war Gerhart R. Baum für die UNO tätig, unter anderem als UNO-Beauftragter für die Menschenrechte im Sudan. Seit 1994 arbeitet er wieder als Rechtsanwalt und kämpft für die Grundrechte seiner Mandanten.

Herr Baum, hätten Sie als junger Jurastudent gedacht, dass Sie eines Tages auf eine Karriere wie die Ihre zurückblicken können?
Nein. Ich habe das auch nicht angestrebt. Ich hatte nach dem Krieg den Wunsch, mitzuwirken beim Aufbau unserer Demokratie. Ich befürchtete, dass diese Demokratie nicht gelingen könnte. Dann habe ich mich immer stärker engagiert und schließlich gemerkt, dass es sich lohnt. Das Ergebnis, dass wir jetzt eine „geglückte Demokratie“ sind, macht mich stolz auf die Generationen, die das geschafft haben.

Hat Ihnen die Anwaltstätigkeit während Ihrer Zeit als Politiker gefehlt?
Nein. Ich habe mich sehr stark auf die Politik konzentriert und gesehen, dass beides, eine freie Anwaltstätigkeit und eine intensive Beschäftigung mit der Politik, nicht vereinbar ist. Die juristische Ausbildung hat mir in der Politik allerdings sehr geholfen.

Wie sind Sie zurück zur Anwaltstätigkeit gekommen?
Meine Anwaltstätigkeit hat erst sehr spät, in der Endphase meines Bundestagsmandats, begonnen. Ich entdeckte erst langsam, dass ich in der Politik keine, aber im Anwaltsberuf eine neue chancenreiche Lebensphase haben könnte. Ich habe mich dann auf Luftverkehrsrecht, Beratungen in Osteuropa, Anleger- und Verbraucherschutz spezialisiert.

Wie hat sich die Anwaltswelt verändert, seit Sie Berufsanfänger waren?
Sie ist viel nüchterner und kommerzieller geworden. Man muss sich spezialisieren. Man sollte den jungen Leuten heute von Anfang an sagen, dass sie sich Spezialkenntnisse aneignen. Dann haben sie Chancen. Und sie sollten auch Sprachen lernen.Wenigstens eine, mit der sie über die Grenzen Deutschlands hinweg tätig sein können.

Welche Eigenschaften braucht man heute sonst noch, um als Jurist erfolgreich zu sein?
Man braucht gute Sach- und Menschenkenntnis. Und man braucht kommunikative Fähigkeiten. Ich finde es problematisch, wenn Anwälte sich in ihren juristischen Elfenbeinturm zurückziehen und vor lauter Schriftsätzen nicht merken, was in der Gesellschaft passiert. Alles, was einen Anwalt beschäftigt, hat irgendeinen Bezug zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Anwälte müssen wach bleiben für die Entwicklungen in der Gesellschaft und nach Möglichkeit daran teilnehmen.

Wie hat Ihre Arbeit als Politiker Ihre Arbeit als Anwalt geprägt?
Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit lag im Grunde immer bei den wirtschaftlich und gesellschaftlich Schwächeren. Dabei habe ich mich wohl gefühlt. Auch in der Politik bin ich für die Einhaltung der Menschenrechte eingetreten, unter anderem in der Menschenrechtskommission der UNO. Das hat sich in meiner Anwaltstätigkeit fortgesetzt. Ich bin da sehr konsequent. Ich vertrete zum Beispiel keine Banken. Ich habe nichts gegen Banken, aber ich bin der Meinung, dass die Schwächeren auch politische Unterstützung brauchen. Viele meiner früheren Kollegen sind in Aufsichtsräten von Versicherungen oder Banken. Das sind lukrative Positionen. Auf der Seite der Verbraucher kämpfen nur sehr Wenige.

Was muss ein junger Anwalt mitbringen, damit Sie ihn einstellen?
Er muss eine gewisse Leidenschaft für die Sache mitbringen, er muss überzeugt sein, dass das, was er macht wichtig ist. Er muss teamfähig sein und sich voll einbringen.

Ist Herzblut auch wichtig?
Ich denke schon. Man hat mit Menschen zu tun, die Schwierigkeiten und Sorgen haben. Man kann sie nur dann gut vertreten, wenn man nicht nur die juristischen Probleme sieht, sondern auch den Menschen dahinter. Das ist eine Sache der Überzeugungskraft. Der Anwalt muss sich mit Menschen und ihren Problemen auseinandersetzen. Nicht nur mit Paragrafen.

Wo kann man besser Karriere machen: in der Politik oder als Jurist?
Man kann als Jurist sehr gut Karriere machen. Als tüchtiger Anwalt kann man auf jeden Fall mehr Geld verdienen. Aber der Politikerberuf hat auch einen großen Reiz. Man hat zum Beispiel als Minister, aber auch in anderen Funktionen große Gestaltungsmöglichkeiten und muss Verantwortung übernehmen. Ich möchte das nicht missen. Sie müssen ständig um Zustimmung kämpfen, das hält beweglich.

Wünschen Sie sich mehr Engagement von der Generation, die jetzt am Anfang ihrer Karriere steht?
Ich stelle oft Gleichgültigkeit fest. In meinen Augen nimmt die jüngere Generation an den Entwicklungen der Gesellschaft nicht genügend teil. Ich wünsche mir schon mehr öffentliches Engagement.Wo auch immer das sei: in Vereinen, in politischen Initiativen, in Kirchen. Es muss nicht immer die Partei sein. Aber eine stärkere Gemeinwohlorientierung muss eingefordert werden.

Ihr demnächst erscheinendes Buch, in dem Sie für die Grundrechte und gegen den Sicherheitswahn plädieren, trägt den Untertitel: „Eine Streitschrift“. Wie wichtig ist eine gesunde Streitkultur?
Eine Streitkultur ist unglaublich wichtig. Ich habe oft erlebt, dass ich bei einer politischen Entscheidung sicher war und erst durch den Diskurs mit anderen plötzlich sah, dass die Entscheidung korrigiert werden musste. In einer Demokratie müssen Entscheidungen Gegenstände öffentlicher Auseinandersetzung werden. Erst dadurch reifen sie.

Sie sind viel beschäftigt: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich bin zwar für mein Alter immer noch sehr aktiv, gehe aber mittlerweile alles etwas gelassener und geruhsamer an. Meine Frau und ich sind kulturell sehr interessiert und reisen gerne. Wichtig ist, dass man neugierig bleibt. Ich bin neugierig auf die Menschen, die ich treffe. Ich stelle mich den Herausforderungen schwieriger Diskussionen. Neugierig bleiben, beweglich bleiben – auch körperlich – das ist wichtig.

Ihr Tipp für Hochschulabsolventen?
Sie sollten sich natürlich auf ihre Leistungen konzentrieren, dabei aber nicht vergessen, dass sie in einer lebendigen Gesellschaft leben, die sie mitgestalten können. Sie sollten offen bleiben, für Dinge, die um sie herum passieren und internationale Erfahrungen sammeln.

Die Verfassungsklagen

2004 erreichte Gerhart R. Baum zusammen mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Burkhard Hirsch die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde, dass große Teile des Gesetzes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Großer Lauschangriff) verfassungswidrig seien, da sie gegen die Menschenwürde verstießen.

2006 gelang eine weitere erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen das Luftsicherheitsgesetz. Der Abschuss von Passagierflugzeugen im Entführungsfall verstößt laut Urteil gegen das Grundgesetz. Es ist weder mit dem Recht auf Leben noch mit der Garantie der Menschenwürde vereinbar. Die aktuellste Verfassungsbeschwerde gegen die durch die nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetze legalisierte Online-Durchsuchung hatte am 27. Februar 2008 Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die betreffende Regelung für nichtig, da sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die im November 2007 beschlossene Vorratsdatenspeicherung ist anhängig.