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Interview mit Dr. Imeyen Ebong

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Nach einigen Jahren in der Bankenbranche wechselte Dr. Imeyen Ebong ins Consulting – ein Schritt, den er nicht bereut hat. Vom Einstieg als Berater hat er sich zielstrebig zum Partner hochgearbeitet. Mit Sabine Olschner sprach er über Wandelfähigkeit, Karriere und Konkurrenz in der Beraterwelt.

Zur Person

Dr. Imeyen Ebong, 41 Jahre, gehört seit Januar 2005 zum Partnerkreis von Bain & Company in München. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Telekommunikationssektor, der Konsumgüterindustrie sowie auf Organisationsfragen.

1997 wechselte er aus dem Bankensektor, wo er unter anderem bei der Bayern LB gearbeitet hat, zu Bain & Company. Als Consultant hat er zahlreiche Projekte in der Private Equity- Branche, im Telekommunikationsbereich und bei führenden Konsumgüterherstellern verantwortet.

Imeyen Ebong studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg und promovierte im Fach Wirtschaftssoziologie. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Zu seinen Hobbys gehören Literatur und Bergwandern in den nahen Alpen.

Sie haben mit BWL ein klassisches Studienfach für die Consultingbranche gewählt. Welche Rolle spielt die Studienrichtung tatsächlich?
Wir bei Bain schauen auf jeden Fall auf das Studienfach. Am liebsten sind uns BWL- und VWL-Absolventen sowie Wirtschaftsingenieure aber auch Wirtschaftsinformatiker, Ingenieurwissenschaftler, Naturwissenschaftler, Mediziner, Juristen und in Ausnahmefällen auch Geisteswissenschaftler. Diese müssen allerdings nachweisen, dass sie sich für wirtschaftliche Themen und Beratung interessieren. Eine Zeitlang haben wir propagiert, dass das Studienfach bei den Bewerbern keine Rolle spielt. Wir mussten aber feststellen, dass es für die Einsteiger ohne Basiswissen in Wirtschaftsthemen schwierig war.

Welche Bedeutung hat ein Doktortitel in der Beratung?
Es macht überhaupt keinen Unterschied, ob man einen Doktor hat oder nicht. Ich selber habe promoviert, weil ich in den Bankenbereich wollte, wo die Promotion eine größere Rolle spielt. In der Beratung steigt man mit einem Doktor zwar eine Stufe höher ein, in der Regel als Berater statt als Juniorberater. Aber Juniorberater erhalten auch die Gelegenheit, nach zwei Jahren eine bezahlte Auszeit zu nehmen, um, wenn sie möchten, zu promovieren, einen MBA zu machen oder sich anderweitig weiterzubilden.

Nach mehreren Jahren in der Bank sind Sie in die Beratung gewechselt. Was hat Sie an der Consultingbranche gereizt?
Nach fünf intensiven, lehrreichen Jahren in der Bankenbranche war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich etwas Neues beginnen, neue Themen kennen lernen wollte. Die Beratung bot mir die Chance, sehr schnell viele verschiedene Branchen kennen zu lernen und mich selbst schnell weiterzuentwickeln.

Können Sie angehenden Consultants empfehlen, ebenfalls erst Erfahrung in einer Industriebranche zu sammeln, bevor sie in die Beratung gehen?
Die Erfahrung aus anderen Branchen kann hilfreich sein, wenn sie von kurzer Dauer ist, also rund zwei bis fünf Jahre. Danach ist ein Wechsel schwierig, weil zum einen die persönliche Wandelfähigkeit nachlässt, zum anderen weil der Abstand der Qualifikation zu den erfahrenen Beraterkollegen zu groß wird. Wenn jemand Berater werden möchte, sollte er also so früh wie möglich in die Consultingbranche einsteigen.

Der umgekehrte Weg – erst die Beratung, dann die Industrie – wird häufiger gegangen …
Ja, nach zwei bis fünf Jahren gehen viele in die Industrie, häufig in ein Kundenunternehmen. Wer aber glaubt, ein bis zwei Jahre Beratung qualifizieren automatisch für eine steile Karriere in jedem Unternehmen, der wird sich schwer tun. Denen rate ich, direkt in einem Unternehmen einzusteigen, um dort mit ihrer ganzen Energie vorankommen. Ich meine, grundsätzlich sollten Studenten vor ihrem Abschluss in sich gehen und auf der Basis von Praktika entscheiden, was sie wirklich machen wollen – und den Berufseinstieg weniger als Probierphase sehen. Ich würde es heute, da ich die Beraterbranche kenne, auch anders machen.

Ihre Beratungsschwerpunkte liegen abseits vom Bankensektor. Wie schnell können sich Berater in neue Branchen einarbeiten?
Das ist am Anfang sehr einfach, weil man bewusst über alle Branchen hinweg eingesetzt wird. Später erwarten Kunden dann einen Gesprächspartner, der ihre Themen und ihre Herausforderungen genau kennt. Dieses Know-how erwirbt man sich erst nach mehrjähriger Erfahrung mit einer Branche. Jeder Berater muss im Laufe der Zeit seine Themen entdecken und sie dann auch pflegen und vorantreiben.

Sie sind mit 39 Jahren zum Partner von Bain ernannt worden. Ist das ein typisches Alter?
Grundsätzlich spielt das Alter bei dieser Entscheidung keine Rolle. Allerdings verlangt die Partnerrolle natürlich eine gewisse Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit Kunden und bei der Lösung schwieriger strategischer Fragestellungen, die man erst über die Zeit sammelt. Vom Einstieg in die Beratung bis zur Partnerschaft vergehen im Schnitt acht bis zehn Jahre. Wer es bis dahin nicht geschafft hat, verlässt meist die Firma. Beratung ist nämlich ein extrem kompetitives Business …

Also das klassische „Up or Out“ – aufsteigen oder gehen?
Das „Up or Out“ gehört einfach zur Beraterbranche, dessen muss man sich als Einsteiger bewusst sein. Viele lassen sich davon abschrecken. Nicht alle wollen sich halbjährlich einer vollständigen Bewertung unterziehen, die unter Umständen auch negativ ausfallen kann.

Was müssen junge Berater leisten, um Partner zu werden?
Sie müssen wiederholt den Beweis erbringen, dass sie für große Unternehmen schwierige Probleme lösen und neue Kunden akquirieren können. Am Ende des Tages müssen Partner ihre Teams und sich tragen können. Damit ist jeder ein eigenständiges, kleines Profit Center. Darüber hinaus müssen Partner von ihren Teams geschätzt werden und in der Lage sein, ihre Mitarbeiter ohne unnötigen Druck zu Höchstleistungen zu motivieren. Und nicht zuletzt muss man als Person in die bestehende Partnergruppe hineinpassen.

Sie haben drei Kinder. Ist die Beraterbranche eher familienfreundlich oder -feindlich?
Die Arbeit in der Beratung ist sicherlich eine größere Herausforderung für ein geregeltes Familienleben als ein klassischer Acht-Stunden-Job, das lässt sich nicht schönreden. Das liegt an mehreren Faktoren: Die Unternehmen, für die wir arbeiten, werden immer anspruchsvoller, die Beratung damit immer komplexer. Das bedeutet, wir müssen härter und länger arbeiten. Dies lässt sich relativ schwer mit einem idealtypischen Familienbild verbinden. Aber für junge, ambitionierte Menschen, die etwas erreichen wollen, wäre die Situation nicht viel anders, wenn sie in einem Großunternehmen arbeiten würden. Daher heißt das Motto gar nicht mehr so sehr: Beratung oder nicht Beratung, sondern Karriere oder nicht Karriere.

Zum Unternehmen

Mit weltweit 3200 Mitarbeitern in 33 Büros in 21 Ländern zählt Bain & Company zu den großen, global operierenden Strategieberatungen. Im deutschsprachigen Raum arbeiten über 350 Mitarbeiter in den Büros in München, Düsseldorf und Zürich. Die Eröffnung weiterer Büros ist geplant.

1973 in Boston/USA gegründet, gilt Bain als Pionier der ergebnisorientierten, umsetzungsnahen Strategieberatung in allen relevanten Industrie- und Dienstleistungszweigen. Darüber hinaus ist Bain in Europa führend in der Beratung von Private Equity Unternehmen.

Die Stärke der Bain-Berater liegt in der Verbindung von Strategieentwicklung und deren Umsetzung. Zusammen mit den Klienten arbeiten die Berater darauf hin, den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern. Dafür akzeptiert Bain auch erfolgsabhängige Honorare.

Interview mit Stefan Dräger

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Stefan Dräger ist nicht nur ein erfolgreicher Manager, sondern auch ein ehrgeiziger Ingenieur, der sich nicht vor Herausforderungen drückt. Wenn alle bloß vom Elektroauto reden, baut er eins. Mit dem gleichen Ehrgeiz stellt er sich seinen Aufgaben als Manager des Lübecker Familienunternehmens. Im Interview mit dem karriereführer sprach er über die Leitung eines Familienunternehmens, darüber, wie er in seine Rolle als Manager hineinwuchs und über private und berufliche Herausforderungen. Die Fragen stellte Meike Nachtwey.

Zur Person

Stefan Dräger wurde 1963 in Lübeck geboren. Zum Studium der Elektrotechnik und Nachrichtentechnik ging er 1984 nach Stuttgart. Nach seinem Studium blieb er zunächst im süddeutschen Raum und arbeitete als beratender Ingenieur für Prozesstechnik. Anfang der Neunziger-Jahre trat er ins Familienunternehmen ein. Er ging zunächst für zwei Jahre in die USA, wo er den Vertrieb für Gaswarnsysteme bei National Dräger aufbaute. 1995, zurück in Lübeck, begann er seine Laufbahn zur Führungskraft, indem er verschiedene Abteilungen leitete und 2003 in den Vorstand gewählt wurde. Zwei Jahre später übernahm er den Vorstandsvorsitz von seinem Onkel Theo Dräger. Er ist damit der sechste Dräger, der diesen Posten innehat. Stefan Dräger lebt mit seiner Familie in Lübeck.

Herr Dräger, was halten Sie eigentlich von den Buddenbrooks?
Den neuen Film habe ich noch nicht gesehen, den Roman habe ich allerdings sehr gerne gelesen, schließlich ist er ja auch sehr heimatnah für mich. Ähnlichkeiten mit damals lebenden Personen sollen ja ausgeschlossen sein (lacht).

Das Unternehmen Dräger wird bereits in der fünften Generation von einem Familienmitglied geführt. Wie schafft man das heutzutage überhaupt bei einem börsennotierten Unternehmen?
Dafür braucht man natürlich einen gewissen Ehrgeiz, das Unternehmen innerhalb der Familie zu halten und dennoch profitabel zu führen. Das heißt, dass der Geschäftsführer, in diesem Fall ich selbst, viele unterschiedliche Tätigkeiten ausüben muss – außerhalb und auch innerhalb des eigenen Unternehmens – und sich so die Qualifikation erarbeitet, die einem objektiven Vergleich mit anderen Kandidaten standhält. Natürlich muss ich mich selbst ständig fragen, ob ich wirklich der beste Kandidat bin. Wirklich zufrieden bin ich nur dann, wenn ich noch höher qualifiziert bin als die anderen. Das ist ein hoher Anspruch und kann eine große Belastung sein. Aber auch daran kann man sich gewöhnen.

Wird nach Ihnen wieder ein Herr Dräger – oder vielleicht sogar eine Frau Dräger – Ihren Job machen?
Das Ziel ist natürlich, dass nach Möglichkeit meine Kinder nachrücken, wenn sie die Qualifikation haben und die Verantwortung übernehmen wollen. Ob das mein Sohn oder meine Tochter wird, ist eigentlich egal. Jungen und Mädchen sind gleich gut geeignet.

Sie sind Vater von drei Kindern. Wie bringen Sie die alleinige Leitung eines Unternehmens mit über 10.000 Mitarbeitern und Ihre Familie unter einen Hut?
Das ist immer eine Frage der Planung und der Prioritäten, denn die Zeit ist natürlich begrenzt, ein Abwägen von dringlich und wichtig. Den Kindern etwas von mir mitzugeben, so dass das oben genannte Ziel erreicht werden kann, das braucht natürlich Zeit, aber es ist immens wichtig.

Sie haben selbst eine Ausbildung zum Diplomingenieur für Elektro- und Nachrichtentechnik absolviert und zunächst auch als Ingenieur gearbeitet. Wie fanden Sie die Umstellung auf eine Führungsrolle?
Das ist natürlich erst einmal eine Umstellung, aber ich bin ja bei Dräger sehr behutsam an das Unternehmen herangeführt worden. Bevor ich in den Vorstand kam, war ich bereits elf Jahre weltweit in unterschiedlichen Funktionen im Unternehmen tätig gewesen. Da habe ich natürlich die Unternehmensstrukturen, die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Menschen kennengelernt. Es war also mehr eine stetige Zunahme an Verantwortung. Man wird ja nicht von einem auf den anderen Tag zum Manager. Inzwischen habe ich in meiner heutigen Rolle enorm viel mit Menschen zu tun; das möchte ich gar nicht mehr missen.

Bevor Sie in das Familienunternehmen eingestiegen sind, haben Sie für diverse andere Unternehmen gearbeitet. Was haben Sie dort als Angestellter für Ihre heutige Position gelernt?
Ich habe als beratender Ingenieur in vielen Projekten gearbeitet. Das waren immer wieder neue Aufgabenstellungen für neue Kunden mit neuen Kollegen. Erfolgsfaktor war dabei weniger die Technik als vielmehr die Definition von Schnittstellen.

Inwiefern spielt Ihre technische Ausbildung heute überhaupt noch eine Rolle in Ihrem Arbeitsalltag?
Eigentlich spielt sie leider keine so große Rolle mehr, aber sie hat dennoch den Vorteil, dass ich auf Augenhöhe mit unseren Ingenieuren diskutieren kann. Davon gibt es nun einmal eine ganze Menge im Unternehmen. So verstehe ich nicht nur, worum es technisch geht, sondern kann mich auch in die spezifische Denkweise und Arbeitssituation versetzen.

Fehlt Ihnen das technische Arbeiten manchmal?
Ja, das fehlt mir tatsächlich ab und zu. Aber dafür habe ich ein entsprechendes Haus gebaut, in dem ich die gesamte Regel- und Steuerungstechnik selbst entwickelt habe.

Im Managermagazin war zu lesen, dass Sie ein selbstgebautes Elektroauto fahren. Was hat Sie dazu veranlasst, ein eigenes Elektroauto zu bauen?
Ganz einfach: Wie heute immer noch, haben die Autohersteller schon vor 20 Jahren – und so alt ist mein Fahrzeug jetzt schon – immer nur von Elektroautos geredet, aber nicht geliefert. Damit wollte ich mich nicht abfinden. Da habe ich mir eben selbst eins gebaut.

Brauchen Sie immer neue Herausforderungen?
Ja. Sowohl privat als auch im Job. Herausforderungen machen den Arbeitstag und das Leben überhaupt immer wieder spannend.

Was wird Ihre nächste Herausforderung sein?
Meine Nachfolgeregelung (lacht).

Wussten Sie schon zu Beginn Ihres Studiums, dass Sie eines Tages das Familienunternehmen führen würden?
Gewusst habe ich es nicht, aber geahnt. Und vorstellen konnte ich es mir schon.

Wie unterscheidet sich eine Karriere wie die Ihre von der eines anderen Managers?
Gibt es überhaupt vergleichbare Karrieren? Ich glaube nicht. Jeder Mensch muss schließlich seinen eigenen Weg gehen, einen eigenen Stil entwickeln. Es gibt viele verschiedene Wege zum Glücklichsein, und wenige sichere Wege zum Unglücklichsein.

Was bedeutet Ihnen Erfolg?
Erfolg bedeutet Zufriedenheit. Die Frage ist allerdings, was man selbst als Erfolg bereit ist zu verbuchen.

Sie sind sehr jung zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen. Mussten Sie lernen, sich durchzubeißen?
Ja, das Lernen hört nie auf.

Sie haben eine ganze Weile im Ausland, in Kanada und den USA, gearbeitet. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt, was Sie in Deutschland nicht hätten lernen können?
Ich habe gelernt, welchen Unterschied die Ausrichtung der Achse der Waschmaschinentrommel machen kann. Das ist nicht nur ein technischer Unterschied, das ist einfach eine Kulturfrage. Für uns übersetzt heißt das, ein Produkt, das wir für den einen Markt entwickeln, auch wenn es höchsten Ansprüchen genügt, muss deswegen nicht für jedes andere Land der Welt genauso einsetzbar sein. Wir müssen uns an unsere Märkte und die unterschiedlichen Kulturen anpassen – oder anders gesagt, darauf einlassen können, um global erfolgreich zu sein. Deswegen empfehle ich jungen Menschen immer, eine Zeit lang im Ausland zu studieren oder zu arbeiten. Das kann für die Karriere, aber auch für die persönliche Entwicklung nur von Vorteil sein. Je früher man einen Auslandsaufenthalt erlebt, desto besser. Die Globalisierung der Welt fordert diese Offenheit für andere Kulturen.

Worauf achten Sie außerdem noch, wenn Sie einen Hochschulabsolventen bei Dräger einstellen?
Jemand, der bei Dräger arbeiten möchte, muss verstehen, was wir machen. Dräger macht Technik für das Leben. Das ist unsere Motivation und bedeutet die Kombination von Technologie- und Applikationswissen. Um beispielsweise ein Beatmungsgerät mit unserem Anspruch an Therapiequalität zu entwickeln, muss ich neben meinem Ingenieurverstand auch detailliert wissen, wie eine Lunge funktioniert. Das erfordert also eine gewisse Hingabe und Offenheit, sich in fachfremde Gebiete einzudenken. Neben diesem Verständnis muss der brennende Wunsch, sich sinnvollen Aufgaben zu stellen, vorhanden sein. Denn bei uns macht die Arbeit Sinn. Unsere Produkte schützen, unterstützen und retten Leben. Unsere Mitarbeiter müssen daher auch ein ganz bestimmtes Potenzial haben. Sie müssen die Wichtigkeit ihrer Arbeit erkennen und über soziale Stärken verfügen. Der eiskalte Managertyp passt definitiv nicht zu uns.

Haben Sie noch einen Karrieretipp für unsere Leser?
Ja: Auch wenn Sie oft im Detail arbeiten, sollten Sie versuchen, den Blick auch für globale Belange zu bekommen. Das Verstehen der Gesamtzusammenhänge ist nämlich auch für die Detailarbeit äußerst wichtig. Die kann nur dann gut werden, wenn allen das große Ganze klar ist.

Zum Unternehmen

Das Lübecker Unternehmen „Drägerwerk Verwaltungs AG“, das nun schon in der fünften Generation als Familienunternehmen geführt wird, existiert 2009 genau seit 120 Jahren. Bereits im Gründungsjahr meldete der Laden- und Werkstattbetrieb „Dräger und Gerling“, wie er in den ersten drei Jahren seines Bestehens hieß, das erste Patent an. Mit der Einführung eines Inhalations-Narkoseapparats 1904 bereitete Dräger nicht nur den Weg für die moderne Narkosetechnik, sondern sicherte auch seinen festen Platz in der Medizintechnik. Neben dieser ist der Unternehmensbereich Sicherheitstechnik das andere Standbein des Unternehmens. Bereits 1907, also vor über hundert Jahren, begann Dräger, sich international auszurichten und gründete eine Tochtergesellschaft in den USA. Heute ist das Unternehmen in 190 Ländern der Erde vertreten und betreibt in mehr als 40 Ländern Vertriebs- und Servicegesellschaften.

Interview mit Titus Dittmann

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Titus Dittmann hat vor 30 Jahren das Skateboard in Deutschland populär gemacht. Heute findet der Geschäftsführer der Titus GmbH mit Sitz in Münster zwar nicht mehr so viel Zeit, selbst zu fahren. Aber beim Sport geht er noch immer an seine Grenzen. Was diese Erfahrungen ihm als Unternehmer bringen, darüber unterhielt er sich mit Bettina Blaß.

Zur Person Titus Dittmann

Titus Dittmann, Geschäftsführer der Titus GmbH mit Sitz in Münster, wurde im Dezember 1948 geboren. Er studierte Geographie und Sport auf Lehramt. Während seines Referendariats gründete er eine Schülersportgemeinschaft Skateboard. Sein zweites Staatsexamen widmete er 1980 dem Thema „Skateboarding im Schulsportunterricht?“. Zeitgleich begann er, Skateboards aus den USA zu importieren, um seine Schüler damit zu versorgen. Daraus entstand im Laufe der Zeit seine GmbH.

1993 gründete Dittmann den Verein zur Förderung der Jugendkultur, der ohne öffentliche Förderung aktive Jugendarbeit leistet. 2001 erhielt er den Wirtschaftspreis der Stadt Münster. Im gleichen Jahr gewann er den Wettbewerb Entrepreneur des Jahres in der Kategorie Handel. 2008 feierte er seinen 60. Geburtstag und sein 30. Unternehmensjubiläum. Dittmann ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

Man nennt Sie „Lord of the Board“. Wie finden Sie das?
Mir gefällt das. Das klingt cool. Und nicht so anmaßend wie Skateboard-Papst.

Aber sie sind doch so etwas ähnliches wie ein Skateboard-Papst, oder?
Naja, ich habe vor 30 Jahren das Skateboardfahren für mich entdeckt. Und seither setze ich einen Großteil meiner Energie in und für diese Szene ein. Ich habe zum Beispiel auch Skateboard- Weltmeisterschaften organisiert.

Woher kommt Ihre Leidenschaft für diesen Sport?
Das war Liebe auf den ersten Blick. Ich hielt zunächst nicht viel vom Skateboardfahren, weil das in den Medien immer als eine Art Kinderspielzeug beschrieben wurde. Ich dachte, das sei so ein vorübergehender Trend wie die Hulahup-Reifen, die man damals ja auch hatte. Dann habe ich 1977 in Münster den ersten Skateboarder live gesehen. Und ich war fasziniert. Ich habe sofort erkannt, welche Power hinter diesem Sportgerät steckt. Ich fragte den Typ, ob ich es mal testen dürfe. Und fiel dann natürlich erst einmal auf die Schnauze.

Aber Sie haben weitergemacht…
Ja, ich habe weitergemacht. Mein nächster Weg hat mich direkt ins Kaufhaus geführt. Dort habe ich so ein buntes Plastikboard gekauft. Und dann habe ich geübt. Wie alle Anfänger bin ich x-mal gestürzt – und jedes Mal wieder aufgestanden. Skateboarder lassen sich nicht unterkriegen. Was ich da gelernt habe, davon habe ich übrigens im Wirtschaftsleben profitiert.

Wann und wo?
Wir wollten an die Börse. Aber das hat nicht geklappt. Anfang 2005 steckten wir in einer sehr harten Krise. Da bin ich halt aufgestanden, habe das Victory- Zeichen gemacht – und habe weitergeackert.

Wie ist Ihre Firma heute aufgestellt?
Nach einem knallharten Sanierungskurs haben wir jetzt noch 85 Mitarbeiter, zwei Premiumflächen, vier Outlets und 28 Franchiseläden sowie den Versandhandel.

Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Franchisenehmer aus?
Sie müssen glaubwürdig sein. Am Liebsten sind uns aktive Skateboarder mit einem Verständnis für Zahlen.

Warum haben Sie sich für das Franchisesystem entschieden?
Es ist ein sinnvolles Instrument für Unternehmen, die wachsen wollen, aber selbst nicht liquide genug dafür sind. Mit einem richtigen Filialsystem kann man bei 30 Shops schnell den Überblick verlieren. Das Risiko ist größer. Wir kombinieren Franchising mit eigenen Läden, das ist für uns eine super Alternative.

Welche Nachteile hat das System?
Man hat natürlich weniger zu sagen, als wenn es die eigenen Läden wären. Und nicht immer sind die Ideen der Franchisenehmer konform mit meinen Ideen. Aber irgendwie ist das wie in der Schule: Da finden auch nicht alle den gleichen Lehrer toll.

War es denn immer Ihr Ziel, Unternehmer zu werden?
Überhaupt nicht. Ich habe 1968 Abitur gemacht. Und mich hat diese Zeit stark geprägt. Unternehmer waren für mich damals der Abschaum der Gesellschaft. Aber dann kreuzte besagtes Skateboard meinen Weg. 1978, als ich schon als Referendar arbeitete, fragten meine Schüler, ob ich nicht eine Schülersportgemeinschaft für Skateboarder initiieren könnte. Da besorgte ich ihnen eben Skateboards aus den USA. Das sprach sich herum. Und plötzlich war das eine Flut und ich brauchte einen Gewerbeschein. Den besorgte sich dann zunächst meine Frau, weil ich als Lehrer das ja nicht durfte. Naja, und plötzlich war ich mitten drin im Unternehmertum.

Was ist Ihr Tipp für Jung-Unternehmer?
Man muss schon eine gewisse Leidenschaft mitbringen. Vor allem, wenn man ein Unternehmen von null aufbaut. Gründer müssen sich dessen bewusst sein, dass man dabei Kompromisse eingehen muss. Ein Unternehmer hat nicht nur Erfolge, und sein Leben ist nicht immer angenehm. In ganz schlimmen Zeiten kann die Lebensqualität auch auf unterstes Niveau fallen. Dann bleibt einem nicht viel mehr Geld, als vom Staat zur Sicherung des Lebens vorgesehen ist. Aber wer Unternehmer wird, der sollte auch nicht nur an die Kohle denken.

Wie hat sich Ihre Branche in den letzten 30 Jahren gewandelt?
Damals bekamen die großen Unternehmen keinen Fuß in die Tür. Heute ist das anders: Denn nicht jeder, der mit Skateboardern sympathisiert, fährt auch selbst. Und wer nicht selbst fährt, sich aber für die Mode der Skateboarder begeistert, der legt nicht so viel Wert auf Authentizität wie die Hardcorescene. Hinzu kommt: Viele kleine Marken werden von den großen aufgekauft. Der Markt ist also härter geworden. Aber darin liegt auch eine Chance für Unternehmen wie uns: Denn wir haben uns einen Namen erarbeitet, und unsere Produkte sind gut. Das wissen die Käufer zu schätzen.

Wie oft fahren Sie Skateboard?
Nicht mehr so oft wie ich möchte. Ich stehe oft drauf, beispielsweise, wenn ich nachdenke. Aber fahren – höchstens noch einmal die Woche, um beim Bäcker Brötchen zu holen.

Gibt es noch andere Sportarten in Ihrem Leben?
Klar, ich habe viel ausprobiert. Drachenfliegen, Snowboarden, Skyskateboarden – dabei springt man mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug und hat ein Skateboard unter den Füßen. Heute fahre ich gerne Autorennen – mit meinem Sohn übrigens. Ich brauche das Adrenalin, muss meine Grenzen austesten.

Ist das nicht gefährlich?
Der Volksmund sagt: Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um. Ich sage: Wer seine Grenzbereiche nicht bewusst erfährt, kommt in Lebensgefahr, wenn er zufällig in eine solche Grenzsituation gerät. Ich finde, es ist gesund, seine Grenzen auszutesten – und das in allen Lebensbereichen. In diesem Sinne habe ich übrigens auch meinen Sohn erzogen. Und ich finde, er ist ein ganz wohlgeratenes Bürschchen geworden.

Zum Unternehmen

Die Titus GmbH Münster ist das weltweit größte Einzelhandelssystem im Bereich Skateboard, Zubehör und Streetwear. Die Vertriebskanäle agieren stark vernetzt: 28 Franchisepartner, vier Factory Outlets, Katalog und Online-Shop bedienen die jugendlichen Kunden in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland. Das Portal www.titus.de wurde 1997 eröffnet und verzeichnet monatlich rund 18 Millionen Pageimpressions. Thematische Medien und Events runden das Portfolio ab.
Nach Turbulenzen in den Jahren 2004 bis 2006, einem geplatzten Börsengang und intensiven Umstrukturierungen, entwickelt sich das Unternehmen jetzt wieder positiv. Im Jahr 2007 lag der Gruppenumsatz der Titus-Aktivitäten mit rund 85 Mitarbeitern bei 40 Millionen Euro.

Interview mit Dr. Andreas Dietzel

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Andreas Dietzel führt die Geschäfte der deutschen Dependance von Clifford Chance, einer der weltweit größten Wirtschaftskanzleien. Doch von Stress keine Spur: Der gebürtige Badener berichtet mit Ruhe und Witz, wie es ihm gelang, schon nach drei Jahren Partner in der Sozietät zu werden und warum für ihn heitere Gelassenheit eine wichtige Fähigkeit für eine erfolgreiche Karriere ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Andreas Dietzel, geboren am 14. Juni 1959 in Lörrach, studierte Rechtswissenschaften in Freiburg und Genf und legte 1991 seine Promotion ab. Seine Zulassung als Rechtsanwalt erhielt er 1988. Dietzel arbeitete zwei Jahre lang in Teilzeit als Anwalt in einer Freiburger Kanzlei für Zivilrecht, bevor er 1990 zu Pünder, Volhard Weber & Axster, später Clifford Chance, wechselte.

Dort ist er seit 1993 Partner. 2002 wurde er Leiter des Bereichs Corporate in Deutschland, und er leitet seit 2010 die globale „Sector Focus Group Industrials“ der Sozietät. Im Oktober 2010 übernahm er die Geschäftsführung der deutschen Clifford Chance Partnerschaftsgesellschaft. Die Arbeitsschwerpunkte des Wirtschaftsjuristen sind die Beratung national und international tätiger Unternehmen, Umstrukturierungen und M&A-Transaktionen.

Herr Dietzel, Sie haben 1990 Ihre Karriere als Anwalt begonnen und sind schon 1993 zum Partner aufgestiegen. Was war Ihre größte Trumpfkarte für diesen schnellen Karriereschritt?
Bevor ich zu Clifford Chance kam, hatte ich bereits zwei Jahre lang parallel zu meiner Dissertation in Teilzeit als Rechtsanwalt in einer kleinen Zivilrechtskanzlei in Freiburg gearbeitet. Ich war also nicht mehr ganz grün hinter den Ohren. Als ich dann bei Pünder, Volhard, Weber & Axster, später Clifford Chance, begann, war gerade die Mauer gefallen. Die Kanzlei hatte zahlreiche große Mandate, und ich hatte das Glück, gleich bei vielen mitarbeiten zu können. Dadurch kam ich mit Kollegen aus diversen Arbeitsbereichen in Kontakt, sodass ich gleich ein weites Netzwerk aufbauen konnte. Außerdem bekam ich die Gelegenheit, ein großes Unternehmen in der Rechtsabteilung zu unterstützen. Das klingt heute banal, war damals aber sehr ungewöhnlich. Meine Trumpfkarten waren sicherlich Flexibilität, Mut und eine besondere Einsatzfreude.

Was ist Ihre Empfehlung für Einsteiger in die Branche: Sollte man dem Ziel, möglichst schnell Partner in einer Kanzlei zu werden, alles unterordnen?
Zunächst einmal: Man sollte niemals alles seinem beruflichen Ziel unterordnen. Wer als Einsteiger das Ziel hat, möglichst schnell Partner in einer größeren Sozietät zu werden, muss sich darauf einstellen, ganz besonderen Anforderungen gerecht zu werden. Er muss viel Zeit investieren und eine ungewöhnlich große Leistungsbereitschaft zeigen.

Gibt es denn attraktive Alternativen zum klassischen Modell der Partnerschaft?
Wir haben bei Clifford Chance vor einigen Jahren den Status des sogenannten Counsel eingeführt. Das sind zum einen Kollegen, die so hochspezialisiert sind, dass sich eine Partnerschaft wirtschaftlich nicht tragen würde. Die gehobene Position des Counsel nehmen aber zum anderen auch erfahrene Associates als Zwischenstation ein – entweder, um von dort aus gezielt die Partnerschaft anzuvisieren, sie als Sprungbrett für eine Karriere bei einer anderen Sozietät zu nutzen oder aber, um in die Rechtsabteilung eines Unternehmens zu wechseln. Gerade dieser Wechsel in die Industrie ist gegenwärtig ein Trend: Viele jüngere Kollegen nutzen ihre Tätigkeit bei Clifford Chance, um gutes Rüstzeug zu bekommen, und verbessern damit ihre Karrierechancen bei Unternehmen.

Wie beurteilen Sie diesen Trend?
Ich respektiere die verschiedenen Karrieremodelle. Ich freue mich, wenn jemand sich vornimmt, es bei uns zu schaffen, und viel dafür tut. Ich akzeptiere aber auch, wenn jemand nach einer Zeit sagt, er wolle lieber in die Rechtsabteilung eines Unternehmens wechseln. Zumal ein solcher Kontakt direkt in ein Unternehmen auch für uns sehr hilfreich sein kann.

Sie sind jetzt seit 17 Jahren Partner und seit vergangenem Jahr sogar Managing Partner bei Clifford Chance. Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?
Ich glaube, es ist eine Typfrage, wie man mit seinen Herausforderungen umgeht. Mir gelingt es, Druck mit einer heiteren Gelassenheit zu begegnen. Ich kann mich schnell und gut erholen und habe viele Interessen abseits des Berufes, die ich bewahre und pflege. Zudem trete ich allen Anforderungen immer sehr positiv entgegen. Mein Motto lautet: Ein Tag, an dem man im Büro nicht gelacht hat, ist ein verlorener Tag.

Über was lachen Sie denn im Büro am liebsten?
Über mich selbst. Eine Quelle der Heiterkeit ist aber auch, wenn jemand am Umgang mit der deutschen Sprache scheitert und das zu ungewollter Komik führt.

Wie wichtig ist für Sie die Kommunikation mit einem Mandanten außerhalb der fachlichen Ebene? Ist gekonnter Small Talk eine wichtige Fähigkeit?
Ja, wobei der Rechtsanwalt als Berater eines Unternehmens sehr genau darauf achten muss, welche Kommunikation angemessen ist. Es gibt Vertreter von Mandanten, die es sehr kühl und geschäftsmäßig mögen, anderen ist auch an bunteren Themen gelegen. Darauf reagiert man als Berater – wobei ich den Begriff Small Talk eigentlich nicht mag. Da besteht oft die Gefahr einer oberflächlichen und inhaltslosen Unterhaltung. Ich finde es passender, miteinander ein persönliches Wort zu wechseln. Oder über Themen zu reden, bei denen man weiß, dass das Gegenüber daran ein besonderes Interesse hat.

Über welche Themen sollte auch ein Einsteiger ein wenig Bescheid wissen?
Man sollte etwa bei kulturellen Themen wie Literatur, Oper oder Kunst nicht ganz unwissend sein.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, gab es einen Punkt, an dem Sie weit weg vom Bild einer geradlinigen Laufbahn waren?
Am weitesten weg war ich wohl ganz am Anfang, als ich in Freiburg in einer allgemeinen Zivilrechtskanzlei mitarbeitete. Da habe ich so ziemlich alles gemacht, inklusive Familienrecht. Diese Anstellung macht mich bei Clifford Chance vermutlich zu einem Exoten, denn die meisten Partner und Associates kennen nur das Arbeiten in einer großen Wirtschaftskanzlei. Aber ich möchte diese Zeit auch nicht missen, zumal ich damals als Familienrechtler einige beinahe filmreife Erlebnisse hatte, über die ich heute noch schmunzeln kann.

Ist es für Jura-Absolventen mit dem Karriereziel Großkanzlei sinnvoll, wie Sie zunächst einmal als Anwalt an der Graswurzel Erfahrungen zu sammeln?
Es ist sicher nicht verkehrt, aber nicht zwingend. Was ich jedem Einsteiger in eine Wirtschaftskanzlei raten möchte, ist, sich nicht zu früh so zu positionieren, dass er sich damit einengt. Es ist nicht sinnvoll, sich zu früh auf das Expertentum zu konzentrieren. Man sollte vielmehr darauf achten, immer auch eine Reihe verwandter Spezialgebiete abzudecken.

Zum Unternehmen

Die globale Sozietät Clifford Chance hat ihren Hauptsitz in London und gehört – was die Zahl der beschäftigten Anwälte sowie den Umsatz betrifft – in die Top Ten der weltweit größten Kanzleien. Aktuell arbeiten für Clifford Chance rund 3200 Rechtsberater in 29 Büros in 20 Ländern. Der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr lag bei 1,353 Milliarden Euro.

In Deutschland betreibt die Sozietät Büros in Düsseldorf, Frankfurt am Main und Berlin und beschäftigt mehr als 350 Volljuristen. Die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Rechtsberatung liegen auf den Gebieten Gesellschaftsrecht und M&A, Bankwesen und Kapitalmärkte, Steuern, Immobilien, Prozessführung und Streitbeilegung, Restrukturierung und Insolvenz, Arbeitsrecht, geistiges Eigentum sowie Kartellrecht.

Interview mit Dr. Andreas Dietzel als PDF ansehen

Interview mit Dr. Rudolf Colm

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Er spricht drei Sprachen und gern mit den Händen – Dr. Rudolf Colm: geboren in Italien, österreichischer Pass, Berufssitz Asien, Stammsitz Stuttgart. Als Geschäftsführer von Bosch ist er verantwortlich für die Region Asien-Pazifik. Im karriereführer spricht er über den Wachstumsmotor China, interkulturelle Offenheit und Karrierechancen deutscher Nachwuchskräfte. [Dr. Rudolf Colm war bis zu seinem Ruhestand Ende 2012 Geschäftsführer von Bosch. Aus dieser Zeit stammt dieses Interview.]

Zur Person

Dr. Rudolf Colm, Foto: Bosch
Dr. Rudolf Colm, Foto: Bosch

Rudolf Colm wurde 1952 in Mailand geboren, wo er an der Universität Bocconi Volkswirtschaft studierte und zum Dr. rer. oec. pol. promovierte. 1976 startete er seine berufliche Karriere bei Pirelli in Mailand als Referent für strategische Planung und volkswirtschaftliche Analysen. Von 1980 bis 1983 leitete Colm die Abteilung Planung und Kontrolle, Finanzen bei der AEG Telefunken in Mailand.

Seit 1983 war er bei der Robert Bosch- Gruppe, zunächst als Abteilungsleiter in Italien, dann in verschiedenen anderen Funktionen, seit Januar 2004 als Mitglied der Geschäftsführung. Er koordinierte die Aktivitäten in der Asien- Pazifik-Region sowie die Zentralbereiche Einkauf/Logistik und Versicherungen. Zudem war er bis zu seinem Ruhestand Ende 2012 verantwortlich für die Regionalgesellschaft von Bosch in Italien.

Der Volkswirt spricht Italienisch, Deutsch und Englisch. Er ist verheiratet und hat ein Kind.

China ist wirtschaftlich stark im Kommen. Müssen Studenten von heute chinesische Sprachen und Umgangsformen beherrschen, um für den Arbeitsmarkt von morgen gerüstet zu sein?
Chinesisch ist kein Muss. Wer aber im Job viel mit China zu tun hat, sollte sich eingehend mit den Gepflogenheiten im Land beschäftigen. Es hilft, kulturelle Unterschiede besser zu verstehen, um erfolgreicher zu arbeiten. Wer sich zusätzlich nach einer gewissen Zeit im Land einen Basis-Wortschatz aneignet, zeigt Initiative und setzt bei den lokalen Kollegen das richtige Signal.

Wie halten Sie dies in Ihrem Haus?
Bei Bosch bereiten wir Mitarbeiter, die für Projekte oder auch längere Einsätze ins Ausland gehen, in interkulturellen Seminaren und Sprach-Crash-Kursen vor. Sie können sich bei einer Besuchsreise vorab schon mal im Land informieren und erhalten dabei auch Hilfestellung von ihren Kollegen vor Ort.

Wie kann ein Absolvent testen, ob er für die Zusammenarbeit mit chinesischen Geschäftspartnern geeignet ist?
Interkulturelle Offenheit, Neugierde und eine gewisse Grundaffinität zur Kultur und zu den Menschen in China sind Voraussetzung. Wer diese nicht mitbringt, wird wenig Erfolg haben. Zusätzlich braucht man natürlich Sozialkompetenz und die Bereitschaft, sich an das neue Umfeld anzupassen. Eine solche Offenheit und Lernbereitschaft belohnen die Menschen im Land in der Regel mit Vertrauen und Gastfreundschaft. Wichtig ist auch die Fähigkeit zuzuhören. Jemand, der meint, er habe für alles im Voraus schon eine Antwort, wird in China manche Enttäuschung erleben.

Welche Rolle spielt China für die deutsche Wirtschaft?
Die Wachstumsdynamik in China hält weiter an. Das Reich der Mitte hat in den vergangenen drei Jahren rund 150 Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen aus dem Ausland auf sich gezogen und besitzt weiterhin von allen Weltregionen das größte Entwicklungspotenzial. An diesen Investitionen hat bisher Deutschland von allen europäischen Ländern am stärksten partizipiert. Deutsche Unternehmen werden auch am weiteren Wachstum stark teilhaben.

Was bedeutet das für Bosch?
Auch bei Bosch werden wir weiterhin gezielt unsere Chancen nutzen – und zwar in allen Geschäftsfeldern. Dabei hilft, dass wir auf eine langjährige Geschichte im Reich der Mitte zurückblicken können. Als wir 1909 unsere erste Handelsniederlassung gegründet haben, war von Globalisierung noch keine Rede. Heute ist China eines der Kernländer für unser Geschäft in der ganzen Region Asien-Pazifik. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren die Anzahl unserer Fertigungsstandorte in China von zehn auf zwanzig verdoppelt und wollen dort weiter investieren.

Wie wird sich die deutsch-chinesische Beziehung entwickeln?
Wir erwarten, dass sich die beiden Länder zunehmend wirtschaftlich verflechten. In einem gesunden Wettbewerb werden davon alle profitieren können. Deutsche Firmen erschließen derzeit mit Investitionen in China und mit dem Aufbau lokaler Fertigungen neue Märkte, aber auch chinesische Unternehmen werden ihre Chancen in Europa suchen und nutzen. Wir bei Bosch wollen am überdurchschnittlichen Wachstum in China teilhaben, denn unsere Innovationspolitik ist auf Ressourcen- und Umweltschonung ausgerichtet und stimmt mit den Zielen der chinesischen Umweltbehörde überein.

Wie wird sich die Zusammenarbeit mit China auf deutsche Berufseinsteiger und angehende Führungskräfte auswirken?
Mit einer zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung werden auch die geschäftlichen Kontakte in allen Branchen und auf allen Unternehmensebenen zunehmen. Diese Entwicklung wird besondere Chancen für Mitarbeiter bieten, die interkulturelle Kompetenz und Offenheit für andere Kulturen mitbringen und bereits früh Auslandserfahrung gesammelt haben. In China sind besonders Berufseinsteiger mit solidem technischen Know-how gefragt, die schon in jungen Jahren bereit sind, Verantwortung und Führungsaufgaben zu übernehmen. Die Entfernung von Deutschland,die Dynamik des Marktes und der Bedarf, Produkte und Marketingkonzepte an lokale Gegebenheiten anzupassen, erfordern vor allem von jungen Mitarbeitern viel Initiative und Verantwortungsbereitschaft.

Welche Art von Führungskraft ist für diese Aufgabe geeignet?
Führungskräfte müssen beweisen, dass sie auch eine Gruppe von Mitarbeitern aus unterschiedlichsten Kulturen effektiv leiten und Unterschiede nicht als Hindernis, sondern als Mehrwert begreifen können. Dazu brauchen sie unter anderem ein entsprechendes Fingerspitzengefühl – die so genannten Soft Skills, die das Fachwissen ergänzen müssen.

Auf welche anderen Länder sollte man schon heute sein Augenmerk legen?
Auf jeden Fall auf Indien. Dieses Land wird besonders als Fertigungs- und Dienstleistungsstandort, aber auch als Absatzmarkt für deutsche Unternehmen stark an Bedeutung gewinnen.

Welche Sprachen sollten angehende Berufseinsteiger für den Weltmarkt beherrschen?
Wer international arbeiten will, für den ist fließendes Englisch in Wort und Schrift ein klares Muss. Daran führt kein Weg vorbei. Darüber hinaus ist es von großem Vorteil, mindestens eine weitere Fremdsprache zu beherrschen. Gleichzeitig sollten Berufseinsteiger interkulturelle Kompetenzen aufbauen. Beides lässt sich übrigens am besten in den jeweiligen Ländern selbst erlernen.

Was muss man beherzigen, wenn man es wie Sie in die erste Führungsebene eines Unternehmens schaffen will?
Erforderlich sind breit angelegte Erfahrungen in mindestens zwei Funktionsbereichen, internationale Expertise, permanente Fortbildung, hartes und zielgerichtetes Arbeiten – und ein Quäntchen Glück.

Haben Sie sich während Ihrer Ausbildung außeruniversitär engagiert?
Während meiner Studienzeit war ich dank meiner Doppelsprachigkeit für zahlreiche Unternehmen international als Dolmetscher sehr aktiv und habe mir damit auch mein Studium zum Teil finanziert. Arbeit und Weiterbildung waren für mich immer die oberste Maxime und sind es auch heute noch.

Interview mit Alain Caparros

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Geboren ist er in Frankreich, gearbeitet hat er in seinem Heimatland, in der Schweiz und in Österreich. Seit 2006 ist Alain Caparros Vorstandsvorsitzender der Rewe Group in Köln und verantwortet unter anderem die Einheiten Discount, National/International und Vollsortiment Ausland. Im karriereführer sprach er über die Faszination Handel, die Veränderungen der Branche und den 1. FC Köln.
Die Fragen stellte Sabine Olschner, aus karriereführer handel Ausgabe 2007.2008

Zur Person Alain Caparros

Alain Caparros, Foto: Rewe Group

Alain Caparros, geboren im September 1956 in Tiaret, ist seit Ende 2006 Vorstandsvorsitzender der Rewe Group. Vorher war er Mitglied des Vorstands der Rewe-Zentral und der Rewe-Zentralfinanz in Köln.

Nach dem BWL-Studium in Saarbrücken und Metz begann der gebürtige Franzose 1981 seine berufliche Laufbahn beim Kosmetikkonzern Yves Rocher, wo er zunächst in verschiedenen Funktionen in Deutschland, der Schweiz und Österreich tätig war. Ab 1991 verantwortete er als Vizepräsident in Paris Strategie und Entwicklung der Gruppe national und international.

1994 wechselte Caparros zum europäischen Discount-Marktführer Aldi und wurde Generaldirektor von Aldi Frankreich. 1999 übernahm er als Vorstandsvorsitzender von Aldis Service Plus ASP die Verantwortung für das in Frankreich führende Unternehmen in der Gastronomie-Belieferung.

Wie wird sich der Handel in den nächsten Jahren verändern?
Der Handel war immer eine dynamische Branche und wird sich auch künftig mit hohem Tempo weiterentwickeln. Maßstab sind die Veränderungen im Konsumverhalten. Hier spielen die bevorstehenden demografischen Veränderungen eine große Rolle: Die Gesamtbevölkerung schrumpft, die Menschen werden älter und weniger mobil. Der Trend zu Ein-Personen-Haushalten hält an. Die Macht der Konsumenten nimmt zu. Fehlverhalten des Handels wird sehr schnell abgestraft. Als einer der führenden Lebensmittelhändler müssen wir uns in einem sich noch verschärfenden Wettbewerb mit unserem klassischen, stationären Vertriebsformen und mit der Entwicklung neuer Vertriebsstrategien darauf einstellen. Die Konzentration wird sowohl im Handel als auch bei den Herstellern zunehmen. Zur Internationalisierung gibt es keine Alternative.

Was bedeutet das für Hochschulabsolventen, die in der Handelsbranche Fuß fassen wollen?
Der Handel bietet durch seine Komplexität, den Wettbewerbsdruck und den Zwang zur absoluten Kundenorientierung breitgefächerte Entwicklungschancen. Wie in der Automobilindustrie heißt es heute auch hier: „ Just-in-Time“. Hochschulabsolventen sollten daher vernetzt und analytisch denken und handeln können, das ist eine unabdingbare Voraussetzung. Aus diesem Grund haben bei uns Quereinsteiger sehr gute Chancen. Ein Unternehmen wie die Rewe Group benötigt nicht nur Volkswirte, Juristen oder Betriebswirtschaftler. Wir wollen junge Menschen mit Phantasie und Kreativität. Denn eines gilt heute wie vor hundert Jahren: Ein Händler braucht Kopf, Herz und Bauch.

Warum hat die Branche eigentlich bei Nachwuchskräften noch immer einen recht schlechten Ruf?
Weil der Lebensmittelhandel nicht in großen Werbeanzeigen suggeriert, ein Lebensgefühl zu verkaufen – so wie zum Beispiel die Auto- oder die Chemieindustrie. Der jedem bekannte „tägliche Einkauf“ speist immer noch das Vorurteil, der Handel biete ausschließlich die Perspektive, Tag aus Tag ein an der Kasse zu sitzen oder Regale einzuräumen. Im Handel zu arbeiten bedeutet natürlich sehr viel mehr. Doch die mit Hochtechnologie hinterlegten Prozessketten sind für die Kunden nicht gleich sichtbar. Auch nicht die Internationalisierung. So ist die Rewe Group bereits in 14 Ländern aktiv. Wir können internationale Karrieren mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit, Gestaltungsspielraum und Verantwortung bieten. Wer bei uns hart arbeitet, der kommt rasch vorwärts.

Sie legen bei der Rewe Group großen Wert auf eigenverantwortliches Handeln und unternehmerische Selbstständigkeit. Was bedeutet das konkret für Mitarbeiter und auch Berufseinsteiger?
Die genossenschaftliche Tradition der 1927 gegründeten Rewe Group hat über die Jahrzehnte zu einer Kultur der (Eigen)Verantwortung geführt. (Eigen)Verantwortung gegenüber der gestellten Aufgabe, aber auch gegenüber dem gesamten Unternehmen. Egoistische Karrieristen, die nur auf die nächste Stufe der Aufstiegsleiter blicken sind bei uns falsch.

Welche Tipps können Sie karriereorientierten Hochschulabsolventen geben, die es wie Sie in die oberste Führungsebene schaffen wollen?
Es ist unerlässlich, sich bereits im Studium konkrete Ziele zu stecken und diese auch beim Berufseinstieg konsequent zu verfolgen. Im Handel gehört dazu, sich zunächst Basis-Know-how über die Branche – also in den Märkten, am Point of Sale – anzueignen. Denn auf diesem Wissen bauen sämtliche späteren Tätigkeiten bis hin in die oberen Führungspositionen auf.

Sie haben schon auf diversen führenden Positionen im europäischen Ausland gearbeitet. Welche Voraussetzungen muss man Ihrer Meinung nach für eine Auslandskarriere erfüllen?
In allererster Linie muss man bereit sein, sich mit der Kultur des Landes auseinanderzusetzen. Natürlich sind auch gute Fremdsprachenkenntnisse im internationalen Lebensmittelhandel unerlässlich. Vor dem Hintergrund meiner Biographie kann ich nur raten, Auslandserfahrung durch Praktika oder Auslandssemester zu sammeln sowie neugierig auf andere Kulturen zu sein.

Welche Länder werden für Rewe in Zukunft attraktiv sein?
Die Rewe Group wird in den kommenden Jahren ihre Expansion vor allem in Süd- und Osteuropa konsequent fortsetzen. Die aufstrebenden Volkswirtschaften in diesen Regionen sind sehr interessante Wachstumsmärkte, die allerdings auch hart umkämpft sind.

Werden sich dort auch Chancen für Hochschulabsolventen ergeben?
Grundsätzlich ja. Allerdings achten wir stark darauf, dass die Führungsmannschaft im jeweiligen Land zu einem großen Teil aus Managern besteht, die aus dem Land kommen. Nur durch dieses länderspezifische Wissen sind wir nah genug an unseren Kunden in ganz Europa.

Seit 1994 sind Sie im Lebensmittel-Handel tätig. Warum fasziniert Sie gerade dieser Handelssektor?
Weil wir mit unseren Lebensmitteln ganz dicht am Kunden sind. Wir liefern einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität. Wir müssen uns täglich neu darauf einstellen, unsere Kunden in ihrer millionenfachen Verschiedenheit erneut für uns zu gewinnen. Da ist kein Tag so wie der andere. Was kann es Spannenderes geben?

Zu guter Letzt: Rewe ist neuer Hauptsponsor des 1. FC Köln. Fußball und Handel – wo liegen die Gemeinsamkeiten?
Sowohl im Handel als auch im Fußball ist die Mannschaft der Star. Das heißt nicht, dass es nicht auch Solisten und Individualisten gibt, doch ganz gleich, welche Rolle man spielt, man dient dem großen Ganzen. Und außerdem: der FC gehört genauso zu Köln wie der Dom oder die Rewe Group. Das ist auch ein Stück Verantwortung für das gesellschaftliche Umfeld des eigenen Standortes.

Interview mit Dr. Michael Büttner

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Als Leiter der Strategieberatung Zentraleuropa bei Capgemini lebt Dr. Michael Büttner aus dem Koffer. Mit dem karriereführer sprach der 46-jährige Österreicher über den Traumberuf Berater, das hohe Tempo in der Branche und die notwendige Gelassenheit. Die Fragen stellte Kathrin Baier.

Zur Person

Dr. Michael Büttner, 46 Jahre, studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität in Wien, während seiner Promotion arbeitete er dort als Assistent. Nach seiner Promotion war er bei der Creditanstalt-Bankverein in Wien und bei Degussa in Frankfurt als Vorstandsassistent tätig und leitete dort die strategische Planung für den Geschäftsbereich Industrie- und Feinchemikalien. Von 1990 bis 1992 hat er bei Roland Berger & Partner als Projektleiter den Bereich der umsetzungsorientierten Strategieberatung mit aufgebaut. Danach war er bei Capgemini, damals noch Gemini Consulting München, für große internationale Transformationsprojekte verantwortlich. 1997 baute er das Geschäft in Österreich für Gemini Consulting auf. Nach dem Merger von Gemini Consulting, Capgemini und Ernst & Young übernahm er 2002 die Leitung der Strategieberatung für Zentraleuropa. Der Österreicher ist verheiratet und hat drei Söhne.

Herr Dr. Büttner, was macht ein Strategieberater bei Capgemini?
Er entwickelt im Team mit seinen Kollegen und dem Kunden ein Konzept und begleitet den Kunden bei der Umsetzung, das heißt bei den operativen Änderungen im Unternehmen. Wichtig ist uns bei jedem Projekt die partnerschaftliche und enge Zusammenarbeit mit dem Kunden – nur so kann die Umsetzung eines Programms funktionieren.

Sind Sie eher Berater oder Verkäufer?
Ich fühle mich als Berater. Im Berufsalltag bin ich jedoch sehr stark mit der Kundenakquisition beschäftigt. Im operativen Geschäft arbeite ich zu rund 40 Prozent.

Wo liegen Ihre Branchenschwerpunkte bei der Strategieberatung?
Wir beraten vorwiegend private und öffentliche Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau – auch ich komme aus diesem Bereich. Dazu kommen Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie und Finanzdienstleister. Im Markt gibt es die Tendenz, dass Dienstleistungsunternehmen immer mehr Beratungsleistungen nachfragen.

Beraten Sie Unternehmen speziell für die Expansion in bestimmte Länder?
Wir begleiten Kunden beim Markteintritt in Osteuropa und China. Sie verlagern ihre Produktion immer weiter nach Osten, Dienstleistungen geben sie nach Indien. So outsourcen unsere Kunden zum Beispiel Controlling- und Programmierarbeiten. Sie bei diesen Prozessen zu beraten, ist für mich eine völlig neue Herausforderung.

Thema Neueinstellungen 2006: Wie viele neue Strategieberater suchen Sie?
Wir wollen 45 Strategieberater einstellen, die wir händeringend suchen. Im gesamten Beratungsbereich, also der Managementberatung, suchen wir weitere 150 Berater, ebenfalls händeringend. Die Geschäfte laufen gut. Aber wir wollen bei den Bewerbern keine Abstriche machen, und die Industrie ist heute bei hochqualifizierten Leuten für uns ein großer Konkurrent.

Aus welchen Fachrichtungen suchen Sie Absolventen und Young Professionals?
Capgemini sucht vor allem Kaufleute und Wirtschaftsingenieure. Bewerber mit Berufserfahrung sollten in der Großindustrie gearbeitet haben, da Capgemini fast ausschließlich große Unternehmen als Kunden hat.

Was müssen die künftigen Capgemini-Strategieberater mitbringen?
Sie müssen eine Bandbreite an Kommunikationsstilen beherrschen, das heißt zum Beispiel sowohl mit Vorständen als auch mit Mitarbeitern aus der Produktion reden können. Sie müssen Team- und Begeisterungsfähigkeit sowie ein gewisses Maß an Pragmatismus mitbringen. Ganz wichtig ist Capgemini, dass unsere Berater in entscheidenden Situationen gegenüber unseren Kunden Zurückhaltung an den Tag legen. In meinen Augen sind Bewerber heute weniger ausdauernd und widerstandsfähig als früher. Auch bei Umgangsformen sind junge Leute heute teilweise nachlässiger. Eigenschaften und Verhaltensweisen, an denen man bis Mitte 30 durchaus noch arbeiten kann, was wir bei Capgemini unterstützen.

Haben sich die Anforderungen an den Berater in den vergangenen Jahren geändert?
Das Wissen in der Industrie wird immer spezieller, so dass es heute nicht mehr möglich ist, von Projekt zu Projekt zu springen. Unsere Berater müssen am Puls von Technologie-Entwicklungen bleiben.

Was bieten Sie den Bewerbern?
Im firmeneigenen Institut erhalten unsere „Neuen“ eine achtwöchige Ausbildung: vom Präsentations-, über das Methoden- bis zum Marktanalysentraining. Danach übernehmen sie sehr schnell Projekt- und Führungsverantwortung. Jeder Berater lernt viel von seinen Kollegen – über alle Hierarchien hinweg. Er lernt viele Unternehmen intensiv kennen, da er bei jedem Projekt vier bis fünf Tage pro Woche vor Ort beim Kunden ist, und er knüpft viele internationale Kontakte, da er europaweit und auch in den USA oder in China tätig ist.

Thema Work-Life-Balance und 5-4-3-Regelung: Welche Kehrseiten hat die Beratertätigkeit?
Ein Berater arbeitet fünf Tage pro Woche, in der Regel vier Tage beim Kunden und am Freitag in seinem Büro. So empfehlen wir unseren Mitarbeitern, an dem Ort zu leben, an dem ihr Büro ist. Sie verbringen dann im günstigen Fall nur drei Nächte nicht zu Hause. Das Tempo in der Beraterbranche ist enorm hoch, man lernt dort schneller als in anderen Branchen, und die Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich. Die Kehrseite ist, dass man sehr angestrengt ist und die Gefahr besteht, „sozial zu denaturieren“. Mein Rezept lautet daher: investieren, investieren, investieren. Das heißt Freundschaften aktiv pflegen und bewusst Auszeiten mit Familie und Freunden nehmen.

Wie sind Sie zu Capgemini gekommen?
Von 1990 bis 1992 habe ich bei Roland Berger & Partner als Projektleiter den Bereich der umsetzungsorientierten Strategieberatung mit aufgebaut. Ein Headhunter hat mich auf Grund dieser Qualifikation zu Capgemini, damals noch Gemini Consulting, geholt. Dort war ich dann von Wien aus für die Bereiche Marketing & Sales sowie Sanierungen verantwortlich und habe große und internationale Strategieprogramme in Europa und Afrika geleitet. Im Jahr 2001 – kurze Zeit nach dem Merger von Gemini Consulting in die Cap Gemini Ernst & Young Consulting, 2004 umfirmiert zu Capgemini – habe ich die Leitung der Strategieberatung für Zentraleuropa übernommen.

Was hat Ihnen geholfen, Karriere zu machen?
Ich mache fachlich gute Dinge mit einer gewissen Gelassenheit, also ohne verbissen zu kämpfen. Ich denke, diese Kombination hilft mir, meinen Weg zu gehen.

Wie sehen Ihre weiteren beruflichen Ziele aus?
Ich habe Lust, auf Grund des Erfolges in der Strategieberatung während der vergangenen vier Jahre mehr Verantwortung innerhalb der Gruppe zu übernehmen. Was mich dabei vor allem antreibt, ist, den Typus von Berater zu finden, den wir für unser Geschäft brauchen.

Sie sind nicht nur Doktor der Betriebswirtschaft, sondern auch studierter Forstwirt und Sprengmeister. Wie sind Sie zu diesen Ausbildungen gekommen?
An der Universität für Bodenkultur in Wien habe ich nebenher studiert – aus Spaß und weil ich eine hohe Affinität zum Wald habe. Das Sprengen, zum Beispiel von Bäumen, hat mir auch große Freude gemacht. Etwas Praktisches zu tun, war für mich der Antrieb.

Was ist Ihr persönliches Lebensmotto?
Nicht alles so tierisch ernst zu nehmen.

Dazwischengefunkt

Welchen anderen Beruf könnten Sie sich vorstellen?
Chef eines mittelständischen Produktionsbetriebs – eines „Hidden Champion“

Was wollten Sie am Start Ihres Berufslebens?
Eine führende Position in einem internationalen Industriekonzern

Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Ich bin ein offener und ehrlicher Mensch. Und ich habe Freude an den Sachen, die ich mache.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an anderen Menschen?
Offenheit

Was dulden Sie auf keinen Fall?
Lügen und Taktieren

Was ist Ihnen sehr unangenehm?
Es ist mir noch heute unangenehm, persönliches Verhalten meiner Mitarbeiter zu beurteilen.

Was entschuldigen Sie sofort?
Eingestandene Fehler

Was nehmen Sie unbedingt auf eine Reise mit?
Meine Laufschuhe

Wo möchten Sie am liebsten leben?
In meiner Heimatstadt Wien

Wo tanken Sie Energie auf?
Zu Hause bei meiner Familie und bei einer jährlichen Regenerationswoche

Was war Ihr größter Flop?
Am Anfang meiner Beratungszeit hat mir ein Kunde das klare Feedback gegeben, dass die Zusammenarbeit mit mir nicht funktioniert.

Und Ihr größtes Erfolgserlebnis?
Die Strategieberatung von Capgemini zu ihrem heutigen Erfolg zu führen

Interview mit Dr. Diethard Bühler

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Als Jurist ist Diethard Bühler eher eine Ausnahme in der Consultingbranche. Trotzdem konnte der 49-Jährige seine juristischen Kenntnisse auch schon gewinnbringend einsetzen. Seit Mai 2007 ist Bühler Managing Director bei der Strategieberatung Arthur D. Little. Im karriereführer consulting sprach er über Spezialisierung, Arbeitgeberwechsel und die Faszination der Branche. Das Interview führte Sabine Olschner.

Zur Person

Dr. Diethard Bühler, 49 Jahre, ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Arthur D. Little GmbH für Zentraleuropa. Die Schwerpunkte seiner Beratertätigkeit liegen in der Entwicklung und Umsetzung von Geschäftsbereichsstrategien, Organisationsentwicklung (insbesondere im Produktmanagement) sowie Restrukturierungsprogrammen. Zu seinen Klienten gehören Unternehmen der sogenannten TIME-Branchen (Telekommunikation, IT, Medien, Electronics), sowohl in Europa als auch in den USA. Diethard Bühler war zwölf Jahre bei A.T. Kearney tätig sowie zwei Jahre bei Bain & Company (als Head of Technology and Telecommunications in Deutschland) und zuletzt gut zwei Jahre bei CSMG Adventis, einer auf den IT- und Telekommunikations-Sektor spezialisierten Strategie-Beratung. Zuvor arbeitete er als Rechtsanwalt in der Kanzlei Berenberg-Gossler & Partner (heute:TaylorWessing) in Hamburg. Diethard Bühler studierte Rechtswissenschaften in Hamburg und Lausanne und absolvierte ein MBA-Studium an der University of San Francisco. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Herr Dr. Bühler, Sie sind promovierter Jurist. Treffen Sie in der Consultingbranche auf viele Juristenkollegen?
In der Branche sind Juristen generell selten, und auch im Top-Management habe ich kaum Juristen kennengelernt. Ich glaube, die Studienrichtung Jura kann für eine Arbeit im Consulting sogar fast hinderlich sein, weil sie eine andere Zielrichtung hat als eine betriebswirtschaftliche Ausbildung: Eine juristische Ausbildung geht immer dahin, dass man keine Fehler machen, sondern Sicherheit schaffen will. Der Jurist versucht, das Risiko zu vermeiden, der Betriebswirt hingegen kalkuliert das Risiko. Letzteres ist das, was wir Berater unseren Klienten bieten: Was kostet mich das Risiko und die Lösung des Problems?

Wie wichtig ist denn die Studienrichtung für eine Arbeit in der Consultingbranche?
Die Studienrichtung an sich ist nur von begrenzter Bedeutung. Natürlich müssen alle Berater bei uns über betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse verfügen. Ich selbst habe beispielsweise Betriebswirtschaft im Grundstudium studiert und später einen MBA gemacht. Aber: Solch eine Ausbildung ist nicht unbedingt notwendig. Wir im Unternehmen sind offen für alle Fachrichtungen. Die Klassiker fürs Consulting sind natürlich Betriebswirtschaft oder Ingenieurwissenschaften – und so ist es auch bei uns.

Können Sie Ihre juristischen Kenntnisse in der Beratung einsetzen?
Insbesondere am Anfang meiner Arbeit in der Consultingbranche habe ich mich sehr intensiv mit der Juristerei beschäftigt. Ich habe damals bei der Treuhandanstalt gearbeitet, wo mir meine Rechtskenntnisse sehr nützlich waren. Später habe ich hin und wieder Kanzleien beraten, auch da hilft es, selbst Jurist zu sein. In meiner aktuellen Funktion als Geschäftsführer ist es sehr nützlich, sich mit arbeits- und steuerrechtlichen Fragestellungen auszukennen.

Sie haben lange Zeit Unternehmen aus der Telekommunikation, Information, Medien und Elektronik beraten. Müssen sich Consultants auf eine Branche spezialisieren – oder ist eher der Allrounder gefragt?
Eine Spezialisierung erscheint mir zu eng. Ich glaube vielmehr, jeder sollte Schwerpunkte bilden. Diese müssen aber nicht unbedingt in einer Branche liegen. Es kann genauso gut ein fachlicher Schwerpunkt sein, wie etwa die Beschäftigung mit organisatorischen, strategischen oder operativen Themen. Es gibt aber auch Berater, die ein sehr breit gefächertes Wissen haben und damit ebenso erfolgreich sind. Andere Consultants kümmern sich um einen speziellen Kunden, meist ist dies ein großes Unternehmen, das viele verschiedene Geschäftsfelder hat. Im Consulting gibt es also viele Wege zum Erfolg, und es ist nicht notwendig, sich zu stark zu spezialisieren. Kunden sind meist ohnehin nicht mit einer einzelnen Kompetenz zufrieden, sondern verlangen vielmehr einen Mix von Kompetenzen. Letztlich ist die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln, Neues zu erlernen und sich umzustellen wichtiger als eine wie auch immer geartete Spezialisierung.

Was kann man schon als Einsteiger tun, um innerhalb des Unternehmens aufzusteigen?
Jeder, der bei uns anfängt, ist aus unserer Sicht ein potenzieller Partner. Ihm fehlt am Anfang nur die Erfahrung und das methodische Wissen – aber das Potenzial haben wir in dem Bewerber erkannt, sonst hätten wir ihm kein Angebot gemacht. Wir stellen niemanden ein, den wir nach ein oder zwei Jahren loswerden wollen. Im Gegenteil, wir tun sehr viel dafür, seine Ausbildung und Karriere entsprechend seiner Fähigkeiten zu fördern und ihn aktiv bei seinem Weiterkommen zu unterstützen. Das Ziel eines jeden Beraters sollte es sein, Partner zu werden. Aus meiner Sicht noch wichtiger als der hierarchische Aufstieg ist es jedoch, spannende Projekte beim Klienten zu bearbeiten.

Was verändert sich an der Arbeit, wenn man in Ihre Position aufgestiegen ist?
Als Managing Director verändert sich jede Menge: Man muss ein ganzes Unternehmen mitsamt allen Partnern führen. Meine wichtigste Aufgabe ist es, die Partnerkollegen zu motivieren, so dass wir zusammen in die gleiche Richtung gehen. Darüber hinaus bin ich dafür verantwortlich, dass unsere Administration kostenbewusst und qualitativ hervorragend arbeitet. All dies spielt im Alltag eines Partners eine eher untergeordnete Rolle.

Gehört die Beratung von Klienten überhaupt noch zu Ihren Aufgaben?
Selbstverständlich. Man kann nicht jahrelang mit der Beratung aussetzen, wenn man später zur Klientenarbeit zurückgehen will. Klientenbeziehungen haben sehr stark mit Vertrauen zu tun, und das muss über Jahre wachsen und anschließend gepflegt und erhalten werden.

Sie haben öfter ihren Arbeitgeber gewechselt – ist das ein üblicher Weg nach oben?
Ich habe bei meinem ersten Arbeitgeber mit der Ernennung zum Vice President den Partner-Level erreicht, habe also den Aufstieg schon im ersten Unternehmen vollzogen. Danach bin ich eher quer gewechselt als Partner in verschiedene Beratungsunternehmen. Für meinen Aufstieg war der Wechsel also nicht wichtig. Ich habe allerdings weitere Erfahrung und neue Perspektiven gewonnen, was mir bei meiner heutigen Aufgabe sehr hilft. Wer das Beratungsunternehmen wechseln will, sollte bedenken, dass ein Wechsel immer die Vertrauensbeziehung zum Kunden stört. Andererseits sollte man sich bei seinem Arbeitgeber natürlich wohlfühlen, denn nur dann kann man auch gut sein.

Sie sind seit knapp 18 Jahren in der Branche tätig. Was fasziniert Sie am Consulting?
Die Fähigkeiten, die gefordert sind und in denen man nie gut genug ist; der ständige Reiz, durch soziale Aktionen und fachliches Wissen das Vertrauen des Klienten zu erwerben; ständig wechselnde Teams in einem relativ hierarchiefreien Umfeld; und nicht zuletzt der ständige Adrenalinstoß, wenn man sich auf eine Präsentation vorbereitet oder einen Beratungsvorschlag abschließt, um dem Klienten das Bestmögliche zu geben. Die Mischung aus vielen verschiedenen Faktoren macht diesen Beruf außerordentlich spannend.

Arthur D. Little

Gegründet 1886 von dem MIT-Professor Arthur Dehon Little in Massachusetts, gilt Arthur D. Little heute als die älteste und traditionsreichste Unternehmensberatung der Welt. Arthur D. Little verbindet Strategie-, Innovations- und Technologieberatung mit dem Ziel, nachhaltige Unternehmenserfolge für die Klienten sicherzustellen. Das Unternehmen betreut weltweit Kunden aus allen wichtigen Industrie- und Dienstleistungszweigen. Im deutschsprachigen Raum beschäftigt Arthur D. Little 270 Mitarbeiter an den Standorten Wiesbaden, Düsseldorf, München, Wien und Zürich. Weltweit arbeiten über 1000 Mitarbeiter an 20 Standorten. Zu den Kompetenzfeldern von Arthur D. Little gehören Strategie, Operations, Sustainability & Risk sowie Technologie- und Innovationsmanagement. Arthur D. Little ist Mitglied im Altran-Verbund, einem Netzwerk hochspezialisierter Technologieunternehmen, das rund 17.000 Mitarbeiter umfasst.

Interview mit Thomas Bubendorfer

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Tausende von Tagen hat er auf den Bergen der Welt verbracht: Extrembergsteiger Thomas Bubendorfer weiss, wie man sein Ziel erreicht und wie man mit Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin umgeht. Mit Sabine Olschner sprach er über Mut, Scheitern und den Umgang mit Risiken.

Zur Person

Thomas Bubendorfer, 45, hat schon mit zwölf Jahren seine Liebe zum Bergklettern entdeckt. Der Extrembergsteiger hat über 70 Erstbesteigungen hinter sich, viele im Alleingang und ohne Seil. Er kletterte in Rekordzeit in den Alpen, den Anden, in Alaska und im Himalaja. Sein bisher einziger Absturz führte fast zum Ende seiner Karriere als Profikletterer, doch bereits ein Jahr später feierte er sein Comeback. In Vorträgen und Seminaren bringt er Managern und Führungskräften seine Leistungsphilosophie näher. Bücher wie „Senkrecht gegen die Zeit“ und sein neuestes „Ausgangspunkt Jetzt“ zeigen die Parallelen zwischen Bergsteigen und dem Job eines Managers. Thomas Bubendorfer ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Österreich. Weitere Infos: www.bubendorfer.com

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolgreich ist man, wenn man genau das tut, was man sich selbst ausgesucht hat, und wenn man dieses Tun um seiner selbst Willen ausübt. Ich zum Beispiel bin Bergsteiger, weil ich gern klettere. Damit bin ich schon erfolgreich. Viele glauben, sie werden erfolgreich sein, wenn sie am Gipfel angekommen sind. Das ist meiner Ansicht nach ein Irrtum. Ich sage immer: Man kann nur jetzt erfolgreich sein und nicht künftig erfolgreich werden. Viele stecken in dieser Zukunftsfalle und vergessen über ihren Zielen die Gegenwart.

Und wie definieren Sie Scheitern?
Scheitern bedeutet, Dinge zu tun, die ich eigentlich gar nicht tun will, sondern die ich tun muss. Aber sobald der Mensch im Zwang steckt, kann er sein Leistungspotenzial nicht frei entfalten.

Scheitern bedeutet also nicht, sein Ziel nicht zu erreichen?
Nein, überhaupt nicht. Von außen betrachtet sind viele Top-Manager sehr erfolgreich: Sie stehen an der Spitze. Aber sie stecken oft in einer Zwangsjacke und funktionieren einfach gut. Doch wenn einer nur funktioniert, ist er für mich kein Gewinner, sondern ein Gescheiterter. Erfolgreiche Menschen sind frei. Leider kenne ich nicht viele freie Menschen.

Welche beruflichen Ziele sollte man sich stecken?
Ich halte überhaupt nichts davon, sich Ziele zu stecken. Ich finde es viel ehrenwerter, wenn jemand immer besser werden will. Auch ich arbeite ununterbrochen daran, dass ich nicht stehen bleibe. Schauen Sie sich etwa einen Künstler an: Was sollte der sich für Ziele stecken? Er kann nur an sich und seinen Talenten und Fähigkeiten arbeiten. Das Gleiche gilt für Manager. Es gibt kein Ankommen. Man ist ständig unterwegs. Ein Ankommen wäre ein Endpunkt – und davon gibt es nur einen, und das ist der Tod.

Das heißt, ein Gipfel ist für Sie gar kein Ziel?
Nein. Mein Ziel ist es, gut zu sein und besser zu werden. Ich habe zum Beispiel gestern erst zwei Erstbesteigungen gemacht. Beim Klettern habe ich nie daran gedacht, dass ich fertig werden könnte. Als ich oben war, habe ich nur gedacht: Schade, dass es jetzt dunkel wird, denn dort drüben gäbe es noch eine andere Möglichkeit weiterzusteigen. Am Ende der Besteigung war ich also an einem neuen Ausgangspunkt. Es gibt immer einen neuen Ausgangspunkt.

Wo sehen Sie weitere Parallelen zwischen Bergsteigern und Führungskräften?
Beide sollten sich ständig etwas Neues suchen: Orte und Situationen aufspüren, an denen sie noch nicht waren. Denn nur das Neue gibt den Reiz, dass wir uns weiterentwickeln. In dem Moment, in dem wir bekannte Wege gehen, wiederholen wir uns. Doch in der Wiederholung ist man nicht gespannt und aufgeregt, da ist nichts. Wir müssen stark aufpassen, dass wir nicht ins reine Funktionieren hineingeraten. Wer nur funktioniert und Dinge tun muss, reagiert nur noch und agiert nicht mehr. Das ist langweilig.

Welche Eigenschaften sind ihnen noch gemein?
Manager wie Bergsteiger sollten ein hohes Maß an Eigenverantwortung haben: Ich bestimme, wo die Reise hingeht. Ich lasse mich nicht durch zig E-Mails und Meetings am Tag fremdbestimmen. Ich bin die Führungskraft. Also führe ich. Und das fängt bei mir selber an. Wenn man sich selber nicht führen kann, wird man auch andere nicht führen können.

Was kann man denn gegen diese „Fremdbestimmung“, die ja für viele Manager Alltag ist, tun?
Als Bergsteiger, der sehr auf Effizienz konzentriert ist, frage ich mich ständig: Was ist wirklich nötig? Also: Was muss ich wirklich in die Berge mitnehmen, was muss ich wem kommunizieren, wie viel muss ich trainieren? Manager könnten sich immer wieder fragen: Muss ich wirklich in zehn Meetings anwesend sein? Muss ich alle 100 Mails beantworten? Muss ich wirklich 12 oder 14 Stunden täglich arbeiten? Sie werden sehen, dass sie viel Einsparungspotenzial finden werden, denn vieles ist nicht wirklich nötig.

Wie motivieren Sie sich für große Aufgaben wie eine Erstbesteigung?
Für große Aufgaben brauche ich mich nicht zu motivieren, da motiviert mich die Aufgabe selbst. Es fällt mir viel schwerer, mich im Täglichen zu motivieren, bei den uninteressanten Sachen, die mir nicht so eine große Freude machen. Aber auch das ist eine Herausforderung. Man muss halt einen Schritt nach dem anderen machen. Das gilt für alles, was man tut.

Wie „trainiert“ man für den beruflichen Weg nach oben?
Indem man nicht zu weit nach vorn schaut. Im Management leben viele nicht in der Gegenwart, sondern haben immer nur ihre Ziele vor Augen. Ich frage in meinen Seminaren die Teilnehmer: Sind Sie ein Hellseher, dass Sie wissen, wo Sie und Ihr Unternehmen in fünf Jahren stehen werden?

Spielen auch Ausdauer, Kraft und Disziplin für Manager eine Rolle?
Selbstverständlich. Wobei ich Disziplin nicht für so wichtig halte. Denn wer etwas gern tut, dem braucht man nicht zu sagen, dass er üben muss. Ein Musiker etwa spielt einfach gern, weil er seine Fähigkeiten ständig verbessern und dahinkommen will, wo er noch nie gewesen ist. Von außen meint man vielleicht, er sei wahnsinnig diszipliniert – aber für ihn sind fünf Stunden Üben keine Kunst, weil er es gern macht.

Wie viel Mut braucht eine Führungskraft?
Ich glaube, sie braucht sehr viel Mut. Ich fürchte nur, dass die meisten Führungskräfte nicht sehr mutig sind. Viele reden von Veränderungen, aber wenn man dann einmal genau hinschaut, wird gar nicht viel verändert.

Wie sollten Manager und Bergsteiger mit Risiken umgehen?
Man soll sie suchen und nicht meiden. Denn der Mensch ist nur im Risiko gut, wenn etwas auf dem Spiel steht und es gefährlich ist. Das Neue ist gefährlich, denn das kennen wir nicht. Im Alten zu verharren, scheint zwar manchmal sicher, aber das ist manchmal noch gefährlicher, weil man sich nur vermeintlich sicher wähnt. Wenn ich in den Bergen bin, wo noch niemand zuvor geklettert ist, mache ich keinen Fehler, ich bin hundert Prozent wachsam und konzentriert. Wenn man voll gefordert ist, macht man keinen Fehler. Dann ist man einfach gut. Als Profi muss man also mit offenen Augen voll ins Risiko hineingehen. Ein Profi weiß, wie viel Risiko und Wagemut er sich zumuten darf. Wer sich zu viel zumutet, spielt nicht in der Profiklasse, sondern liegt schnell unten.

Und wenn doch mal ein Fehler passiert ist: Wie kommt man am besten heraus?
Indem man nicht jammert. Die Krise ist die beste Chance zum Lernen. Im Erfolg lernt man nicht. Da braucht man sich nur vor Augen zu halten, dass einem etwas gelungen ist. Wird man es beim nächsten Mal anders machen? Wahrscheinlich nicht, denn beim letzten Mal war man ja erfolgreich, weil man offensichtlich alles richtig gemacht hat. Aber wenn Sie nicht hinaufkommen, müssen Sie überlegen, was Sie beim nächsten Mal verändern können. Hier liegt die Chance, etwas zu lernen. Ein Misserfolg tut zwar weh, aber andererseits muss man die Chance sehen, die sich bietet. Eine Krise kann gar nicht so unangenehm und schmerzlich sein, als dass sie nicht trotzdem etwas Positives hätte.

Wenn man merkt, der Absturz ist unausweichlich – wie verhält man sich am besten, um Schadensbegrenzung zu betreiben?
Indem man loslässt, das verkürzt den Fall. Wenn man merkt, dass einem die Dinge entgleiten, dass nichts mehr geht, dann sollte man sich möglichst bald sagen: Ich kann es nicht ändern, das lass ich jetzt los.

Das gilt ja wohl nicht fürs Bergsteigen?
(lacht) Natürlich nicht. Wenn man da kurz vor dem Fall steht, muss man sich in Sicherheit bringen. Wenn ich in der Wand bin und merke, es geht nicht mehr, muss ich mich geordnet zurückziehen. Aber meist gehe ich dann auch nicht mehr unendlich oft an diese Stelle zurück, weil meine inneren Widerstände zu groß sind. Wenn die Widerstände auch nach mehrmaligen Versuchen nicht verschwinden, muss man es irgendwann sein lassen. Ich sage immer: Man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand, man muss mit dem Herzen durch die Wand.

Wie überwindet man solche Rückschläge – und gewinnt vielleicht sogar Kraft durch sie?
Indem man sich klar vor Augen hält, was man gelernt hat. Nur weil ich auf einen Berg nicht hinaufkomme, stellt das ja nicht meine Liebe zum Bergsteigen infrage. Eine Begeisterung für eine Sache kann nicht mit dem Siegen stehen und fallen.

Haben Sie manchmal Angst?
Selbstverständlich.

Wie gehen Sie damit um?
Ich bin fast froh, wenn ich Angst habe, denn ansonsten könnte ich auch nicht mutig sein. Angst lässt mich vermeintliche Sicherheiten aufspüren. Nur wenn ich Angst habe, kann ich sicher sein, dass meine Schuhe richtig gebunden sind, dass der Pickel geschliffen ist, dass ich das Wetter kenne. Meine Angst lässt mich rechtzeitig schlafen gehen. Hätte ich keine Angst, würde ich vielleicht zu spät ins Bett gehen. Die Angst stellt einem Tausend Fragen.

Sie beherrschen also Ihre Angst?
Ja, denn Panik wäre unprofessionell, zu viel Risiko ist tödlich. Als Profi muss ich ein gewisses Restrisiko verantworten, ganz einfach deshalb, weil immer eines bleibt. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, nicht am Berg, nicht in der Wirtschaft. Aber: Es gibt keine gefährlichen Berge, und auch Management ist nicht gefährlich. Es gibt nur Leute, die Fehler machen. Und die meisten Fehler sind hausgemacht. Denn Amateure kennen sich selber nicht so gut, wie ein Profi sich kennt.

Kennen Sie Manager, die in einem Höhenrausch sind?
Die meisten Manager, die ich kenne, befinden sich eher in einem zielfixierten Zwangstunnel. Sie merken nicht mehr, was um sie herum vorgeht. Sie wähnen sich auf einem Gipfel, sehen den nächsten – und dazwischen nichts. Alles was nicht direkt zum nächsten Gipfel führt, ohne den Umweg über das Tal, wollen sie gar nicht wahrnehmen. Sie wollen nicht das Tempo variieren, geben immer nur Vollgas. Auch das lernt der Bergsteiger: Du kannst Vollgas geben, aber du musst dem Körper und dem Geist auch Ruhephasen gönnen, um dann wieder in die nächste Hochleistungsphase hineinzukommen, ohne auszubrennen.

Worin liegt das Geheimnis, dauerhaft oben zu bleiben?
Das kommt auf die Definition an, was oben sein bedeutet. Wenn ich auf einer Position einfach nur bleiben will, muss ich gut funktionieren und möglichst wenig Risiken eingehen. Aber wenn oben sein für mich bedeutet, ein relativ freies und selbstbestimmtes Leben zu führen, muss ich gewisse Risiken eingehen. Ich muss immer wieder hinterfragen, ob das, was ich mache, mir auch wirklich Spaß macht, ob es das ist, was ich will. Und man muss auch mal mutig sein und verzichten können. Dann verdient man vielleicht weniger, aber dafür hat man ein schönes Leben. Denn ganz ehrlich: Führungskräfte haben ein hartes Leben.

Wie kann man sich denn gegen die dünne Luft, die oft oben herrscht, und den permanenten Druck wappnen?
Man sollte sich Gleichgesinnte suchen, andere, die genauso „ticken“ wie ich. Dann kann man sich gegenseitig unterstützen und sich hinterfragen. Das sehe ich auch als meine Aufgabe in meinen Seminaren: Ich stelle den Teilnehmern immer wieder die Frage, ob sie tatsächlich so weitermachen wollen wie bisher. Und wenn nicht, warum sie nichts daran ändern. Sie werden nicht 500 Meter tief stürzen. Ihr Risiko ist da geringer als meins.

Welchen Sinn sehen Sie eigentlich darin, extrem schwierige Berge zu bezwingen?
Das ist mein Leben. Der Sinn meines Lebens besteht darin, dass ich mein individuelles Potenzial ausschöpfe. Das gilt für mich und für alle: Der Sinn des Lebens ist es, immer so gut zu sein, wie man sein kann. Man muss nicht besser sein als der andere. Auch ich kann nur so gut klettern, wie ich es kann. Und nur ich weiß, wie gut ich klettern kann und ob ich noch besser klettern könnte. Das gilt auch für eine gute Führungskraft: Sie weiß, wie gut sie selber ist und wie weit sie sich selber noch entwickeln kann. Und sie muss auch wissen, dass sie nie ankommen und nie gut genug sein wird.

Interview mit Regina Brückner

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Das Veredeln von Textilien ist ihr Geschäft. Mit 30 Jahren übernahm sie das Maschinenbauunternehmen ihres Vaters. Heute führt sie es gemeinsam mit ihrem Mann – er ist der Stratege, sie die Frau der schnellen Entscheidungen. Im Interview mit S-taff spricht Regina Brückner über Gespür für Zwischentöne und Techniker, die oft schwarzweiß denken.

Zur Person

Vordiplom Textiltechnik an der Fachhochschule Reutlingen, Magisterstudium in Neuerer deutscher Literatur, VWL und Organisationspsychologie.
Nach diversen Praktika im In- und Ausland Eintritt als Trainee in die Firma Brückner Trockentechnik. Seit 1999 ist sie Geschäftsführerin, gemeinsam mit ihrem Ehemann Axel Pieper.
Privat: 1969 in Stuttgart geboren, verheiratet, zwei Kinder.

Wann stand für Sie fest, dass Sie in den Familienbetrieb einsteigen würden?
Schon als ich 16 war, fragte mich mein Vater, ob ich mir vorstellen könnte, die Firma einmal zu übernehmen. Blauäugig, wie ich in dem Alter war, habe ich ja gesagt, ohne dass ich mir damals vorstellen konnte, was da genau auf mich zukommt. Von meinen älteren Geschwistern hat keiner Interesse gezeigt, daher habe ich es als meine Verpflichtung gesehen, die Firma eines Tages weiterzuführen, daran gab es bei mir keinen Zweifel. Entsprechend habe ich auch zunächst mein Studium dahingehend ausgerichtet und an der Fachhochschule Reutlingen Textiltechnik studiert.

Warum haben Sie nach dem Vordiplom ein Magisterstudium begonnen?
Das FH-Studium war mir zu verschult. Außerdem wurde mir klar: Wenn ich einmal die Firma leiten wollte, musste ich meinen Horizont erweitern und intellektuell auch noch etwas für mich persönlich tun. Im Nachhinein denke ich, ich hätte besser Jura oder Maschinenbau studieren sollen, das hätte mir bei meiner heutigen Arbeit mehr geholfen. Aber letztendlich kommt es gar nicht auf die Studienrichtung an, wichtig ist, dass man lernt strukturiert zu denken und zu handeln. Und unternehmerisches Handeln lernt man durch Erfahrung und Erleben. Wichtig ist, bei Entscheidungen sorgfältig abzuwägen, gleichzeitig Entschlussfreudigkeit und Vertrauen in sich selbst zu haben.

Helfen Ihnen Ihre Erkenntnisse aus dem Magisterstudium trotzdem bei der Arbeit?
Mit Sicherheit. Vor allem, was ich in Organisationspsychologie gelernt habe, kann ich hier jeden Tag anwenden: beim Umgang miteinander und mit den Mitarbeitern, in schwierigen Gesprächssituationen, beim Lösen von Konflikten, zur Motivation – das alles gehört zum täglichen Geschäft. Darüber hinaus hat mir das Magisterstudium gezeigt, manche Fragen anders zu beurteilen. Techniker denken in der Regel geradeaus, es gibt für sie häufig nur zwei Varianten: schwarz oder weiß. Manchmal nimmt man aber nicht nur diese zwei Varianten wahr, sondern es gibt auch Zwischentöne, die man beachten muss. Jeder Mensch nimmt Aussagen von anderen mit seiner eigenen Wahrnehmung auf – und sich darüber bewusst zu werden, hilft im täglichen Umgang miteinander.

Wie haben die Mitarbeiter auf die Tochter des Chefs reagiert, als Sie als Trainee bei Brückner begonnen haben?
Als ich als Trainee einstieg, war mein Vater schon gestorben. Die Mitarbeiter haben deshalb viel Hoffnung in mich gesetzt, weil sie glaubten, da sei endlich wieder jemand aus der Familie, der sich für die Firma engagiert. Für mich war das eine schwierige Situation, weil ich ihre Hoffnungen noch nicht erfüllen konnte. Ich hatte ja noch gar keine Erfahrung und keine Entscheidungsbefugnisse. Wie alle Trainees konnte ich anfangs einfach nur zuschauen und zuhören. Das war für mich eine sehr lehrreiche Zeit, weil ich überall dabei sein durfte. Dabei habe ich erkannt: Wenn man es will, kann man alles lernen. Ich kann heute ebenso technische Zeichnungen lesen wie mich über kaufmännische Themen unterhalten.

Im Rückblick: Wäre es besser gewesen, vor dem Einstieg in den Familienbetrieb zunächst einmal in anderen Unternehmen zu arbeiten?
Das wäre sicherlich sinnvoll gewesen, und ich hätte es auch gern gemacht. Aber ich habe gespürt, dass unser Unternehmen damals eine schwierige Zeit vor sich haben würde – was sich tatsächlich bewahrheitet hat: Zwei Jahre nach meinem Einstieg haben wir einen Betrugsfall im zweistelligen Millionenbereich aufgedeckt. Wenn ich damals noch nicht so lange im Unternehmen gewesen wäre, hätte ich von der Firma nicht soviel verstanden und hätte nicht so schnell einspringen können. Für mich war es also der richtige Weg, direkt nach dem Studium hier begonnen zu haben. Grundsätzlich kann es jedoch nicht schaden, auch in anderen Unternehmen gearbeitet zu haben, weil ansonsten die Gefahr besteht, schneller betriebsblind zu werden.

Sie haben dann schon mit 30 Jahren die Geschäftsleitung übernommen. Wie wurden Sie als junge Frau in der männerdominierten Technikwelt akzeptiert?
Anfangs haben alle gedacht: Frau, jung, hat keine Ahnung. Das hatte durchaus seine Vorteile, weil ich von vielen unterschätzt wurde. Wenn man dann mit Charme bei Verhandlungen hart bleibt, sind viele Geschäftspartner erst einmal überrascht. Aber zum Glück ist es ja nicht mehr nur eine Männerwelt. Wir bei Brückner zum Beispiel achten darauf, auch Mitarbeiterinnen zu beschäftigen – auch im technischen Bereich. Denn wir haben bemerkt, dass sich das Klima deutlich verbessert, wenn in den Abteilungen nicht nur Männer arbeiten.

Sie haben zwei Kinder und einen zeitintensiven Job – wie schaffen Sie es, Beruf und Familie zu vereinbaren?
Als Geschäftsführerin habe ich den Vorteil, dass ich mir manches anders einrichten kann. Unsere erste Tochter habe ich bis zu ihrem ersten Lebensjahr jeden Tag in die Firma mitgenommen, denn neben meinem Büro ist ein eigenes Kinderzimmer. Inzwischen habe ich jemanden, der in der Firma auf unseren jüngeren Sohn aufpasst, und die Ältere geht in den Kindergarten.

Ihr Mann arbeitet ebenfalls in der Geschäftsleitung von Brückner – wie funktioniert diese enge familiäre Zusammenarbeit?
Jeder hat seine Aufgabenbereiche, und wir sind vom Typ her sehr unterschiedlich. Mein Mann ist eher der Stratege, der langfristig überlegt, in welchen Bereichen was zu tun ist. Ich bin hingegen diejenige, die schnelle Entscheidungen durchführt. Hier ergänzen wir uns sehr gut.

Welche Ratschläge können Sie Absolventen geben, die wie Sie eine Unternehmensnachfolge in einem mittelständischen Unternehmen anstreben?
Man muss sich über seine eigene Rolle klar werden, wie man von anderen wahrgenommen wird und wahrgenommen werden will. Ich habe am Anfang ein Coaching gemacht, um mir einige Dinge bewusst zu machen. Dabei wurde mir klar, dass ich den Erwartungen, die andere in mich hatten, gar nicht gerecht werden konnte. Daher ist es nicht nur zu Beginn wichtig, ganz viel zuzuhören und ein Gespür für die Aussagen zwischen den Zeilen zu bekommen. Als junger Mensch macht man wahrscheinlich eine ganze Reihe von Fehlern, das gehört dazu. Aber man muss lernen, damit umzugehen.

Zum Unternehmen Brückner Group GmbH

Snowboards, Surfbretter, Tennisschläger, Kleidung – Brückner ist weltweit einer der führenden Anbieter von Anlagen für die textile Trockenveredlung. Mit Brückner-Maschinen werden Textilien wie Kleidung, Bettwäsche oder Gardinen nach dem Färben und Bedrucken veredelt, imprägniert und getrocknet. Auch technische Textilien wie etwa Glasfasern bekommen bei Brückner den letzten Schliff. An zwei deutschen Standorten erwirtschaften 330 Mitarbeiter einen Umsatz von rund 70 Millionen Euro. Hinzu kommen 90 Vertretungen und Servicestationen weltweit. Derzeit sucht das Unternehmen vor allem Maschinenbau-Absoventen. Stammsitz ist Leonberg.

Interview mit Dr. h.c. Ludwig Georg Braun

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Ludwig Georg Braun ist seit 1972 Vorstandsmitglied des Pharma- und Medizinartikelherstellers B. Braun Melsungen. Im karriereführer spricht der Bankkaufmann, der sowohl Ehrendoktor als auch Ehrenprofessor ist, warum Querdenken manchmal von Vorteil ist und was man für eine erfolgreiche Karriere braucht. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Zur Person

Ludwig Georg Braun wurde 1943 in Kassel geboren. Hier absolvierte er das Abitur und eine Lehre zum Bankkaufmann. Es folgten praktische betriebswirtschaftliche Studien in Großbritannien und den USA. Von 1968 bis 1971 arbeitete er in der Nähe von Rio de Janeiro in der Geschäftsleitung eines brasilianischen Unternehmens mit 1600 Mitarbeitern, der heutigen Tochtergesellschaft Laboratórios B. Braun S.A. Hier baute er das Exportgeschäft innerhalb Lateinamerikas auf.

1972 kehrte Ludwig Georg Braun nach Europa zurück und trat in die B. Braun Melsungen AG ein; seit 1977 trägt er die kaufmännische Gesamtverantwortung für das Unternehmen. Er war zunächst Vorstandssprecher, später wurde er Vorstandsvorsitzender.

Neben zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten ist er auch Präsident des Deutschen Industrieund Handelskammertages (DIHK). Er trägt die Doktorehrenwürde der Universität Freiburg und den vom Land Hessen verliehenen Titel des Professors. Ludwig Georg Braun ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.

Herr Professor Braun, was halten Sie von Querdenkern?
Querzudenken heißt, den Mut zu haben, auch einmal andere, neue Wege zu gehen und das, was man tut, kontinuierlich zu hinterfragen – auf der Suche nach besseren und vielleicht effizienteren Lösungen. In diesem Sinne sind Querdenker bei B. Braun gerne gesehen, weil sie im Team mit Kollegen zu guten Lösungen kommen.

Und sind Sie selbst einer? Die außergewöhnliche Architektur der B.-Braun-Konzernzentrale lässt fast darauf schließen.
Die moderne Werkanlage von B. Braun im nordhessischen Melsungen ist für mich Ausdruck der Verantwortung, die wir als Unternehmerfamilie für die Region übernehmen. Die Architektur symbolisiert die Unternehmenskultur auf besondere Weise: Hier wird zum Beispiel deutlich, was wir mit Werten wie Innovation und Transparenz meinen.

Und innen? Wie sieht es da aus? Gibt es im Unternehmen B. Braun Projekte, bei denen „quergedacht“ wurde?
Wichtig ist mir, dass wir nicht nur in einer modernen „Hülle“ arbeiten, sondern dass wir auch im Inneren moderne Arbeitskonzepte praktizieren. Mit dem Bürokonzept 2010 lösen wir die Bindung des Mitarbeiters an einen nur für ihn persönlich reservierten Schreibtisch. Unser modernes Computernetzwerk ermöglicht es, jeden Tag einen anderen Arbeitsplatz zu wählen. Dies hat einen intensiven Austausch mit allen Teamkollegen zur Folge. Jeder erfährt sehr viel über die Aufgaben der anderen, kann sich dadurch stärker einbringen und sein Wissen vermehren. Auch das steht hinter unserem Unternehmensclaim „Sharing Expertise“.

Ist Querdenken Ihrer Meinung nach eine Eigenschaft, die auch Hochschulabsolventen mitbringen sollten, wenn sie bei B. Braun einsteigen wollen?
Wenn man neu in ein Unternehmen einsteigt, geht es zunächst darum, die Unternehmenskultur zu entdecken und ein Teil von ihr zu werden. Wir wünschen uns selbstständige Mitarbeiter, die konstruktiv an den gemeinsamen Zielen mitarbeiten. Querdenken im Sinne eines kritischen Hinterfragens kann da nützlich sein.

Was müssen sie denn noch können?
B. Braun ist in über 50 Ländern der Erde tätig. Neben den fachlichen Kenntnissen setzen wir da natürlich möglichst vielfältige Sprachkenntnisse voraus und gerne auch Erfahrungen mit anderen Kulturen. Die interkulturelle Kompetenz wird immer wichtiger, da das Geschäft außerhalb Deutschlands beziehungsweise Europas stetig an Bedeutung gewinnt. In allen Funktionen ist die Bereitschaft, im Team zu arbeiten, unerlässlich. Der offene und regelmäßige Austausch mit den Kollegen fördert kreative Lösungen. Und last but not least: Die Arbeit bei B. Braun soll Spaß machen.

Spüren Sie den von vielen prognostizierten Fachkräftemangel in Deutschland?
Ja, den spüren auch wir. Er spiegelt sich insbesondere in den technischen Berufsbildern wider, bei den Industriemechanikern, Elektronikern, Pharmakanten, Medizintechnikern und Ingenieuren. Noch schwieriger ist es bei Fachkräften mit Berufserfahrung. Zum Teil herrscht aber auch Mangel in Managementebenen bei kaufmännischen und naturwissenschaftlichen Fachkräften sowie bei den technischen Ausbildungsberufen.

Was tun Sie dagegen?
Wir bilden zunehmend selbst aus und investieren entsprechend in die Ausbildung. Zurzeit planen wir den Bau einer neuen modernen Ausbildungswerkstatt. Und wir werben mit dem, was B. Braun zu einem sehr interessanten Arbeitgeber macht: mit unserer modernen Arbeitswelt, mit den attraktiven Traineeprogrammen, den Karrieremöglichkeiten und Entwicklungsperspektiven innerhalb unserer internationalen Organisation, mit unserem breit gefächerten Weiterbildungsangebot und unseren Sozialleistungen. Wir zeigen potenziellen Kandidaten unser umfassendes familienfreundliches Programm „B. Braun for Family“, das es ihnen erleichtern soll, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Und damit sich Studierende vor Ort davon überzeugen können, laden wir sie ein, uns vor Ort kennenzulernen. Auch Praktika und Diplomarbeiten ermöglichen einen ersten, wichtigen Kontakt. Wer B. Braun kennenlernt, sieht schnell, dass die Werteorientierung, welche unsere Unternehmenskultur kennzeichnet, das sozial-gesellschaftliche Engagement und die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern B. Braun zum attraktiven Arbeitgeber machen.

B. Braun plant in den nächsten drei Jahren 1,4 Milliarden Euro in die Erweiterung der Produktion zu investieren. Welches ist dabei Ihrer Meinung nach das innovativste Projekt?
Innovation ist einer der Kernwerte von B. Braun. Nur mit innovativen Produkten werden wir weiterhin so erfolgreich sein wie bisher in unserer 170-jährigen Geschichte. Es fällt mir schwer, den Innovationsgrad der Projekte miteinander zu vergleichen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass wir unsere Fertigungen weiter modernisieren durch neue Technologien, die in unserem eigenen Sondermaschinenbau entwickelt wurden. Von Anfang an haben wir unsere Mitarbeiter in diese Prozesse eingebunden und gemeinsam mit ihnen Qualifizierungsprojekte entwickelt. Trotz aller Internationalität sind wir übrigens stolz darauf, dass wir etwa die Hälfte des Betrags am Standort Deutschland investieren.

B. Braun Melsungen AG

Den Grundstein für das bis heute familiengeführte Unternehmen B. Braun legte 1839 der Apotheker Julius Wilhelm Braun in Melsungen, einem Luftkurort in Nordhessen. Sein Sohn Bernhard Braun begann 1864 mit der Produktion von Pflastern und Migränestiften und ließ drei Jahre später die Firma B. Braun ins Handelsregister eintragen.

Von da an wuchs das Unternehmen stetig. Im Jahr 1939 hatte es bereits 500 Mitarbeiter. Der Umsatz stieg bis ins Jahr 1964 bei etwa 1700 Mitarbeitern auf 50 Millionen DM. 1976 kaufte B. Braun das Unternehmen Aesculap aus Tuttlingen und hat heute weltweit 36.000 Mitarbeiter, die 2007 über drei Milliarden Euro Umsatz mit der Herstellung von Produkten für Anästhesie, Intensivmedizin, Kardiologie, extrakorporale Blutbehandlung und Chirurgie erwirtschafteten.

Interview mit Dr. Thilo Bode

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Jäger wollte er werden, damit alles im grünen Bereich bleibt. Im „Green Green Grass of Home“ sieht er Rot und wird in Starnberg Landkreisvorsitzender der JuSos. Grün lässt ihn nicht los: Von Peking bis Davos geht er mit Greenpeace den Regenbogen entlang. „Grün satt“ kann auch über seiner neuen Aufgabe stehen, in der es um Lebensmittelsicherheit geht. Der karriereführer besuchte den ehemaligen Greenpeace- und heutigen foodwatch-Geschäftsführer Dr. Thilo Bode in Berlin. von Viola Strüder

Zur Person

Thilo Bode in action. Wenn es in ihm brodelt, betonen ausdrucksvolle Gesten die kritische Haltung. Seinen Einspruch kleidet er messerscharf in Worte, besonders wenn jemand ein Argument so nebenbei wegwischt. Dann sitzt er da, oft etwas vorgebeugt, knapp auf der Stuhlkante, ein Bein zurück, als wolle er zum Sprung ansetzen. In Position eben, energisch. So tritt er auf in Diskussionsforen oder Talk-Shows. Anders, als er zum Gespräch in seinem Berliner Büro erscheint: Zurückhaltend in der Körpersprache, der Blick verweilt ruhig beim Gegenüber, mal skeptisch, mal lachend, wenn er erzählt von den Stationen seines Berufsweges.

Kein Karriere-Kletterer?
Seine Visitenkarte spricht eine eigene Sprache: alles in Kleinbuchstaben. Keine Berufsbezeichnung, kein Doktortitel: „thilo bode, geschäftsführer“ steht bescheiden darauf und im krassen Gegensatz zu dem, was er als persönlichen Treibstoff angibt: „Vielleicht Geltungssucht, das Gefühl, anerkannt zu sein, Reputation, so genau weiß ich das nicht“, sinniert der 56-Jährige und erweitert: „Idealistische Zielsetzungen spielen eine Rolle, auch dieses gerne ein Exot sein wollen, gegen den Strich gebürstet zu sein.“ Als Moralist im Sinne unseres Kulturkreises bezeichnet er sich. Das Bild des Gutmenschen dagegen gefällt ihm nicht. „Furchtbar, das nervt“, ereifert sich der Mozart-Opern-Fan.

Untrennbar verbunden ist sein Name mit der Umweltorganisation Greenpeace e.V. und deren Aktionen in den 90er-Jahren. Zu den spektakulärsten gehören der Kampf gegen die Versenkung der Bohrinsel „Brent Spar“ in der Nordsee. Gegen Atomwaffen-Tests protestierte er in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens und wanderte dafür kurzzeitig ins Gefängnis. Was motivierte ihn, sich als Chef von Greenpeace in Lebensgefahr zu begeben? „Das macht man ja nicht wirklich, das sieht immer wilder aus, als es ist. Man hat Angst, aber es ist ein kontrolliertes Risiko. Der körperliche Einsatz auf den Schlauchbooten zum Beispiel ist hart. Aber wenn man in dieser Position ist, dann gehört es zum organisierten zivilen Ungehorsam und als Protest dazu, auch bei einer solchen Aktion mitzumachen.“ Zwölf Jahre war Thilo Bode insgesamt für Greenpeace tätig, hat verändert und verhindert. Letzteres, „weil es plötzlich Leute gab, die Greenpeace schick machen wollten, die beim Bewerbungsgespräch nach dem Dienstwagen fragten. Dabei ist Herzblut das Entscheidende für die Arbeit dort und eigener Mut zum Risiko. Denn ohne Risiko hat man keinen Erfolg“.

Kein Kaulquappen-Retter?
Aufgewachsen am Ammersee als Sohn eines Journalisten und einer Buchhändlerin, weist in der Erinnerung an Kindertage nichts auf sein späteres Engagement hin. Obwohl Thilo Bode sich schon immer für die Natur habe begeistern können. Aber statt Kaulquappen zu retten und im Biologie-Unterricht die Lehrer zum Gummistiefel-Tag im knöchelhohen Sumpf zu animieren, mischte er lieber im Schultheater mit. In Thornton Wilders Stück „Unsere kleine Stadt“ spielte er den Vater, den ruhenden Pol. „Und es gibt Leute, die sagen, ich sei heute noch ein Schauspieler.“

Thilo BodeCosmopolit mit Wurzeln in Oberbayern: Für seine beruflichen Tätigkeiten absolvierte Thilo Bode Auslandsaufenthalte in Argentinien, Paraguay, Thailand, auf den Philippinen, in Indien, China und Nordafrika und sub-Saharan-Africa.

Kein Kanzler-Kandidat?
Das Interesse für Umwelt und Politik hat sich in der Jugend eingestellt. Bis zum Kreisvorsitzenden der JuSos brachte er es Ende der 60er-Jahre in der bayerischen Heimat. Willy Brandt fand er damals gut, wie er heute sagt, und wenn man Thilo Bodes Lebenslauf betrachtet, drängt sich die Frage auf, warum er nie Berufspolitiker geworden ist? „Politikerkarrieren sind Parteikarrieren. Diesen Weg wollte ich nicht gehen. Man kann von außen besser Druck ausüben, mehr erreichen.“ Wo er am besten wirken könnte? „Vielleicht als Pfarrer“.

Er studierte zunächst Sozialwissenschaften, brach ab und wechselte zur Volkswirtschaftslehre, „weil sie substanzielle Fragen beantwortet“. Und Antworten hat er gesucht. „Warum gibt es arm und reich?“, war eine, die ihn umtrieb. Nicht Karrieredenken, sondern was Spaß macht, stand im Vordergrund. „Ich habe im Leben oft ungeplant gehandelt, vieles aus dem Bauch heraus entschieden, auch nicht auf materielle Dinge geachtet. Wenn es danach geht, habe ich nichts erreicht.“ Die Dritte Welt interessiert ihn, nach dem Studium geht er ins Ausland. Später, bei einem Metallkonzern, als Vorstandsassistent, entdeckt er Führungsaufgaben für sich. „Das war die Realität des Wirtschaftslebens, in der Entwicklungshilfe ging es eben doch eher um idealistische Dinge.“ Das Managen an sich fand er spannend, die Art der Tätigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Erfolg zu haben. Welche Bedeutung hat Macht für ihn? „Macht ist geil“, sagt er mit blitzenden Augen, medienwirksam, spöttisch und legt ernsthaft nach: „Macht bedeutet für mich, dass man über das Schicksal von Menschen und Dingen entscheiden kann. Macht zu haben ist gut.“

Thilo Bode über Persönlichkeitsentwicklung
„Es gibt im Leben immer persönliche Wendepunkte. Trennungen, Verluste. Menschen, die keinen Schmerz und keine Tiefpunkte erleben – das wirkt sich negativ aus auf die Persönlichkeitsentwicklung. Niederlagen sind wichtig, mal ein Spiel nicht zu gewinnen und das Umgehen damit zu lernen.“

In die Welt der Nongovernmental-Organizations nahm er das Management-Denken mit. Trainings zur Mitarbeiterführung etwa bot er bei Greenpeace der mittleren Leitungsebene an. Coaching hält er für unerlässlich. „Mit den Führungsqualitäten ist es ähnlich wie mit dem Klavierspiel. Man braucht Talent, man darf nicht unmusikalisch sein, aber zum großen Teil ist es eine Frage der Technik, und die ist erlernbar. Welches Prinzip man später anwendet, das ist dann eher eine Typfrage.“ Gute Führung, das ist für ihn Klarheit, Ehrlichkeit, auch den Mut bei Menschen zu entwickeln, “nein“ zu sagen, dazu klare Zielvorgaben und ein entsprechendes Feedback geben zu können. Von sich selbst behauptet Thilo Bode, ein schlechter Menschenkenner zu sein. Daher überlasse er vielfach Personalauswahlprozesse seinen Mitarbeitern.
„Die wissen, wer zu uns passt.“ Nachhaltigkeit zeigt er auch im Zusammenspiel mit seinem heutigen Team, für dessen Rekrutierung er ehemalige Greenpeace-Kollegen um Unterstützung bat. Noch einmal etwas Neues machen zu wollen, war der Grund, warum er wegging von den „Rainbow-Warriorn“. Mit der 2002 gegründeten Verbraucherschutzorganisation foodwatch macht er aufmerksam auf die wunden Punkte der Lebensmittelsicherheit, setzt sich ein für vollständige Information in der Produktionskette: „Vom Trog bis zum Teller, vom Bauern bis zum Weltkonzern.“

Kein Held von Welt?
Eigentlich wollte Thilo Bode als Junge Jäger werden. Und in gewisser Weise erfüllte sich sein kindlicher Berufswunsch. Nicht im Forst, sondern im Leben, auf der Jagd nach den wahren grünen Diamanten: nach Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit und ökologischer Verantwortung. Und beim Jagen schreckt er auch vor Radikalität nicht zurück. Er möchte Mut machen, motivieren, sich zu engagieren. Vorträge in Schulen und Hochschulen hält er gerne, weil dort ein tolles Feedback kommt. „Die jungen Leute heute haben doch alle Möglichkeiten“, grübelt er, der selbst Vater eines 30-Jährigen Sohnes ist. „Fahren Sie doch einmal mit auf einem Schiff von Greenpeace und lassen Sie sich für drei Tage einsperren in ein ausländisches Gefängnis.“ Viele würden ihn fragen, was sie dafür bekommen? – „Ein spannendes Leben“.

Ein Werte-Gang
Thilo Bode, geboren 1947, aufgewachsen in Herrsching am Ammersee. Sein erstes Geld verdient er als Postbote und Bauarbeiter. Studium mit der Unterstützung der Eltern. Er begann 1969 mit dem Soziologie- später mit dem Volkswirtschaftslehre-Studium an den Universitäten München und Regensburg. Abschluss als Diplom-Volkswirt 1972. Stipendium für die Promotion. Nach einer Forschungstätigkeit an der Universität Regensburg promovierte er 1975 über das Thema Direktinvestitionen zum Dr. rer. pol. Berufliche Stationen bei Lahmeyer International, Frankfurt, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt, und bei einem mittelständischen Metallkonzern in Düsseldorf. Eine hohe Bekanntheit erlangte er als Geschäftsführer von Greenpeace e.V. Deutschland, wo er zwischen 1989 und 1995 wirkte. Zwischen 1995 und 2001 lebte er in Amsterdam und arbeitete dort als Executive Director für Greenpeace International. 2001 folgte die Rückkehr nach Deutschland. Seither lebt er in Berlin und wirkt als freier Autor und Berater sowie seit Herbst 2002 als Geschäftsführer der neuen Verbraucherschutzorganisation foodwatch e.V.

Weitere Informationen

foodwatch-Team. Die neue Verbraucherschutzorganisation foodwatch will ‚Demokratie auf dem Teller‘ – und nimmt den gesamten Ernährungssektor aus Verbrauchersicht unter die Lupe. Politisch und finanziell unabhängig und weltanschaulich ungebunden finanziert sie sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spendengeldern. www.foodwatch.de