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Interview mit Martin Häusler

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Wie sehr Martin Häusler mit seinem Thema den Nerv trifft, zeigte sich bei einem Fernsehauftritt Mitte August: Zusammen mit seiner „Angstkronzeugin“ Esther Schweins war der Autor das Buches „Fürchtet euch nicht!“ zu Gast in der NDR-Talkshow und zog die Runde mit Impulsen in den Bann, wie es gelingen kann, die lähmende Angst zu überwinden. Ein Gespräch über die Folgen von zu viel Angst und Strategien, etwas gegen sie zu tun. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Martin Häusler (37) studierte in Münster Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Geographie und Soziologie. Schon während des Studiums schrieb er für die Rheinische Post und war Reporter für den WDR-Hörfunk. Er volontierte bei dem Zeitungs-Supplement Prisma in Köln. 2000 ging er nach Hamburg, wo er zwei Jahre bei Gruner & Jahr und sieben Jahre für den Axel Springer Verlag arbeitete. Bis 2009 war er dort Leiter des Ressorts Aktuelles der Programmzeitschrift Hörzu.

Heute arbeitet er als freier Journalist, Autor und Entwickler innovativer journalistischer Konzepte. 2010 erschien auch sein erstes Sachbuch „Die wahren Visionäre unserer Zeit“; jetzt kommt sein neues Buch „Fürchtet euch nicht! Die Vertreibung der deutschen Angst“ auf den Markt.

Herr Häusler, viele Experten sagen, wir leben in einem Zeitalter der Angst. Sagen Sie das auch?
Ja, es ist mal wieder soweit. Angstzeitalter gab es bereits einige, beispielsweise zu der Zeit, als das Römische Reich kollabierte.

Wo sehen Sie die Parallelen?
Auch heute wird einer Gesellschaft ihre dekadente Lebensweise zum Verhängnis. Ausgangspunkt dafür ist der Turbokapitalismus, der jede Faser unseres Lebens eingenommen hat. Wir hängen so stark am Materialismus, dass wir sofort denken, wir wären verloren, sobald wir etwas verlieren.

Inwiefern hilft Ihr Buch dabei, diese Verlustängste zu besiegen?
Indem ich mit Hilfe meiner Angstkronzeugen an die Seite des Lebens erinnern, die wir in diesem blind umjubelten Kapitalismus völlig vergessen haben: die geistige Seite. Ohne diese geistige Variable, die uns vertrauen lässt, geht es einfach nicht. Wenn wir tatsächlich mal alles verlieren sollten, was bleibt uns dann noch außer der kreativen Kraft unseres Bewusstseins und unserem Glauben? Wollen wir dann alle depressiv werden? Das kann ja nicht die Lösung sein. Wenn wir diesen Irrweg jetzt nicht erkennen, wann dann?

Wie gelingt es uns, unsere geistige Seite wieder zu entdecken?
Indem wir uns wieder viel mehr mit uns selber beschäftigen und unsere Ankerplätze weniger im Außen als im Innen montieren. Um endlich mal zur Ruhe zu kommen – ohne Handy, Entertainment oder Termindruck – müssen wir uns heute disziplinieren. Wir verhalten uns beinahe wie Süchtige auf Entzug.

Aber wir müssen nun mal arbeiten, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Tage sind entsprechend ausgefüllt. Wie kann es gelingen, auch im Stress Muße zu finden, um sich diesem geistigen Teil des Lebens zuzuwenden?
Es ist für viele schwierig, auch nur eine halbe Stunde pro Tag für sich selbst freizuschaufeln. Und damit meine ich nicht das Relaxen vor dem Fernseher oder Jogging mit iPod im Ohr. Ich meine Momente der völligen Ruhe. Aber es ist alles eine Sache von Prioritäten. Wer will, der kann. Wofür war denn der Sonntag gedacht? Wir müssen ja nicht plötzlich in die Kirche rennen, aber wir könnten diesen Tag doch wieder nutzen, um zu uns zu kommen, uns unseren Ängsten zuzuwenden, stille Zwiesprache zu halten und über unser Wertesystem nachzudenken. Von dieser Notwendigkeit haben mir Topmanager, Fußballtrainer und Banker gleichermaßen erzählt. Wichtig dabei ist, zu begreifen, dass wir mit unserem Bewusstsein einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unsere Realität haben. Um diesen Zusammenhang klarzumachen, habe ich auch die Expertise eines Quantenphysikers mit ins Buch genommen.

Sie haben verschiedene prominente – wie Sie sie nennen – Angstkronzeugen getroffen. Wer hat Sie mit seinen Angstbewältigungsstrategien am meisten überrascht?
Jeder hat auf wunderbare Art seine Lebenserfahrung in die Debatte eingebracht. Ich war überrascht von den Gotteserfahrungen von Esther Schweins, die 2004 in Sri Lanka den Tsunami überlebte. Ich war auch überrascht von dem Vertrauen auf das „Stück Fügung“ im Leben, von dem Roland Koch sprach. Ich war überrascht davon, wie ein Medienmanager wie Dr. Bernd Kundrun plötzlich zu erzählen begann, wie er sich vor dem Einschlafen seinen bohrenden Ängsten stellt. Ich war überrascht von den mentalen Tricks, die Christoph Daum anwendet. Ich war überrascht von Rüdiger Nehberg, der – wie er sagt – die Angst kultiviert und immer unzählige Pläne gegen die Unwägbarkeiten seiner Abenteuer in der Tasche hat. Und ich war überrascht von Charlotte Knobloch, die im Mystizismus Zuversicht findet.

Unsere Leser sind vielfach in der Endphase ihres Studiums, schreiben zum Beispiel an ihrer Bachelor- oder Masterarbeit. Viele leiden gerade in dieser Zeit unter Ängsten, das Examen nicht zu schaffen oder keinen Job zu finden. Inwiefern können Sie Impulse geben, Ängste dieser Art zu bewältigen?
Ich persönlich habe in belastenden Situationen an der Uni oder später in diversen Redaktionen immer zu folgendem Mittel gegriffen: Ich habe mich an Momente erinnert, in denen ich schier Unmögliches doch irgendwie gemeistert hatte. Dann sagte ich mir: „Wenn Du das geschafft hast, schaffst Du das hier doch erst recht!“ Und so kam es dann auch. Ich denke, dass sich viele unserer Ängste aus dem Blick nach hinten und aus dem Blick nach vorne nähren – also aus schlechten Erfahrungen und aus bloßen Vorstellungen von der Zukunft. Dabei haben wir es mit Angstmachern zu tun, die eigentlich völlig neutral sind. Die Kunst ist, den Blick von dieser Zeitachse zu nehmen und sich auf den aktuellen Moment zu fokussieren. Dann verschwindet die Angst oft automatisch.

Die Autoren Winfried Panse und Wolfgang Stegmann haben 1998 in ihrem Buch „Kostenfaktor Angst“ ermittelt, dass der deutschen Wirtschaft jährlich ein Schaden in Höhe von 100 Milliarden Mark entsteht – verursacht durch Angst. Nach Ihrer Arbeit an dem Buch „Fürchtet Euch nicht!“: Wie könnte ein Konzept aussehen, mit dem es gelingt, Ängste der Menschen und damit auch den wirtschaftlichen Schaden drastisch zu reduzieren?
Die genannten Summen und auch die gerade wieder veröffentlichten Fehlzeiten im Job durch wachsende psychische Krankheiten sind klare Indizien dafür, dass der Kapitalismus seine Kinder frisst. Über ein Konzept dagegen könnte man Bände füllen. Ich denke, dass in Kindergärten, an Schulen, an Universitäten, in Vereinen und in den Unternehmen dringend Fächer, Seminare und Workshops – vielleicht sogar verpflichtend – angeboten werden müssen, die sich um unseren Geist und um ethische Fragestellungen kümmern, die uns über unsere kreative Kraft aufklären und uns Techniken wie die Meditation an die Hand geben. Nicht in erster Linie, um den Unternehmen die Verluste zu minimieren, sondern um uns zu heilen und uns wieder mehr Spaß am Job zu geben. Der Rest kommt dann von alleine.

Nach dem Reaktorunglück von Fukushima hat die Angst vor der Nichtbeherrschbarkeit der Technik dazu geführt, das Ziel einer schnellen Energiewende voranzutreiben. Wo sehen Sie weitere Ansatzpunkte, die Angst in Projekte mit positivem Nutzen umzumünzen?
Richtig, Fukushima ist ein Beispiel für die positive Seite der Angst, die lebenserhaltend ist. Die Angst vor der tödlichen Bedrohung Atomkraft wurde so groß, dass Hunderttausende auf die Straße gingen und eine fundamentale Energiewende forderten. Ich beschreibe in meinem Buch aber auch die Vision, dass uns irgendwann nicht mehr die Angst, sondern das Gegenteil der Angst, nämlich Liebe und Zuversicht, auf die Straße treibt. Das hieße, dass es nicht erst zum GAU kommen müsste, bevor wir reagieren. Und GAUs drohen uns viele – der ökologische, der soziale, der wirtschaftliche. Für diesen Paradigmenwechsel, von dem schon viele andere vor mir plädierten, benötigen wir jedoch einen Bewusstseinswandel, den man zurzeit in zarten Keimen erahnen kann. Forcieren können wir ihn durch unsere Bildungseinrichtungen und durch die Berichterstattung. Den Medien kommt dabei eine ungeheure Verantwortung zu.

Oscar Wilde soll gesagt haben: Die Wurzel des Optimismus ist Angst. Muss man da nicht Angst haben, dass einem die Angst vergeht?
Wie gesagt, den Teil der Angst, der uns davor schützt, beim nächsten Schritt unser Leben zu verlieren, sollten wir uns natürlich beibehalten. Aufgrund unserer deutschen Geschichte mit ihren vielen Katastrophen sind wir in dieser Hinsicht zu einem ganz guten globalen Alarmsystem geworden. Was allerdings die deutschtypische Zukunfts- und Verlustangst betrifft, die uns lähmt und von innen auffrisst, sollten wir uns etwas von den Kulturen abschauen, in denen das geistige Element eine größere Rolle spielt.

Sie beschreiben in Ihrem Buch noch eine weitere wesentliche deutsche Angstfacette – die der vererbten Angst. Können Sie diesen Aspekt kurz beschreiben?
Damit sind die unverarbeiteten Kriegstraumata unserer Ahnen gemeint, die an uns vererbt wurden und immer noch dafür sorgen, dass wir heute Ängste und Krankheiten ausbilden, die in ihrer Gesamtheit in der Lage sind, eine ganze Gesellschaft zu zersetzen.

Eine ganze Gesellschaft?
Womöglich. Bedenken Sie, dass annähernd jede deutsche Familie schlimmste Kriegssituationen erlebt hat. Diese traumatischen Erlebnisse gären auch nach über 65 Jahren in uns weiter, sofern man sich ihnen als Familie nicht gestellt hat. Das hat eine meiner Angstkronzeuginnen, die Berliner Psychotherapeutin Gabriele Baring, herausgefunden. Man spricht da von epigenetischen – also nachträglichen – Einflüssen auf unser Erbgut.

Welches Mittel bieten Sie dagegen in Ihrem Buch an?
Um die alten Traumata endlich aufzulösen, gibt es verschiedene Therapieformen. Aber grundsätzlich gilt: Wir müssen uns wieder mit unserer Familiengeschichte beschäftigen, Familiengeheimnisse ansprechen, Schweigeblockaden auflösen, Emotionen zulassen und uns auch den ausgeschlossenen Familienmitgliedern zuwenden. Gabriele Baring sagte in einem unserer Gespräche: „Nichts ist vergangen!“ Ich sehe meine Generation – ich bin Jahrgang 1974 – in der Verantwortung, sich endlich von dem seelischen Ballast der Eltern und Großeltern zu emanzipieren, damit dieser nicht auch noch auf unsere Kinder übergeht. Denn die werden in eine Welt geboren, die vor gigantischen Umbrüchen steht. In dieser entscheidenden Situation brauchen wir Zuversicht, Mut und Gestaltungskraft – aber keine Angst.

Literaturtipp

Martin Häusler: „Fürchtet euch nicht! Die Vertreibung der deutschen Angst“
Scorpio-Verlag, 320 Seiten, 19,95 Euro. ISBN 978-3-942166-35-5
„Fürchtet euch nicht! Die Vertreibung der deutschen Angst“ von Martin Häusler

Interview mit Dr. Manon Haccius

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Schon immer wollte Dr.sc.agr.Manon Haccius beruflich etwas mit Tieren und Natur zu tun haben. Ihr Weg führte vom Studium in die Politik und 2000 ins Handelsunternehmen Alnatura. Dort ist sie zuständig für Personal, Qualität und Recht. Mit Meike Nachtwey sprach sie über die Freude an dem, was man tut, Bioprodukte und Gentechnik.

Zur Person

Manon Haccius wurde 1959 geboren und studierte Agrarwissenschaften an den Universitäten Göttingen, TU Berlin, Fort Collins (Colorado, USA) und Kiel. Nach ihrer Promotion 1986 arbeitete sie zunächst für die Verbände des ökologischen Landbaus, ab 1988 war sie Geschäftsführerin der AGÖL (Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau e.V.). Im Rahmen der IFOAM EU-Gruppe (International Federation of Organic Agriculture Movements) machte sie sich besonders stark für die Verordnung über die Öko-Tierhaltung, und ab 1998 war sie für fünf Jahre Mitglied des Beratenden Ausschusses Öko-Landbau bei der Europäischen Kommission in Brüssel.
Seit 2000 ist sie bei Alnatura zuständig für Qualitätsmanagement, Verbraucherservice, PR, Mitarbeiterentwicklung und Recht.
Manon Haccius geht in ihrer Freizeit gern spazieren, liest viel, besucht Ausstellungen und würde gern am Meer leben.

Frau Dr. Haccius, Ihr Berufsweg ist nicht unbedingt geradlinig verlaufen. Sie haben Agrarwissenschaften studiert, waren politisch tätig und sind jetzt in einem Handelsunternehmen Mitglied der Geschäftsleitung. Haben Sie sich Ihre Karriere so vorgestellt?
Nein, zu Anfang meines Studiums hatte ich gar kein konkretes Berufsziel vor Augen. Ich wollte immer etwas mit Tieren und Natur zu tun haben, das wusste ich, und ökologischer Landbau hat mich fasziniert. Doch damals gab es praktisch niemanden im universitären Bereich, der sich mit ökologischer Tierzucht und -haltung beschäftigt hat. Ich habe nach meiner Promotion im Fach Tierzucht in einem Ökolandbau- Verband eine Stelle bekommen. Von da aus war der Weg in die politische Arbeit nicht mehr weit. Vor gut sechs Jahren war dann Schluss mit der Verbandsarbeit, ich wollte wieder näher an der Praxis und am „realen“ Leben sein. Also bewarb ich mich bei Alnatura.

Formulieren Sie bitte die Firmenphilosophie von Alnatura in zwei, drei kurzen Sätzen.
Alnatura ist ein Naturkosthandelsunternehmen. Der Gründer Götz Rehn hat sich bewusst entschieden, nur Bioprodukte anzubieten, und zwar im Einzelhandel, weil hier die Möglichkeit besteht, das Angebot und vor allem die Art des Anbietens unmittelbar zu gestalten, und weil er so direkten Kontakt zu den Kunden hat. Beides ist ihm sehr wichtig: Das eigene Handeln soll sinnvoll sein und nachhaltig Sinn machen für Mensch und Natur. Daher lautet das Motto, das Alnatura lebt: Sinnvoll für Mensch und Erde. Das habe ich mir gerne zu eigen gemacht.

Bioprodukte sind zurzeit der Trend. Wird sich das weiter fortsetzen?
Bio ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es gibt nur wenige Menschen in Deutschland, die gar keine Ökoprodukte kaufen. Bio ist Lifestyle, ist modern. Man muss sich nicht mehr – wie noch vor einigen Jahren – dafür entschuldigen, wenn man Bioprodukte konsumiert. Im Gegenteil, es gehört zum Leben dazu und ist ein Trend, der zunimmt. Zudem werden Bioprodukte immer einfacher verfügbar und die Vielfalt der Produkte ist mittlerweile enorm. In meinen Augen ist es ein sehr positiver Trend, der anhalten wird.

Und was halten Sie von der Gentechnik?
Die Antwort wird Sie nicht überraschen. Ich finde es empörend, wie versucht wird, technisch in unsere Naturgrundlage einzugreifen und nicht mehr reversible Veränderungen herbeizuführen. Wir können nicht überschauen, was wir damit auslösen, daher können wir es auch nicht verantworten. Außerdem ist Gentechnik nicht wirklich notwendig, im Bereich Agrar und Ernährung gibt es keinen vernünftigen Grund für gentechnische Manipulationen. Im medizinischen Feld allerdings sehe ich es anders; da geht es darum, einzelnen Menschen das Leben zu erleichtern und Schmerzen und Leiden zu lindern.

Als Naturwissenschaftlerin verantworten Sie die Bereiche Personal, Qualität und Recht bei Alnatura. Welche Zusatzqualifikationen mussten Sie für Ihren Job erwerben?
Das war alles „Training on the Job“. Agrarwissenschaftler werden ja so breit ausgebildet… Es gibt nichts, was sie nicht können. (lacht) Nein, im Ernst: Ich habe mich immer den Aufgaben gestellt, die auf den Tisch kamen, habe sie angenommen und erledigt. Dabei war und ist es mir wichtig, die Sicht auf das Entwickeln einer Lösung zu konzentrieren, die Lösung dann in die Tat umzusetzen und anschließend Regelungen und Verfahren zu finden, die effizient und nachhaltig sind.

Alnatura ist ein Handelsunternehmen für Bio-Produkte. Sind Ihre Mitarbeiter hauptsächlich aus ökologischen Fachbereichen?
Bei Alnatura arbeiten Menschen aus allen möglichen Fachgebieten: natürlich Kaufleute, aber beispielsweise auch Oekotrophologen, Geisteswissenschaftler, Biologen oder Agrarwissenschaftler. Uns ist es nicht so wichtig, aus welcher Fachrichtung die Mitarbeiter kommen, viel wichtiger ist die Motivation, mit der sie ihren Job bei uns angehen. Dabei wollen wir keine Traumtänzer, die falsche Vorstellungen von einem „Öko-Unternehmen“ haben. Für uns sind Grundwerte wichtig, wie zügig, verlässlich und sorgfältig zu arbeiten und offen für Neues zu sein. Unsere Mitarbeiter sollten dienstleistungsorientiert sein, schließlich sind ja die Kunden unsere eigentlichen Arbeitgeber. Natürlich müssen auch die Ergebnisse der Arbeit stimmen.

Welche Qualifikationen sollte ein Berufsanfänger aus dem Bereich Naturwissenschaften also mitbringen?
Auf jeden Fall sollte ein Berufsanfänger eine abgeschlossene akademische Ausbildung vorweisen können. Das zeigt, dass er (oder sie) etwas zu Ende bringt und dass er sich Beurteilungen von außen stellt, die für uns natürlich interessant sind. Darüber hinaus freuen wir uns, wenn jemand Praktika gemacht und damit bereits einen Einblick in die Berufswelt gewonnen hat. Aber auch hier gilt: Noch wichtiger ist uns, dass jemand wach, interessiert und beweglich ist. Dass er schlüssig argumentieren kann und dabei seine Umwelt im Blick hat. Er muss bereit sein, sich in den Gesamtzusammenhang einzuordnen und die übernommene Aufgabe mit Freude zu erledigen. Wir wollen niemanden, der sich nur selbstverwirklichen will.

Was raten Sie jungen Naturwissenschaftlern auf dem Weg ins Berufsleben?
Jeder sollte sich fragen: Was will ich wirklich tun? Der beste Rat, den mir ein Freund der Familie früh gab,war: Mach nicht schon einen Kompromiss bei der Berufswahl. Das rate auch ich. Jeder sollte sich überlegen: Was möchte ich tun und in welche Richtung soll es gehen? Möchte ich praktisch arbeiten? Oder lieber im Labor? Möchte ich mit Menschen zu tun haben? Oder lieber mit Zahlen? Was macht mir wirklich Freude? Denn das, was einem Freude macht, macht man meistens auch gut. Die Tätigkeit wird einem dann nicht langweilig und man wird immer noch besser darin.

Alnatura Produktions- und Handels GmbH

Meilensteine
1984 Gründung der Firma „Konzeption und Vertrieb natürlicher Lebensmittel Dr. Rehn“ in Fulda; 1986 Verkaufsstart von Alnatura Bio-Produkten in den Lebensmittelmärkten von tegut und den dm- Drogeriemärkten in Deutschland; 1987 Eröffnung des ersten Alnatura Super Natur Marktes in Mannheim.

Philosophie
Der Mensch ist als Kunde und Mitarbeiter Ziel und Grundlage des Unternehmens Alnatura. Alles Handeln orientiert sich an den Prinzipien: ganzheitlich denken, kundenorientiert handeln und selbstverantwortlich sein.

Slogan „Sinnvoll für Mensch und Erde“
Alnatura bietet Bio-Lebensmittel und Naturprodukte aus ökologischer Erzeugung an. Alnatura betreibt deutschlandweit 25 so genannte Super Natur Märkte mit rund 5500 Bio-Produkten und arbeitet darüber hinaus mit Produktions- und Vertriebspartnern zusammen.

Interview mit Angelika Gifford

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Angelika Gifford hat es schwarz auf weiß: Sie ist Managerin des Jahres 2009. Die Jury des Mestermacher-Preises war von der Karriere der Microsoftmanagerin begeistert, in deren Verlauf sie problemlos Familie und Job in Einklang brachte – und das in der männerdominierten ITBranche. Warum sie dort bestens aufgehoben ist und welche Aufstiegschancen die Branche jungen Absolventen bietet, erzählt sie im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Angelika Gifford, 43 Jahre, ist seit 2007 Senior Director des Geschäftsbereichs Public Sector und Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland. Sie ist seit 1993 bei Microsoft beschäftigt und hat bereits zahlreiche strategisch wichtige Geschäftsbereiche für Microsoft Deutschland und für die Region EMEA (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) aufgebaut. So war sie zunächst mit der Weiterentwicklung des Product Support Service (PSS) in Deutschland betraut.

Angelika Gifford hat einen Abschluss als Bankbetriebswirtin, ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in München. 2009 erhielt sie den Mestermacher-Preis als Managerin des Jahres; die Jury lobte ihren Karriereweg als vorbildhaft für andere.

Frau Gifford, wie arbeitet es sich mit dem Titel „Managerin des Jahres“ am Revers? Steigen die Erwartungen, die man in Sie setzt – schließlich bezeichnete die Jury Sie als „Vorbild für viele hochqualifizierte Frauen“?
Ich betrachte die Auszeichnung als Ansporn, um anderen zu zeigen: Auch Mütter können im Top-Management arbeiten. Die Vorbildfunktion, die ich durch diese Auszeichnung einnehme, möchte ich deshalb nutzen, um jungen Frauen Mut zu machen, ihre Chancen zu ergreifen. Sie sollten die Herausforderungen einfach annehmen – man wächst mit seinen Aufgaben.

In der Fernseh-Comedy „Stromberg“ gab es zuletzt ein sehr stereotypes Bild einer jungen weiblichen Führungskraft zu sehen: Tanja Seifert war schnell überfordert, wurde von der Männerwelt gemobbt und hat nah am Wasser gebaut. Ist an diesem Klischee was dran?
Das von Ihnen beschriebene Klischeebild wird häufig gezeichnet. Das ist zwar übertrieben, jedoch sind Frauen in der Geschäftswelt in der Tat oftmals bescheidener. Hier kann ich nur den Rat geben, einfach in Schuhe zu schlüpfen, die vielleicht zunächst eine Nummer zu groß erscheinen. Ein Mann würde das auch machen. Ich tue mich aber generell schwer, ein Stereotyp von der selbstbewussten, karriereorientierten jungen Frau aufzubauen. Ich denke, das ist ganz unterschiedlich.

Hat sich Ihnen im Verlauf Ihrer Karriere einmal die Frage gestellt: Karriere oder Familie?
Nein, nie. Denn ich habe einen Arbeitgeber, der Rahmenbedingungen wie Vertrauensarbeitszeit statt Stechuhrmentalität schafft und der Frauen im Unternehmen fördert. Persönlich treffe ich gemeinsam mit meinem Mann viele Vorkehrungen, um Job und Familie unter einen Hut zu bekommen. Es ist auch nicht mehr zeitgemäß, sich zwischen Kind oder Karriere entscheiden zu müssen. Das Potenzial von sehr gut ausgebildeten und engagierten Frauen sollte stärker genutzt und gefördert werden. Unternehmen müssen deshalb für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Weichen stellen, damit sich Frauen diese Entweder-oder-Frage gar nicht mehr stellen müssen.

Noch immer wird die IT-Branche von Männern dominiert – gerade in der Spitze. Gibt es Anzeichen, dass sich das wandeln wird?
Es stimmt, vor allem die Vorstände sind eine reine Männerdomäne. Laut einer aktuellen DIW-Studie sind von den insgesamt 833 Vorstandsposten der 200 größten Unternehmen nur 21 von Frauen besetzt. Das entspricht einem Anteil von gerade einmal 2,5 Prozent. Doch heute weiß man, dass weibliche Führungskräfte den Gewinn ihrer Unternehmen maßgeblich steigern und erfolgreiche Unternehmen von der Vielfalt ihrer Mitarbeiter geprägt sind; das belegen verschiedene Studien wie die der Unternehmensberatung McKinsey. Bei Microsoft legen wir großen Wert auf Vielfalt – oder neudeutsch Diversity. Ich setze mich bei Microsoft seit Jahren stark für ein familienfreundliches und frauenförderndes Umfeld ein. Darüber hinaus engagiere ich mich als Mentorin für junge Managerinnen und unterstütze die Vernetzung von Frauen bei Microsoft und darüber hinaus.

Zu Beginn Ihrer Karriere irritierten Sie manch eine Männerrunde. Die älteren Kollegen hielten Sie nicht für die Projektleiterin, sondern für die Sekretärin. Kann man solche Überraschungseffekte für sich nutzen?
Sicherlich. Voraussetzung ist aber, Nervenstärke zu zeigen und gleich zur Tat überzugehen. Wir haben damals ein Vertriebsmodell für große und mittelständische Unternehmen innerhalb Europas aufgesetzt. Das Projekt wurde ein voller Erfolg und einer der herausragenden Meilensteine in meiner Karriere.

Sie loben bei Microsoft eine „offene Unternehmenskultur“, die Ihnen auf dem Weg nach oben geholfen hat. Was darf man sich konkret darunter vorstellen?
Neben der Vertrauensarbeitszeit gibt es eine Vielzahl von Angeboten wie individuelle Coachings sowie Mentoringprogramme. Die Technologie ermöglicht es den Mitarbeitern zudem, nicht während der gesamten Arbeitszeit persönlich im Büro anwesend sein zu müssen: Sie können ihre E-Mails auch unterwegs abrufen, von zu Hause auf die Unternehmensserver zugreifen oder an virtuellen Teammeetings teilnehmen. Mein Büro besteht zum Beispiel aus Notebook und Mobiltelefon. Dadurch kann ich flexibel und ortsunabhängig arbeiten – und abends rechtzeitig bei meinem Sohn zu Hause sein.

Sie sind seit 1993 bei Microsoft. 18 Jahre in einem Unternehmen – das ist für die IT-Branche eine lange Zeit. Was sind die Vorteile, so lange in einem Konzern zu arbeiten?
Für mich war bereits früh klar, dass ich international arbeiten und immer etwas bewegen möchte. Ich mag Herausforderungen, bei denen ich mich immer wieder weiterentwickeln und mein Team zu Höchstleistungen motivieren kann. Genau das bietet mir Microsoft. Hier arbeite ich in einem global agierenden Unternehmen mit Kollegen auf der ganzen Welt zusammen. Etwa alle zwei Jahre habe ich eine neue Funktion übernommen und musste mich immer schnell darauf einstellen. Die IT-Branche ist zwar stark männerdominiert, aber ich fühle mich in dieser Männerdomäne sehr wohl.

Warum?
Weil hier eines zählt: Kompetenz.

Wie gestaltet man eine Karriere, ohne irgendwann die Motivation zu verlieren, im Alltagstrott müde zu werden?
Wichtig ist, sich berufliche und private Ziele zu setzen, sich zu überlegen, wie man dorthin kommt, und das dann in die Hand zu nehmen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ich mache aus meinen Ambitionen keinen Hehl, denn ich weiß, dass ich mich immer noch weiterentwickeln kann, und ich möchte auch in Zukunft mutig die mir gegebenen Chancen nutzen. Denn es heißt ja auch nicht umsonst: Das Glück bevorzugt die Mutigen.

Ihre Branche hat sich in den vergangenen 18 Jahren rasant gewandelt. Wie gelingt es, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben?
Das ist ganz einfach: Learning on the job. Bei einem Hightech-Unternehmen wie Microsoft ist immer die neueste IT im Einsatz. Da gibt es zum Beispiel „Unified Communication“– und „Collaboration“-Technologien, die virtuelle Kooperation ermöglichen. Auch wenn ich mal im Home Office arbeite, sehe ich jederzeit, welche meiner Teammitglieder gerade ansprechbar sind. Arbeitsstände stehen mir auf Knopfdruck sofort zur Verfügung.

Sie sind bei Microsoft für den Public Sector zuständig. Wie steht es um die Bereitschaft von Behörden oder Institutionen, in Sachen IT fit zu sein?
Die öffentliche Verwaltung ist längst nicht so träge, wie manche glauben. Seit längerem findet dort ein Paradigmenwechsel hin zu einer stärkeren Serviceorientierung statt, und wir zeigen Städten und Kommunen, wie sie dabei von innovativer Informationstechnologie profitieren können, etwa indem sie wiederkehrende Bearbeitungsschritte reduzieren und bestehende Verwaltungsvorgänge optimieren.

Zum Abschluss: Was können aufstrebende männliche Karrieristen im Umgang mit Frauen in Spitzenpositionen noch lernen?
Sie sollten dies nicht mehr als Sonderrolle begreifen, denn die Zahl von Frauen in Spitzenpositionen wird sicherlich zunehmen. Zudem bemesse ich Leistung an den Taten und nicht an den Worten. Meine Devise lautet: Sage, was Du denkst, und tue, was Du sagst. Integrität schafft Vertrauen bei Kollegen, Partnern und Kunden. Und Vertrauen ist die Basis für langfristigen Erfolg.

Zum Unternehmen

Microsoft Deutschland ist die drittgrößte Auslandstochter der Microsoft Corporation. Sie wurde 1983 gegründet, Unternehmenssitz ist Unterschleißheim bei München. Das Unternehmen beschäftigt in Deutschland rund 2400 Mitarbeiter.

Es ist im Wesentlichen für Marketing und Vertrieb der Produkte in Deutschland zuständig und kooperiert dazu mit 31.500 lokalen Partnerunternehmen. Neben der Zentrale ist Microsoft Deutschland bundesweit mit sechs Geschäftsstellen vertreten. Darüber hinaus wurde im Mai 2003 das erste „European Microsoft Innovation Center“ (EMIC) in Aachen eröffnet. Die Microsoft Corporation beschäftigt weltweit rund 88.000 Mitarbeiter; der Hauptsitz liegt in Redmond, einem Vorort von Seattle, USA.

Interview mit Angelika Gifford als PDF ansehen

Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Gerke

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Es ist ihm eine Herzensangelegenheit, wirtschaftliche Zusammenhänge der Öffentlichkeit nahezubringen. Schon alleine dadurch ist seine enorme Medienpräsenz zu erklären. Im karriereführer spricht er außerdem über die Auswirkungen der Finanzkrise, Tugenden und seinen persönlichen Werdegang. Die Fragen stellte Christoph Berger.

Zur Person

Wolfgang Gerke wurde 1944 in Cuxhaven geboren. Er studierte in Saarbrücken BWL. Danach promovierte er 1972 an der Universität Frankfurt, 1978 folgte die Habilitation. Anschließend hatte er Lehrstühle für Bankbetriebslehre und Finanzwirtschaft an der Universität Passau, der Universität Mannheim und der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Parallel dazu besetzte er die Position eines Forschungsprofessors am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Er war wissenschaftlicher Leiter der Frankfurt School of Finance & Management und erhielt Rufe an die Universitäten Saarbrücken, Linz, Münster und Frankfurt. Mit seiner Emeritierung 2006 wurde Gerke einer von zwei Präsidenten des Bayerischen Finanz Zentrums in München. Außerdem ist er Mitglied der Börsensachverständigenkommission und des Börsenrates der Frankfurter Börse und Honorarprofessor an der European Business School. Durch seine zahlreichen Auftritte in den Medien ist der Bank- und Börsenexperte auch einer großen Öffentlichkeit bekannt.

Herr Prof. Gerke, wir leben in den Zeiten einer Finanzkrise. Was bedeutet diese Zeit für Hochschulabsolventen der finanznahen Fächer?
Es zeigt, dass das Leben ebenso konjunkturabhängig wie die Wirtschaft ist. Manchmal gehen die Preise und der Bedarf nach Absolventen nach oben, manchmal muss man einfach froh sein, einen Job zu bekommen.

Sollten Studierende jetzt vielleicht lieber ihr Studium abbrechen und auf ein anderes Fach setzen?
Studenten sollten ihren Neigungen nachgehen. Ich halte nichts davon, sich wegen Konjunktureinbrüchen radikal umzuorientieren. Vielleicht kann man dies mal in einer Teilausrichtung machen, dass man vom Investmentbanker auf den Risikocontroller geht.

Sind vielleicht besondere Fähigkeiten gefragt, um in dieser Zeit bestehen zu können?
Nein, die geforderten Eigenschaften haben sich nicht sonderlich geändert. Flexibilität und Weltoffenheit, Auslandserfahrung und eine breite Interessenfächerung sowie die nicht zu frühe Spezialisierung auf ein Themenfeld sind wohl die wichtigsten Eigenschaften.

Werden sich die Finanzberufe durch die Krise verändern?
Es wird Veränderungen innerhalb der einzelnen Bereiche geben. Allerdings werden diese Veränderungen nur kurzfristiger Natur sein, denn die Arbeitgeber denken nicht langfristig. Damit muss man einfach leben. Thema Investmentbanking: Wie wird sich dieses Ihrer Meinung nach verändern? Das Investmentbanking wird wiederkommen, allerdings unter anderen Vorzeichen. Es wird weniger riskant sein und weniger Fremdkapital nutzen. Außerdem wird es weniger Wettbewerber geben. Das wird zur Folge haben, dass die Gewinne auch wieder steigen.

Stark diskutiert wird auch das Thema Enteignung: Wie stehen Sie dazu?
Enteignung oder Teilverstaatlichung ist ein Druckmittel, das man einsetzen muss. Diese Maßnahme ist aber keine Wunschvorstellung. Außerdem sollte es sich dabei immer nur um Notbeteiligungen und Beteiligungen auf Zeit handeln. Alleine das Wort Enteignung gefällt mir auf die Hypo Real Estate bezogen gar nicht. Ohne die staatlichen Hilfen wären die Aktien wertlos.

Vor dem Hintergrund all dieser aktuellen Ereignisse: Gibt es an der Börse noch gesunden Menschenverstand?
Nicht mehr oder weniger als auch davor. Die Börse ist ein Spiegelbild der Erwartungen. Sie zeigt, was im Markt an Stimmungen vorhanden ist. Momentan tut sie das auch. Und manchmal gibt es natürlich ungerechtfertigte Übertreibungen.

Ein Schlagwort in diesem Zusammenhang ist Vertrauen. Wie sieht es mit den Tugenden in der Finanzbranche aus?
Tugenden, das ist ein sehr schöner Begriff, genauso wie Vertrauen und Ehrlichkeit. All das entwickelt sich aber nicht von selbst. Dem Finanzmarkt muss durch rechtliche Rahmenbedingungen zu der Tugend verholfen werden, zu der er alleine nicht findet. Alle Schlupflöcher, die zu einer Umgehung der Regeln genutzt werden können, müssen geschlossen werden. Und in den Verwaltungs- und Aufsichtsgremien müssen qualifizierte Mitglieder sitzen.

Fasziniert Sie der Aktienmarkt angesichts dieser ganzen Misere noch immer?
Der Aktienmarkt ist spannend, gerade wegen des ganzen Auf und Ab. Langfristig lohnt es, sich an dem Produktionsvermögen zu beteiligen. Allerdings ist der Aktienmarkt kein Instrument für Risikoscheue – zumindest nicht das Investieren in Aktien alleine.

Und was hat Sie dann an den Punkt gebracht, an dem Sie heute stehen? Sie sind ein Experte und äußerst gefragter Interviewpartner.
Das hängt mit meinem missionarischen Drang zusammen. Ich möchte die schwer verständliche Finanzwelt dem Bürger näherbringen. Die Wirtschaftswissenschaften sind eine Handlungswissenschaft, deshalb muss man auf den Bürger zugehen und die Zusammenhänge erklären. Außerdem ist die Öffentlichkeit ein gutes Mittel, um für meine Ideen zu werben. Ich sehe mich als ein Bindeglied zwischen Wissenschaft, Praxis und Bürger.

Apropos binden: Sie tragen Fliege, das ist sehr unüblich in der Finanzwelt. Grenzen sie sich dadurch bewusst ab?
Ich stamme aus der 68er-Generation, wir verweigerten das Tragen von Krawatten. Allerdings trug mein Vater immer Fliegen. Und als ich für einen Termin dann doch einmal so etwas Seriöses benötigte, habe ich mir von ihm eine ausgeliehen – und bin dabei geblieben. Heute erkenne ich aber, dass die Fliege ein Erkennungsmerkmal ist. Sie ist aber auch nur eine Äußerlichkeit, auf die man nicht allzu viel Aufmerksamkeit legen sollte.

Ein anderes Erkennungsmerkmal unserer Gesellschaft ist Geld. Welchen Bezug haben Sie dazu?
Es fasziniert mich, dass man mit Geld seine Zielsetzungen und Interessen vertreten kann. Alleine macht Geld jedoch keinen Sinn.

Und wie stehen Sie zu Gold? Das Metall gilt immerhin als Krisenwährung.
Ja, Gold ist ein Krisenmetall. Je größer die Krise wird, desto wertvoller wird es. Gold ist aber auch hochriskant. Nach der Krise wird man mit Gold wieder verlieren. Ich halte es für sinnvoller, in Immobilien zu investieren.

Zum Schluss: Ihre Vision – wie geht es weiter?
Ich sehe die Zukunft optimistisch. Wir befinden uns zwar in einer der schwersten Finanzkrisen, werden daraus aber unsere Lehren ziehen. Gewisse Akteure sind stärker zu kontrollieren, und wir benötigen mehr Risikovorsorge. Außerdem darf sich der Berufsstand der Finanzdienstleister nicht zu weit vom Bürger entfernen. Und ich hoffe natürlich, dass wir die Probleme schnell in den Griff bekommen. Eine längere Rezession könnte die zukünftige Generation ansonsten zu stark belasten.

Und Ihr Tipp für Hochschulabsolventen?
Hier gelten all die Dinge, die ich zu Beginn schon genannt habe. Studierende sollten sich außerdem frühzeitig um Praktika kümmern, damit sie einen Einblick in die Unternehmen bekommen, ein Gefühl für sie entwickeln, wissen, ob dies überhaupt etwas für sie ist, um im Notfall noch frühzeitig die Reißleine ziehen zu können.

Zum Unternehmen

Ziel des Bayerischen Finanz Zentrums (BFZ) ist es, Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammenzuführen, um für Schwerpunktthemen der Finanzbranche über die Regionen hinweg projektbezogen Lösungen zu erarbeiten. Ein Schwerpunkt ist es dabei auch, sich für eine weitere Verbesserung der Ausbildung im Finanzdienstleistungssektor einzusetzen. Momentan arbeitet das BFZ an der Ausgestaltung eines Competence Center Finance und Insurance. Auch hierbei geht es um die Verknüpfung von Wirtschaft und Forschung. Interessant ist die Plattform aber auch für Studenten und Hochschulabsolventen durch die Integration des Webportals Karrierezentrum. Dort werden sie sich über die Anforderungen in den Unternehmen informieren, sich mit anderen Studenten vergleichen und potenzielle Arbeitgeber auf sich aufmerksam machen können. Durch diese neue Profilerkennung wird sich das Angebot grundlegend von bisherigen Jobplattformen unterscheiden, bei denen es diese Transparenz nicht gibt.

Interview mit Dr. Wolfgang Gawrisch

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Wolfgang Gawrisch hat Physik studiert und arbeitet heute als Leiter des Ressorts Zentrale Forschung/Technologie bei Henkel. Er zeigt, dass auch die Industrie ein sehr spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsfeld für Naturwissenschaftler bietet. Denn bei Henkel wird geforscht – an vorderster Front und mit Blick auf die Märkte. Im karriereführer spricht Wolfgang Gawrisch über seinen Aufgabenbereich, die Bedeutung der Biotechnologie und die Anforderungen an Hochschulabsolventen. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Zur Person

Wolfgang Gawrisch wurde am 25. Januar 1951 im südpfälzischen Germersheim geboren. Er studierte Physik und promovierte am Institut für physikalische Chemie in Mainz. Als Doktorand forschte er am weltgrößten Hochflussreaktor in Grenoble.

Von 1980 bis 1997 arbeitete er bei der Hoechst AG. 1998 begann er bei Henkel in Düsseldorf. Hier leitet er das Ressort Zentrale Forschung/ Technologie und ist Vorsitzender des Sustainability Council Henkel. Wolfgang Gawrisch ist außerdem unter anderem Mitglied im Ausschuss Technik und Umwelt des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DECHEMA), Mitglied im Bewilligungsausschuss Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder sowie Aufsichtsratsmitglied anderer Unternehmen.
Wolfgang Gawrisch ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Herr Dr. Gawrisch, Sie sind Physiker. Hat Ihr heutiger Job als Manager bei Henkel noch etwas mit Ihrer ursprünglichen Ausbildung zu tun?
Zur Steuerung von Forschungsprojekten ist ein fundiertes naturwissenschaftliches Verständnis ein absolutes „Muss“, denn als Leiter des Ressorts Zentrale Forschung/Technologie muss ich mit unseren Naturwissenschaftlern diskutieren können. Hierbei hilft mir meine Ausbildung durch Studium und Promotion.

Was genau ist denn Ihre Aufgabe als Leiter des Ressorts Zentrale Forschung/Technologie?
Wir orientieren uns mit unseren Forschungsprojekten an der strategischen Ausrichtung von Henkel. Unsere Kompetenzen setzen wir dabei zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ein. Mit unseren Innovationen gestalten wir in enger Kooperation mit den drei Unternehmensbereichen Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik und Körperpflege und Adhesives Technologies die Zukunft von Henkel.

Sie haben sich bewusst entschieden, Forschung nicht an der Universität zu betreiben, sondern in einem Unternehmen. Wo liegen für Sie die Vorteile?
Auch in der Industrie wird intensiv geforscht – und immer mit Blick auf die Märkte. Denn Produkt- oder Prozessinnovationen sind essenziell für den Erfolg von Unternehmen. Somit bietet auch die Industrie ein sehr spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsfeld für Naturwissenschaftler. Unserer Forschungsaktivitäten sind zahlreich: In der Zentralen Forschung in Düsseldorf arbeiten wir in den Feldern Chemie, Biologie und Technologie. In unserem Kompetenzzentrum Scientific Computing beispielsweise erarbeiten wir mit computergestützten Modellen Henkelrelevante Problemlösungen. In der Forschung und Entwicklung bei Henkel nutzen wir interne und externe Kompetenzen. Als Forscher in der Industrie arbeitet man also ganz und gar nicht isoliert. Wir begreifen uns als Teil eines weltweiten interdisziplinären Wissensverbunds. Und diese Zusammenarbeit mit führenden Universitäten und Instituten wird zukünftig noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Mit Phenion wurde ja bereits 2001 ein Public-Private-Partnership zwischen Henkel und der Universität Frankfurt ins Leben gerufen. Mittlerweile ist Phenion eine 100-prozentige Forschungsgesellschaft von Henkel. Was genau wird in diesem biotechnologischen Forschungszentrum gemacht?
Phenion ist das Kompetenzzentrum von Henkel für Haut- und Haarforschung sowie für die Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen. Langfristiges Ziel ist die Etablierung von Methoden, die durch eine Kombination verschiedener In-vitro- und Insilico- Alternativmethoden – also Tests im Reagenzglas und auf Basis von Computerberechnungen – Tierversuche letztlich komplett überflüssig machen.

Henkel hat die Vision, mit seinen Produkten das Leben der Menschen leichter, besser und schöner zu machen. Ist die Biotechnologie ein Weg dahin?
Wir sehen die Biotechnologie als eine Schlüsseltechnologie. Viele Wirksubstanzen – zum Beispiel in Waschmitteln und Kosmetika – werden in industriellen, abgeschlossenen Prozessen erzeugt. Fachleute bezeichnen dies als weiße oder industrielle Biotechnologie. Dabei werden Substanzen durch Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze hergestellt. Mit der weißen Biotechnologie werden zum Beispiel Enzyme für Wasch- und Reinigungsmittel erzeugt, die die Entfernung hartnäckiger Flecken ermöglichen. Außerdem tragen Enzyme dazu bei, dass Waschen umweltverträglicher wird: Waschmittelmenge und Waschtemperatur können deutlich reduziert und dadurch der Energieverbrauch gesenkt werden. Durch moderne kompakte Waschmittel sinken außerdem der Wasserverbrauch sowie der Aufwand für Verpackung und Transport.

Welches herausragende Forschungsergebnis im Bereich der Biotechnologie gab es in letzter Zeit bei Henkel?
Anfang dieses Jahres haben wir die Entwicklung einer neuen „Tieftemperaturprotease“ ausgezeichnet. Proteasen sind Enzyme, die eiweißhaltige Flecken wie Blut oder Kakao aufspalten. Mit einem neuen Screening-System und gentechnologischen Verfahren haben unsere Wissenschaftler eine Protease für Flüssigwaschmittel gefunden, die bereits bei einer Waschtemperatur unter 20 Grad Celsius eine verbesserte Leistung zeigt. Ein Waschgang bei 20 statt bei 40 Grad Celsius spart außerdem über die Hälfte der Energie und des ausgestoßenen Kohlendioxids.

Sie sind auch Vorsitzender des Sustain – ability Council Henkel. Was bedeutet das konkret?
Wir bemerken zunehmend, dass Verbraucher neben der Produktqualität auch nach der Verantwortung des Unternehmens fragen. Also beispielsweise: Wo kommen eure Rohstoffe her? Werden ökologische und soziale Standards eingehalten? Diesen Trend hat Henkel schon vor Jahrzehnten erkannt und mitgeprägt. In unserem Sustainability Council arbeiten wir daran, dass die Begriffe „fortschrittlich“, „sozial“ und „ökologisch“ in einem Zusammenhang gesehen werden.

Wie sehen Sie die Karrierechancen von Hochschulabsolventen, die in Unternehmen wie Henkel einsteigen wollen?
Ein global aufgestelltes Unternehmen wie Henkel eröffnet mit seiner Vielseitigkeit eine große Bandbreite an Möglichkeiten sowie die Chance, auf verschiedenen Feldern tätig zu sein. Unabhängig davon, ob man eine Laufbahn in Forschung und Entwicklung oder im Marketing anstrebt, im Ingenieur- oder im Finanzwesen – Henkel hat in jedem Fall eine Menge zu bieten.

Was erwarten Sie von jungen Wissenschaftlern, die bei Henkel anfangen wollen? Welche Qualifikationen sollte ein Hochschulabsolvent beim Start ins Berufsleben Ihrer Meinung nach bereits erworben haben und welche Kenntnisse und Fertigkeiten kann man im Berufsalltag erwerben?
Forschende Unternehmen brauchen begabte und begeisterte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit exzellenten Fachkenntnissen und ersten internationalen Erfahrungen. Darüber hinaus halten wir bei Henkel viel von Individualität und Teamfähigkeit und suchen Persönlichkeiten, die bereit sind, gemeinsame Ziele zu verfolgen.

Zum Unternehmen

Henkel AG & Co. KGaA ist ein börsennotiertes Unternehmen und hat seinen Hauptsitz in Düsseldorf. Von über 55.000 Mitarbeitern sind 80 Prozent außerhalb Deutschlands tätig: in zahlreichen europäischen Ländern, in den USA und Kanada, in Lateinamerika, in Nordafrika und dem Nahen Osten sowie in Asien – in über 125 Ländern der Welt. Henkel ist in den drei Geschäftsfeldern Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik und Körperpflege sowie Adhesives Technologies (Klebstofftechnologien) aktiv und zählt zu den „Fortune Global 500 Unternehmen“. Das Unternehmen wurde 1876 von Fritz Henkel als Waschmittelfabrik Henkel & Cie. in Aachen gegründet. Bereits zwei Jahre später zog das Unternehmen nach Düsseldorf und mit Henkel’s Bleich Soda begann die Erfolgsgeschichte namhafter Marken, die jeder kennt: Persil, Loctite, Schwarzkopf, Ceresit, Dixan, Teroson, Dial, Bonderite, Purex, Liofol, Fa oder Pritt. Im Jahr 2007 erzielte Henkel einen Umsatz von 13 Milliarden Euro.

Interview mit David Garrett

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Was können junge Manager von Künstlern lernen? Ist Kunst auch eine Inspirationsquelle für Künstler? Und wie definieren Künstler Erfolg? Sabine Olschner sprach mit dem 27-jährigen Stargeiger David Garrett.

Zur Person

David Garrett wurde 1980 in Aachen als Sohn eines Juristen und einer Primaballerina geboren. Mit vier Jahren begann er das Geigenspiel, mit zehn hatte er seinen ersten öffentlichen Auftritt mit den Hamburger Philharmonikern. Zwei Jahre später spielt er mit Yehudi Menuhin, der ihn als einen der größten Violinisten seiner Generation bezeichnete.

2001 ging Garrett gegen den Willen seiner Eltern zum Studium an die Juilliard School of Music nach New York, wo er auch heute noch lebt. Mittlerweile füllt er ganze Rock-Arenen mit seinen Konzerten. www.david-garrett.com

Was bedeutet für Sie Kunst?
Ich lasse gern durch Kunst meine Sinne anregen und mich für meine Arbeit inspirieren. Kunst kann mich einfach nur faszinieren und beeindrucken, aber mir gleichzeitig Impulse geben für neue Ideen.

Wie inspiriert Sie zum Beispiel ein Bild für Ihre Musik?
In dem Moment, in dem ich etwas sehe, das schön ist, berührt mich dies emotional, und ich kann anschließend wieder frisch an die Arbeit gehen. Manchmal ist es einfach wichtig, etwa durch einen Museumsbesuch, soweit wie möglich von seinen täglichen Aufgaben fortzugehen. Wenn man dann wieder zurückkehrt, hat man eine ganz andere Perspektive auf seine Arbeit.

Kann ein Künstler denn überhaupt noch durch Kunst entspannen?
Natürlich, das ist der Hauptgrund, warum ich Musik mache. Musik ist für mich ein Ausgleich für die vielen stressigen Reisen. Durch Musik – auch meine eigene – kann ich dann entspannen. Ich gehe aber auch gern ins Museum, um dort die Ruhe zu genießen.

Sie haben bereits mit vier Jahren angefangen, Violine zu spielen. Woher nimmt ein Künstler die Motivation, über so viele Jahre durchzuhalten?
Wenn etwas gut läuft, motiviert mich das sehr. Anfangs ist es natürlich nicht immer leicht, aber in den vergangenen Jahren ziehe ich meine Motivation vor allem aus Konzerten, die gut gelaufen sind, oder interessanten Plattenverträgen, die sich ergeben haben. Die Motivation kommt also bei mir aus der Arbeit heraus.

Und wenn es einmal nicht so gut läuft?
Dann liegt die Motivation darin, es in Zukunft besser zu machen.

Wie erreichen Sie Ihre Ziele?
Ich entscheide viel aus dem Bauch heraus. Wenn ich ein gutes Gefühl habe, ist das für mich die wichtigste Entscheidungshilfe. Der Verstand spielt dabei weniger eine Rolle. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Konzept passt, dann lasse ich mir auch von keinem reinreden.

Was können junge Manager von Künstlern lernen?
Beharrlichkeit und Ausdauer. Wenn man etwas wirklich durchsetzen will, muss man sich dafür einsetzen. Manchmal gibt es Situationen, in denen ein Künstler keinen Cent mehr in der Tasche hat, aber trotzdem weitermachen muss. Das war bei mir nicht anders: Während meines Studiums in New York hatte ich überhaupt kein Geld und habe nur von der Vision gelebt, dass es irgendwann einmal funktionieren wird.
Ich denke, dass der Glaube an den Erfolg das Wichtigste ist. Stellt er sich dann tatsächlich ein, beeindruckt er einen gar nicht mehr so sehr, weil man ja von Anfang an an die Sache geglaubt hat. Man muss die Konsequenz haben, auch in der tiefsten Dunkelheit den Euphorismus zu haben für das, was man tut.

Erfolg kann unter Umständen süchtig machen. Wie bleiben Sie trotzdem „auf dem Boden“?
Wer den Erfolg liebt, sollte sich klarmachen, woher der Erfolg kommt: nämlich von Qualität. Wenn man stets in sich selber eine Verbesserung sucht, ist das schon eine gute Sache.

Wenn Sie nicht Musiker wären, was würden Sie gern machen?
Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht, weil ich immer an mich geglaubt habe. Ich habe mir nie überlegt, welche Alternativen es geben könnte, falls es nicht funktioniert, hatte nie einen Plan B in der Tasche. Ich hatte nur Plan A, und alles andere war unwichtig. Wenn es bis heute nicht geklappt hätte, wäre ich aber auch glücklich, denn ich würde immer noch weiter an meinen Erfolg glauben.

Coaching Zone

„Profimusiker heben sich durch Talent, Disziplin und Kreativität von anderen Musikern ab. Und wie ist es bei Managern? Bei dem Kreativitätscoaching, das ich mit Ernst Stöger von Art & Music durchführe, hat sich gezeigt, dass Improvisation – eine Fähigkeit der Berufsmusiker – bei Wirtschaftstreibenden häufig wenig geschätzt wird. Die Improvisation ist nämlich eine kreative Leistung – und in der Wirtschaft bleibt Kreativität oft vernachlässigt. Erst, wenn nichts mehr geht, setzt man auf Kreativität: in Krisen- oder Stresszeiten, wenn man sich ausgepowert und überfordert fühlt. In unseren Coachings benutzen wir Musik, Rhythmus und Improvisation, um Hemmschwellen und Denkblockaden zu überwinden und kreative Lösungen zu finden. Keine Zeit für ein Seminar? Gute Musik zu hören, kann bereits aktivierend, entspannend und befreiend sein.“

von Dr. Gerald Pohler, Psychologe und Kreativitätscoach für Manager und Künstler
www.art-music.org/coaching

Interview mit Oliver Fuchs

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Der Kreative. Eigentlich interessierte ihn die Kombination aus Technik und Gestaltung, als er nach der Matura in der Schweiz das Fotoingenieurstudium in Köln begann. Doch bald merkte Oliver Fuchs, dass ihm das Technische gar nicht so lag, dafür das Kreative umso mehr. Und als die Fernsehbranche boomte, ergriff er die Gelegenheit und stieg in die Medienbranche ein. Heute ist er Chef einer der erfolgreichsten TV-Produktionsfirmen Deutschlands und spricht im Interview über Blockhausbau, Kreativität und die „Psyche der Nation“. Das Interview führte Meike Nachtwey.

Zur Person Oliver Fuchs

Der Schweizer Oliver Fuchs hat nach der Matura und dem Studium des Fotoingenieurwesens in Köln seine Karriere 1991 in der TV-Branche begonnen. Er arbeitete seitdem als Redakteur, Produktionsleiter und Herstellungsleiter bei deutschen sowie internationalen Firmen wie CAT Entertainment, Fremantle Deutschland, Pearson Television oder die RTL-Tochter Stormy Entertainment.

Seit 2004 ist Oliver Fuchs Geschäftsführer von Eyeworks Germany, dem Aufsteiger des Jahres im Kress-Produzenten-Ranking 2010/2011. Er ist verantwortlich für die strategische, wirtschaftliche und kreative Entwicklung des Unternehmens.

Herr Fuchs, welchen Berufswunsch hatten Sie im Alter von etwa zehn Jahren?
Ich wollte Werbung machen. Mir haben die Fernsehspots immer gefallen, die Spaß verbreitet haben, und ich habe mich über gute Werbung gefreut.

Warum haben Sie sich für das Fotoingenieurstudium entschieden?
Nach dem Abitur wollte ich irgendetwas Kreatives und doch Reelles machen. Mir gefiel der Beruf des technisch- wissenschaftlichen Fotografen, da er das Künstlerische mit der Technik vereint. Leider war die zugesagte Ausbildung damals in der Schweiz nicht mehr möglich, und so bin ich nach Köln gekommen, um hier Fotoingenieurwesen zu studieren. Das kam dem Gewünschten am nächsten.

Wie kamen Sie in die Fernsehbranche?
Als ich nach sieben Semestern Studium merkte, dass ich technisch nicht begabt genug war, bin ich ausgestiegen. Gleichzeitig entwickelten sich in Deutschland die neue Medienbranche und das Privatfernsehen stark. Da hat mich das Kreative sehr gelockt, und damals waren noch die abenteuerlichsten Einstiege möglich.

Inwiefern helfen Ihnen die Grundlagen genau dieses Studiums bei Ihrer heutigen Tätigkeit – und wo helfen sie gar nicht?
Ich bekam leider schnell den Eindruck, dass dieses Studium eher nicht im Beruf hilft, da es viel zu theoretisch war und zu wenig Praxisbezug hatte. Außerdem war das Berufsbild des Fotoingenieurs zu wenig umrissen, und ich wusste nicht, wo es hinführen sollte. Heute muss ich sagen, dass es doch Vorteile hat, die technischen Hintergründe ein wenig zu kennen, gerade in der Fernsehbranche. Farbwerte, Lichttemperatur, Brennweiten, Optiken – all das sind Begriffe, von denen ich weiß, was dahintersteckt und die mir im Job täglich begegnen.

Was haben Fotografie und Fernsehen auch heute noch gemeinsam?
Ein gutes Bild erfordert nicht nur gute Technik, sondern auch ein Gefühl für die Sache und das Abzubildende. Die Medienbranche bietet deshalb auch heute noch Quereinsteigern gute Möglichkeiten, weil sie eben nicht ein vertieftes Hintergrundwissen verlangt, sondern unter anderem etwas wie ein natürliches Gefühl für ein gutes Bild. Und das muss man als Fotograf auch haben, um erfolgreich zu sein.

Sie wurden kürzlich im Kölner Stadtanzeiger zitiert mit: „Gute Unterhaltung geht direkt in die ‚Psyche einer Nation’, ist letztlich Ausdruck von Zeitgeist und gesellschaftlichen Strömungen“. Was lesen Sie als Fernsehmacher derzeit in der „Psyche der Nation“?
Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass Fernsehen nur ein Spiegel der Gesellschaft ist, dahingehend, dass es meistens nur abbildet und selten Trends prägt. Wir machen heute vermehrt authentisches Fernsehen, weil der Zuschauer es will. Denn er ist medial gebildeter als früher, er durchschaut sehr schnell, ob etwas „echt“ ist. Es ist zum Glück viel schwerer geworden, dem Zuschauer etwas vorzumachen. Er hat den Wunsch nach Authentizität und will ernst genommen werden. Das ist nicht nur im Fernsehen so, sondern auch auf der Straße, die Leute demonstrieren wieder, und es findet eine, wenn sie wollen, Basisdemokratisierung statt. Wir haben nicht nur mündige Bürger, sondern auch mündige Fernsehzuschauer. Und das Fernsehen versucht, in bestimmten Formaten diesem Wunsch nach Authentizität zu entsprechen.

Was kann das private Fernsehen heute noch vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen lernen und umgekehrt?
Beide sind dort, wo sie stehen, gut aufgehoben. Zudem werden sie sich immer ähnlicher, und ich glaube, dieser Konflikt „Private gegen Öffentlich- Rechtliche“ findet nur in den Köpfen der Medienmacher statt, nicht im Kopf des Zuschauers. De facto gibt es keine große Differenz mehr zwischen den beiden.

Welcher Erfolg Ihrer Formate hat Sie im meisten überrascht?
Wir haben bei RTL2, einem Sender, der ja ein bestimmtes Image hat, einen Einbürgerungstest als Sendung gemacht und haben dort die echten Einbürgerungsfragen gestellt, so dass wir Entertainment mit politischem Background vermischt haben. Und das Format hat tatsächlich neun Prozent Marktanteil geholt. Das ist eine Menge für einen solchen Inhalt auf dem Sender.

Techniker, Kreativer, Geschäftsführer – welche Tätigkeit beansprucht im Arbeitsalltag zeitlich den größten Teil?
Ich bin zu 33,3 Prozent Kaufmann, zu gleichem Anteil Kreativer und die restlichen Prozent bin ich Kunde. In der Zeit als Kunde beschäftige ich mich mit den Themen, die die Sender umtreiben. Der Techniker ist im Arbeitsalltag nicht mehr präsent.

Um kreative Batterien aufzuladen, gehen viele joggen. Wann entstehen bei Ihnen zündende Ideen?
Ich beschäftige mich mit meiner Umwelt. Ich rede mit Menschen oder setze mich raus und beobachte Leute. Wichtig ist es, zuzuhören, sich auszutauschen und, wo möglich, in andere Bereiche einzutauchen. Man sollte nicht nur über den Tellerrand blicken, sondern wirklich mal raus aus seinem Medienelfenbeinturm und aktiv rein ins Leben gehen.

Ingenieure sind bekanntlich Tüftler. Wo greifen Sie im Alltag selbst zu Schraubenzieher und Handwerkszeug?
Ich habe ein altes Hotel gekauft, in dem wohne ich mit meiner Familie und baue es selbst um. Das ist mein Ausgleich zum Job.

Welche halten Sie für die genialste technische Erfindung der letzten Jahre?
Den Speicherchip. Die universellen Einsatzmöglichkeiten, die er bietet, und einhergehend die Vergrößerung der Kapazitäten. Auch das sogenannte Cloudworking im Computing finde ich faszinierend.

Welches Projekt möchten Sie unbedingt noch umsetzen, selbst wenn Sie ahnen, dass es kein Quotenerfolg wird. Was ist Ihr Herzprojekt?
Ein Dokumentarfilm über den Blockhausbau, das Thema interessiert nur wenige Menschen und wird daher wohl nicht realisiert werden.

In dem Film „Notting Hill“ sagt Julia Roberts als Filmfigur Anna Scott sinngemäß: „Ruhm ist nichts wirklich Echtes.“ Sie haben täglich mit Menschen zu tun, die in unterschiedlicher Weise Ruhm erlangen. Ihr Rat, wie gerade junge Menschen Ruhm verkraften?
Ich denke, eine gute Möglichkeit, bodenständig zu bleiben, ist, sich intellektuell mit dem auseinanderzusetzen, was gerade mit einem geschieht. Das setzt natürlich voraus, dass Sie einen gewissen Grad an Bildung und auch an Willen dafür haben. Am Ende ist es leider meistens nicht möglich, nicht abzuheben, sich abzukapseln oder ein bisschen komisch zu werden, das zeigt die Erfahrung.

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg, und welche Schattenseiten hat er?
Erfolg bedeutet für mich, dass ich eine Firma aufgebaut habe, die Konstanz hat, in der ich Mitarbeitern das bestmögliche Arbeitsumfeld und die größtmögliche Sicherheit geben kann. Wenn ich Müttern und Vätern Arbeit bieten kann, die ihre Lebensgrundlage sichert. Schattenseiten hat Erfolg meiner Meinung nach nicht.

Was wäre die größte technische UND visuelle Herausforderung für Sie?
Den alten Fernsehspruch „Im Fernsehen ist alles möglich“ nehme ich wörtlich. Und ein Nein gibt es am Beginn eines Projektes nie. Insofern bin ich sicher, dass alles machbar ist. Da ist nur die Frage der finanziellen Ausstattung der begrenzende Faktor.

Als gebürtiger 1968er haben Sie in Ihrer Jugend den Umschwung von „Video killed the Radio-Star“, den MTV-Kult, live miterlebt. Welche nächste große Innovation wird die Jugend faszinieren?
Im Moment ist es die ständige Erreichbarkeit, Vernetztheit und das Onlinesein, was die jungen Leute fasziniert. Ich könnte mir vorstellen, dass das umschlägt und es irgendwann reizt, den „Aus“-Knopf zu drücken.

Bitte ergänzen Sie: Der ideale Ingenieur ist …
… Pragmatiker und kein Dogmatiker.

Zum Unternehmen

Eyeworks Germany ist eine der führenden unabhängigen TV- und Filmproduktionsfirmen in Deutschland. Bestehend aus Eyeworks Entertainment und Eyeworks Fiction & Film produziert das Unternehmen erfolgreich Unterhaltungssendungen wie „Rach, der Restauranttester”, „Die Küchenchefs“, „Die 10“ oder „Schwiegertochter gesucht“, Dramaserien wie „Wilsberg“, „Maria Wern“ und Filme für Fernsehen und Kino.

Seit ihrer Gründung 2003 entwickelt und produziert die Firma unterschiedliche Fernsehformate für alle großen deutschen TV-Sender, sowohl private als auch öffentlich-rechtliche.

Interview mit Regina Först

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Wie ein roter Faden zieht sich die Mode durch ihre Vita, obwohl sie mit dem Jahrmarkt der Eitelkeiten nichts am Hut hat. Nach einer Lehre in einem feinen Modehaus studiert sie Textilbetriebswirtschaft und steigt steil auf. Die junge Filial- und Personalleiterin managed, powert, rast – verheddert sich und entwickelt Ihr Leben neu. Wer ist diese Frau, die Menschen zum Strahlen bringt? Sie zunächst mit ihrer inneren Schönheit vertraut macht, um dann die äußere Hülle auf überraschend stimmige Weise hinzuzufügen? Regina Först plauderte für uns aus dem Näh-Kästchen: Über Wege, Irrwege und glückliche Fügungen und darüber wie sie aus ihrem Lebenslauf eine Lebensaufgabe machte.

Von Viola Strüder

Allein unter Kaschmir-Ziegen
Regina Först kommt gerade mit ihren Kindern vom Reiten und hat es sich mit einer Tasse Tee gemütlich gemacht. Auf dem elterlichen Bauernhof mit Pferdezucht lebt sie, liebt die Weite des Nordens, die Menschen, die Möwen, die Nähe zum Meer. Wir unterhalten uns über die Anfänge ihres Berufsweges. „Ich wurde in eine Lehre gesteckt, zu der ich keine Lust hatte. Das exquisite Modehaus in Kiel, die Menschen dort und ich passten einfach nicht zusammen“, sprudelt es aus ihr heraus. Und doch baute die gelernte Einzelhandelskauffrau auf ihrer Ausbildung auf, studierte am Lehrinstitut des deutschen Textilhandels, bei den so genannten „Texern“ in Nagold bei Stuttgart. – Und wieder passte es nicht wirklich.

Faible oder Label?
„Mir war egal, welche Marke ich trug“, sagt die damals Label-Lose, „aber plötzlich stellte ich fest, wie ich mich von meinem Umfeld beeinflussen ließ, von den Kommilitonen mit ihren teuren Klamotten, ihrem Schmuck und dem Styling“. Dem Reiz der Marke erlegen, schuftete auch sie, um ein bestimmtes Teil eines Herstellers zu besitzen, mit dem Etikett einer selbst gewählten Etikette zu entsprechen. „Aber die Heilung kam bald“, sagt sie im Rückblick. Die Ausbildereignungsprüfung machte ihr großen Spaß, Schulungen, Seminare. „Dass Menschen mein zentrales Berufs- und Lebensthema werden, spürte ich hier.“

Auch Texer sind keine Hexer
„Wer in Nagold studiert hat, dem eilte damals in der Branche der Ruf voraus, er verdoppele den Umsatz. Der Erwartungsdruck ist riesig und der Jobwechsel im ersten Jahr entsprechend hoch.“ Die heute 43-Jährige machte ebenfalls diese Erfahrung. Dann aber bewirbt sich die diplomierte Textil-Betriebswirtin 1981 bei H&M. „Ich fand es toll, dass – egal, was man vorzuweisen hatte – alle an der Basis anfingen: als Verkäufer.“ Innerhalb von einem Vierteljahr ist sie Filialleiterin und Merchandiserin und bleibt drei Jahre „mit viel Spaß an der Sache“.

Eine Weg-Marke
1984 geht sie zurück nach Kiel, startet bei „New Yorker“. Weniger als zehn Filialen zählte das Unternehmen als sie begann, 90 als sie es 1989 verließ. Zunächst arbeitete sie als Verkaufsleiterin, hatte freie Hand. Später, als Personalleiterin, war sie zuständig für 700 Mitarbeiter und kam der eigenen Bestimmung näher. „Menschen zu begleiten, die sich anfangs unter ihren Möglichkeiten verkauften, ihnen bei ihrer Entwicklung zu helfen – in diesem Thema war ich zu Hause.“ Die Weg-Marke wurde zum Scheide-Weg. Als Macherin war sie voll in ihrem Element. „Hier noch eine Überstunde und da ein Wochenende reingehängt, fröhlich-dynamische zehn bis zwölf Stunden am Tag. Das Gefühl, den Job zu brauchen, um sich selbst wahrzunehmen. Das war wie eine Sucht.“ Von der heutigen Regina Först mit einem Satz ad acta gelegt: „Ich habe mich selbst verloren, mich nur über Leistung definiert.“

Interview mit Kristina Flügel

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Die rationale Entscheiderin. Als Leiterin der Bereiche Personalbetreuung und Resourcing bei der Deutschen Bank weiß Kristina Flügel sehr genau, was ein Finanzexperte heute leisten muss, um in einem großen Bankenkonzern Karriere machen zu können. Im Interview verrät sie ihre Strategie für große Karriereschritte und erklärt, warum Allgemeinbildung eine oft vernachlässigte, aber wichtige Kompetenz ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Kristina Flügel studierte von 1988 bis 1995 Betriebswirtschaftslehre, Anglistik und Italianistik an den Universitäten in Gießen, dem schottischen Stirling sowie dem italienischen Verona. Im Laufe des Studiums absolvierte sie zudem diverse Praktika im In- und Ausland. Ab 1995 arbeitete sie knapp zwei Jahre in Tokio als Deutschlehrerin am Goethe-Institut.

1997 stieg Kristina Flügel als Trainee bei der Deutschen Bank ein und arbeitete anschließend in verschiedenen Positionen im Bereich Human Resources, unter anderem als Recruiter, Personalbetreuerin und -entwicklerin, regionale Personalleiterin, HR Business Partner und Projektleiterin. Seit 2003 ist Kristina Flügel Leiterin Personalbetreuung/Resourcing Deutschland. In ihrer Freizeit ist sie sportlich aktiv und reist, wann immer es die Zeit erlaubt, nach Italien.

Frau Flügel, Sie begannen bei der Deutschen Bank 1997 als Trainee und arbeiten seitdem ununterbrochen für das Unternehmen. Was ist der Grund für diese Treue?
Dafür gibt es viele Gründe. Ganz wichtig für meine Arbeitszufriedenheit in den vergangenen 14 Jahren war, dass mir bereits sehr früh Verantwortung übertragen wurde, schon während meiner Traineezeit. Mindestens genauso entscheidend ist, dass im Laufe der Jahre immer wieder neue und spannende Aufgaben und Projekte auf meinen Tisch kamen. Ich konnte und kann mir auf diesem Weg neue Themen erarbeiten und eigene Ideen einbringen.

Verantwortung zu tragen ist nicht immer einfach. Haben Sie diesen Aspekt immer positiv wahrgenommen?
Grundsätzlich ja, aber natürlich gab es auch Situationen, als ich bei einem Karriereschritt mit neuer Führungsverantwortung dachte: Du meine Güte, das ist aber ein ganz schön dickes Brett, das du hier zu bohren hast. Letztlich haben aber immer die positiven Einflüsse des Umfelds überwogen, sodass ich mich nie überfordert fühlte.

Welche Einflüsse meinen Sie konkret?
Ich wusste, dass mich im Unternehmen meine jeweilige Führungskraft unterstützen wird. Wichtig für mich war auch, dass schon bei der Vorbereitung auf den neuen Job Personen – etwa ein Mentor – mit Rat und Tat zur Stelle waren. Bei Bedarf kommt auch ein Coach zum Einsatz.

Was ist Ihre persönliche Strategie, wenn Sie sich auf Karriereschritte vorbereiten?
Ich bin ein sehr rationaler Mensch. Wenn ich im Beruf eine Chance ergreife, schaue ich mir vorher genau an, auf welche neue Aufgabe ich treffen werde, welche Erwartungen in mich gesetzt werden und welche Ziele ich erreichen muss. Wenn Sie so wollen, spiele ich eine Auftragsklärung durch, wie man sie aus dem Projektmanagement kennt. In meiner Karriere gab es durchaus Momente, in denen ich zu dem Schluss kam, dass eine neue Aufgabe noch zu früh kommt, weil ich mit meiner alten Verantwortung noch nicht abgeschlossen hatte.

Als Leiterin Resourcing Deutschland sind Sie heute verantwortlich dafür, dass Einsteiger einen ähnlich guten Start wie Sie erleben. Welche Maßnahmen helfen dabei?
Neue Mitarbeiter, die bei uns als Trainees einsteigen, werden in den ersten zwölf Monaten intensiv im Haus eingeführt und begleitet. Ein wichtiger Baustein des Einstiegs ist unser sogenanntes „Global Induction Program“ in London, bei dem Einsteiger aus allen Ländern die Bank und ihre Produkte kennenlernen. Auf dem Programm stehen aber auch ein Tag, an dem sich die Einsteiger gemeinsam bei einem sozialen Projekt engagieren, sowie das Kennenlernen anderer Trainees und Mitarbeiter. Wir stellen fest, dass aus diesen Kontakten für die Einsteiger im Laufe ihrer Karriere ein verlässliches Netzwerk wächst. Zurück im jeweiligen Land durchlaufen die Trainees dann ein Rotationsprogramm, in dessen Verlauf sie noch einmal unterschiedliche Felder ihres Arbeitsbereichs kennenlernen, bevor sie schließlich ihre erste Platzierung in der Deutschen Bank bekommen.

Welche Eigenschaften muss ein Einsteiger für eine Karriere bei Ihnen mitbringen?
Sie oder er muss nicht nur leistungsbereit sein, sondern auch Spaß an der Arbeit im Team haben. Das ist unerlässlich, und zwar in allen Bereichen – vom Privatkundengeschäft bis zum Investmentbanking. In einem Unternehmen wie dem unseren kann der Einzelne – wie gut er auch sein mag – heute nur noch bedingt erfolgreich sein. Wer denkt, wir ließen uns besonders von Einzelkämpfern überzeugen, die ihre Ellenbogen ausfahren, liegt falsch, denn erfolgreich gearbeitet wird eigentlich immer in Teams – mal in einem Raum, mal grenzüberschreitend oder sogar weltumspannend mit modernen Kommunikationsmitteln. Zudem muss jeder Einsteiger zu unserer Unternehmenskultur passen. Wir haben bei uns aktuell den Slogan „Agile minds see more“ – auf Deutsch: Ein wacher Verstand sieht mehr. Meine These ist: Bei uns haben diejenigen Menschen nachhaltigen Erfolg, die immer wieder Interesse für Neues zeigen und über den Tellerrand hinausschauen. Und zwar nicht, weil man es ihnen aus Karrieregründen nahelegt, sondern aus eigenem Antrieb.

Um die Besten der Besten zu rekrutieren, führen Sie Talente schon während des Studiums oder sogar schon in der Schulzeit an Ihr Haus heran. Hat man als ambitionierter Absolvent, der bislang noch keinen Kontakt zu Ihnen hatte, überhaupt noch Chancen?
Unbedingt. Wir lassen keine Möglichkeit aus, um hervorragende neue Mitarbeiter zu gewinnen. Auch wer sich ohne vorherige Erfahrungen in unserem Haus bewirbt und uns überzeugt, wird zu Vorstellungsgesprächen oder Auswahltagen eingeladen.

Neben den fachlichen Qualifikationen: Welche Skills werden in Ihren Augen immer wichtiger, um Sie zu überzeugen?
Neben der Internationalität und einer Affinität zu IT und den neuen Medien gehört in meinen Augen eine gute Allgemeinbildung dazu. Das wird häufig unterschätzt, und längst nicht jeder bringt sie in gewünschtem Maße mit.

Ganz banal gefragt: Warum reicht es nicht aus, wenn man ein Experte auf seinem Fachgebiet ist?
Weil nur der seine Kunden wirklich versteht, der sein betriebswirtschaftliches Wissen in ein breites Verständnis von Politik, Wirtschaft und auch Kultur einbetten kann. Ein Beratungsgespräch zum Beispiel zur Wertpapieranlage kann heute nicht geführt werden, ohne auch über gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends zu reden. Das kann der Berater nur mit fundiertem Allgemeinwissen, zumal wenn ihm sehr vermögende und selber gut ausgebildete Kunden gegenübersitzen. Nicht zuletzt gehört zum Kundenkontakt eben auch Smalltalk, und den kann nur halten, wer auch bei Theater, Musik oder Literatur wenigstens ein bisschen mitreden kann.

Zum Abschluss: Welches oft gehegte Vorurteil über die Bankenbranche ist in Ihren Augen völlig falsch?
Dass man in der Branche nur steife und konservative Menschen antrifft. Ich komme in meinem Job mit vielen Menschen aus dem Business in Kontakt und kann sagen: Es geht viel bunter zu, als man denkt.

Zum Unternehmen

Die Deutsche Bank ist eine weltweit aktive Investmentbank mit einem starken Privatkundengeschäft. Neben den Kernmärkten in Deutschland und Europa wächst die Bank verstärkt in Nordamerika, Asien und anderen Märkten. Sie hat in mehr als 3000 Niederlassungen in weltweit 74 Ländern mehr als 100.000 Mitarbeiter. Als Konzern gliedert sich die Bank in die Bereiche Corporate and Investment Bank, Private Clients and Asset Management sowie Corporate Investments.

Gegründet wurde die Deutsche Bank 1870. Seitdem entwickelte sie sich durch Fusionen und Übernahmen zu einer Groß- und Universalbank. Vorstandsvorsitzender ist seit 2002 Josef Ackermann. Im Jahr 2010 erwirtschaftete das Unternehmen – trotz der kostspieligen Übernahme der Postbank – einen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro nach Steuern.

Interview mit Kristina Flügel als PDF ansehen

Interview mit Franz-Peter Falke

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Franz-Peter Falke führt die Falke Gruppe seit 1990 zusammen mit seinem Cousin Paul. Im karriereführer spricht er über die nötige Passion, die junge Absolventen mitbringen müssen, um erfolgreich ins Textilgewerbe einzusteigen. Er erklärt, was einen guten Unternehmer ausmacht und unterstreicht die Wichtigkeit des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft. Die Fragen stellte Sonja Weiher

Zur Person Franz-Peter Falke

Franz-Peter Falke wurde 1951 in Schmallenberg im Sauerland geboren. An sein Wirtschafts- und Sozialwissenschaftsstudium in St. Gallen, das von 1969 bis 1973 dauerte, schloss sich ein einjähriges Studium an der Textilfachschule in Reutlingen an. Von 1975 bis 1979 war Falke Assistent der Geschäftsführung bei Dr. Oetker, bevor er 1980 als Geschäftsführer zu Falke Fashion in Schmallenberg wechselte.

Seit 1990 ist Falke geschäftsführender Gesellschafter der Falke Gruppe. Außerdem ist er Präsident des Deutschen Markenverbandes und Vorstandsmitglied Gesamtverband Textil und Mode. Falke wird in vierter Generation von der Familie geführt.

Herr Falke, es ist kurz nach 9 Uhr. Was haben Sie heute Morgen gemacht, bevor Sie ins Büro kamen?
Aufgestanden, Kaffee getrunken – wie jeder andere auch.

Also gehen Sie nicht gleich morgens Joggen. Ist Sport für Sie ein wichtiger Ausgleich zum Beruf?
Absolut. In erster Linie Gymnastik.

Woraus beziehen Sie Inspiration für Ihre Arbeit?
Durch mein Interesse an unterschiedlichen Kulturen, der Kunst im Allgemeinen und meinem Wunsch, einen kleinen Beitrag zu leisten, unser Leben etwas schöner und lebenswerter zu machen. Wir sind sehr viel international unterwegs. Dort suchen wir und werden häufig fündig.

Sie haben in Südafrika auch einen Weinberg, oder?
Wir haben dort vor allem ein großes Unternehmen. Nebenbei habe ich dort noch ein kleines Weingut.

Und wie lange geht Ihr heutiger Arbeitstag?
Sicherlich bis 21.30 Uhr.

Was zeichnet in Ihren Augen einen guten Unternehmer aus?
Seine Persönlichkeit. Leidenschaft für seinen Beruf, für seine Produkte, die Freude, etwas gestalten zu können, die Offenheit und Neugierde, neues zu generieren, Verantwortungsbewußtsein und der Auftrag zur Menschenführung im wahrsten Sinne des Wortes. Schließlich ist ein Unternehmen kein abstraktes Gebilde, sondern setzt sich aus Mitmenschen zusammen.

Haben wir von diesem Typus Unternehmer genügende in Deutschland?
Leider immer weniger. Das liegt auch an unserer Ausbildung hin zu immer größerem Spezialistentum. Ein Unternehmen in seiner Gesamtheit zu verstehen ist für mich Grundvoraussetzung, es erfolgreich zu führen. Das geht nicht aus einer reinen Spezialistendenke heraus.

Bundesweit Kurzarbeit, Entlassungen, Insolvenzen: Wie stark hat Falke die aktuelle Wirtschaftskrise bislang erwischt?
Ohne arrogant klingen zu wollen: Im Moment warten wir noch auf die Krise. Wir sind nach wie vor gut aufgestellt. Aber wenn die negativen Prognosen eintreten, dann wird sicherlich im zweiten Halbjahr auch das Konsumverhalten darunter leiden. Und dann werden auch wir das spüren.

Während die großen Firmen mit Skandalen oder katastrophalen Pleiten Schlagzeilen machen, hört man vom Mittelstand wenig. Hält er unsere Wirtschaft ohne viel Getöse am Laufen?
So pauschal kann man das nicht sagen. Wenn man etwa die vielen mittelständischen Zuliefererbetriebe sieht, die unmittelbar abhängig sind von den großen Automobilkonzernen, dann sind die sehr betroffen. Zu hoffen, der Mittelstand kommt aus der Krise ungeschoren davon, ist gefährlich. Aber die mittelständischen Unternehmen sind häufig sehr innovativ und flexibel. Sie denken langfristiger und nachhaltiger; sie sind nicht von kurzfristigen Quartalsberichten betrieben. In den Familienunternehmen zählt viel stärker Kontinuität – und sicher gehen diese auch vorsichtiger ans Wirtschaften heran.

Für große Firmen wie Opel schmiedet die Bundesregierung Rettungspläne oder hilft sogar ganzen Branchen wie den Autobauern indirekt mit Milliarden durch die Abwrackprämie. Empfinden Sie das als ungerecht?
Wenn man soziale Marktwirtschaft ernst nimmt und deren Kern, den Wettbewerb, befürwortet, dann ist das, was gerade passiert, nicht im Sinne der sozialen Marktwirtschaft.

Knapp die Hälfte Ihrer rund 2500 Falke-Mitarbeiter sind in Deutschland tätig. Wie viel Prozent ihrer Produktion werden hier gefertigt?
Wir sind Exoten in der Textilbranche: Unser Inlandsanteil in der Produktion liegt über 50%.

Warum?
Weil Unternehmenserfolg auf vielen unterschiedlichen Faktoren beruht und nicht ausschließlich auf Standortkosten reduziert werden kann.

Strümpfe sind nach wie vor Falkes Kerngeschäft. Wollen Sie künftig die Bereiche Strickbekleidung und Sport ausweiten oder eher zurückfahren?
Ausweiten. Wir verstehen uns als Anbieter und Hersteller moderner Kleidung und Accessoires, nicht als reiner Strumpfstricker.

Auf der Falke-Homepage werben Sie mit einem ungewöhnlichen Argument um qualifizierte Mitarbeiter: Mit Lebensart. Welche Art von Menschen wollen Sie damit an ihr Unternehmen im Sauerland binden?
Menschen mit einer Passion für die Produkte, für Mode und Kultur im weiteren Sinne. Mode ist Teil der Kultur. Wenn wir uns als Modeunternehmen definieren, dann sind wir auch Teil der Kultur. Und dann brauchen wir Menschen, die in dieser Welt, in dieser Kultur zuhause sind.

Sie selbst haben im schweizerischen St. Gallen studiert. Was sollten Hochschulabsolventen für den Einstieg in ein Unternehmen mitbringen?
Entscheidend in meinem Studium war, dass wir schon damals, Ende der 60er Jahre, viel über Systemtheorie und Kybernetik gelernt haben. Unternehmen sind als Systeme zu sehen. Dieses Denken sollten junge Menschen verinnerlicht haben.

Und wenn Sie heute Absolventen erleben, die sich bei Falke bewerben, was bringen diese an Rüstzeug aus der Universität mit?
In vielen Disziplinen sind sie sehr leistungsfähig. Was mir aber häufig fehlt, ist der systemische Denkansatz. Die Persönlichkeitsentwicklung kommt eher zu kurz, ebenso der internationale Aspekt. Um Kulturen verstehen zu können, reicht es nicht, in andere Länder zu reisen. Man muss Kulturen eher erfühlen, als rational erfassen. Business hat viel mit Emotion zu tun.

Kann das eine Universität leisten?
Sie kann Anregungen geben, das Interesse und die Eigeninitiative müssen von den Studierenden kommen.

Wie kann ein Bewerber Ihr Interesse wecken?
In erster Linie natürlich durch Fachkenntnis. Und durch ein intensives Gespräch, in dem die Persönlichkeit und die Passion für den Beruf deutlich werden.

Führen Sie diese Gespräche selbst?
Einen großen Teil.

Und welche Perspektiven bietet Falke qualifizierten Uni-Absolventen?
Ein überaus spannendes Unternehmen mit faszinierenden Produkten in dem dynamischen Umfeld von Mode und Kultur. Das wirklich spannende ist, in einem Markenunternehmen mitzuarbeiten und dessen Wachstum mit zu gestalten: Die Faszination der Marke Falke.

2008 hat Falke erstmals einen Designpreis in Kooperation mit der Berliner Universität der Künste ausgeschrieben. Wie wichtig sind die Impulse aus den eingereichten Entwürfen für das Unternehmen?
Wir leben von der Innovation und motivieren Leute, sich ungewöhnlichen Ideen zu stellen.

Als Präsident des Markenverbandes und Mitglied im Beirat für Mittelstandsfragen beim Bundeswirtschaftsministerium engagieren Sie sich auch über das Unternehmen Falke hinaus. Was zeichnet aus Ihrer Sicht den deutschen Mittelstand aus?
Passion und Nachhaltigkeit.

Und als Arbeitgeber?
Verlässlichkeit.

Von der Strickerei ihres Vorfahren Franz Falke-Rohe bis zum heutigen Unternehmen, das sich nicht zuletzt mit dem Erwerb der Markenrechte von Burlington fest im Hochqualitätsbereich der Textilbranche etabliert hat, gelang in rund 100 Jahren ein Quantensprung. Wo sehen Sie Falke in 10, wo vielleicht in 50 Jahren?
Auf jeden Fall nach wie vor mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Wir wollen in Zukunft mehr denn je ein internationales Mode- und Bekleidungsunternehmen werden. Mit Kooperationen von Falke mit Designern wie Hussein Chalayan, der Falke-Kaschmir-Strümpfe zu Schuhen verarbeitete, oder Fotografen wie zuletzt dem Koreaner Koichiro Doi, die stilbildende Kampagnen schaffen, sind sie weit weg von dem langweiligen Image, das Strümpfe bei vielen haben. (lacht)

Wie will Falke wahrgenommen werden?
Diese Dinge sind ja nicht neu. Auch die vorhergehende Generation hat sich nie in erster Linie als Strumpfstricker verstanden, sondern immer als Teil der Modewelt. Falke war erster Lizenznehmer von Designern wie Dior, Armani oder Kenzo – lange bevor die überhaupt bekannt waren. Das gleiche gilt für die Fotografen. Für uns ist Kunst ein existentielles Lebenselexier. Unser Anspruch ist „moderne Bekleidung für moderne Menschen“ zu machen.

Was ist in Bezug auf Strümpfe für Sie der größte Fauxpas?
Strümpfe sind ein modisches Accessoire, kein Gebrauchsprodukt. Um komplett gut angezogen zu sein, gehören die passenden Strümpfe einfach dazu. Das wird zu unserem Leidwesen häufig noch unterschätzt.

Zum Unternehmen

1895 wurde die Falke KGaA als Strickerei gegründet. Aus „Falke Garne“ entwickelte sich bis 1946 das Markenzeichen „Falke“, mit der unverkennbaren Wort-Bild-Verknüpfung, die seit 1950 als Marke geschützt ist. 1958 entstand Falke Feinstrumpf, ein Unternehmen, das seit 1974 auch international aufgestellt ist, mit Standorten in Portugal, Ungarn und Südafrika. 1994 erhielt das Unternehmen den Umweltschutzpreis in der Kategorie „umweltverträgliche Produkte“. 2007 folgte der Designpreis für die Sportpullover-Reihe Active Sports. Falke hat 2007 mit seinen weltweit 2500 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von circa 195,5 Millionen Euro erwirtschaftet. Zum 1. April 2008 erwarb Falke die Markenrechte an der Marke Burlington.
Offizielle FALKE Website

Interview mit Prof. Eve-Marie Engels

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Eve-Marie Engels ist Professorin für Ethik in den Biowissenschaften in der Fakultät für Biologie der Eberhard Karls Universität Tübingen. Sie hat Philosophie und Biologie studiert und ist unter anderem Mitglied des Nationalen Ethikrates der Bundesrepublik Deutschland. Über ihre Arbeit und die Herausforderungen der Biotechnologie an ihr Fach sprach sie mit dem karriereführer. von Robert Piterek

Frau Engels, warum hat die Uni Tübingen eine Philosophin für den Lehrstuhl Bioethik ausgesucht?
Prof. Eve-Marie EngelsIch habe sowohl in meiner Doktorarbeit „Die Teleologie des Lebendigen“ als auch in meiner Habilitationsschrift zur „Evolutionären Erkenntnistheorie“ Themen aufgegriffen, die für die Philosophie der Biowissenschaften generell von zentraler Bedeutung sind. Parallel dazu beschäftigte ich mich als wissenschaftliche. Assistentin an einem philosophischen Institut stets mit Fragen der Bioethik und der Moralphilosophie. Dass die Wahl auf mich fiel, hat wohl auch damit zu tun, dass ich neben der Ethik ein Standbein in der Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte der Biologie habe und nach meiner Promotion in Philosophie einige Semester Biologie studiert habe.

Welche Philosophen haben Sie besonders beeinflusst?
Das kann ich nicht an bestimmten Personen, wie Aristoteles oder Kant, festmachen, so wichtig diese für mich sein mögen. Mich haben stets Fragestellungen beschäftigt. Mit einer einseitigen Orientierung an einem oder einigen wenigen Philosophen kommt man heute nicht weiter. Die Themen sind zu komplex. Es ist notwendig, das Beste aus verschiedenen Positionen aufzugreifen.

Wie sieht ein Arbeitstag an der Uni Tübingen aus?
Interfakultäre Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)Ich führe Vorlesungen, Seminare und Doktorandenkolloquien durch, betreue Studierende, erledige an meinem Lehrstuhl die laufenden Arbeiten und leite das Interfakultäre Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Uni Tübingen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat dem IZEW kürzlich ein Graduiertenkolleg „Bioethik“ bewilligt, das im Januar 2004 seine Arbeit aufnehmen wird. Eine meiner Aufgaben wird es sein, das Kolleg zu leiten und die DoktorandInnen und Postdocs zu betreuen. Darüber hinaus wirke ich an Studien zur Technikfolgenabschätzung mit und engagiere mich im Nationalen Ethikrat und anderen Kommissionen.

Was versprechen Sie sich von dem Graduiertenkolleg „Bioethik“?
In der traditionellen Ausbildung an den Universitäten ist kein interdisziplinäres Arbeiten vorgesehen. Die klassische Einteilung in fachspezifische Ressorts besteht hier noch. Allein mit dem Wissen eines Fachbereichs kann man komplexe Fragen aber nicht beantworten. Man muss bei der Stammzellendiskussion beispielsweise erst einmal klären, was ein Embryo im biologischen Sinne ist. Hinzu kommen noch die rechtlichen und sozialen Aspekte, um hier nur einige zu nennen. Die Teilnehmer des Graduiertenkollegs sollen interdisziplinäre Kompetenzen erwerben. Deshalb erwarten wir von Teilnehmern, die z.B. eine Dissertation über die ethischen Aspekte der Neurowissenschaften schreiben, dass sie neben dem Erwerb ethischer Kompetenzen ein Praktikum im Bereich der Medizinischen Psychologie besuchen.

Sie haben den ersten bioethischen Lehrstuhl in Deutschland. Wird der Bioethik in Deutschland genug Bedeutung beigemessen?
Mehr und mehr. Ich kann mich vor Anfragen für Vorträge und Interviews kaum retten. Auch seitens nationaler und internationaler Ethik-Gremien gibt es eine starke Nachfrage. Zudem wird der Bioethik heute im Vorfeld der Einführung neuer Technologien eine wachsende Bedeutung beigemessen. Bioethik hinkt nicht mehr hinterher, was man ihr lange vorwarf, sondern die ethischen, sozialen und rechtlichen Implikationen und Folgen von Biotechnik werden vorher abgeschätzt.

Werden künftig mehr Bioethiker benötigt?
Bestimmt! Mehr Lehrstühle wird es aber wegen der Sparnot der Universitäten voraussichtlich nicht geben.

Sie erwähnten gerade schon die Stammzellendebatte: Embryonale Stammzellen (ES-Zellen) dürfen aus dem Ausland importiert, aber nicht in Deutschland gewonnen werden, weil das Embryonenschutzgesetz die Tötung von Embryonen untersagt. Für die importierten ES-Zellen wurden aber Embryonen getötet. Ist das Gesetz ethisch vertretbar?
Das Gesetz ist ein Kompromiss. Es hat Vor- und Nachteile. Die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates hat die Politik beeinflusst. Es gibt bereits etablierte ES-Zelllinien im Ausland, für die keine Embryonen mehr getötet werden. Nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen und mit Billigung einer Ethikkommission können diese Stammzelllinien importiert werden. Der Kompromiss bestand darin, dass man einerseits die Tür für die ES-Zellforschung offen halten und andererseits die Strenge des Embryonenschutzgesetzes aufrechterhalten wollte.

Offenbar wollte man im weltweiten Forschungswettbewerb nicht außen vor bleiben.
Ja, aber es ging nicht nur um den Wettbewerb. Beim Nationalen Ethikrat stand die Hoffnung auf das Heilungspotenzial im Vordergrund. Auch die Befürworter des Imports embryonaler Stammzellen waren der Meinung, dass ökonomische Gründe hintan gestellt werden müssten, wenn der Import ethisch nicht vertreten werden könnte. Die Ökonomie hatte nicht den Vorrang vor ethischen Erwägungen.

Glauben Sie, dass die Bioethik ausreichenden Schutz vor Fehlern in den neuen naturwissenschaftlichen Forschungsbereichen bietet?
Was heißt Fehler?

Francis Fukuyama hat beispielsweise in seinem Buch „Das Ende des Menschen“ vor einer unvorsichtigen Haltung gegenüber dem Fortschritt in der Biotechnologie gewarnt. Er schreibt, dass Neuropharmaka beispielsweise zu einem Verlust menschlicher Identität und Persönlichkeit führen könnten.
Die Bioethik muss sich mit den Herausforderungen der Biotechnologie kritisch auseinandersetzen und als Frühwarnsystem fungieren. Doch die Bioethik ist kein Monopol von Akademikern oder Ethikkommissionen. Sie muss zum persönlichen Anliegen aller Menschen werden. Bioethische Fragen sollten in einem öffentlichen Dialog diskutiert werden. Wenn dies Fukuyamas Zielsetzung ist, kann ich sie nur begrüßen.

Werden Sie uns warnen, wenn uns der „Verlust des Menschseins“ droht?
Ja selbstverständlich! Für mich beinhaltet Menschsein Freiheit und nicht Manipulation. Ich möchte weiterhin selbst über mich und mein Handeln entscheiden, und andere sollen das auch können.

Interview mit Otmar Ehrl

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Diplom-Wirtschaftsingenieur Otmar Ehrl ist Geschäftsführer und Creative Director der führenden deutschen Querdenker-Agentur ICCOM International GmbH und Leiter der Deutschen Experten-Akademie. Im Interview spricht er darüber, wie wichtig neue Ideen und das Durchbrechen verkrusteter Normen für die Zukunft sind.

Zur Person

Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) Otmar Ehrl (Jahrgang 1969) ist Vizepräsident des Verbandes Deutscher Wirtschaftsingenieure (VWI) e.V. und Geschäftsführer und Inhaber der ICCOM International GmbH.
www.iccom.de
Seit 1995 organisiert er den Deutschen Wirtschaftsingenieurtag auf dem sich führende Entscheider und Experten zu einem interdisziplinären Austausch treffen.
www.dewit.de

Herr Ehrl, welchen Beitrag leisten Querdenker für Wirtschaft und Gesellschaft?
Querdenker sind diejenigen, die Fortschritt überhaupt erst möglich machen, da sie den Mut haben manifestiertes Wissen anzuzweifeln. Sie sind bereit für ihre Überzeugung Opfer zu bringen und gegen das Establishment zu kämpfen. Ein Beispiel für gesellschaftliche Querdenker sind zum Beispiel die Suffragetten in England. Ihr Aufbegehren hat die Emanzipation der Frau in Europa überhaupt erst möglich gemacht. Und auch in der Wirtschaft profitieren Unternehmen und Führungskräfte von den Ideen alter und neuer Querdenker, die Stagnation durchbrechen und Raum für neue Denkansätze und unterschiedliche Perspektiven geben.

Querdenker wurden schon immer auch als Quertreiber empfunden. Sogar Genies und Neuerer wie der Wissenschaftler Nikolaus Kopernikus oder der Theologe Martin Luther kämpften mit den Vorurteilen ihrer Zeitgenossen. Was ist die Motivation des Querdenkers und wie kann er sich in der heutigen Zeit durchsetzen?
Der Querdenker ist von dem Ziel getrieben, die Schwächen eines Systems aufzudecken und zu verändern. Dabei steht niemals sein persönlicher Profit im Vordergrund, sondern die Realisierung seiner Vision. Der Weg dorthin ist meist sehr unkonventionell, manchmal ein wenig verrückt. Erfolgsdruck oder andere „weltliche“ Einschränkungen interessieren ihn erst einmal gar nicht. Eine solche Einstellung trifft bei vielen Menschen auf Misstrauen, sogar Neid. Um also die eigenen Ziele weiter zu verfolgen, bleibt – wie auch den Querdenkern der vergangenen Zeiten – den heutigen Ideen-Schaffern nichts anderes übrig, als eine feste Überzeugung und eine gehörige Portion Sturheit an den Tag zu legen.

Wie unterscheiden Sie den Querdenker vom Querulanten?
Es gibt Menschen, die anders denken, nur um aufzufallen und im Mittelpunkt zu stehen. Ihr Trotz gegen bestehende Regeln entspringt allein dem konkreten Ziel, Herausforderungen und Anstrengung zu meiden und mit möglichst geringem Aufwand größtmögliche Ziele zu erreichen. Daher sind ihre Ideen auch meistens plötzliche Einfälle, die nur kurzfristige Veränderungen bringen. Die höchste Priorität ist die Anerkennung durch die Umwelt und die persönliche finanzielle Bereicherung.

… und der Querdenker?
Seine Ideen sind kein Produkt eines Augenblicks, sondern Gedanken, die auf langen, sorgfältigen Überlegungen beruhen. Erst wenn ein Konzept wirklich ausgereift ist und der Querdenker mit voller Überzeugung dahintersteht, stellt er sich damit der Öffentlichkeit. Er kämpft mit all seinem Hab und Gut für seine Überzeugung. Gelenkt wird der echte Querdenker dabei von sehr starken ethischen und moralischen Grundsätzen.

Welches Beispiel für Querdenkertum hat sie am meisten beeindruckt?
Besonders beeindruckt hat mich das Lebenswerk von Nikola Tesla. Seine Forschung zum Thema Energiegewinnung war bahnbrechend und ganz im Zeichen des Querdenkertums. Leider ist er auch ein gutes Beispiel dafür, dass Veränderungen, vor allem in den vergangenen Jahrhunderten, mit großer Skepsis betrachtet wurden. Für den Wissenschaftler ging dies sogar so weit, dass er aus der Gesellschaft verstoßen wurde und seine kostbaren Aufzeichnungen durch einen Brandanschlag vollkommen vernichtet wurden. Für seine Idee hat er sich wirtschaftlich vollkommen ruiniert, war bereit sein Leben aufs Spiel zu setzen und hat nie aufgegeben. Glücklicherweise sind die Reaktionen auf neue Theorien heute nicht mehr so drastisch, dennoch flackert von Zeit zu Zeit die Angst vor Veränderung in den Menschen auf.

Der amerikanische Komponist John Cage sagte einmal: „Ich kann nicht verstehen, warum sich die Menschen vor neuen Ideen fürchten. Mir machen die alten Angst.“ Für wie wichtig halten Sie klassische Denkmuster und Traditionen in Unternehmen?
Traditionelle Werte sind immer wichtig, da sie Stabilität und Kontinuität bedeuten. Das gilt für unsere Gesellschaft ebenso wie für Unternehmen. Doch wenn Traditionen nur noch aus Bequemlichkeit und Angst vor Veränderung verteidigt werden, können Sie großen Schaden anrichten. Sogar große, traditionsreiche Familienunternehmen sind an dieser fehlenden Mobilität schon gescheitert.

Der globalisierte Markt erfordert völlig neue Handlungsweisen. Wie können sich heutige Unternehmen an diese Veränderungen anpassen?
Natürlich bedeutet dies zunächst eine große Herausforderung. Tiefgreifende Veränderungen erfordern in jedem Unternehmen Zeit und Geduld. Oft muss man mit starren Hierarchien und langen Entscheidungsprozessen kämpfen. Doch immer mehr Unternehmen sind zu der wichtigen Erkenntnis gelangt, dass die Zeit für neue Ideen und Strukturen reif ist. Leider gibt es keine allgemein gültigen Lösungsvorschläge, wie man dem globalen Markt erfolgreich begegnet. Doch ein offener Umgang mit ungewöhnlichen Konzepten, kann ein Schritt in die richtige Richtung sein.

Welche Rolle spielen Querdenker beim wirtschaftlichen Wandel?
Querdenker sind nicht nur eine Quelle für innovatives Potenzial, sie können auch helfen, den Geist der anderen für Veränderungen zu öffnen. Anders, als viele glauben, ist es dabei nicht das Wichtigste die richtigen Antworten zu finden, sondern erst einmal die richtigen Fragen zu stellen und den viel zitierten Blick über den Tellerrand zu wagen. Für Führungskräfte und Entscheider bedeutet dies jedoch nicht nur, querdenkende Mitarbeiter zu haben, sondern vor allem selbst die Perspektive zu wechseln und zum Beispiel mit Außenstehenden ein Problem zu diskutieren. Personen, die nicht direkt involviert sind, können oft Situationen objektiver beurteilen. Nicht immer folgen darauf Lösungen, aber in vielen Fällen nützliche Denkanstöße.

Was kann eine Führungskraft von einem Querdenker lernen?
Von Führungskräften wird ein sehr hohes Maß an Flexibilität und Ideenreichtum verlangt. Die Gedankenfreiheit des Querdenkers, ist da sicherlich eine Inspiration, denn wer die Fähigkeit hat, ein Problem aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, sich von konventionellen Denkrastern zu befreien, findet meist bessere, nachhaltigere Lösungen. Führungskräfte unterstehen einer großen Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und auch dem eigenen Unternehmen. Dennoch hilft es manchmal, die Fesseln des täglichen Trotts zu lösen.

Der Manager und Querdenker Hans Pestalozzi stieg plötzlich aus seinem Beruf aus und verzichtete auf ein hohes Einkommen, um seine Vision zu realisieren. Was tun Sie, um erfolgreich quer zu denken?
Nicht immer muss man komplett „aussteigen“, um seine Vision zu verwirklichen. Veränderungen – und sind sie noch so klein -können eine ganze Welle der Innovation mit sich bringen. Auch wer in der Welt der Wirtschaft und Wissenschaft bleibt und querdenkt, kann eine Menge erreichen. Wenn Sie zum Beispiel durch ständige neue Ideen Ihren Kunden so inspirieren, dass auch dieser anfängt, ein wenig quer zu denken, dann eröffnen sich plötzlich ganz neue Möglichkeiten.

Der Querdenker kann also auch erfolgreicher Geschäftsmann sein?
Auch das ist möglich. Eine herausragende Idee, die Menschen begeistert, führt langfristig auch zum Erfolg. Auch die Definition des Querdenkers hat sich mit der Zeit verändert. Es ist nicht mehr nur der grübelnde Wissenschaftler gemeint, sondern eine Lebenseinstellung, die in jedem Beruf in jeder Branche angewendet werden kann. Sie soll den Menschen die Augen öffnen für Ungewohntes und neuen Raum für Kreativität und Innovation schaffen.

Wirtschaftsingenieure sind Ihrer Meinung nach prädestiniert zum Querdenken?
Eine der wichtigsten Vorrausetzungen für das Querdenken ist Interdisziplinarität und die Fähigkeit aus einem bestimmten Kontext ausbrechen zu können, um ein Problem oder auch ein Konzept aus einer anderen Perspektive zu sehen. Der Wirtschaftsingenieur ist interdisziplinärer Denker aus Leidenschaft. Schließlich befasst er sich jeden Tag mit der Herausforderung, wirtschaftliche und technologische Themen zusammenzuführen und aus ihnen innovatives Potenzial für die Zukunft zu schaffen. Dazu gehört es manchmal auch traditionelle Ideen über Bord zu werfen und dort Lösungen zu suchen, wo niemand glaubt, sie zu finden.

Haben Sie ein spezielles Motto, das Sie antreibt?
Der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann.