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Lebenslauf per Homepage

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Mit einer eigenen Homepage können Bewerber ihrem künftigen Chef vorhandene Programmier- und Gestaltungskenntnisse demonstrieren, EDV-Kenntnisse und eine hohe Affinität zum Internet belegen. Für Web-Designer, Online-Redakteure und weitere dem Web nahe stehende Berufe von Programmierer bis IT-Berater ist die Homepage gleichbedeutend mit einer Arbeitsprobe. Bewerber aus anderen Branchen können sich auf diese Weise von ihren Mitbewerbern abgrenzen.

Folgende Regeln sollten beachtet werden:

Die Gestaltung der Homepage:
Die Seiten sollten professionellen Ansprüchen genügen – gut strukturiert, übersichtlich sein, ohne grelle Farben zu verwenden, aber für klare Schrifttypen, große Schriftgröße (mind. 11 P) und einen ausreichenden Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund zu sorgen. Weniger Begabte sollten auf vorgefertigte Vorlagen von Homepageeditoren zurückgreifen. Denn: lieber gut kopiert…

Auf die eigene Homepage hinweisen:
Machen Sie das Unternehmen auf Ihre Homepage aufmerksam. Denn nicht jeder Personalverantwortliche schaut von sich aus auf die Seiten.

Ihre Homepage schützen:
Schützen Sie Ihre Bewerbungshomepage mit einem Passwort. Sie vermeiden so unberechtigte Zugriffe auf Ihre persönlichen Daten. Dieses Passwort erhalten nur die Unternehmen, bei denen Sie sich bewerben.

Homepage auf einzelne Firmen abstimmen
Sie können Ihre Homepage inhaltlich auf die jeweiligen Unternehmen zuschneiden. Sie vergeben bei Ihrer Bewerbung verschiedene Passwörter, so dass sie Ihre Bewerbung gezielt einsetzen können.

Bilder:
Achten Sie auf eine professionelle Bildauswahl. Sie sollten keine privaten Bilder auf Ihrer Seite präsentieren.

Rechtschreibfehler:
Lassen Sie Ihre Bewerbung durch einen Dritten Korrektur lesen. Denn Fehler dürfen in einer Bewerbung nicht vorhanden sein.

 

Lesen Sie weitere Texte im karriereführer-Angebot zum Thema Bewerbung.

Zehn Regeln für die Online-Bewerbung

Es klingt einfach: Anschreiben auf dem PC verfassen, Attachements anfügen, den Button „Send E-Mail“ betätigen und schwupps: Weg ist die virtuelle Bewerbung, die über die persönliche Zukunft entscheiden kann. Doch um den größtmöglichen Effekt zu erzielen, sollten Sie zehn Regeln im Auge behalten.

Wer sich auf postalischem Wege bei einem Unternehmen bewirbt oder einfach nur weitere Informationen erhalten möchte, hält sich an anerkannte Standards, wie ein solcher Brief formuliert sein sollte: Nach festgelegten DIN-Normen beginnt der Brief nach einer korrekten Adressangabe mit Ort und Datum sowie einer Betreff- und/oder Bezugszeile. Der Text eröffnet mit „Sehr geehrte Frau Sowieso“, die direkte Anrede wird groß geschrieben, man hält sich an wohl formulierte Sätze und schließt „mit freundlichen Grüßen“. Der erste Eindruck beim potenziellen Arbeitgeber ist wichtig. Daher geben Sie sich Mühe, dass sich keine Rechtschreibungs- oder Zeichensetzungsfehler in das Geschriebene einschleichen.

Bei E-Mail-Korrespondenz sieht die Welt oft anders aus. Aus Effizienzgründen verzichten E-Mail-Schreiber häufig auf Floskeln, der Unterscheidung zwischen Groß-/Kleinschreibung und Interpunktion. Nicht selten beinhalten die Mails einen eigenen Sprachcode, der in Form von Emoticons wie :-( oder :-) oder kryptischen Abkürzungen („cu“ = see you = bis später) Anwendung findet. Ein kompletter Absender mit (echtem) Namen und Kontaktdaten fehlt häufig ganz.

Doch wie sollten E-Mails formatiert sein, die zur Kontaktaufnahme oder Bewerbung bei Unternehmen dienen? Kann oder sollte man sogar einen bewusst lockeren Ton bei jungen Start-Ups anschlagen? Kann ich beim E-Mail-Kontakt zu einer Unternehmensberatung Höflichkeitsfloskeln weglassen? Muss eine E-Mail an eine etablierte Traditionsbank denselben strengen Formatregeln entsprechen wie ein DIN-Brief?

Die Bewerbungsexperten der Karriere-Community squeaker.net haben bei Personalern in etablierten Unternehmen und jungen Internetunternehmen nachgefragt. Das Ergebnis ist der folgende Leitfaden zur Formulierung von wichtigen E-Mail-Anfragen und -Bewerbungen.

Auch wenn Sie sich noch nicht bewerben möchten: Die Höflichkeit und das Interesse an einem guten ersten Eindruck gebieten, dass Sie sich für jede Form der Kontaktaufnahme (Brief, Telefon, persönliches Gespräch oder E-Mail) Mühe geben. Eine E-Mail muss nicht den strengen DIN-Vorschriften eines Briefes folgen, dennoch sollten Sie auf folgende zehn Punkte unbedingt Rücksicht nehmen:

1. Empfänger
An wen geht der Brief eigentlich? Versuchen Sie, direkt an eine konkrete Perso, statt an eine Sammeladresse oder eine Gruppe von Personen zu schreiben. Reden Sie die Person dann auch direkt mit Namen an. Schicken Sie auf keinen Fall Massenmails ohne persönliche Anpassung an das Unternehmen. Diese werden garantiert nicht bearbeitet.

2. Format
Gewöhnlich können nicht alle Unternehmen formatierte E-Mails verarbeiten (also E-Mails, die von Programmen wie Outlook mit verschiedenen Schriftarten, Bildern, Fett-Schrift etc. versehen sind). Aus Sicherheitsgründen nutzen viele Unternehmen Nurtext-Ansichten statt HTML-Ansichten für ihre Mails. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte E-Mails also im Nurtext-Format, also ohne HTML-Elemente, verschicken.
Auf Schnörkeleien und Hintergrundbilder sollten Sie verzichten, es sei denn Sie würden für eine Briefbewerbung auch pinkfarbenes Briefpapier mit Rosen-Verzierung verwenden.

3. Attachments
Anhänge sollten Sie möglichst vermeiden, es sei denn Sie schicken verlangte Unterlagen wie den Lebenslauf mit. Attachments werden von einigen Firmen aus Sicherheitsgründen überhaupt nicht geöffnet. Daher empfiehlt sich der squeaker.net-OnlineCV, der kein Sicherheitsrisiko darstellt. Man kann ihn durch einen Link in der E-Mail (http://www.squeaker.net/cv/meinname) erwähnen.
Für alle angehängten Dateien gilt:

  • Auf die Dateigröße achten. Über 2 MB strapaziert die Geduld des Empfängers.
  • Vor dem Versenden die Anhänge auf Viren prüfen. In Word-Dokumenten Makros deaktivieren.
  • Gängige Formate verwenden: Microsoft .doc oder .docx ist gut, noch besser ist es, wenn Sie die gesamte Bewerbung mit Deckblatt, Lebenslauf und eingescannten Zeugnissen in einem Adobe PDF-Dokument zusammenfassen. Schicken Sie keine E-Mail mit fünf unsortierten Dokumenten mit nicht-beschreibenden Dokumentenamen.
  • Keine selbstausführenden .exe-Dateien, da diese häufig in den Firmen direkt rausgefiltert werden.

4. Absender-Adresse
Achten Sie darauf, dass Sie eine „angebrachte“ E-Mail-Adresse benutzen und Ihren echten Namen als Absender in Ihrem E-Mail-Client (wie z. B. Outlook, Mozilla Thunderbird etc.) oder bei Ihren Webmail-Einstellungen (wie bei Hotmail, GMX oder web.de) eingestellt haben. Absender wie drunkenbastard@hotmail.com strahlen nicht die notwendige Seriösität aus und können sogar als beleidigend empfunden werden. Nutzen Sie möglichst die Variante Vorname.Nachname@provider.de.

5. Betreffzeile
Anhand der Betreffzeile kann der Empfänger schnell selektieren, welche E-Mails wichtig für ihn sind. Hier gehört also ein kurzes Statement zum Anliegen der E-Mail hin. Außerdem können Sie versuchen, sich durch eine geschickt gewählte Betreffzeile von den anderen E-Mails im Posteingang abzuheben.

6. Anrede
Wenn es irgendwie möglich ist, sollten Sie den Namen der Kontaktperson herausfinden. Häufig können sie den Namen aus der E-Mail-Adresse ablesen (z. B. max.muster@firma.de). Kennen Sie den Namen Ihres Ansprechpartners, sollten Sie ihn auf jeden Fall in der Anrede verwenden („Sehr geehrter Herr Muster“). Konnten Sie keinen Namen herausfinden, empfiehlt sich dennoch eine höfliche Anrede („Sehr geehrte Damen und Herren“).

7. Anliegen
Bringen Sie das Anliegen der E-Mail schnell auf den Punkt. Hier können Sie etwas prägnanter als bei normalen Briefen vorgehen. Zu lange Texte liest man nicht gerne am Bildschirm. Bei zu ausschweifenden Formulierungen laufen Sie Gefahr, dass der Text nur grob überflogen wird. Bringen Sie die Sache auf den Punkt. Aber achten Sie auf jeden Fall auf die richtige Rechtschreibung (am besten nach neuen Rechtschreibregeln), Interpunktion, Groß-/Kleinschreibung und Wortwahl.

8. Verbleib
Beenden Sie die Mail mit einem Verbleib oder Dank wie „Ich werde mir erlauben, diesbezüglich in den nächsten Tagen auf Sie zuzukommen“ oder „In der Hoffnung auf eine gute Zusammenarbeit verbleibe ich mit freundlichen Grüßen“.

9. Kontaktdaten
Auf jeden Fall schließen Sie die Mail mit Ihrem vollen Namen sowie eventuell benötigter Kontaktadresse (wie Ihrer eigenen E-Mail-Adresse, Telefonnummer, ggf. mit Ländervorwahl, Adresse, Homepage).

10. Old Economy vs. New Economy
Natürlich ist der Umgangston in vielen jungen Unternehmen lockerer als in etablierten Konzernen. Eine zu formelle Kontaktaufnahme wirkt hier schnell lächerlich und überzogen. Dennoch sollten Sie daran denken, dass gerade in vielen der größeren Unternehmen der neuen Medien (mit mehr als 50 Mitarbeitern) die Personalverantwortlichen aus etablierten Unternehmen abgeworben wurden. Sie sind gewisse Höflichkeitsformen gewöhnt. Grundsätzlich gilt, dass Sie zunächst einen Tick höflicher sein sollten als Sie ursprünglich annehmen. Je nach Tonalität der Antwort können Sie Ihren Sprachgebrauch leicht anpassen, Sie sollten jedoch nie ins Umgangssprachliche abrutschen und unprofessionell werden. Bei etablierten Unternehmen gilt, dass der Sprachgebrauch in der E-Mail sich eher an Briefstandards richten sollte. Hier wird auf ein seriöses Auftreten, insbesondere vor Kunden, viel Wert gelegt.

Vor dem Abschicken sollten Sie noch einmal kurz über Ihre E-Mail lesen und überprüfen, ob Sie sich an alle Regeln gehalten haben. Das einfache elektronische Verschicken einer Mail verleitet leider immer wieder zur Unachtsamkeit.

Mit freundlicher Unterstützung der Bewerbungs-Experten von squeaker.net, der
Insider-Community für Deine Karriere (www.squeaker.net).

Interview mit Rainer Schulz

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„Rainer Schulz, guten Tag.“ Der Leiter der Bereiche Operations/Technik, Materialwirtschaft und Logistik geht direkt selbst ans Telefon. Professionell und offen beantwortet der Top-Manager von Rehau jede Frage, die Interviewer Peter Neumann ihm stellt. Selbst bei persönlichen Themen bleibt Rainer Schulz keine Antwort schuldig und steht zu dem, was er sagt.

Zur Person

Rainer Schulz ist seit einem guten Jahr Mitglied im Group Executive Board der Rehau Gruppe. Der Ingenieur der Produktionstechnik arbeitet seit Mai 2001 bei dem mittelständischen Unternehmen der Kunststoffindustrie. Das Familienunternehmen hat seinen Sitz im oberfränkischen Rehau. Nach verschiedenen leitenden Funktionen stieg Schulz im Januar 2001 in die Unternehmensspitze auf. Der 42-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Welche Hürden mussten Sie auf Ihrem Weg in die Führungsetage nehmen?
Statt Hürden würde ich es lieber als Herausforderungen bezeichnen. In meiner Karriere musste ich mich in unterschiedlichste Aufgaben einarbeiten. Dabei habe ich gelernt, dass es nicht einfach ist, sich mit Gebieten vertraut zu machen, die man nicht von der Pike auf gelernt hat. Daher ist es generell überaus wichtig, dass man sich als Mitglied des Top-Managements auf seine Mitarbeiter verlassen kann. Für mich bedeutete dies die größte Herausforderung: Personalführung – oder, wie man heute so gern sagt, Leadership-Management – zu lernen. Und mit meinen Mitarbeitern zusammen einen erfolgreichen Weg zu gehen.

Wie erlernt man so etwas?
Neben Rehau hat auch einer meiner früheren Arbeitgeber großen Wert auf dieses Thema gelegt, wir haben dort viele Trainings absolviert. Ich habe mich immer darum bemüht, einen Platz bei diesen Trainings zu bekommen, weil ich spürte, dass ich etwas für meine Entwicklung auf diesem Gebiet tun musste. Hinzu kamen das Training-on-the-Job und der Erfahrungsschatz, den man sich im Laufe der Zeit aufbauen konnte.

Welche wichtige Erfahrung haben Sie dabei gemacht?
Dass jeder Mitarbeiter eine individuelle Führung braucht – es gibt da keine Patentrezepte.

So etwas gehört ja nicht zur klassischen Ausbildung eines Ingenieurs. Wie viel von Ihrer Ausbildung können Sie heute überhaupt noch anwenden?
Das ist eine Frage, die mich sehr berührt. Obwohl ich heute als Chief Operating Officer der höchstgestellte Techniker im Unternehmen bin, muss ich mir eingestehen, dass ich viel weniger als Techniker agiere als direkt nach meinem Studium. Das heißt, man muss Entscheidungen treffen in Dingen, die man nicht so direkt durchblickt wie in seinem eigentlichen Fachgebiet.

Sie mussten sich also zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen?
Ja, vor allem betriebswirtschaftliche. Und Kompetenz in strategischen Fragestellungen. Dabei hat mir sehr geholfen, dass ich im Laufe meiner Karriere auch einmal im Einkauf gearbeitet habe. Damals konnte ich an viele Aufgaben einmal aus einer anderen Perspektive als der des Technikers herangehen.

Zu welchem Anteil seiner Tätigkeit ist Rainer Schulz denn nun noch Ingenieur?
Etwa zur Hälfte. Die andere Hälfte bin ich Kaufmann.

Welche Qualifikationen muss man mitbringen, um diesen Spagat zu schaffen und gleichzeitig eine Spitzenposition auszufüllen?
Es ist sicher eine Kombination aus verschiedenen Eigenschaften. Uns Ingenieuren wird ja nachgesagt, dass wir sehr strukturiert denken, Probleme systematisch lösen und dabei detailversessen sind. Wenn man diese Eigenschaften verbindet mit dem Talent eines Generalisten, erfüllt man ideale Voraussetzungen, um auch höhere Karrierestufen zu erreichen.

Das sind Fähigkeiten, die sich erlernen lassen. Was muss man aber „genetisch“ mitbringen, um an die Unternehmensspitze aufzusteigen?
Man muss führen können und wollen. Wem in der Sportmannschaft von seinen Mannschaftskameraden die Kapitänsbinde übertragen wurde, der hat im Zweifel auch Talent für eine Führungsposition im Berufsleben.

Und wie war das bei Ihnen?
Ich habe früher Handball gespielt, war auch Mannschaftsführer. Beim Handball muss man zum einen mannschaftsdienlich spielen, zum anderen kommt es auf die Leistung des Einzelnen an. Beides zu verbinden hat mir auf meinem Berufsweg sehr geholfen.

Wann haben Sie erstmals den Wunsch verspürt, eine Top-Position anzustreben?
Ich habe immer nur die nächste Stufe auf der Karriereleiter im Auge gehabt. Als Sachbearbeiter habe ich mit dem Posten des Gruppenleiters geliebäugelt. Als das geschafft war, strebte ich den Abteilungsleiterposten an. Ein Endziel im Top-Management habe ich nicht im Visier gehabt. Also immer step-by-step.

Sie haben Ihre Karriere also nicht durchgeplant?
Karriereberater werden jetzt sicher aufschreien. Aber meine Überzeugung ist: Man kann eine Karriere nicht planen. Es kommt für den Erfolg vielmehr darauf an, dass man jeweils die richtigen Entscheidungen trifft – also, wie gesagt, step-by-step. Dazu gehört auch der Mut, von einem angestammten Aufgabengebiet in ein komplett neues zu wechseln. In meiner Laufbahn habe ich sehr unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen, in der Arbeitsvorbereitung und als Produktionsleiter. Einkauf, Logistik, Forschung und Entwicklung waren weitere Stationen. Dieser breite Hintergrund hat mich immer weiter nach oben gebracht.

Wie dicht ist Ihr Terminkalender?
Er ist immer vier Wochen im Voraus verplant, lässt aber Raum für kurzfristige Themen. Und meine Tür ist immer offen für Anliegen von Mitarbeitern.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?
An meinem Arbeitsplatz in Deutschland geht es sehr häufig um Entscheidungen über neue technische Entwicklungen und um die Frage, ob wir in diese investieren sollen. Neben den großen Themen stehen aber auch viele kleine alltägliche Dinge an bis hin zu Personalentscheidungen.

Wie treffen Sie Entscheidungen?
Rehau ist ein mittelständisches Unternehmen. Ein prägendes Merkmal für diese Unternehmensform ist, dass wir versuchen, Entscheidungen kollegial und einvernehmlich zu treffen. Ist kein Konsens zu erzielen, muss einer den Ausschlag geben. Diese Verantwortung liegt dann oft bei mir. Der kollegiale Meinungsaustausch erstreckt sich übrigens auch auf die Eigentümerfamilie, die sich sehr für alle Belange des Unternehmens interessiert. Sie diskutiert ausgiebig mit uns – und hört auch zu. Das ist nicht überall üblich.

Wie ist Ihnen zumute, wenn Sie einsame Entscheidungen treffen müssen?
Konsens hat bei uns einen hohen Stellenwert. Einsame Entscheidungen versuchen wir zu vermeiden.

Sind Sie manchmal einsam?
Mit zunehmender Karriere wird man immer einsamer, das ist leider so.

Haben Sie einen „besten Freund“, den Sie Tag und Nacht jederzeit anrufen können, wenn Sie der Schuh drückt?
Einen solchen Freund hatte ich. Aber leider konnte ich die Freundschaft in letzter Zeit wegen meines beschränkten Zeitbudgets nicht mehr so pflegen, wie ich es gern getan hätte. Mein bester Freund ist jetzt meine Frau.

Wagen es Ihre Mitarbeiter, Sie zu kritisieren?
Das ist für mich sehr wichtig. Es gehört zu guter Personalführung, eine kritische Mannschaft aufzubauen. Wer nur Ja-Sager um sich hat, wird keinen Erfolg erzielen. Dennoch: Wahrscheinlich sind Mitarbeiter oft weniger zur Kritik an ihrem Vorgesetzten bereit, als man es selber wahrhaben möchte.

Was glauben Sie, wie Ihre Mitarbeiter Sie sehen?
Sie werden wahrscheinlich sagen: Er ist fair, trifft Entscheidungen, versucht zuzuhören, er fordert aber auch.

Sind Sie damit zufrieden?
Nun, das sind wichtige Eigenschaften. Ich wünschte mir, sie würden auch sagen: Er lebt das vor, was er von uns fordert.

Haben Sie im Unternehmen Freunde?
Freunde nicht. Aber ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Kollegen und ebenso zu den Mitarbeitern. Das ist typisch bei uns, aber nicht unbedingt typisch für deutsche Unternehmen – da habe ich schon andere Dinge erlebt.

Ist eine Karriere mit dem Endziel Top-Management eigentlich erstrebenswert?
Gute Frage. Jeder muss sich fragen, ob er wirklich aus seinem Innersten heraus einen solchen Weg anstrebt. Denn man muss Opfer bringen: Opfer an Freizeit, an Sicherheit, also nicht mehr der Fachmann für viele Themen zu sein. Wer Führungsaufgaben übernimmt, wird abhängig von Entscheidungen, die von seinen Mitarbeitern vorbereitet werden. Er kann immer weniger seine Entscheidungsgrundlagen selbst erarbeiten.

Welche Rolle haben Ihre Familie, Ihre Freunde bei der Karriereplanung gespielt?
Meine Familie hatte schon einen entscheidenden Einfluss. Denn ohne ihren Rückhalt und vor allem den meiner Frau wäre es nicht möglich gewesen, einen solchen Weg zu gehen. Man opfert ja auch sehr viel Freizeit für den Berufserfolg.

Wie viel Zeit verbringen Sie denn on the job?
Zwischen 50 und 60 Wochenstunden.

Und wo?
Vornehmlich in der Schweiz, wobei ich auch regelmäßig in Deutschland bin. Viel Zeit wende ich außerdem für Reisen zu unseren zahlreichen ausländischen Standorten auf.

Bleibt da überhaupt Zeit für die Familie?
Meine Kinder sind acht und zwölf Jahre alt. Und ich habe es fast immer geschafft, das Wochenende für die Familie zu reservieren. Wir wohnen in einem kleinen Dorf in der Schweiz, dort können wir wandern und segeln, im Winter Ski fahren.

Haben Sie auch ein Hobby?
Ja, die Astronomie.

Was geben Ihnen die Sterne für Ihren Beruf?
Sie sind ein schöner Gegensatz zu meiner beruflichen Tätigkeit. Die Beschäftigung mit fernen Galaxien zeigt mir immer wieder, wie winzig doch letztlich unsere alltäglichen Probleme auf der Erde sind.

Interview mit Dr. Andreas Schuessler

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Dr. Andreas Schuessler hatte eine Vision und hat sein Ziel mehr als erreicht: Er wurde zum erfolgreichen Unternehmer. Die Führungsrolle zu übernehmen, war für ihn ein selbstgestalteter Prozess, und er ist mit der Aufgabe gewachsen. Im Interview mit dem karriereführer sprach er über Erfolgsfaktoren, Prioritäten, Alternativen bei der Karriere und ermutigt Absolventen, auch nach vielen Absagen auf Bewerbungen nicht aufzugeben. Die Fragen stellte Meike Nachtwey.

Zur Person

Andreas Schuessler wurde in Burgstädt in der ehemaligen DDR geboren. Nach dem Abitur studierte er an der Bergakademie Freiberg „Entwicklung metallischer Werkstoffe“ und schloss das Studium 1981 als Diplom-Ingenieur ab. Anschließend arbeitete er als Entwicklungsingenieur bei der heutigen Firma Flender in Wittgensdorf, bevor er am 24. April 1984 in die Bundesrepublik übersiedelte.

Hier promovierte er am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart. Nach Abschluss der Promotion ging er 1987 für ein Jahr an das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und untersuchte dort das Permeationsverhalten von Polyimid für integrierte Schaltkreise. Nach einer dreimonatigen Tätigkeit als Unternehmensberater ging er bis zur Gründung der Admedes Schuessler GmbH als wissenschaftlicher Mitarbeiter in das Kernforschungszentrum Karlsruhe und entwickelte Verfahren zur Laser-Mikrobearbeitung von Nitinol- Werkstoffen. Heute lebt Andreas Schuessler mit seiner Familie in der Nähe von Karlsruhe.

Herr Dr. Schuessler, seit 16 Jahren entwickelt sich Ihr Unternehmen zu einem weltweit führenden Unternehmen in der OEM-Herstellung von Komponenten für Gefäßimplantate – wie gelingt eine solche Erfolgsgeschichte?
Ich hatte eine Vision, ein Ziel, auf das ich hingearbeitet habe. Zudem hat mir die Arbeit Spaß gemacht. Der zentrale Punkt für Erfolg ist jedoch auch, die richtigen Leute zu finden und für diese Vision zu begeistern. Wichtig ist, dass man am gleichen Strang zieht. So entwickelt sich eine Unternehmenskultur, die geprägt ist von hoher Verantwortung und sehr viel Freiheit für die Mitarbeiter, so dass diese im Rahmen ihrer Verantwortung ihre Aufgaben mit hoher Selbstständigkeit wahrnehmen können. Alles zusammen führt zum Erfolg.

Sie selbst waren vorher in der Forschung tätig – was haben Sie dort für Ihre heutige Position gelernt?
Man lernt, wie man entwickelt und forscht sowie wissenschaftliche Literatur und Patente liest. Man lernt auch, sich den Dingen systematisch zu nähern und nicht bloß Bestehendes auszufeilen. Und man lernt, den eigenen Horizont ständig zu erweitern. Ich war während meiner Zeit in der Forschung ein Jahr am MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Boston. Die internationale Prägung, die ich dadurch erfahren habe, ist sehr vorteilhaft für unser Geschäft. Über 90 Prozent unserer Kundschaft sind amerikanische Unternehmen. Es ist grundsätzlich gut, wenn man in frühen Jahren Kontakt zu anderen Kulturkreisen hat, so lernt man, sich darin zu bewegen. Und Englischkenntnisse sind heutzutage enorm wichtig. Bei uns müssen alle Englisch können, die im Kundenkontakt stehen: Projektleiter und Ingenieure.

Heute sind Sie erfolgreicher Unternehmer – wie gelang Ihnen die Umstellung auf eine Führungsrolle?
Die Führungsrolle zu übernehmen war ein Prozess, den ich selbst gestaltet habe. Die Umstellung erfolgte sukzessive, ich habe sie nicht als großen Schritt vollzogen. Die Verantwortung, und die Tatsache, dass man sich auch mit rechtlichen Dingen und Zahlen beschäftigen muss, war kein Problem, sondern eher eine Herausforderung, die ich gern angenommen habe. Ich bin mit der Aufgabe gewachsen.

Und bleibt Ihnen noch viel Freizeit in Ihrer jetzigen Position?
Eher nicht. Aber da mir die Arbeit Spaß macht, fällt das nicht ins Gewicht. Man muss eben Prioritäten setzen und sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren, und das war bei mir der Aufbau eines Unternehmens.

2007 gehörten Sie zu den Finalisten des von Ernst & Young ausgeschriebenen Wirtschaftspreises „Entrepreneur des Jahres“. Sehen Sie sich als Vorbild für junge Ingenieure und Hochschulabsolventen?
An der Hochschule zu bleiben ist nur spannend, wenn man Professor wird. Alles andere ist in meinen Augen nicht sehr reizvoll, da die Karriere an der Hochschule sehr schnell nach oben hin begrenzt ist. Ich selbst war einige Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter, und als ich mich mit Mitte 30 verändern wollte, schon fast zu alt für die Industrie. Also habe ich bewusst eine Alternative gesucht und die Möglichkeit ergriffen, meine Karriere noch zu gestalten. Gerade für Hochschulabsolventen ist es interessant zu sehen, dass es noch andere Möglichkeiten gibt als eine Karriere an der Hochschule oder in der Industrie. Insofern sehe ich mich als Vorbild, den Absolventen zu zeigen, dass es immer noch mindestens eine Alternative gibt, und die heißt, sich selbstständig zu machen.

Sie sagten zu Beginn, dass Sie eine Vision hatten, als Sie sich selbstständig gemacht haben – ist sie Realität geworden?
Die Realität hat die Vision weit übertroffen. Ich hatte die Vorstellung, die Forschung in der Praxis anzuwenden, eine erfüllte Arbeit zu haben und Geld zu verdienen, aber dass es sich tatsächlich so gut und weit entwickelt, habe ich mir damals nicht vorgestellt.

Sind Visionen wichtig, um Karriere zu machen?
Unbedingt. Man sollte sich nicht nur treiben lassen. Wenn man ausschließlich nimmt, was gerade kommt, wird man nur irgendwo angespült und tut Dinge ohne innere Energie. Eine Vision aber entspringt aus der inneren Energie, etwas erreichen zu wollen. Und diese Energie braucht man auf dem Weg nach oben. Natürlich gibt es auch Tage, an denen man nicht so viel Energie hat, müde ist, gegen viele Probleme angehen muss, aber dann hilft einem die innere Energie weiterzumachen. Menschen, die keine Energie haben, können meiner Meinung nach auch keine Vision haben.

Im Rahmen der Initiative „Mutige Unternehmer braucht das Land“ wurden Ihr Engagement, Ihr unternehmerischer Geist und Ihr Mut gewürdigt – wie viel Mut braucht ein Ingenieur heute im Arbeitsleben, um erfolgreich zu sein?
Ich brauchte nur Mut dazu, die feste Anstellung aufzugeben und als Unternehmer zu arbeiten. Da man als junger Mensch aber immer viele Möglichkeiten und Alternativen hat, Dinge auszuprobieren und gegebenenfalls etwas anderes zu tun, braucht man nicht viel Mut, um Karriere zu machen.

Welche Eigenschaften braucht man dann um erfolgreich zu sein?
Um unternehmerisch erfolgreich zu sein, braucht man in jedem Fall die Bereitschaft, sich auf seine Aufgabe zu fokussieren. Man muss seine Arbeit als ganz zentrale Aufgabe betrachten, die man auch gern erfüllt. Man kann nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen und privat noch viele Hobbys haben, das funktioniert nicht. Generell ist es wichtig, seine persönlichen Fähigkeiten und das, was man gern tut, unter einen Hut zu bekommen … das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Es gibt nur wenige Momente, in denen ich persönlich Erfolg empfinde. Zum Beispiel bei unseren zweimal jährlich stattfindenden Betriebsfeiern, die sehr gut besucht sind. Wenn ich dann die große Mannschaft sehe, und sehe, dass sie sich vergnügt und es allen gut geht, dann bin ich wirklich zufrieden mit dem, was ich erreicht habe.

Mussten Sie auch schon einmal Krisen durchstehen?
Es ist ganz normal, dass es in Unternehmen, die wachsen, Krisen gibt. Nämlich immer dann, wenn es notwendig ist, die Organisationsstruktur aufgrund des Unternehmenswachstums umzustellen. Ein kleines Unternehmen mit 15 Leuten kann nicht strukturell genauso aufgestellt sein wie ein größeres Unternehmen mit 200 oder 300 Angestellten.

Was muss ein Hochschulabsolvent oder junger Ingenieur mitbringen, um von Ihnen eingestellt zu werden?
Er sollte in jedem Fall fachlich gut und begeisterungsfähig sein. Wir fordern ein hohes Maß an Eigenmotivation und bevorzugen Leute, die Interesse an der eigenen Weiterentwicklung haben und diese auch selbst vorantreiben. Außerdem sollte ein Hochschulabsolvent in der Lage sein, eigenständig zu arbeiten und Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Darüber hinaus sind Teamfähigkeit wichtig und natürlich sehr gute Englischkenntnisse.

Und was tut Admedes, um als attraktiver Arbeitgeber zu gelten?
Als wachsendes Unternehmen bieten wir außergewöhnliche berufliche Perspektiven. Und neben sehr guten Sozialleistungen und Weiterbildungsangeboten haben wir eine gute Unternehmenskultur, das zeigt sich an der niedrigen Fluktuation der Mitarbeiter.

Haben Sie einen Tipp für unsere Leser?
Ich selbst habe nach meinen USA-Aufenthalt viele Bewerbungen geschrieben und zirka 50 Absagen bekommen. Ich habe aber nicht aufgegeben, sondern die Zeit mit anderen Jobs überbrückt, bis ich die Stelle am Forschungszentrum Karlsruhe bekommen habe. Das war zwar auch nicht die Wunschstelle, aber sie war das Sprungbrett für alles Weitere. Wenn ich daran zurückdenke, bin ich im Endeffekt dankbar für die Absagen. So konnte ich auf meine innere Stimme hören und den Weg gehen, den ich wirklich wollte. Meine Empfehlung ist es also, sich nicht von Absagen entmutigen zu lassen. Denn sie eröffnen andere Wege und Möglichkeiten.

Zum Unternehmen

Die Admedes Schuessler GmbH wurde 1996 von Dr. Andreas Schuessler gegründet und ist heute das weltweit führende Unternehmen in der OEM-Herstellung von hochpräzisen Gefäßimplantaten aus der Formgedächtnislegierung Nitinol. Neben Stents und Herzklappenhalterungen produziert das Unternehmen Verschluss- und Filter-Komponenten, orthopädische Implantate und Mikroinstrumentenbauteile aus superelastischen und Formgedächtnis-Legierungen sowie medizinischen Stählen, Co- Cr-Legierungen, Tantal und Titan-Legierungen.

Das Unternehmen produziert ausschließlich am Standort Pforzheim und beschäftigt dort knapp 400 Mitarbeiter, darunter Ingenieure, Techniker und Produktionshelfer. Auf die Mitarbeiter und deren Qualifikation wird besonderer Wert gelegt: So erschafft Admedes in diesem Jahr gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer ein Qualifikations-Zertifikat speziell für ungelernte Produktionshelfer.

Interview mit Matthias Schranner

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Einst verhandelte er als Polizeibeamter mit Drogendealern, Bankräubern und Geiselnehmern. Heute trainiert Matthias Schranner weltweit Führungskräfte namhafter Unternehmen und schreibt Bücher zum Thema Verhandeln. Im karriereführer spricht er über die richtige Vorbereitung von Verhandlungen, die häufigsten Fehler und die Faktoren Druck und Macht. Die Fragen stellte Christoph Berger.

Zur Person Matthias Schranner

Vor seiner heutigen Tätigkeit war Matthias Schranner vor allem in zwielichtigen und kriminellen Milieus unterwegs. Allerdings stand er immer auf der Seite der und des Guten. In den Verhandlungen ging es zum Beispiel um die Befreiung von Geiseln oder um wichtige Informationen aus der Drogenszene – manches Mal sogar um Leben und Tod. Nach seinem Studium zum Verwaltungsjuristen trainierte er Führungskräfte am Fortbildungsinstitut des Innenministeriums für eine erfolgreiche Verhandlungsführung. In einer Spezialeinsatzgruppe war er für die schwierigsten Verhandlungen sowie für die Betreuung von Verbrechensopfern verantwortlich.
Heute trainiert Schranner die Führungskräfte namhafter Unternehmen wie BMW, Nokia, Microsoft, SAP und das Wirtschaftsförderungsinstitut Italien. Er ist Autor der Bücher „Verhandeln im Grenzbereich“ und „Der Verhandlungsführer“ und Verfasser zahlreicher Publikationen.
Matthias Schranner ist Gründer und Inhaber des Schranner Negotiation Institutes in St. Gallen/Schweiz, Referent an der Universität St. Gallen und Beirat am „Center for Strategic Negotiations“ der WHU Vallendar/Koblenz.

Wie müsste ich vorgehen, wenn ich Sie von etwas überzeugen wollte?
Sie haben keine Chance. Wenn ich es nicht möchte, können Sie mir keinen Grund liefern, mich von etwas zu überzeugen.

Ist verhandeln gleichzusetzen mit verkaufen?
Nein, es handelt sich hierbei um zwei unterschiedliche Dinge. Verkaufen hat nur eine Zielrichtung: Es wird etwas entwickelt und positioniert. Dann versucht man, es zu verkaufen. Verhandeln hingegen ist ein Prozess. In dem heißt es, eine Strategie zu entwickeln.

Wie bereiten Sie sich auf Verhandlungen vor?
Ich setze mir ein ganz klares Ziel, auch ein Minimalziel, das ich erreichen möchte. Außerdem sammle ich alle Informationen, die ich nur erhalten kann. Anhand dieser Punkte entwickle ich dann eine Strategie, die ich in der eigentlichen Verhandlung dann niemals verlasse.

Auf was kommt es in erfolgreichen Verhandlungen an?
Es kommt auf die klare Zielsetzung an. Das Motto heißt: Strategie statt Intuition. Außerdem überlege ich mir taktische Schritte innerhalb meiner Strategie. Es geht in Verhandlungen auch darum, immer agieren zu können und nicht reagieren zu müssen. Man darf das Heft niemals aus der Hand legen, sondern muss immer Herr der Lage sein, selbst bestimmen können und sich niemals der Strategie des Gegenübers hingeben.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Fehler in Verhandlungs- und Verkaufsgesprächen?
Ein häufiger Fehler ist, dass eine Seite nur reagiert und nicht agiert. Dazu zählt auch, dass sowohl zu starkes Zurückweichen als auch zu starkes Angreifen falsch ist – insofern sie nicht als taktisches Element im Vorfeld der Verhandlung geplant sind. Doch dies ist leider selten der Fall. Weitere Fehler sind, dass der Verkäufer das Thema nur auf eine Nutzenargumentation aufbaut, ohne die Bedürfnisse des Gegenübers im Blick zu haben. Die falsche Aufstellung des Teams, das für die Durchführung der Verhandlung verantwortlich ist, ist ein weiterer Fehler. Das Anbieten eines Kompromisses ist übrigens immer falsch.

Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Bewerbungsgespräch? Wie sollte man reagieren, wenn man in einer Verhandlung unter Druck gerät?
Tun sie nichts dagegen. Sobald sie auf den Druck des Gegenübers reagieren, geraten sie in die schwächere Position, sie reagieren und nehmen die Strategie des Gegenübers an. Fahren sie weiter ihre eigene Strategie.

Sind Sie schon einmal mit negativen Gefühlen aus Verhandlungen gegangen?
Ja.

Woran lag das?
Ich merkte, dass ich mein Ziel nicht erreichen kann, weil mir eine wichtige Information gefehlt hat.

Sie schreiben in einem Artikel über so genannte Win-Win-Situationen und vergleichen dies mit der Situation „Suicide by Cop“. In einem solchen Fall lässt sich ein Bankräuber von der Polizei erschießen, weil er keinen Ausweg mehr sieht. Warum ist es so wichtig, dass beide Seiten von dem Ergebnis etwas haben?
Am Ende einer Verhandlung gibt es immer einen Sieger und einen Verlierer. Eine wirklich ausgeglichene Win-Win- Situation wäre schön, ist aber Sozialromantik. Es gibt aber eine gefühlte Win- Win-Situation, die gilt es zu erreichen.

Sie plädieren dafür, dem Gegenüber viele Alternativen bereitzustellen und sich bei der Wortwahl durch die Verwendung von Konjunktiven nicht genau festzulegen. Ist das der richtige Weg, ans gewünschte Ziel zu kommen?
Alternativen sind sehr wichtig, gerade zu Beginn von Verhandlungen. Konkret dürfen die Dinge erst festgesetzt werden, wenn wirklich alle Informationen auf dem Tisch liegen.

Gibt es in Verhandlungen überhaupt die Möglichkeit, sein Ziel hundertprozentig zu erreichen?
Erreiche ich mein Ziel zu hundert Prozent, dann heißt das, dass ich es zu niedrig angesetzt habe.

Schranner Seminare

Der Lehrgang „Certified Global Negotiator (CGN-HSG)“ wird von der Uni St.Gallen zusammen mit dem Schranner Negotiation Institute durchgeführt.

Verhandeln hat auch immer mit Macht zu tun. Welche Dinge gibt es in diesem Zusammenhang zu beachten?
Man kann erstens seine Macht überschätzen, dann gerät man leicht in die Situation, unvorsichtig zu werden. Außerdem weiß man nicht, welche Informationen der Verhandlungspartner hat. Und im Gegensatz dazu, kann man seine Macht unterschätzen. Dabei bekommt man schnell das Gefühl, nachgeben zu müssen.

Der Vertriebsmitarbeiter steht oft zwischen zwei Stühlen. Zum einen will er zu möglichst guten Konditionen verkaufen, zum anderen muss er womöglich dem Kunden weit entgegenkommen. Wie kann er dieses Dilemma lösen?
Man muss sich von der Vorstellung befreien, dass der Kunde König ist. So kommt man zu nichts. Der Kunde ist Partner, so lautet die Prämisse. Beide Seiten verhandeln auf Augenhöhe und müssen am Ende mit der Übereinkunft und dem Ergebnis zufrieden sein. Außerdem sollte es niemals das Ziel sein, den Kunden um jeden Preis zu halten.

Was raten Sie Absolventen, die sich fit für eine Vertriebsstelle machen wollen?
Ich rate ihnen, so viel wie möglich zu lernen, vor allem von den erfahrenen Mitarbeitern. Sie sollten auf viele Verkaufsverhandlungen mitgehen, Fragen stellen und vor allem beobachten, wie geschicktes Verhandeln genau funktioniert.

Sie verhandelten als Polizeibeamter mit Drogendealern, Bankräubern und Geiselnehmern. Was konnten Sie aus dieser Arbeit für Ihre heutige Tätigkeit als Berater und Verhandlungsführer mitnehmen?
Vor allem konnte ich den Umgang mit Stress in Verhandlungen lernen. Ich habe gelernt, nicht mit Druck auf Druck zu reagieren, sondern mit Besonnenheit und Überlegungen eine Überlegenheit zu erzielen.

Zum Unternehmen

Das von Matthias Schranner gegründete Schranner Negotiation Institute in St. Gallen ist auf Verhandlungen in Extremsituation und Schulungen spezialisiert. Analysiert werden etwa die Ziele von Unternehmen. Daraufhin erhalten Führungskräfte Schulungen, um erfolgreich auf diese Ziele hinzuarbeiten. Angeboten wird auch Ghost Negotiation, die Unterstützung von Verhandlungen im Hintergrund, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Nach einer Untersuchung der Kundenstrategie wird auch die des Gegners genau unter die Lupe genommen. Aus allen Informationen werden daraufhin die notwendigen Schritte für den Kunden abgeleitet, um erfolgreich aus der Verhandlung hinauszugehen.

Mit all diesen Kompetenzen im Angebot gliedert sich das Institut in vier Geschäftsbereiche: Public Training, Corporate Training, Ghost Negotiation, Negotiation Research. In allen Seminaren und Konferenzen steht immer die Strategie und Taktik während Verhandlungen im Mittelpunkt – von den unterschiedlichsten Perspektiven aus betrachtet und mit immer wieder neuen Schwerpunkten. Im Mai wird es bei der Veranstaltung „N-Forum, Verhandeln der Zukunft – Sales“ um das Verhandeln im Verkauf gehen.

Interview mit Just Schürmann

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Was er in seiner Kindheit begonnen hat, führt Just Schürmann bis heute fort:Reisen in die verschiedensten Länder gehören zu seinem Arbeitsalltag als Strategieberater. Als „Nebenjob“ sucht er die besten Köpfe für einen Einstieg bei der Boston Consulting Group – und schafft es bei all der Arbeit, noch genügend Zeit für seine Familie zu haben. Mit Sabine Olschner sprach er über Beraterstress, Heimatgefühle und den Wert von Musicals.

Zur Person

Just Schürmann wurde 1968 in Teheran geboren und wuchs in Kabul und San Francisco auf. Er studierte BWL und VWL an der Universität Passau und der London School of Economics. Zuvor hatte er bei der Siemens AG eine Lehre zum Industriekaufmann absolviert. Seit Mitte 1996 ist Just Schürmann Berater im Münchner Büro der Boston Consulting Group, 1998 verbrachte er 18 Monate im BCG-Büro in Madrid. Seine Kunden kommen vor allem aus der Konsumgüterindustrie und dem Handel. Anfang 2005 wurde er Geschäftsführer und Partner von BCG und übernahm die Verantwortung für die Nachwuchssuche von BCG in Deutschland. Just Schürmann ist verheiratet und hat eine Tochter. In seiner Freizeit ist der begeisterte Mountainbiker, der auch eine Alpenüberquerung nicht scheut, gern in den Münchner Hausbergen unterwegs.

Sie sind als Kind viel herumgekommen: Teheran, Kabul, San Francisco, München …Wo fühlen Sie sich heimisch?
In Deutschland und hier speziell in München. Über die eigene Familie bekommt man ein gewisses Kulturgut mit, egal wo man lebt. Dabei spielt sicherlich die Sprache eine wichtige Rolle: Zu Hause habe ich mit meinen Eltern Deutsch gesprochen, in der Schule oder mit Freunden Englisch. Die Familie prägt die persönliche Identität und auch das Heimatgefühl.

Haben Sie das Reisen in Ihrer Kindheit und Jugend als positiv empfunden?
Rückblickend bin ich sehr dankbar, dass ich in verschiedenen Ländern aufwachsen konnte.Man gewinnt eine gewisse Flexibilität und Sicherheit im Umgang mit anderen Kulturen. In Amerika aufgewachsen zu sein, hat mir sehr viel gebracht, auch für meinen Beruf: Zum einen natürlich die englische Sprache, zum anderen aber auch die Erfahrung mit der vielfältigen amerikanischen Kultur. Die verschiedenen Nationalitäten und ethnischen Gruppierungen, die dort auf einem Fleck zusammenkommen, öffnen den eigenen Horizont. Man begegnet dem Neuen grundsätzlich erst einmal offen und neugierig.

Welches Land würden Sie einem Studenten für einen Auslandsaufenthalt empfehlen?
Der Auslandsaufenthalt an sich hat schon einen hohen Wert, unabhängig von dem Land, in das man geht. Es zählt viel mehr, dass man dort mit einer anderen Kultur konfrontiert wird. Sich in Polen, Portugal oder Korea zurechtzufinden, ist sicherlich eine größere Herausforderung, als in England, der Schweiz oder den USA zu leben.

Stimmt es, dass Consultant ein stressiger Beruf ist?
Für mich ist es ein herausfordernder Beruf. Man wird laufend mit neuen Themen und Unternehmen konfrontiert, betreut mehrere Projekte gleichzeitig und reist viel. Ich brauche diese Abwechslung und würde tägliche Routine eher als belastend empfinden. Consulting ist auf andere Art stressig als vergleichbare Jobs, in dem man jede Minute unter Hochspannung steht und ständig in kürzester Zeit die richtige Entscheidung treffen muss.

Wie schaffen Sie es, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen?
Ich setze sehr genau Grenzen und trenne Beruf und Privatleben.Wochenenden sind für mich heilig. Dafür muss ich halt in der Woche intensiver arbeiten. Und ich habe immer wieder längere Auszeiten genommen, zum Beispiel drei Monate lang nach der Geburt meiner Tochter.Wenn ich unterwegs oder beim Kunden bin, halte ich per Telefon engen Kontakt zu meiner Familie. Und ich bemühe mich, trotz wenig Freizeit meinen Freundeskreis zu pflegen. Dies alles hilft mir, die Bodenhaftung bei meiner Arbeit zu behalten.

Sie haben Top-Absolventen in einer Studie befragt,worauf es ihnen bei einem potenziellen Arbeitgeber ankommt. Die wichtigsten Ergebnisse?
Die Absolventen wollen einen Arbeitgeber, bei dem sie sich persönlich weiterentwickeln können, intellektuell arbeiten und gleichzeitig selbst etwas bewegen können. Bei der Frage nach der Work-Life-Balance geht es den Absolventen gar nicht so sehr darum, Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen: Sie sind durchaus bereit, sich stark zu engagieren, erwarten aber im Gegenzug auch Freiräume. Sie wollen Job, Familie, Freunde und vor allem Perspektiven. Je mehr Entwicklungsmöglichkeiten sie geboten bekommen, umso mehr sind sie bereit, viel Zeit in ihre Arbeit zu investieren, weil sie auch für sich persönlich viel dazulernen können.

Können Consultingunternehmen den Absolventen bieten,was sie erwarten?
Die Strategieberatung bietet anspruchsvolle Aufgaben und abwechslungsreiche Tätigkeiten mit den großen Themen in Unternehmen. IT- und Prozessberatung sind stärker standardisiert und bieten damit eher ein berechenbares Umfeld, in dem man seine Fähigkeiten entfalten kann. Generell sind Beratungen aufgrund der Projektarbeit sicherlich im Vorteil gegenüber Industrieunternehmen, wenn es um persönliche Freiräume geht.Wir ermöglichen auf jeder Karrierestufe eine Auszeit,während eine Führungsstelle in einem Industrieunternehmen nicht einfach drei Monate verwaist sein kann.

Sie sind Berater und Personalchef – welcher Job gefällt Ihnen besser?
Wenn ich mich für eines entscheiden müsste,wäre es die Beratung,weil mir die intensive Zusammenarbeit mit meinen Kunden viel Spaß macht. Im Grunde gefällt mir aber die Kombination aus beidem: Ich bin für eine Abteilung und alle dazugehörigen Aufgaben verantwortlich. Dadurch kann ich die Probleme meiner Kunden, die ebenfalls eine solche Führungsverantwortung tragen, besser verstehen.

Vor Ihrem Berufseinstieg haben Sie ein Musical geschrieben.Wie kam es dazu?
Ich hatte schon in der Schule ein großes Faible für Theater und bin auch selbst aufgetreten.Während meines Studiums habe ich mit meinem Mitbewohner, einem Musiker und Komponisten, und einem weiteren Kommilitonen ein Musicalunternehmen gegründet. Ich habe die Texte geschrieben, und gemeinsam haben wir das Stück produziert, aufgeführt und auf CD aufgenommen.

Was hat Ihnen dieses Projekt beruflich gebracht?
Ein eigenes Unternehmen zu gründen und so viele Leute als Mitwirkende und Zuschauer zu begeistern,war für mich eine wichtige Erfahrung. Mehr als hundert Personen waren über zwei Jahre lang an dem Projekt beteiligt.Wenn man Spaß an einer Sache und eine Vision vor Augen hat, kann man unglaublich viel erreichen. Diese Erfahrung hat mir für meine Beratertätigkeit und auch für meine Führungsrolle sehr viel gebracht.

Sollten alle angehenden Berater einmal im Leben ein Musical geschrieben haben?
Im übertragenen Sinne ja: Jeder sollte neben Studium oder Job etwas machen, für das er sich begeistert und das seinen Horizont erweitert. Genau das sind die Kandidaten, nach denen wir suchen. Bewerber, die nur perfekte Noten haben und im Ausland gewesen sind, aber deren Lebenslauf sonst weder Passion noch Persönlichkeit erkennen lässt, sind weniger interessant für uns.Wofür das Herz konkret schlägt, ist uns egal. Bei mir war das die Oper, bei anderen ist es soziales Engagement, Sport oder etwas ganz anderes.

Interview mit Stephan Scholtissek

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Kreativität allein reicht nicht aus, um den Standort Deutschland voranzubringen, meint Stephan Scholtissek, Sprecher der Geschäftsführung von Accenture Deutschland. Das 2004 von der Bundesregierung ausgerufene „Jahr der Innovation“ war ihm ein Gräuel, weil Innovation für ihn Erfindung plus Markterfolg bedeutet – und das dauert bekanntlich deutlich länger als nur ein Jahr. Scholtissek fordert Umsetzungskreativität.

Zur Person

Stephan Scholtissek, Jahrgang 1959, ist promovierter Biochemiker. Er begann seine Karriere beim Medizintechnologieunternehmen Dräger und entschied sich anschließend für den Wechsel in die Unternehmensberatung. Nach AT Kearney und Bain & Company ging er 1997 zu Accenture, wo er seit drei Jahren Sprecher der Geschäftsführung ist. Privat lebt Scholtissek mit seiner Familie in München. Sein Hauptthema: Innovationen in Deutschland.

Wie definieren Sie Kreativität?
Kreativität wird im Allgemeinen fast immer gleichgesetzt mit der Schaffung von Neuem, beispielsweise der Erfindung eines neuen Produktes. Meiner Meinung nach ist diese Definition zu einseitig, denn sie beschreibt nur den Erfindungsprozess. Doch es ist genauso wichtig, kreative Lösungen für den darauf folgenden Umsetzungsprozess zu finden, Antworten auf Fragen wie: „Wo finde ich meinen Markt?“, „In welchem Land führe ich mein Produkt ein?“, „Was unterscheidet meines von den Konkurrenzprodukten?“ oder „Wie viel Geld habe ich zur Verfügung?“. Dies erfordert kreative Herangehensweisen insbesondere in Bezug auf Marketing und Vertrieb. Dabei geht es darum, Probleme zu lösen, und diese Lösungen kreativ in die Realität umzusetzen. Diese Art der Kreativität wird aber oft nicht gesehen, und genau das ist Deutschlands Problem. Wir müssen weg von einem einseitigen Kreativitätsbegriff.

Inwiefern kann es Deutschland helfen, den Kreativitätsbegriff zu erweitern?
Aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet gibt es nur drei Dinge, die wichtig sind: Rohstoffe, Bildung und Innovationen. Da wir in Deutschland keine Rohstoffe haben, bleiben für uns folglich nur zwei Bereiche übrig: Bildung und Innovationen. Frau Merkel hat recht, wenn sie sagt: Kreativität ist die Grundvoraussetzung für Innovationen – aber diese Art der Kreativität ist nicht Deutschlands Problem. Deutschland ist das Land der Ideen. Hier werden jedes Jahr Tausende Patente angemeldet, Konzepte entwickelt, Ideen vorgestellt – daran mangelt es uns nicht. Die Ideen für Produkte wie Computer, Telefaxe, Videos oder MP3-Player stammen aus Deutschland – vermarktet wurden sie jedoch woanders. Uns fehlt zunehmend die Fähigkeit, Ideen in die Realität umzusetzen. Das ist knochenharte Arbeit, die Kreativität, soziale Kompetenz und Unternehmertum erfordert. Wären alle diese Erfindungen dann auch in Deutschland produziert worden, hätten wir so viel Arbeit, dass wir sie mit eigenen Mitarbeitern gar nicht hätten abarbeiten könnten.

Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit Ideen nicht nur entwickelt, sondern auch in Deutschland umgesetzt werden?
Das Problem lautet: „Wie bekomme ich Produkte in den Markt?“ Eine Standard- oder gar Ideallösung hierfür gibt es nicht. Um aber die jeweils beste Lösung zu finden, müssen Wirtschaft und Politik endlich umdenken. Die Unternehmen müssen dem Thema Innovationen grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit schenken. Es darf hier nicht immer nur um Kostenreduktion gehen, stattdessen sollten die Unternehmen ihre Prozesse und Produkte innovieren und dort entsprechend investieren, um den Umsatz zu steigern. Dabei braucht die Wirtschaft Unterstützung von der Politik. Diese muss die Rahmenbedingungen schaffen, so dass nicht nur Erfindungen gefördert werden, sondern vor allem der Schritt danach. So sollte zum Beispiel bereits die universitäre Ausbildung praxis- und produktorientierter sowie näher an der Wirtschaft ausgerichtet sein. Darüber hinaus sollte die Politik Unternehmensgründungen erleichtern, denn am Ende zählt ausschließlich der Markterfolg, nicht die Idee.

Werden Absolventen und Young Professionals in ihrem Studium darauf vorbereitet, kreative Lösungen zu entwickeln?
Nein, in der Regel lernen sie es dort nicht. Die technische und betriebswirtschaftliche Ausbildung in Deutschland ist sehr gut, aber sobald es darum geht, Lösungen unter begrenzenden Bedingungen umzusetzen, wird es schwierig. In der Regel fehlt es darüber hinaus an sozialer Kompetenz und unternehmerischem Denken. Also, in Summe fehlt die Basis, um wirtschaftlich kreative Lösungen zu entwickeln, sowie das Wissen um die Notwendigkeit dieser Themen. Und da mangelt es dann eben auch an der Fähigkeit, Umsetzungsprobleme kreativ zu lösen.

Was können Young Professionals tun, um „umsetzungskreativer“ zu werden?
Sie sollten schon während des Studiums Praktika absolvieren, um sich mehr mit der Realität in der Wirtschaft zu beschäftigen. Dabei sollten sie gezielt dort hingehen, wo es brennt. In ein Projekt, das tatsächlich umgesetzt wird, um zu lernen, wie Unternehmen in der Praxis agieren. Gleichzeitig lernen sie am eigenen Leib die Gesetze von Marketing und Vertrieb kennen, wenn sie sich mit den Fragen „Wie muss ich mich vermarkten? Was mache ich? Wie bekomme ich das verkauft? Was kriege ich dafür? Lohnt sich mein Einsatz?“ beschäftigen müssen.

Können die Hochschulen ihre Studenten dabei unterstützen?
Der Bologna-Prozess ist hier äußerst hilfreich. Die Schaffung eines zweistufigen Systems von Studienabschlüssen, um auf der einen Seite den Hochschulnachwuchs zu fördern und auf der anderen Seite praxisorientiert auszubilden, wie es beim Bachelor der Fall ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es sollte zur Regel werden, dass zwischen Bachelor und Master eine Praxisphase liegt. Arbeit und Ausbildung müssen parallelisiert oder zumindest hintereinander geschaltet werden, um umsetzungsstarke Mitarbeiter heranzuziehen.

Sind das die Top-Manager von morgen?
Zunächst einmal: Den Top-Manager der Zukunft gibt es nicht. Es zeichnen sich zwei Modelle ab: Einerseits die rationalen Unternehmensführer, die analytische und synthetische Fähigkeiten vereinen. Andererseits ein Führungs-Tandem bestehend aus einem Vorstandsvorsitzenden, der in der Lage ist, die Unternehmensstrategie nach außen und nach innen zu kommunizieren, und einem Finanzvorstand, der diese Kompetenzen entsprechend ergänzt. Wenn sie zusammenarbeiten, sind sie immer besser als einer allein. Auf der zweiten Managementebene brauchen wir Manager, die sowohl Ideen entwickeln als auch umsetzen können. Sie müssen in der Lage sein, stabile Prozesse zu betreiben und neue Produkte auf dem Markt einzuführen. Als Projektleiter und -lenker müssen sie inhaltlich stark und sozial kompetent sein, sie sollten das Programmmanagement verstehen und unternehmerisch denken, gleichzeitig dürfen sie nur wenig hierarchisch orientiert sein. Das sind die Führungskräfte von morgen, aus denen sich Top-Manager entwickeln.

Was können Young Professionals auf jeden Fall tun, um gute Führungskräfte zu werden?
In ihren ersten drei Karrierejahren sollten Young Professionals auf jeden Fall im nächsten schwierigen Projekt mitarbeiten, wenn irgend möglich sogar die Leitung übernehmen. Nur so können sie lernen, Ideen in die Realität umzusetzen. Dann sollten sie Führungsverantwortung für Mitarbeiter übernehmen. Darüber hinaus halte ich es für ganz wichtig, dass Manager sozial kompetent sind. Dazu sollten sie sich aus dem Alltagsgeschäft herausnehmen und ein Corporate Social Responsibility Projekt, beispielsweise in der Stiftung ihres Unternehmens, übernehmen. Danach, etwas später in der Karriere, ist es wichtig, Finanzverantwortung zu übernehmen, indem man ein festgelegtes Budget managt. Und schließlich sollte ein guter Manager den Kundenkontakt im Marketing oder im Vertrieb selbst kennen gelernt und gelebt haben.

Gibt es Arbeitsformen, die sowohl die Ideenfindung als auch das Finden einer Lösung zur kreativen Umsetzung fördern?
Ja, interdisziplinäre, weitgehend hierarchiefreie Projektarbeit, übergreifend über alle Funktionen. Alle Beteiligten erarbeiten gemeinsam Ideen und Lösungen. Unterstützen kann man dies mit einem entsprechenden Rahmen: keine festgelegten Büros, sondern unterschiedliche Räume, die nach Bedarf und Anlass genutzt werden können. So kann sich Kreativität frei entfalten.

Wie kamen Sie auf die Idee, einen Roman zu schreiben?
Accenture bemüht sich sehr um Innovationen im Land. Das Problem ist aber, dass Innovationen immer mit Erfindungen gleichgesetzt werden. Erfindungen alleine reichen jedoch nicht, wir müssen sie auch in den deutschen Markt bringen. Unser Bemühen ist es, dieses Verständnis für Innovationen zu stärken. Denn nicht nur Produkte, sondern auch Prozesse können innoviert werden: Prozessinnovationen ändern zwar wenig am Produkt, aber sie ermöglichen es, Produkte zu anderen Kosten herzustellen. Wir von Accenture haben zu dieser Problemstellung Sach- und Fachbücher geschrieben, die von vielen interessierten Wirtschaftsleuten gelesen werden, aber eine Breitenwirkung haben sie leider nicht. Der Durchschnittsleser beschäftigt sich nicht mit dem Thema Innovationen. Daraus wurde die Idee geboren, ein anderes Medium zu wählen, um diese Leute mit einer anderen Form von Text zu erreichen. Auf die Frage: „Wie kann ein durch Innovationen positiv weiterentwickeltes Deutschland aussehen?“ habe ich mit „Stromland“ eine mögliche Antwort gesucht und aufgeschrieben.

Worum geht es genau in Ihrem Roman „Stromland“?
Es gibt zwei Ebenen: Zum einen gibt es die Geschichte, die erzählt wird, zum anderen den Inhalt, der meine Vision transportiert. Die Geschichte ist schnell erzählt: Drei Studienkollegen sind unzufrieden mit dem Deutschland um das Jahr 2005 herum, jeder der drei reagiert darauf unterschiedlich: Sven Laufer, die Hauptfigur, wandert aus, der eine Kollege geht in die Politik, sein dritter Kollege macht sich selbständig. Alle versuchten in ihren neuen Positionen, den Standort Deutschland voranzubringen. Die dahinter liegende Vision ist eindeutig: Wir haben in Deutschland die Ideen, wir müssen sie „nur“ realisieren. Dieser Wirtschaftsroman zeigt, wie es in Deutschland in 15 Jahren aussehen kann, wenn wir endlich wieder anfangen, Ideen in die Tat umzusetzen.

Was können junge Führungskräfte von „Stromland“ lernen?
Das Buch an sich ist ja keine Handlungsanweisung, sondern es will eine Vision zeichnen. Lernen kann man daraus, dass man sich mit etwas, mit dem man unzufrieden ist, nicht abfinden sollte, sondern man sollte überlegen, wo für einen selbst der Weg ist, die Dinge zu ändern. Man kann lernen, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt und dass jeder für sich entscheiden muss, welcher Weg der richtige ist. Denn sobald man aufhört, selbst zu agieren, wird man vom System getrieben. Das wiederum führt dazu, dass man sich nicht weiterentwickelt, sondern stagniert. Wir in Deutschland dürfen die Innovationsseite einfach nicht unterschätzen. Wir haben keine Rohstoffe, also müssen wir uns darum kümmern, unsere guten Ideen umzusetzen und damit mehr Arbeit zu schaffen. Jeder kann mithelfen, Arbeit in Deutschland zu schaffen. Die Alternative ist, sich woanders Arbeit zu suchen.

Ist Auswandern also die Lösung?
Es ist nicht die Lösung. Die aktuelle Auswanderungswelle, vor allem von Akademikern, ist die logische Konsequenz, wenn der Standort, also Unternehmen und Staat zusammen, nicht genügend Arbeit bereitstellen kann. Der Staat muss die Rahmenbedingungen setzen, um Ideen und Innovationen umsetzen zu können und damit Arbeit zu schaffen. Die Unternehmen müssen die Innovationen in Markterfolge umsetzen. Wenn wir das nicht hinbekommen, dann gehen noch mehr weg.

Würden Sie also John F. Kennedys Ausspruch „Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst“ in Bezug auf Deutschland umkehren?
Nein, das ist mir zu einseitig. Es sollte weder so sein, dass jeder sich nur um sich selbst kümmert, noch dass der Staat sich weiterhin um alles kümmern will, wie er es in Deutschland die vergangenen 60 Jahre getan hat. Die Balance muss wieder gefunden werden: Der Staat muss sich seinen hoheitlichen Aufgaben widmen und Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Unternehmen und Menschen Innovationen voranbringen können. Im Gegenzug dazu sind Unternehmen und Individuen für ihre Bildung und ihre Fähigkeit, Lösungen kreativ umzusetzen, selbst verantwortlich. Es ist wie ein Dreiklang, der wiederhergestellt werden muss: Der Staat schafft die Rahmenbedingungen, die Unternehmen setzen Innovationen um, und das Individuum muss entsprechend ausgebildet und leistungswillig sein, um den Standort Deutschland nach vorne zu bringen.

Interview mit Stephan Schilling

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Der Disziplinierte

„Wer heute Wirtschaftsprüfer werden will, muss viel Motivation und Disziplin mitbringen, sagt Stephan Schilling. Schließlich fangen Universitätsabsolventen in dieser Branche wieder ganz unten an: Sie müssen unter der Woche und an den Wochenenden viel lernen, denn die Prüfungen zum Steuerberater und dann zum Wirtschaftsprüfer haben es in sich. Bettina Blaß sprach mit ihm über den Einstieg von Absolventen in die Wirtschaftsbranche.

Zur Person

Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten in Marburg, Aachen und Mannheim begann Stephan Schilling seine Karriere 1987 als Assistent bei Touche Ross & Co, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf. Ab 1989 arbeitete er dann als Prüfungsleiter und Manager bei Pricewaterhouse in Leipzig und Düsseldorf. Vier Jahre später wurde er Manager in der Sozietät Rölfs Bühler & Partner und ab 1994 Partner. Ab 1997 war Stephan Schilling Mitglied des Vorstandes der RölfsPartner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Leiter der Niederlassungen Düsseldorf, Leipzig und Frankfurt am Main. Nach einer fast dreijährigen Berufserfahrung in der Industrie als Finanzchef beim Arnsberger Tissue-Hersteller Wepa, kehrte er im Oktober 2012 als Partner und Vorstand zur RölfsPartner Wirtschaftsprüfung zurück, um das Restrukturierungsteam mit seinen Kompetenzen zu verstärken.
Seine Arbeitsschwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen finanzwirtschaftliche Sanierungen, Unternehmenszusammenschlüsse, Synergieerzielung, kaufmännische Systeme-Schnittstellen-IT, Interims Management und Finanzierungen für große und mittelständische Unternehmen.

Warum sind Sie Wirtschaftsprüfer geworden?
Ich wollte immer Betriebswirtschaft studieren. Und als ich mich während des Studiums mit einem Wirtschaftsprüfer unterhielt, gefiel mir sehr, was er erzählte. Er schilderte einen vielfältigen Beruf, und das war mir wichtig.

Hat Sie Ihr Studium ausreichend auf Ihren Berufsalltag vorbereitet?
Für den Einstieg war es ausreichend – allerdings nur in der Kombination mit den Praktika, die ich absolviert habe.

Worauf kommt es bei Praktika an?
Solange die Praktika zielgerichtet sind, ist es egal, ob ein Student sie bei einem großen oder kleinen Unternehmen absolviert. Es kommt darauf an, dass er Initiative beweist. Wichtig finde ich auch, dass Bewerber mal nach rechts und links geblickt haben, sich außerhalb der Uni engagieren – und möglicherweise auch einige Zeit im Ausland waren.

Ausland – ein gutes Stichwort. Wobei geht es Ihnen dabei?
Man muss nicht im Ausland studieren. Aber dort einige Zeit gewesen zu sein, ist gut, um eine Sprache zu lernen. Wobei Englisch in Wort und Schrift bei uns Mindestvoraussetzung ist. Eine Zweitsprache ist für die Arbeit bei uns von Vorteil – gerne Französisch oder Spanisch. Aber sie ist keine notwendige Vorraussetzung. Exotischere Sprachen wie beispielsweise Mandarin sind bei uns im Berufsalltag derzeit nicht verwendbar.

Welche Kriterien legen Sie bei einer Bewerbung an?
Noten sind uns weniger wichtig, als dass jemand aus der Masse herausragt. Was hat er neben der Uni gemacht? Wie kommunikativ ist er? Wie kann er sich in ein Team eingliedern? Hat er Verantwortungsbewusstsein? Uns interessiert die Frage „Wie ist derjenige menschlich geeignet?“ eher als das Fachwissen

Wie finden Sie das heraus?
Nach einem persönlichen Gespräch von einer Stunde weiß man eine ganze Menge. Vor allem, wenn man schon viele Leute gesehen hat und das Gespräch zu zweit führt.

Worauf muss sich ein Einsteiger bei Ihnen einstellen?
Er muss viel Motivation und Disziplin mitbringen. Denn Uni-Absolventen fangen bei uns ganz neu an. Sie müssen erneut Prüfungen absolvieren, um Wirtschaftsprüfer zu werden. Das müssen Einsteiger wissen, bevor sie sich bewerben.

Was sind Ihre Aufgaben bei RölfsPartner?
Bei mir ist es eine Mischung: Einen Teil delegiere ich an mein Team – und einen Teil mache ich selbst. Ich betreue die Niederlassungen in Düsseldorf, Frankfurt am Main und Leipzig. Und ich versuche die Arbeit dieser drei Standorte miteinander zu vernetzen. Ich kümmere mich darum, dass wir neue Mandate akquirieren, die Aufgaben richtig besetzen und die Ergebnisse den Mandanten in geeigneter Form präsentieren. Derzeit führe ich zusätzlich Personalgespräche – wir suchen einerseits neue Leute, und andererseits stehen die Jahresgespräche mit rund 50 Mitarbeitern an.

Das klingt nach viel Arbeit. Wann stehen Sie morgens auf?
Um sechs. Ich muss vor der Arbeit noch meinen Sohn zum Bahnhof bringen. Und ab halb acht arbeite ich dann – denn ich nutze schon die Zeit im Auto, um zu telefonieren. Gegen 20 Uhr bin ich dann in der Regel fertig. Manchmal kann es aber auch länger dauern, das hängt von den Mandanten ab.

Wie viele Tage in der Woche sind Sie in Deutschland unterwegs?
Ich bin zwei Tage in Düsseldorf und drei Tage in Frankfurt, Leipzig oder bei Mandanten. Meine Mitarbeiter sehe ich entweder dort, oder wir telefonieren. In der Branche wird erwartet, dass man heutzutage mittels Blackberry und Handy überall und jederzeit erreichbar ist.

Wie bekommen Sie das mit Ihrer Familie vereinbart?
Es konzentriert sich sehr vieles aufs Wochenende, sowohl mit der Familie als auch mit Freunden.

Hat sich Ihr Beruf in den 20 Jahren, in denen Sie ihn ausüben, verändert?
Ja, er hat sich enorm verändert: Früher gab es noch ein Saisongeschäft. Bis März hatten wir alle Hände voll zu tun, dann flaute es ab. Im Sommer war es sehr ruhig, und gegen Winter fing es wieder an. Das ist heute anders: Wir sind jetzt das ganze Jahr über stark beschäftigt. Außerdem sind wir keine reinen Wirtschaftsprüfer mehr. Das Geschäft hat sich stark Richtung Unternehmensberatung verschoben. Hinzu kommen viele gesetzliche Änderungen und internationale Regelungen wie US GAAP oder IFRS.

Das heißt, dass man sich in Ihrer Branche ständig weiterbilden muss?
Ja. Wir bieten dazu Schulungen an. Und natürlich erwarten wir ein gewisses Maß an Eigeninitiative unserer Mitarbeiter. Sie müssen beispielsweise die relevante Fachliteratur lesen.

Wie wichtig sind Netzwerke?
Für uns unabkömmlich. Wir organisieren für unsere Manager Wochenendtagungen, damit sie lernen, Netzwerke zu knüpfen. Und wir haben ein weltweites Netzwerk, das wir pflegen. Ich bin außerdem im Lions Club engagiert.

Hat der Beruf des Wirtschaftsprüfers negative Seiten?
Junge Leute müssen aufpassen, dass sie sich nicht verschleißen. In unserer Branche wird generell viel gearbeitet, und während der Lernphasen zur Vorbereitung auf das Steuerberater- und das Wirtschaftsprüferexamen ist die Belastung für die jungen Leute sehr hoch. Man sollte seine eigenen Grenzen kennen. An dieser Stelle sind unsere Führungskräfte gefordert, die jungen Mitarbeiter zu unterstützen.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufes?
Ich denke, wir haben alle Chancen der Welt, weiterhin eine wachsende Branche zu sein. Unser Berufszweig ist breit aufgestellt und gut angesehen. Nur die gesetzlichen Änderungen werden uns auch weiterhin vor neue Herausforderungen stellen. Aber der Beruf wird weiterhin interessant bleiben. Derzeit gibt es eine Konzentrationswelle, und ich glaube, die kleinen Einzel-Prüfer-Büros werden auf Dauer dadurch keine Zukunft haben. Auch für Studierende wird sich etwas ändern, denn künftig soll man den Beruf des Wirtschaftsprüfers direkt studieren können.

Zum Unternehmen

RölfsPartner gehört zu den führenden unabhängigen Beratungsgesellschaften Deutschlands. Eine starke Teamorientierung und ein ganzheitlicher Beratungsansatz prägen die Arbeitsweise von RölfsPartner: Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater arbeiten interdisziplinär eng zusammen und bieten ein breites Spektrum spezialisierter und kundenorientierter Dienstleistungen an. Die interdisziplinären Kompetenzen sind in den sechs Competence Centern Fraud • Risk • Compliance, Private Clients, Public Sector, Real Estate, Restructuring sowie Transactions gebündelt. RölfsPartner ist mit 700 Mitarbeitern an zwölf Standorten in Deutschland und durch die Mitgliedschaft bei Baker Tilly International auch weltweit vertreten.
Baker Tilly International ist mit über 24.000 Mitarbeitern in 125 Ländern ein führendes internationales Netzwerk unabhängiger Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften.

Interview mit Ingrid Schmidt

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„Unspektakulär und arbeitsintensiv“ nennt Ingrid Schmidt ihren Arbeitstag, der jeden Morgen um 7:30 Uhr beginnt. Auf dem Weg zum Gericht plant sie ihn durch. Für ihre berufliche Zukunft hat die Richterin hingegen seit ihrer Zeit am Sozialgericht keine Pläne gemacht. Dennoch führte ihr Weg gradlinig auf das Präsidentinnenamt des Bundesarbeitsgerichts zu. Auch in dieser Position verwendet sie ihre Gedanken lieber auf das Jetzt. Im karriereführer spricht die oberste Arbeitsrichterin über richterliche Disziplin, die heutige Arbeitswelt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Fragen stellte Britta Hecker.

Zur Person

Ingrid Schmidt wurde am 25. Dezember 1955 in Bürstadt geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Nach dem Zweiten Staatsexamen 1983 arbeitete sie zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Privat-,Verfahrensrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Frankfurt am Main. Seit 1985 war sie als Richterin in der Hessischen Sozialgerichtsbarkeit tätig, zuletzt als Richterin am Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt. Zwischenzeitlich war Ingrid Schmidt von November 1990 bis 1993 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet. 1994 kam sie als Richterin ans Bundesarbeitsgericht, dessen Präsidentin sie seit 2005 ist. In ihrer Freizeit liest sie alles,war ihr unter die Finger kommt, vor allem Krimis und Biographien. Ein anderes Hobby ist Joggen – wenn es geht, zweimal pro Woche eine Stunde.

Warum haben Sie sich damals für das Richteramt entschieden?
Ausschlaggebend dürften wohl zwei Dinge gewesen sein: Zum einen hatte ich schon immer einen unabhängigen Kopf und wollte mir im Beruf wenig Vorschriften machen lassen und für meine Entscheidungen und meine Arbeit die Verantwortung selbst übernehmen. Zum zweiten war mir von vorneherein klar, dass ich Familie und Beruf am ehesten mit einer richterlichen Tätigkeit vereinbaren kann.

Was finden Sie gerade am Arbeitsrecht so interessant?
Das Arbeitsrecht regelt die Rechtsverhältnisse der mehr als 31 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland. Für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist es von ganz erheblicher wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung. Hinzu kommt, dass es sich um ein Rechtsgebiet handelt, das vor allem im kollektiven Arbeitsrecht lückenhafte Regelungen und insgesamt eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe aufweist. Allein mit dem Wortlaut des Gesetzes lassen sich die maßgeblichen Rechtsfragen kaum klären; hierfür muss häufig in Systemen und Regelungskonzepten gedacht werden. Nicht zuletzt verlangen die vielfältigen Schnittstellen zwischen dem Kollektiv- und dem Individualrecht nach anspruchsvollen Lösungen. Insgesamt stellt das Arbeitsrecht Anforderungen, die nicht in vielen Rechtsgebieten zu finden sind.

Welche Entscheidung lag Ihnen besonders am Herzen?
Ich habe meine richterliche Laufbahn als Sozialrichterin begonnen. Dort war ich auch für Streitigkeiten auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig und musste noch erstaunlich oft über die Anerkennung von so genannten Ersatzzeiten befinden, deren Grundlage die Verhältnisse des Zweiten Weltkriegs waren. Betroffen waren einerseits die Verfolgten des NS-Regimes, deren in Akten dokumentierte Schicksale einen nicht losließen. Andererseits waren auch Angehörige der Waffen-SS betroffen, die meinten, wie Soldaten der Wehrmacht Kriegsdienst geleistet und deshalb Ansprüche auf Anerkennung rentenberechtigender Zeiten zu haben. Hier die gebotenen Tatsachenfeststellungen zu treffen und die im Gesetz angelegten Wertungen nachzuvollziehen, verlangte schon ein hohes Maß an richterlicher Disziplin.

Was sagen Sie als zweifache Mutter zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Es reicht nicht nur, über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu reden, es muss auch noch unendlich viel dafür getan werden. Kinder brauchen nun einmal Betreuung. Die muss nicht allein auf die Familie konzentriert sein, sie muss aber verlässlich und vor allem auch kindgerecht sein. Mein Einkommen und das meines Mannes haben es uns ermöglicht, eine sehr zuverlässige und glücklicherweise auch zeitlich flexible Haushälterin für die Betreuung unserer Kinder einzustellen. Das kann nicht jede und jeder finanzieren. Also ist der Staat gefordert. Er hat es in der Hand, durch geeignete, ausreichende und bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Ganztagsschulangebote die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Das allein genügt aber nicht. Es ist auch ein gesellschaftliches Umdenken gefragt, nicht zuletzt bei Arbeitgebern. Um Karriere zu machen, müsste es nicht notwendig sein, zig Stunden im Büro zu verbringen.Wer konzentriert und strukturiert arbeitet, der schafft sein Pensum früher und besser und hat dann auch Zeit für seine Kinder. Auf manchen Chefetagen muss sich das allerdings erst noch herumsprechen.

Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert.Welche positiven oder negativen Entwicklungen können Sie dabei ausmachen?
In einer weltweit agierenden Exportnation wie der unseren sind Arbeitsbedingungen einem schwindelerregenden Wandel unterworfen; das fordert von den Arbeitnehmern lebenslanges Lernen. Hinzu kommt: Die Arbeit ist aufgrund des Personalabbaus der letzten Jahre in einem Maß verdichtet worden, wie wir es bisher nicht erlebt haben. In Zeiten zunehmender Befristungen sind wir auf dem Weg, die Regel, nach der das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall und das befristete die Ausnahme ist, umzukehren. Das bleibt nicht ohne Folgen für unsere Gesellschaft. Familiengründung braucht eben auch die wirtschaftliche Sicherheit, die ein Dauerarbeitsverhältnis vermittelt.

Sie sind die erste Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts. Erfüllt Sie das mit Stolz?
Dieser Umstand erfüllt mich eher mit Ehrfurcht, aber mit Erfurcht bezogen auf das Amt. Ansonsten muss es doch nachdenklich stimmen, dass ich nach Iris Ebeling, der früheren Präsidentin des Bundesfinanzhofs, erst die zweite Frau an der Spitze eines obersten Gerichtshofs des Bundes bin. Und noch mehr Kopfschütteln muss hervorrufen, dass ich nach meiner Ernennung zur Richterin am Bundesarbeitsgericht im Jahre 1994 erst die vierte Richterin in der Geschichte dieses Gerichts war. Mittlerweile sind zwar vier weitere Kolleginnen ernannt worden. Bei einem Richterkollegium von 34 entspricht das einer Quote von circa 14 Prozent. Das ist eindeutig zu wenig.

Welche Eigenschaften machen Sie im Berufsleben so erfolgreich?
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Sicher, ich bin kommunikativ, kann gut zuhören, konzentriert und strukturiert arbeiten, bin unerschrocken und habe auch kein schlechtes Judiz. Ob das meinen beruflichen Erfolg ausmacht, kann ich aber nicht sagen, auch deswegen, weil für solche Positionen eine Portion Glück eine Rolle spielt. Gute Juristen gibt es schließlich genug.

Warum ist die Rechtswissenschaft bei den Studenten so beliebt?
Dem Jurastudium traut man zu, es leichter als etwa naturwissenschaftliche Fächer studieren zu können, und mit dem zweiten Staatsexamen aufgrund der zunehmenden Verrechtlichung unserer Gesellschaft bessere Berufschancen als mit anderen geisteswissenschaftlichen Abschlüssen zu haben. Juristisches Wissen ist schließlich heutzutage in allen Lebensbereichen gefragt.

Zum Unternehmen

Das Bundesarbeitsgericht ist einer der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes. Es entscheidet als höchste Instanz Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Die Aufgabe der Rechtsprechung nehmen zehn Senate wahr. Diese setzen sich aus dem Vorsitzenden Richter, zwei weiteren Berufsrichtern und je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zusammen.

Beim Bundesarbeitsgericht sind zurzeit 34 Richter tätig, davon zehn Vorsitzende Richter, sowie 118 nichtrichterliche Beschäftigte. Außerdem werden etwa elf wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt. Nach fünf Präsidenten ist Ingrid Schmidt die erste Frau in diesem Amt.

Bis zur Verlegung nach Erfurt im Jahr 1999 hatte das Bundesarbeitsgericht seinen Sitz in Kassel.

Interview mit Prof. Jörg Schlaich

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Professor Jörg Schlaich ist Bauingenieur aus Leidenschaft und weltweit bekannt. Er hat berühmte Bauwerke wie das Dach des Münchner Olympiastadions und die Hoogly-Brücke im indischen Kalkutta gebaut und gehörte auch zur Gruppe “Think”, die mit ihrem Entwurf für den “Ground Zero” den Zuschlag für den Neubau des World Trade Centers knapp verpasste. Von Robert Piterek

Herr Schlaich, Sie haben Bauingenieurwesen und Architektur studiert. Warum sind Sie nicht Architekt geworden?
Prof. Jörg SchlaichIch denke, meine Qualitäten liegen eher im technisch-wissenschaftlichen als im gestalterischen Bereich. Hinzu kam, dass mich ein Professor, der einen Überblick über beide Fachgebiete hatte, während des Studiums ermutigt hat, Bauingenieur zu werden. Er sagte: Wenn du etwas lernen willst, werde Bauingenieur. Der Beruf des Bauingenieurs bietet aber auch einen Vorteil gegenüber dem des Architekten. Bauingenieure können viel leichter begründen, was sie tun, da die technisch-wissenschaftlichen Grundlagen eine feste Argumentationsplattform bieten. Architekten müssen ihre Projekte eher ästhetisch begründen.

Wie kommt man eigentlich als Pfarrerssohn dazu, Bauingenieur zu werden?
In meiner Familie gab es fünf Kinder. Es war einfach klar: Ein Pfarrer reicht. Ich habe mich eher für praktische, handwerkliche Sachen interessiert. Mein Vater hat mich diesbezüglich sehr gefördert. Beeinflusst hat mich meine ältere Schwester, die Architektin war. Zeitgleich mit meinem Abitur beendete ich dann eine Schreinerlehre.

Und ihre christlichen Wurzeln?
Ein im Glauben verankertes soziales Element kann man in jedem Beruf einsetzen. Wo, bleibt einem selbst überlassen. Ich kann mir beispielsweise nur sehr schlecht vorstellen, für das Militär zu arbeiten.

Inwieweit können Sie Ihr architektonisches Wissen in Ihre Arbeit mit einbringen?
Das kann ich voll einbringen. Der Bauingenieur ist durch die Kombination aus Wissen und Intuition kreativ. Ich kann entweder eine Standardbrücke entwerfen oder aber eine Brücke, die sich in die Umgebung einfügt, den Geist des Ortes berücksichtigt. Der Architekt und der Bauingenieur arbeiten mit den gleichen Methoden an unterschiedlichen Dingen. Dabei beeinflussen die Bauten der Bauingenieure manchmal wegen ihrer Größe ihr Umfeld sehr stark. Architekten bauen in erster Linie Häuser, Bauingenieure Türme und Brücken.

Einer Ihrer Partner war Fritz Leonhardt, der nach dem Krieg die Rheinbrücken wieder aufgebaut hat und als einer der wichtigsten Bauingenieure dieser Zeit gilt. Welche Bedeutung hatte Ihr Partner für Sie?
Er hatte einen sehr großen Einfluss auf mich. Ich kam nach dem Diplom in Berlin zu ihm nach Stuttgart und promovierte dann bei ihm. Es gibt leider nur wenige Ingenieure, die gestalterisch interessiert sind. Er war so einer. Er vertraute mir interessante Aufgaben an. Ich sammelte bei ihm entscheidende Erfahrungen und gewann an Selbstbewusstsein.

Wie gelingt es Ihrem Ingenieurbüro, an internationale Großaufträge wie die Hoogly-Brücke in Kalkutta heranzukommen?
Da muss manches zusammenkommen. Ich bin immer sehr viel gereist. Unter anderem bin ich gemeinsam mit meiner Familie im VW-Bus nach Indien gefahren. Auf Tagungen ergaben sich Kontakte. Schließlich trat man an uns heran und erteilte uns den Auftrag. Bei internationalen Ausschreibungen für Großprojekte haben meiner Meinung nach nur die großen weltweit agierenden Ingenieurfirmen zusammen mit einheimischen eine Chance.

Woher nehmen Sie die Kraft, jedes Projekt, und sei es auf den ersten Blick noch so klein, als Herausforderung zu begreifen?
Der Beruf des Bauingenieurs ist hoch interessant, wenn man ihn ausschöpft. Es wundert mich, warum nicht viel mehr Menschen das erkennen. Ein vergleichsweise kleines Projekt, wie der Aussichtsturm auf dem Stuttgarter Killesberg, war so eine besondere Aufgabe. Es ist ein sehr schöner Ort, um eine Aussichtsplattform im Einklang mit der Natur zu bauen. Das reizte mich. Gleichzeitig ärgert es mich, dass überall im Land billige, hässliche Brücken gebaut werden.

Jörg Schlaich über Kreativität: „Niemand wird ohne Kreativität geboren. Wenn ich es kann, kann es jeder! Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Es gibt mehr Bauingenieure als Architekten, die ein Instrument spielen. Nun frage ich: Warum sollten sie diese Kreativität nicht in ihren Beruf einbringen können?“

Interview mit Christoph Schickhardt

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Seine Fälle drehen sie sich um den Lieblingssport der Deutschen. Seine Mandanten: Vereine, Trainer, Spieler. Er hat sich einen Namen gemacht in der Welt des runden Leders, ist dabei aber auf dem Boden geblieben. Freut sich über jeden Fall, der ihn quer durch Deutschland führt. Nach einem Gerichtstermin in Köln kam er uns besuchen und erzählte mit schwäbischem Tonfall von seiner Leidenschaft: dem Fußball. Von Viola Strueder und Anne Thesing, aus karriereführer recht 2004.2005

Zur Person Christoph Schickhardt

Christoph Schickhardt, Foto: Schickhardt

Schwerpunkte der anwaltlichen Tätigkeit von Christoph Schickhardt sind das Recht des professionellen Sports, Wettbewerbsrecht und Maklerrecht.

Über 600 Verfahren vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes zählen zum Erfahrungsschatz des 1983 zugelassenen Anwalts. Zunächst absolvierte Christoph Schickhardt eine Ausbildung im Sportjournalismus bei den Stuttgarter Nachrichten. Gleichzeitig studierte er Rechtswissenschaften an der Universität in Tübingen. Der Ludwigsburger spielte selbst Fußball bis zur A-Jugend bei 07 Ludwigsburg und bezeichnet den Sport als seine große Leidenschaft.

Geboren wurde Christoph Schickhardt am 14.03.1955 in Essen. Aufgewachsen ist er jedoch in Ludwigsburg, wo er auch die Schule und die Referendarzeit bei der Stadt, dem Landgericht und der Staatsanwaltschaft absolvierte.

Es ist Samstag. Anpfiff. Die Fußballwelt sitzt im Stadion oder vor dem Fernseher. Und Sie, Herr Schickhardt?
Ich auch. Mir werden alle Fußballspiele direkt auf den Bildschirm übertragen. Da gibt es ja mittlerweile enorme technische Möglichkeiten – Motion, Slow Motion, Super-Slow-Motion, Standbilder und so weiter. Laufende Bilder und Standbilder der einzelnen Spielszenen werden mir heute per Internet direkt auf den Bildschirm übertragen. Schon am Samstag muss ich die Entscheidungen des Schiedsrichters beurteilen – und immer dabei berücksichtigen, dass er seine Entscheidungen in Sekunden fällt. Das Problem ist, dass sich schon in kürzester Zeit Millionen Zuschauer ein Urteil gebildet haben. Und dass alle Beteiligten äußerst nervös sind. Und je näher das Saisonende kommt, so im April, Mai, umso nervöser werden sie.

Was passiert dann in den Tagen nach den Spielen?
Samstag und Sonntag gibt es die ersten Gespräche, Sonntag mache ich den Schriftsatz, bis Montag Morgen um zehn Uhr sind 80 Prozent der Fälle abgeschlossen. Alle Beteiligten arbeiten hoch-professionell und partnerschaftlich zusammen. Jeder weiß was er vom anderen zu halten hat. Das DFB-Sportgericht, der Kontrollausschuss und die Geschäftsstelle sind absolut hochgradig besetzt. Wenn so schnell keine Einigung zustande kommt, findet dann am Donnerstag die mündliche Verhandlung statt. Alle Fälle werden also in der Folgewoche abgeschlossen.

Ein richtiges Wochenende haben Sie also nicht?
Nein, wie jeder andere Anwalt habe auch ich eine Sieben-Tage-Woche. Wer das nicht akzeptiert, sollte sich einen anderen Beruf suchen. Aber die meisten wollen das auch so.

Und wie gestalten Sie Ihre Arbeitstage?
Nun, da ist zum einen die Schreibtischarbeit, die erledige ich in den Morgenstunden. Manchmal fange ich schon um fünf Uhr morgens an, dann habe ich einfach am meisten Ruhe. Tagsüber ist viel zu viel los. Die Verhandlungen finden oft abends statt, Reisen muss ich Tag und Nacht. Selbst im Urlaub bin ich am Ball.

Und wie sieht Ihre Freizeit aus?
Der Job hat immer Vorrang, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Es ist wirklich keine Seltenheit, dass mich ein Fußballmanager abends um 23 Uhr anruft. Und das ist sein gutes Recht. Schließlich ruft er an, weil der Druck in diesem Moment da ist, etwas zu regeln. So ist nun mal das Geschäft. Wenn einem das nicht passt, muss man sich einen anderen Job mit „16.00 Uhr-Feierabend-Garantie“ suchen.

Das klingt nach einem harten Job.
Ja, aber das ist ein Beruf, den Sie nur mit Haut und Haaren machen können. Wenn Sie mit angezogener Handbremse arbeiten, merken die Mandanten das sofort.

Aber Ihnen gefällt Ihre Arbeit?
Ja, der Anwaltsberuf ist wirklich der Schönste, den es gibt, weil es der Unabhängigste ist. Ich habe keinen Chef, kann mir die Mandanten weitgehend aussuchen und kann jedem das sagen, was ich für richtig halte.
Außerdem bringt der Beruf immer etwas Neues. Ich lerne ungeheuer interessante Menschen aus den verschiedensten Lebensbereichen kennen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte und von denen ich viel erfahre und lerne. Viele von ihnen – Vereine, Trainer, Spieler – halten mir seit 20 Jahren die Treue.

Fußball ist ein Sport, der von den Medien lebt. Welche Rolle spielen für Sie die Medien?
Eine sehr große. Viele meiner Prozesse werden im Grunde in den Medien entschieden. Der Erstschlag muss sitzen, und der muss auch medienmäßig professionell begleitet werden. Deshalb macht die Medienarbeit auch einen großen Teil meiner Tätigkeit aus: Kontakte knüpfen, Presseerklärungen vorbereiten, Gespräche mit Journalisten führen, und, und, und. Auch in diesem Bereich ist Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit das größte Kapital.

Gefällt es Ihnen, einen Beruf von öffentlichem Interesse zu haben?
Das hängt davon ab, wie die Fälle laufen (lacht). Natürlich ist das Ganze auch mit einem hohen Risiko verbunden. Wenn Sie einen gravierenden Fehler machen, sind Sie weg vom Fenster und können schnell als Trottel dastehen. In anderen Anwaltsberufen ist das anders – die Fälle eines Scheidungsanwalts stehen zum Beispiel nicht gleich in der Bildzeitung.
Aber insgesamt ist es auf jeden Fall interessanter, in einem Bereich tätig zu sein, der die Öffentlichkeit interessiert.

Fast wären Sie ja selbst Sportjournalist geworden…
Ja, während des Jurastudiums habe ich eine Ausbildung bei den Stuttgarter Nachrichten gemacht. Das war eine sehr gute Ausbildung, die mich sehr geprägt hat. Das „pralle Leben“, sozusagen. Ich habe das Rüstzeug für einen harten Job erhalten. Noch heute hat der Sportjournalismus für mich einen ungeheuren Reiz. Zu den Kollegen von damals bestehen noch heute viele Verbindungen.

Aber Sie haben sich dann doch fürs Sportrecht entschieden.
Erst einmal habe ich mich nach der Ausbildung nur für den Anwaltsberuf entschieden. Mit dem Sport hatte ich damals innerlich schon abgeschlossen. Als ich Anwalt war, kamen aber immer wieder und immer mehr alte Bekannte und neue Mandanten aus dem Sport zu mir, und so nahm das Ganze seine Anfänge.

Damit waren Sie wieder bei „Ihrem Lieblingsthema“?
Ja, die persönliche Leidenschaft für den Fußball ist einfach da und muss auch da sein. In diesem Beruf müssen Sie denken wie einer aus dem Fußballgeschäft. Sie müssen die Sprache der Fußballer sprechen. Rechtlich ist das Ganze gar nicht so besonders schwierig. Wichtig ist, dass ei hier tätiger Anwalt die rechtlichen und wirtschaftlichen „Pferdefüße“ erkennt.

Wie viele Clubs der Bundesliga vertreten Sie?
Zirka zehn Bundesligavereine – mit jeweils unterschiedlicher Intensität. Manche Vereine übertragen mir alle Rechtssachen, andere beauftragen mich nur in größeren und wichtigeren Streitigkeiten mit Öffentlichkeitswirkung, für andere wiederum bin ich nur bei Platzverweisen zuständig. Und Borussia Dortmund war leider immer mein Gegner. Das Geschäft hat auch sehr viel mit Emotionalität zu tun. Sie müssen sich mit breitem Rücken vor die Mandanten stellen, da werden leider auch die Gegner immer mehr.

Geraten Sie nicht in Interessenskonflikte, wenn Sie mehrere Vereine gleichzeitig vertreten?
Nein, bei Fällen, die zwei meiner Mandanten betreffen, halte ich mich ganz raus. Dies wird auch so akzeptiert.

Welcher Fall hat Sie bisher am meisten Nerven gekostet?
Das sind die Prozesse um die Lizenzen der Vereine. Denn da geht es um alles oder nichts, Verlieren oder Gewinnen. Ohne Lizenz ist ein Fußballverein nichts. Das sind schon nervenaufreibende Fälle, die einen wochenlang ausgiebig beschäftigen. Aber das Schöne daran ist, dass auch solche Kämpfe in ein paar Wochen rum sind. Das ist ja beim Fußball was Besonderes. Die Fälle werden sehr aufgebauscht, sind dann aber auch relativ schnell wieder erledigt. Auch wenn der Streit noch so groß ist, sind alle Beteiligten an einer raschen Einigung interessiert. Schließlich muss man auch in Zukunft wieder zusammenarbeiten und sich in die Augen schauen können. Im Fußball-Geschäft brauchen alle Beteiligten gleichzeitig ein hohes Maß an Engagement, Behauptungswillen, Durchsetzungskraft, aber auch Konsens- und Gesprächsfähigkeit.

Welches war bisher Ihr größtes Erfolgserlebnis?
Das kann ich nicht sagen, häufig sind das kleine Sachen, die niemand erfährt. Große Erfolge waren für mich die Lizenzerhaltungen für Hertha BSC, Wolfsburg, Kaiserslautern und Frankfurt. Aber die anderen Erfolge sind im stillen Kämmerlein passiert.

Und wie sieht es aus mit den Niederlagen, hatten Sie auch die?
Dauernd. Ein Anwalt, der sagt, er hat nur Erfolg, der lügt oder er hat nur uninteressante Fälle. Bittere Niederlagen bleiben einem nicht erspart. Jeder Arbeitstag ist mit Erfolgen und Misserfolgen ausgefüllt.

Welche Voraussetzungen sollte ein Sportrechtler mitbringen, um Erfolg zu haben?
Für einen Sportrechtler und für alle Juristen ist aus meiner Sicht ein Prädikatsexamen eine unbedingte Voraussetzung. Da kann in einem Lebenslauf stehen, was will – Doktor, halbes Jahr Amerika, oder was auch immer: Wenn Sie kein Prädikatsexamen haben, schließen die Leute in der Regel bei jeder Bewerbung oder Beurteilung die Akte. Für Jura-Studenten ist deshalb der – schwierige – Kampf ums Prädikat von besonderer Bedeutung.

Halten Sie das für berechtigt?
Ja. Weil das juristische Examen außerordentlich gerecht ist. Es ist streng objektiviert, der Zufall ist durch die zwei Examen und durch die Vielzahl der einzelnen Klausuren weitgehend ausgeschlossen. Gute juristische Kenntnisse kommen für mich in einem Prädikatsexamen zum Ausdruck.
Klar, auch Nebenqualifikationen sind wichtig. Aber ein Student, der meint, er schafft kein Prädikatsexamen, der sollte sich lieber rechtzeitig etwas anderes suchen. Das ist so. Auch ich achte bei den Bewerbungen, die ich bekomme, immer als erstes auf das eine: Wie ist das Examen?

Was ist darüber hinaus wichtig?
Sozialkompetenz. Sie müssen mit den Leuten reden können, Verhandlungsgeschick haben. Auch im größten Streit müssen Sie immer den Gesprächsfaden aufrechterhalten, um später vielleicht doch noch zu einer Einigung zu kommen. Ich erlebe bei Gericht immer wieder, dass Anwälte sprachlos sind. Der eine sagt „Ich will das“ und der andere „Das mache ich nicht“ – und dann ist Schluss. Je schlechter ein Anwalt ist, umso „betonierter“ und unflexibler präsentiert er seine Position. Das geht aber zu Lasten des Mandanten, auch wenn diese das manchmal erst später erkennen.
Das Weitere ist absolute Verlässlichkeit. Alle meine Verhandlungspartner wissen, dass mein Wort gilt – auch im schlimmsten Streit. Was ich zusage wird auch umgesetzt. Dadurch bekommt mein Wort natürlich auch mehr Gewicht. Ein Anwalt, der bei seinen Mandanten kein Gewicht hat, wird auch vom Gegner nicht Ernst genommen.
Und schließlich kann kein Anwalt ohne eine ausgeprägte Persönlichkeit erfolgreich sein. Der Mandant „kauft“ auch ein Stück Lebenserfahrung. Das ist im Übrigen häufig auch der wichtigste Unterschied im Vergleich zu angestellten Juristen.

Wie sind denn die Chancen für junge Juristen, in dieses Rechtsgebiet einzusteigen?
Wer bereit ist, diesen Knochenjob zu machen und einen langen dornigen Weg zu gehen, der hat heute aus meiner Sicht große und intakte Chancen. Das hängt auch mit unserer so genannten Freizeitgesellschaft zusammen. Freizeitbeschäftigungen, und damit auch Sport, gewinnen immer mehr Relevanz. Für Anwälte erschließt sich dadurch ein großes Betätigungsfeld. Denken Sie nur daran, wie viele Tennisclubs wegen Lärmbelästigung einen Nachbarschaftsprozess führen. Oder denken Sie an das Vereinsrecht – zum Beispiel an die Rechten und Pflichten im Verein. Jeder Golfclub braucht heute einen Hausanwalt. Der Freizeitbereich und der Sport nehmen immer mehr Raum ein. Und die Menschen sind immer mehr bereit ihre angeblichen Rechte auch durchsetzen. Für engagierte Anwälte mit langem Atem ist der Sport – professionell und in der Freizeit – ein lohnendes Betätigungsfeld.

Spielen Sie selbst Fußball?
Ja, ich bin begeisterter Fußballer. Fußball ist von Kindesbeinen an meine Leidenschaft. Bis zur A-Jugend bin ich gekommen. Allerdings spiele ich nicht gut. Für eine Profi-Karriere bin ich nie in Frage gekommen. Natürlich verliert man durch den Blick hinter die Kulissen manchmal auch den Enthusiasmus, insbesondere wenn man erfährt, dass es häufig nur ums Geschäft und ums Geld geht. Wenn Sie sich ein Fußballspiel rein privat angucken: Können Sie dann abschalten und Ihren Beruf außen vor lassen?
Na ja, das ist ähnlich wie mit dem Wettbewerbsrecht, das ich früher gemacht habe. Wenn ein Lastwagen mit Werbung auf der Autobahn vor mir herfuhr habe ich mich immer wieder bei der Überlegung erwischt, ob die Werbung zulässig ist.
Natürlich stumpft man etwas ab. Aber wenn es um befreundete Personen geht, wie Trainer, die zum Beispiel auf der Kippe stehen, oder wenn einer meiner Vereine um den Abstieg kämpft, dann ist das für mich immer noch hoch emotional. Der Mandant muss in einer schwierigen Situation das totale Engagement des Anwalts spüren.

Haben Sie einen Lieblingsverein?
Ja, aber den nenne ich nicht (lacht). Oft hängt das aber auch von den Personen ab, mit denen ich befreundet bin. Vereine für sich sind ja nur Hüllen. Die Emotion entsteht durch die persönlichen Beziehungen und Bindungen zu den dort anwesenden Personen. Es ist wie überall. Gute Präsidenten, Chefs und Unternehmensführer schaffen für ihren „Betrieb“ Emotionen. Und meine Arbeit ist einfach von engsten persönlichen Vertrauensverhältnissen geprägt. Vertrauen genießen und rechtfertigen – das ist das schönste an diesem Beruf.

Interview mit Hans Helmut Schetter

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Die Faszination, selbst ein bauingenieurwissenschaftliches Studium aufzunehmen, lag für Hans Helmut Schetter in den vielfältigen Aufgabenstellungen, die am Bau und seinem gesamten Umfeld auftreten. Schnell stieg er die Karriereleiter hinauf, 1995 wurde er in den Vorstand der Bilfinger Berger AG berufen. Im karriereführer spricht er über die sich wandelnde Branche, neue Herausforderungen, Anforderungen an Absolventen und seinen eigenen Berufseinstieg. Die Fragen stellte Christoph Berger.

Zur Person

Hans Helmut Schetter wurde 1949 im württembergischen Albstadt geboren. Von 1968 bis 1974 studierte er Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt konstruktiver Ingenieurbau in Karlsruhe. Nach dem Abschluss ging er zur Ed. Züblin AG, wo er bis zum Niederlassungsleiter aufstieg.

1990 kam der Bauingenieur zur Bilfinger Berger AG in die Hauptniederlassung nach Frankfurt am Main, deren Leitung er ein Jahr später übernahm. 1995 folgte der Ruf in den Vorstand. Seine Verantwortungsbereiche liegen heute bei Personal, Technik, Hochbau sowie europäischen und außereuropäischen Beteiligungen. Darüber hinaus lehrt er als Honorarprofessor am Institut für Baubetrieb an der TU Darmstadt. Hans Helmut Schetter ist verheiratet und hat drei Kinder.

Wie sind Sie zu Bilfinger Berger gekommen?
Nach dem Studium des Bauingenieurwesens kam ich 1974 über die Direktansprache eines Vorstandes zur Ed. Züblin AG. Ich stieg in den technischen Innendienst ein und übernahm nach Ende meines zweiten Jahres Bauleitungsaufgaben im Spezialtiefbau. Nach einiger Zeit wurde ich dann Niederlassungsleiter in Frankfurt am Main, bevor ich 1990 zu Bilfinger Berger in die Hauptniederlassung kam, deren Führung ich 1991 übernahm. 1995 wurde ich in den Vorstand berufen. Meine Schwerpunkte sind das operative Baugeschäft, das Polen- Geschäft und der Hochbau in Deutschland. Seit drei Jahren bin ich zudem für den Bereich Personal verantwortlich.

Besuchen Sie bei all den Aufgaben noch hin und wieder selbst die Baustellen?
Es ist natürlich schwierig, ich besuche aber immer wieder selektiv die Baustellen, ausgewählte Projekte, schon allein um mein Auge für die Produktion wachzuhalten.

Welche Einstiegsmöglichkeiten bietet Bilfinger Berger Hochschulabsolventen?
Einsteiger fangen bei uns normalerweise in einer unserer Niederlassungen im Innendienst an. Dort legen wir über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren großen Wert auf die Einarbeitungsphase. Danach wird anhand der Eignung und des Bedarfs über die weitere Entwicklung entschieden.

In Ihrem Brückenbauprojekt in Vancouver wurde gezielt auch Hochschulabsolventen eingesetzt. Ist das normal?
Leitungsaufgaben erfordern natürlich eine gewisse Berufserfahrung, deshalb setzen wir auf den bereits erwähnten klassischen Einstieg: erst Innendienst und dann die Baustelle. Dort haben junge Leute die Möglichkeit, schnell Verantwortung zu übernehmen.

Was verlangen Sie von Bewerbern?
An erster Stelle steht eine gute Ausbildung, die sich in den Zeugnissen widerspiegelt. Doch da wir in einem sogenannten People-Business arbeiten – der Kontakt zu Menschen ist enorm wichtig – achten wir auch stark auf das Persönlichkeitsprofil der Bewerber, den Charakter. Die zwischenmenschliche Kommunikation ist immer wichtiger geworden. Darüber hinaus verlangen wir aufgrund unserer dezentralen Projekte Mobilität und im Sinne der beruflichen Spezialisierung Flexibilität, die sich im Laufe des Beruflebens immer mal verändern kann. Da in unserem Metier ständig Entscheidungen getroffen werden müssen, sollten die Kandidaten davor nicht zurückscheuen und den nötigen Durchsetzungswillen mitbringen.

Wie sieht es mit internationaler Erfahrung aus? Ihre Projekte sind weltweit gestreut.
Während des Studiums sollte jede Gelegenheit genutzt werden, ins Ausland zu gehen, dort Erfahrungen zu sammeln und Sprachen zu lernen. Allerdings sollten die Einsätze so gestaltet sein, dass sie das Studium nicht signifikant über die Regelstudienzeit hinaus verlängern.

Wie haben sich die Anforderungen an Absolventen seit Ihrem Berufseintritt verändert?
Zu meiner Zeit lag der Schwerpunkt vor allem auf Technik und Baubetrieb. In einer stabilen Welt haben wir ausschreibungsorientiert angeboten. Heute geht es dagegen mehr und mehr um ganzheitliche, nachhaltige Lösungen. So werden etwa Infrastrukturprojekte in einem Gesamtpaket nachgefragt. In einem solchen Umfeld haben die Anforderungen an das Vertragsmanagement stark zugenommen. Wir brauchen heute gutes Rüstzeug im Umgang mit Bauverträgen, ohne dabei den Juristen ersetzen zu wollen. Steigende Projektgrößen verlangen fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse.

Welches sind die entscheidenden Herausforderungen, denen sich die Branche heute zu stellen hat, und wie begegnen Sie Ihnen?
Die Branche hat in einer langen Rezession einen bitteren Aderlass erlebt. Heute stehen wir vor der Aufgabe, die Profitabilität im Baugeschäft zu verbessern. Chancen bietet das wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein, allerdings brauchen wir einen Wechsel vom Preiswettbewerb hin zu einem Kompetenzwettbewerb. Die Kernfrage wird dabei sein: Wie schaffen wir es, die Kosten im Lebenszyklus einer Immobilie zu optimieren. Dies sind die operativen Herausforderungen. Natürlich stehen wir aber, wie alle Unternehmen, auch vor den Herausforderungen des demographischen Wandels und der veränderten Lebensarchitekturen der jungen Generation. Aufgrund veränderter Prioritäten – man denke etwa an das Thema Familie und Kinder – stehen auch wir als Arbeitgeber vor neuen Aufgaben. Wir verlangen nicht nur von den Mitarbeitern Flexibilität, wir wollen als Unternehmen selbst flexibel sein. In meinen Vorlesungen sind heute etwa 30 Prozent der Studierenden weiblich, dieser wichtigen Zielgruppe wollen wir uns nicht verschließen.

Welches sind die momentan herausragenden Bauprojekte von Bilfinger Berger?
Wir haben natürlich viele große Projekte. Zwei möchte ich hier aber hervorheben. Zum einen handelt es sich um unser sechs Kilometer langes Kernstück des Gotthard-Basistunnels. Dort ist eine Welt im Berg mit modernster Technik entstanden. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Baustelle über 800 Meter tiefe Schächte mit allem Nötigen zu versorgen. Von dort aus werden jeweils zwei Tunnelröhren nach Norden und Süden bergmännisch aufgefahren. 2017 soll der Tunnel in Betrieb genommen werden. Bei dem zweiten Projekt mit einem Volumen von über einer Milliarde Euro handelt es sich um einen neuen Stadtteil mit 6000 Wohnungen für 20.000 Menschen in Katar. Innerhalb von nur drei Jahren bauen wir Barwa City auf einer Fläche von rund 2,7 Millionen Quadratmetern. An dem Projekt arbeiten bis zu 4500 Menschen.

Ihr Tipp an Bauingenieurabsolventen für eine erfolgreiche Karriere?
Fach- und Sozialkompetenz sind gleichermaßen wichtig. Unverzichtbar ist auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dazu sind Entscheidungsfreude und Durchsetzungswille erforderlich. Ein Mitarbeiter, der sich voll und ganz auf sein Projekt konzentriert, wird die besten Ergebnisse erzielen. Und das ist immer eine Empfehlung für weitergehende und nach und nach auch höhere Aufgaben.

Zum Unternehmen

Bilfinger Berger ist ein führender international tätiger Bau- und Dienstleistungskonzern. Als Multi Service Group bietet das Unternehmen im In- und Ausland ganzheitliche Lösungen in den Bereichen Immobilien, Infrastruktur und Industrieservice. Das Leistungsspektrum reicht von Beratung, Entwicklung, Planung und Finanzierung über betriebsfertige Erstellung bis hin zu Instandhaltung und Betrieb.

Entstanden ist das Unternehmen 1975 durch die Fusion traditionsreicher Baugesellschaften, deren Wurzeln bis ins Jahr 1880 zurückreichen. Dazu zählten die Grün & Bilfinger AG, die Julius Berger Tiefbau AG und die Berlinische Boden-Gesellschaft. Damals hieß das Unternehmen noch Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft. Im Zuge der strategischen Neuausrichtung zur Multi Service Group änderte das Unternehmen im Jahr 2001 den Namen zur Bilfinger Berger AG.