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Jung und erfolgreich bei: GATC Biotech

Die reine Informatik war Sascha Kastens zu theoretisch. Daher entschied sich der heute 33-Jährige nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann für ein Bioinformatikstudium. Von Christoph Berger

Name: Sascha Kastens
Position: Softwareentwickler
Stadt: Konstanz
Alter: 33 Jahre
Studium: Bioinformatik (Bachelor) an der Fachhochschule Bingen, Master of Science an der Universität Hamburg
Abschlussjahr: 2012
Interessen: Videospiele, Fahrradfahren, Kochen
Ziel: Führungsposition mit Personalverantwortung und Dissertation im Unternehmen

Nach dem Bachelorabschluss folgte ein Master und anschließend die Jobsuche. Während dieser stieß er bei einer Internetrecherche auf die Firma GATC Biotech. Das Unternehmen aus Konstanz war auf der Suche nach einem Bioinformatiker mit Schwerpunkt Genominformatik. Diese Spezialisierung hatte Kastens im Studium gewählt. Die Stellenbeschreibung passte also gut, und er bewarb sich. Sechs Wochen nach Ausfüllen des Online-Formulars auf der Webseite unterschrieb er seinen Arbeitsvertrag. Das war im Juni 2012. Trotz des anderthalbstündigen Vorstellungsgesprächs mit dem Chef der Bioinformatikabteilung sagt er rückblickend: „Alles war sehr unkompliziert. Das Aufwendigste war die Reise von Hamburg nach Konstanz.“

Kastens startete voller Tatendrang. Bereits nach der dreiwöchigen Einarbeitungsphase bat er seinen Chef um größere und verantwortungsvollere Aufgaben. Der betraute ihn mit einem eigenen Projekt. Er sollte testen, ob und wie die für biomedizinische Forschung entwickelte Software Galaxy genutzt werden kann. Bei Galaxy handelt es sich um eine webbasierte Open-Source- Software auf Linux-Basis, über die sich große Datenmengen analysieren lassen. Diese Analyse liefert den Biologen zwar schnell brauchbare Ergebnisse, die Anwendung der Software ist allerdings kompliziert. Nach ausführlichen Tests kam Kastens zu dem Schluss, dass die Software seinen Kollegen helfen kann. Also setzte er sich daran, ein Interface zu finden, mit dem auch Biologen komfortabel arbeiten können. Er simulierte Testszenarien, implementierte die Software und passte sie den Bedürfnissen der GATC Biotech an. Die Naturwissenschaftler des Unternehmens sollten die Software möglichst intuitiv bedienen können. Außerdem musste Galaxy in die bereits existierenden Systeme integriert werden. Die Umsetzung bis zum ersten Release dauerte etwa sechs Monate. „Biologisches Grundwissen kann für die Aufgabe hilfreich sein. Prinzipiell ist es aber für die Analyse von Daten keine Grundvoraussetzung“, erklärt Kastens.

Kommunikationsfähigkeiten sind da schon eher gefragt. Kastens arbeitete bei der Anpassung der Software mit den Projektleitern aus den Fachabteilungen zusammen. Auch mit seinem Chef besprach er sich in regelmäßigen Abständen. Als weitere Voraussetzungen für seine Arbeit nennt er analytische Fähigkeiten, Entscheidungsfreude – „man muss auch selbst ausprobieren und nicht jede Kleinigkeit mit dem Chef besprechen“ – und eine selbstständige Arbeitsweise. Vor allem schätzt er die ständige Abwechslung durch interessante Aufgaben. Alltagstrott spürte er noch keinen Tag. Und jetzt hat er außerdem noch die Möglichkeit erhalten, seine Promotion berufsbegleitend zu schreiben. Eine perfekte Kombination von Job und Weiterqualifizierung.

Der Reiz komplexer IT-Systeme

Milad Emami sucht die Herausforderung. Das Tüfteln an großen und komplexen IT-System übt auf ihn einen ganz besonderen Reiz aus. Bei einem großen Versicherungsunternehmen mit Sitz in Hessen hat er all das gefunden. Von Milad Emami

Milad Emami, Foto: R+V
Milad Emami, Foto: R+V

Kopf: Milad Emami,
27 Jahre, Softwareentwickler bei der R+V Allgemeine Versicherung

Nach dem Abschluss meines Studiums im Fach Ingenieurinformatik an der Fachhochschule Frankfurt stieg ich 2011 beim Versicherungsunternehmen R+V in Wiesbaden als Trainee ein. Ein dort schon arbeitender Bekannter hatte mich zwar empfohlen, trotzdem musste ich den üblichen Bewerbungsprozess durchlaufen. Ich bewarb mich über das Karriereportal des Unternehmens im Internet, führte Vorstellungsgespräche und nahm an einem Assessment Center teil. Dieser Weg ist für alle, die eine Traineestelle anstreben, obligatorisch. Bei sämtlichen Kontakten sagten mir die vorgestellten Arbeitsbedingungen und die Unternehmenskultur zu. Außerdem reizten mich die Aufgaben, mit denen ich zu tun haben würde – dabei spielte es auch keine Rolle, dass ich bis dahin kaum Kontakt zu Unternehmen der Finanzwirtschaft hatte.

Nachdem ich die einzelnen Schritte der Bewerbung erfolgreich bewältigt hatte, startete ich im Bereich Softwareentwicklung der IT-Abteilung. Insgesamt sind bei uns im IT-Bereich über 800 Mitarbeiter beschäftigt. Als Trainee arbeitete ich das erste Jahr jedoch nur 80 Prozent mit. Die restliche Zeit verbrachte ich in anderen Unternehmensbereichen. So gewann ich Einblicke in diverse Bereiche, mit denen wir zusammenarbeiten: zum Beispiel die Lebensversicherung, die Kranken- und die Kreditversicherung. Ich konnte mir einen Überblick über Strukturen und Aufgaben der vielen unterschiedlichen Bereiche, zum Beispiel auch dem Vertrieb, verschaffen und Kontakte zu Mitarbeitern knüpfen, mit denen ich bei meiner Arbeit als IT-Entwickler noch heute zu tun habe.

Software ist unternehmensrelevant
Nach einem Jahr, also 2012, arbeitete ich dann voll im IT-Entwicklerbereich mit. Nun bin ich mit meinem Team vor allem für eine Anwendung zuständig, die die Vertriebsabteilungen unterstützt, ein Maklerportal. Sowohl der Innen- als auch der Außendienst sind auf diese Software angewiesen, die online und offline genutzt werden kann. Über das Portal können sie beispielsweise auf Verträge zugreifen und diese aktualisieren. Oder sie können sich Produkte gemäß den Kundenwünschen anzeigen lassen und diese vergleichen. Technisch handelt es sich um eine auf der Programmiersprache Java basierende Client-Anwendung. Wir entwickeln diese Software weiter, programmieren immer wieder neue Tools und sind für die Fehlerbehebungen zuständig. Dabei arbeiten wir nach dem agilen Prinzip (Anm. der Red.: siehe auch Seite 24). So haben wir immer eine funktionierende Version und bleiben beweglich, um auf neue Heraus- und Anforderungen schnell reagieren zu können.

Vor allem die Größe und Komplexität dieses Projekts begeisterten mich von Beginn an – ebenso, dass wir sowohl für das Back- als auch für das Frontend zuständig sind. Die Punkte Funktionalität, Stabilität und Sicherheit spielen bei dieser Art von System natürlich auch ganz entscheidende Rollen. Und da die unterschiedlichsten Bereiche mit dem Tool arbeiten, beispielsweise der Kfz- und der Krankenversicherungsbereich, ist es zudem sehr vielseitig. Wir stehen deswegen auch im ständigen Austausch mit den Fachabteilungen. Und inzwischen habe ich mir auch schon einiges Versicherungswissen angeeignet. Noch während meiner Traineezeit erhielt ich als Vorbereitung übrigens gezielte Schulungen zu Java und zur Benutzeroberfläche Unity. Doch nicht nur auf mein Fachwissen wurde Wert gelegt, sondern auch auf die Weiterentwicklung meiner Soft Skills. Ich besuchte Kurse zu den Themen Rhetorik, Zeit- und Konfliktmanagement sowie Gesprächsführung.

Ständige Weiterbildung
Auch derzeit werde ich gezielt auf weitere und verantwortungsvollere Aufgaben vorbereitet. Mein nächstes Ziel ist es, „Anwendungsdesigner Chefentwickler“ zu werden. Ich kann dann noch komplexere Aufgaben innerhalb des Teams übernehmen, bin vermehrt für den Überblick über Einzelprojekte zuständig und habe weitergehende Verantwortung für eine Applikation und all ihre Schnittstellen. Diese Weiterbildung läuft parallel zum Job. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich mich aber auch in andere Richtungen entwickeln können. Im IT-Bereich der R+V werden die unterschiedlichsten Laufbahnmodelle angeboten: beispielsweise die Schwerpunkte Projektmanagement oder IT-Architektur.

Doch für mich ist der Aufbau weiterer Kompetenzen im IT-Entwicklerbereich der nächste logische Schritt. Er ist für mich der reizvollste und macht viel Spaß.

Deutscher Umweltpreis 2014 vergeben

Der Deutsche Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist zum 22. Mal vergeben. Die zwei Preisträger werden für ihre erfolgreichen Bemühungen um Energie-, Ressourcen- und Materialeffizienz ausgezeichnet. Auch ein Ehrenpreis wurde vergeben.

Aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck und der DBU-Kuratoriumsvorsitzenden Rita Schwarzelühr-Sutter nahmen am 26. Oktober in Kassel der Ökonom und Energieeffizienzexperte Prof. em. Dr. Peter Hennicke (72, Wuppertal) und der Wissenschaftler und Gründer der Firma UNISENSOR Sensorsysteme, Prof. Dr.-Ing. Gunther Krieg (72, Karlsruhe), den höchstdotierten, unabhängigen Umweltpreis Europas in Empfang. Die DBU würdigte damit das jahrzehntelange außergewöhnliche Engagement der Preisträger für das Einsparen von Energie und den Schutz wertvoller Ressourcen. Mit dem bisher nur dreimal von der DBU zusätzlich vergebenen Ehrenpreis wurde Hubert Weinzierl (78, Wiesenfelden) für sein lebenslanges Naturschutz-Engagement geehrt.

Mein Bewerbungsgespräch bei: Capgemini

Schon in der Schulzeit war für mich klar, dass mein beruflicher Weg in die IT-Branche führen würde. Damals tüftelte ich bereits mit großer Leidenschaft zu Hause an unserem Heimnetzwerk. Mit einer Ausbildung zum Fachinformatiker und meinem Studium der Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Technik Stuttgart machte ich schließlich mein Hobby zum Beruf. Von Martin Schlaffer

Profildaten

Name: Martin Schlaffer
Geburtsjahr: 1984
Hochschulabschluss als: Bachelor of Science in Wirtschaftsinformatik
Warum Capgemini? Flache Hierarchien, Innovationen, internationale Projekte, Atmosphäre im Team, gute Entwicklungschancen
Bewerbung als: Software Engineer
Bewerbungsweg: PDF-Datei per E-Mail
Wann war das Vorstellungsgespräch? November 2013
Wann war Arbeitsbeginn? März 2014
Netzwerke:
Google Plus: JA
Xing: NEIN
Facebook: NEIN
Twitter: JA

Durch verschiedene Praktika und meine Tätigkeit als Werkstudent konnte ich schon früh praktische Erfahrungen im Bereich Wirtschaftsinformatik sammeln. Ich denke, nur so erfährt man, ob der angestrebte Beruf wirklich zu einem passt. Dabei wurde ich durch Zufall auf Capgemini aufmerksam. Das Unternehmen, bei dem ich damals als Werkstudent tätig war, verlor eine Angebotsausschreibung. Wie ich später erfuhr, hatte mein heutiger Arbeitgeber das Rennen gemacht. Das weckte mein Interesse: Ich informierte mich und fand heraus, dass Capgemini ein international aufgestelltes Unternehmen mit herausfordernden Projekten zu sein schien. Also bewarb ich mich.

Die Einladung zum Gespräch folgte prompt. Dabei stellte sich schnell heraus, dass meine vorausgegangenen Recherchen zum Unternehmen letztlich relativ unbedeutend waren – auch wenn ich es immer wieder so machen würde. Meine Gesprächspartner, ein Projektmanager und ein Analyst, waren allerdings weniger an einer Wissensabfrage interessiert. Sie wollten mich vielmehr besser kennenlernen. Relativ schnell ging es im Vorstellungsgespräch daher um meine Abschlussarbeit, die ich damals gerade schrieb. Für mich war das eine tolle Gelegenheit, mit zwei Profis über mein Thema – einer Studie zur Nutzung und zum Nutzen von Enterprise Architecture Management und der dort eingesetzten Tools – zu fachsimpeln und wertvolles Feedback zu bekommen.

Danach ging es dann ganz schnell: Schon am nächsten Tag bekam ich die telefonische Zusage, und bereits einen Tag später lag der Vertrag in meinem Briefkasten. Wegen des unkomplizierten Bewerbungsprozesses, vor allem aber wegen des so angenehmen ersten Kennenlernens, entschied ich mich für das Beratungsunternehmen. Das Einsteigerprogramm FastTrack hilft mir seit meinem Start nun, mein Wissen und meine Fähigkeiten auszubauen – etwa durch spezielle Trainings. Besonders wichtig ist für mich auch mein Mentor. Er steht mir bei allen Fragen zur Seite und erleichtert mir so den Karrierestart.

Derzeit kümmere ich mich um die Angebotserstellung im Bereich Automotive. Genauer gesagt: Es geht um IT-Anwendungen zur Online-Konfiguration von Fahrzeugen. Mit einer solchen Software können Kunden ihr Fahrzeug den eigenen Wünschen entsprechend ausstatten und schließlich bestellen. Die hinter den Anwendungen stehende Technologie ist genau mein Expertengebiet.

Immer beweglich sein

IT-Projekte können mit unterschiedlichsten Methoden umgesetzt werden. Seit einigen Jahren ist immer häufiger von agilen IT-Projekten die Rede. In ihnen spielt die Hierarchie der Mitarbeiter keine Rolle mehr. Damit unterscheiden sie sich von Projektstrukturen, die auf das Delegieren und Überwachen erledigter Aufgaben mit Projekt- und Teamleitern setzen. In agilen Projekten übernimmt das Team in seiner Gesamtheit die Projektverantwortung. Doch um in einer solcher Struktur erfolgreich zu arbeiten, braucht es eine Grundvoraussetzung: Man muss den Begriff „agil“ richtig verstehen. Von Christoph Berger.

2001 veröffentlichten 17 Softwareentwickler, Berater und Coaches das „Manifest für agile Softwareentwicklung“. Ihr Ziel war es, bessere Wege zur Entwicklung von Software zu erschließen – unter Berücksichtigung für sie wichtiger Werte: So sind den Unterzeichnern des Manifests Individuen und Interaktionen wichtiger als Prozesse und Werkzeuge; eine funktionierende Software ist relevanter als eine umfassende Dokumentation; Zusammenarbeit mit den Kunden bedeutet mehr als Vertragsverhandlungen, und Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als das Befolgen eines Plans. Darauf aufbauend formulierten sie zwölf Prinzipien. Das erste lautet: „Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufriedenzustellen.“

Auch Stefan Roock, Geschäftsführer des auf agile Methoden spezialisierten Beraterunternehmens IT-Agile aus Hamburg, sieht im Erreichen von Kundenzufriedenheit einen wesentlichen Vorteil von agilen Projekten. Denn dabei wird der Kunde von Beginn an in die Entwicklung einbezogen. „Er bekommt jederzeit eine funktionsfähige und einsetzbare Softwareversion zur Verfügung gestellt“, erklärt Roock. Bei nichtagilen Methoden sei das nicht der Fall, da würde dem Kunden erst am Ende des Projekts das Ergebnis präsentiert. Passt dann etwas nicht, müsse in der Regel umfangreich nachgearbeitet werden. Doch in der heute sich schnell ändernden und komplexen Welt sei Flexibilität enorm wichtig, um reaktionsfähig und somit auch wettbewerbsfähig zu bleiben. Roock sagt weiter: „Durch das agile Vorgehen werden außerdem die Entwicklungsprozesse verschlankt, Risiken schneller sichtbar gemacht und der gesamte Entstehungszyklus der Software verkürzt.“ Die Folge: Kosteneinsparungen und weniger Bürokratie.

Ein weiterer Unterschied zu nichtagilen Projektmethoden ist der Stellenwert des Teams. Das erledigt und definiert seine Aufgaben selbstständig – es gibt keinen Projektleiter, lediglich einen Moderator. „Das setzt Vertrauen von der Geschäftsführung in die Mitarbeiter voraus, ist ein Zeichen von Respekt und macht sie motivierter und zufriedener“, weiß Roock. Allerdings sei Teamfähigkeit bei allen Beteiligten dafür eine Grundvoraussetzung, so der IT-Experte: „Der Status des Einzelnen im Unternehmen definiert sich nicht mehr über die Hierarchie.“ Und schon alleine wegen dieses Wechsels im Denken und Leben von Unternehmensstrukturen sei mit der Einführung von agilen Methoden auch die Einführung einer neuen Unternehmenskultur verbunden. Da wundert es auch nicht mehr, dass eine Kollegin von Roock mal auf die Frage ‚Was machen Sie eigentlich?‘ antwortete: „Ich bin Expertin für artgerechte Arbeit.“ Mit agilen Methoden unterstützt sie Unternehmen nicht nur bei der Umsetzung von Projekten, sondern fördert damit gleichzeitig auch noch mitarbeiterfreundliche Unternehmensstrukturen.

Das Manifest

Weitere Informationen zum „Manifest für Agile Softwareentwicklung“ und den damit verbundenen Prinzipien gibt es unter:
www.agilemanifesto.org

Projekte erfolgreich managen

Gerade für IT-Berater ist ein Großteil des Geschäfts Projektarbeit. Sie werden zwar auch wegen ihres Fachwissens beauftragt, meistens jedoch wegen ihrer Erfahrung in der Projektleitung. Doch wie sind IT-Projekte eigentlich organisiert? Welche Methoden gibt es? Und welche Fähigkeiten sollte ein Projektleiter mitbringen, damit die gewünschten Ziele auch tatsächlich erreicht werden? Von Christoph Berger.

Laut einer Forrester-Studie aus dem vergangenen Jahr liegen nur 40 Prozent aller internen IT-Projekte terminlich und inhaltlich im Plan. Die Gründe dafür sind vielfältig: Überlastung der Beteiligten durch zu viele parallel laufende Projekte, zu unklare Vorgaben oder zu wenig Fachkräfte. Als Hauptproblem nennen über 55 Prozent der Befragten jedoch die sich ständig ändernden Anforderungen der Fachabteilungen an die IT. Vor dem Hintergrund dieser schlechten Quote wundert es nicht, dass sich die Unternehmen IT-Berater und -Dienstleister ins Haus holen, die auf Projektarbeit spezialisiert sind.

Was solch ein Projektexperte mitbringen muss, weiß Dr. Martin Rhein, Leiter des Bereichs Projektmanagement beim IT-Beratungsunternehmen CGI in Sulzbach im Taunus. Er und seine Kollegen erhalten eine Vielzahl von Beratermandaten für Projektleitungen. Als Anforderung an die Berater steht die Projektleitung zwar im Vordergrund, doch sie alleine reicht als Kompetenz nicht aus. Rhein sagt: „Projektleiter müssen mit den Prozessen und Systemen der Industrie vertraut sein: Für ein Projekt aus dem Bereich Information and Communication Technology (ICT) zum Beispiel sollten sie Wissen über die Netzwerktechnologie und die dabei verwendeten Komponenten haben.“ Denn erkennt der Projektleiter die bestehenden Abhängigkeiten der Prozesse und Systeme zueinander in den jeweiligen Branchen nicht, kann er keine Entscheidungen und Prioritäten setzen. Dann könne es passieren, dass Interessen und Einflüsse der beteiligten Abteilungen das Projekt in eine ungünstige Richtung lenken. „Das Team muss dem Projektleiter das notwendige Vertrauen entgegenbringen. Ohne ein Mindestmaß an Fachlichkeit ist das Vertrauen nur schwer zu erlangen“, weiß der Experte. Allerdings muss der Projektverantwortliche selbst auch seinen Teammitgliedern vertrauen. Laut Rhein kann ein guter Projektleiter Menschen motivieren, gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Er führt durch Zielvereinbarungen und nicht durch die Vergabe von Aufgaben und Befehlen – ausreichend Freiraum für eigene Entscheidungen der Mitarbeiter sei wichtig, so Martin Rhein.

Trotz gewisser Freiheiten für seine Teammitglieder ist der Leiter dafür verantwortlich, das Projekt so zu steuern, dass die im Auftrag definierten Ziele erreicht werden. Er muss das Projekt entsprechend planen und aufsetzen, den Fortschritt überwachen und das Projekt geordnet beenden. „Hierzu muss er den Stand kennen, alle Beteiligten zeitnah über den Stand des Projektes informieren, Risiken identifizieren, Probleme nachverfolgen, für Lösungen sorgen und auf sich ändernde Anforderungen reagieren“, erklärt Rhein. Zudem hat der Projektleiter eine weitere, ganz wesentliche Aufgabe: „Er ist ein ‚Enabler of Change‘. Mit jedem Projekt wird etwas verändert: Prozesse, Systeme, Verantwortlichkeiten, Organisationsstrukturen. Die Einmaligkeit eines Projektes führt immer wieder zu viel Neuem.“ Und da Neues oft zu Unbehagen oder sogar Ablehnung bei einzelnen davon Betroffenen führe, sei es die Aufgabe des Leiters, unterschiedliche Interessen und Widerstände zu erkennen und Überzeugungsarbeit zu leisten.

Die Methoden beziehungsweise die Form der Durchführung reichen von dem klassischen als „Wasserfall“ bezeichnetem Vorgehen bis zu agilen Vorgehensmodellen. Bei Ersteren werden in aufeinanderfolgenden Phasen erst alle Anforderungen im Detail geklärt. Dann erfolgt das Design, das der späteren Umsetzung klare Regeln auferlegt. Nach der Umsetzung erfolgt die Qualitätssicherung, Abnahme und Produktivsetzung. „Bei einer agilen Vorgehensweise hingegen erfolgt die Umsetzung der geschäftlichen Anforderungen in kleinen Problemlösungsschritten, Iterationen genannt. So kann flexibel auf sich ändernde geschäftliche Anforderungen und Prioritäten reagiert werden“, erklärt Rhein. Zu jeder Iteration liegt dabei eine funktions- und einsatzfähige Software vor, die begutachtet und weiterentwickelt werden kann. Gerade in sich schnell ändernden Geschäftsfeldern, zum Beispiel im E-Commerce, hätten sich agile Vorgehensweisen, zum Beispiel Scrum, durchgesetzt. „Der grundsätzliche Unterschied liegt im Detailierungsgrad der Anforderungen zum Projektstart und dem Grad, zu dem der Auftraggeber während des Projektes eingebunden wird“, sagt Rhein.

Um im Plan zu bleiben, muss der Projektleiter regelmäßige Statusberichte über den Verlauf des von ihm verantworteten IT-Projekts einholen. Dazu gehören auch eine Überprüfung des Fertigstellungsgrads und der Qualität. Achtet er zudem noch auf die Stimmung in seinem Team, sollte einem erfolgreichen Abschluss nichts mehr im Wege stehen. Martin Rhein sagt: „Die Stimmung im Team ist ein sehr guter Indikator dafür, wo man gerade im Projekt steht.“

Buchtipps

Ernst Tiemeyer:
Handbuch IT-Projektmanagement: Vorgehensmodelle, Managementinstrumente, Good Practices.
Hanser 2014.
ISBN 978-3446440746.
49,99 Euro

Henning Wolf:
Die Kraft von Scrum: Inspiration zur revolutionären Projektmanagementmethode.
dpunkt. 2014.
ISBN 978-3864901645.
19,90 Euro

Interview mit Jan Brecht

Jan Brecht von Adidas zählt zur neuen Generation der CIOs. Er sieht die IT in modernen Unternehmen als wichtigen Businesstreiber, um neue Geschäftsfelder zu etablieren. Kurz: Der 42-Jährge will helfen, dass sein Konzern mehr Geld verdient. Wie das funktionieren kann und was er unter dem Profil eines „Rainmaking CIOs“ versteht, erzählt er im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Jan Brecht studierte von 1992 bis 1995 Elektrotechnik in Karlsruhe und hat einen Masterabschluss in Electro Engineering, den er im britischen Southampton absolvierte. Seine berufliche Karriere begann bei Daimler, wo er zuletzt als CIO Americas für die IT des Autobauers in Nord- und Südamerika verantwortlich war. Nach zwölf Jahren verließ er den Konzern und wechselte 2009 als CIO zur Adidas Gruppe. Bei den sogenannten Skip-Level-Lunches trifft sich der 42-Jährige mit Nachwuchskräften und Mitarbeitern, um in kleiner Runde Themen zu besprechen, die sein IT-Team beschäftigen.

Herr Brecht, Sie gelten als ein „Rainmaking“-CIO. Können Sie uns kurz erläutern, was das bedeutet?
Ein „Rainmaking“-CIO ist jemand, der sich nicht nur auf die Stabilität der Systeme und die Effizienz der Prozesse konzentriert, sondern sich auch dafür einsetzt, Umsatz und Marge zu erhöhen.

Wie kommt es, dass sich die IT heute verstärkt auch als Businesstreiber für die Unternehmen erweist?
Das ergibt sich aus der Reife und den Möglichkeiten der Technologie. Der Fortschritt ist wirklich rasant, und wer als IT-Experte die richtigen Ambitionen hat, findet diverse Chancen, daran zu arbeiten, dass das Unternehmen mehr Gewinn macht.

Wo gelingt Ihnen das bei Adidas besonders gut?
Sicherlich zum Beispiel bei unserer E-Commerce-Plattform, einem technisch getriebenen Geschäftsmodell, das wir weltweit eingeführt haben. Unsere Kunden haben dort unter anderem die Möglichkeit, ihre eigenen Schuhe zu konfigurieren – ein Business- Tool, das vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Den Umsatz der Plattform können Sie sehr einfach messen, und es zeigt sich, dass wir hier erfolgreich sind.

Ihre IT-Experten sind demnach auch Gestalter virtueller Verkaufsräume?
Das kann man so sagen, ja. Wobei wir hierbei auf zwei Aspekte achten. Zum einen auf den Umsatz, klar. Aber eben nicht nur. Wir fokussieren uns immer auf unsere Marken, die wir langfristig stärken möchten. Es geht also nicht alleine darum, schnell viel Geld umzusetzen.

Worauf kommt es an, wenn man für ein Unternehmen eine passende IT-Strategie finden und umsetzen möchte?
Beim Finden der Strategie gibt es in unseren Augen drei entscheidende Faktoren: Erstens müssen Sie die Mitarbeiter verstehen. Zweitens müssen Sie die Kunden verstehen – in unserem Fall sowohl die Handelspartner wie Karstadt oder Footlocker als auch die Endkunden, die letztlich unsere Produkte tragen. Drittens kommt es auf ein intaktes IT-Ökosystem an, also darauf, technische Trends zu setzen und auch die Prozesse sowie Zusammenhänge im Unternehmen zu optimieren. Zusammenfassen kann man die Anforderung an unsere IT-Strategie wie folgt: „Bauen Sie ein digitales Ökosystem für den begeisterten Verbraucher und den befugten Mitarbeiter.“

Man kennt Ökosysteme eher aus der Biologie. Warum haben Sie diesen Begriff gewählt?
Weil er neben den technischen Neuerungen für einen bedeutsamen Fortschritt der IT steht. Die traditionelle IT hat Punktlösungen angeboten, zum Beispiel für die Organisation des Vertriebs, der Logistik oder des Controllings. Ich denke jedoch, dass Sie die wirkliche Kraft der IT erst dann entfalten, wenn Sie innerhalb des Unternehmens Zusammenhänge herstellen. Wir als IT-Abteilung sollten diese Möglichkeit nutzen, da wir mit allen anderen Unternehmensbereichen zusammenarbeiten und daher in der Lage sind, ein solches System zu gestalten. Das ist für unsere IT-Spezialisten durchaus anspruchsvoll, weil wir heute nicht mehr nur lokal Dinge optimieren, sondern immer das große Ganze im Blick haben, nämlich das Unternehmen, das sich wie ein Organismus stetig wandelt.

Nun ist eine gute IT-Strategie das eine, aber wie gelingt die Umsetzung?
Ganz einfach: Sie brauchen dafür die richtigen Leute.

Was zeichnet diese aus?
Wenn wir über das Unternehmen als Ökosystem sprechen, ist es wichtig, möglichst alle Bereiche dieses Systems zu kennen und zu verstehen. IT-Experten müssen heute auch begreifen, wie Marketing funktioniert und worauf es in der Logistik ankommt. Es ist offensichtlich, dass die IT damit immer mehr Aufgaben erhält. Daher ist es wichtig, genau zu kommunizieren, welche Aufgaben wir als IT eben nicht mehr übernehmen können.

Zum Beispiel?
Wie alle großen Unternehmen verfügen wir über einen großen Fuhrpark und müssen daher Tankkarten managen und Reisekosten abrechnen. Das sind zwar wichtige, aber keine strategischen Aufgaben. Und wenn sie sich als IT-Abteilung strategisch verstehen, muss man den Mut haben, der Unternehmensführung klarzumachen, dass der IT-Support für solche Aufgaben ausgelagert werden sollte.

Die Mitarbeiter von Adidas sind vergleichsweise jung. Welche besonderen Bedürfnisse von ihnen muss man als IT-Spezialist im Blick haben?
Zum einen sind jüngere Mitarbeiter in der Regel gewohnt, mit Tablets und Smartphones umzugehen, also mit Geräten, die darauf getrimmt sind, dass man sie intuitiv nutzt. Damit steigt der Anspruch an die IT, auch im Unternehmen Systeme bereitzustellen, die intuitiv bedient werden können, sodass klassische Handbücher und IT-Trainings aus dem Unternehmensalltag verschwinden. Ein zweiter Punkt: Noch vor fünf Jahren habe ich als CIO im Unternehmen die kostengünstige Anschaffung von Standard-PCs durchgedrückt. Heute offerieren wir das Prinzip „Bring your own device“. Ich bin der Meinung, dass man bei einer jungen Mitarbeiterschaft mehr davon hat, bei der Hardware eine Flexibilität zuzulassen. Das verursacht zwar unter Umständen höhere Kosten. Jedoch steigt auch die Produktivität, weil die Leute auf der Hardware ihrer Wahl besser arbeiten. Ein dritter Punkt: Wir haben vor einiger Zeit das Intranet neu gestaltet, sodass unsere Leute heute auf dieser Plattform geschäftliche Dinge so kommunizieren können, wie sie es bei privaten Social-Media-Aktivitäten gewohnt sind.

Sie sorgen also dafür, dass sich Ihre Mitarbeiter bei der Nutzung der IT beinahe wie zu Hause fühlen?
Exakt. Dabei freut es uns, wenn sich die Leute wohlfühlen und dadurch ihre Produktivität steigt.

Mit Blick auf diese vielen neuen Herausforderungen für eine „Rainmaking“-IT: Welche Fähigkeiten wünschen Sie sich bei Ihren Nachwuchskräften?
Was wir brauchen, sind Leute, die Themen erfolgreich umsetzen können – und zwar auch gegen Widerstände. Gerade in einem Bereich wie der IT, in dem die Komplexität ständig zunimmt, sind Mitarbeiter mit Kompass gefragt, die wissen, wo ihr Nordstern ist, und sich mit Blick auf dieses Ziel nicht vom Weg abbringen lassen.

Zum Unternehmen

Der deutsche Sportartikelhersteller Adidas hat seinen Stammsitz im fränkischen Herzogenaurach und vereint unter seinem Dach die Marken Adidas, Reebok und TaylorMade. Mit mehr als 50.700 Mitarbeitern in über 160 Ländern produziert die Gruppe mehr als 650 Millionen Produkte pro Jahr. In der Zentrale in Herzogenaurach arbeiten mehr als 3700 Beschäftigte. Die Belegschaft ist international und jung: Das Durchschnittsalter liegt weltweit bei 31 Jahren, im Hauptsitz bei 37 Jahren. Für IT-Spezialisten bietet das Unternehmen neben klassischen Karrieremöglichkeiten als Führungskraft mit Personalverantwortung auch Expertenlaufbahnen.

„Ausgangspunkt sollte IT sein“

Das Projekt „SmartF-IT“ entwickelt Lösungen, wie IT-Know-how in die Fabriken der Zukunft integriert werden kann. Warum es dabei weiterhin auf den Menschen ankommt und welchen Stellenwert IT-Spezialisten zukünftig in den Unternehmen haben werden, erklärt „SmartFIT“-Koordinator Dr. Dietmar Dengler. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dietmar Dengler, Foto: Privat
Dietmar Dengler, Foto: Privat

Dr.-Ing. Dietmar Dengler ist stellvertretender Forschungsbereichsleiter am Forschungsbereich Intelligente Benutzerschnittstellen im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. Aktuell ist er unter anderem technisch-wissenschaftlicher Koordinator im Industrie-4.0-Verbundprojekt „SmartF-IT“. Diese vom Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderte Allianz von Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt Software, die es den Mitarbeitern in den Unternehmen erlaubt, die Vorteile der cyber-physischen Produktionssysteme ohne zusätzliche Arbeitsbelastung zu nutzen.

Herr Dr. Dengler, IT-Systeme sind der Innovationsmotor für die Industrie 4.0. Wie weit sind wir denn schon mit der sogenannten vierten industriellen Revolution?
Was definitiv zunimmt, ist die Standardisierung, Vernetzung und Integration der IT-Schnittstellen in bereits bestehende Systeme. Diese Entwicklung minimiert Umrüstzeiten. Zudem lassen sich einzelne Ressourcen flexibler kombinieren. Hier liegt jedoch nicht der Kern von Industrie 4.0. Oder anders gesagt: Diese Schritte sind notwendig, aber nicht hinreichend.

Wo besteht demnach Bedarf?
Vor allem in der Unterstützung der Mitarbeiter. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn sich die Industrieanlagen und Produkte häufiger verändern und die Zahl der Varianten steigt. Auch in der flexiblen Produktion sind weiterhin Menschen involviert, sowohl auf der planerischen als auch auf der ausführenden Seite. Neue Systeme und Technologien haben die Aufgabe, den Menschen dabei zu helfen, mit der neuen Komplexität umzugehen.

Wodurch zeichnet sich diese Komplexität aus?
Es müssen schnell und häufig Entscheidungen getroffen werden, ohne dass dadurch eine mentale Belastung entsteht oder die Qualität leidet. Neben vielen verlockenden positiven Aspekten müssen wir eben auch die negativen Seiten beachten: Datenüberflutung, aber natürlich auch die unbefugte Nutzung der Daten.

Wie sollten Smart Factorys in den Unternehmen integriert werden: Schritt für Schritt, ohne die bisherige Produktion auf den Kopf zu stellen? Oder sprechen wir hier tatsächlich von einer Revolution, die alles Bisherige auf den Kopf stellt?
Diese Revolution kann nur als Evolution daherkommen. Dies ist schon deshalb notwendig, weil Erfahrungswerte und bewährte Strategien für die Umstellung hin zu einer Smart Factory fehlen. Noch gibt es nicht genügend Experten, die in der Lage sind, diese Umstellung durchzuführen und vor allem dauerhaft zu begleiten. Daher wird man die bestehenden Anlagen in der Regel nach und nach mit Smart- Factory-Technologien nachrüsten, statt ganze Linien auszutauschen oder neu zu bauen.

Wie sieht das Anforderungsprofil für IT-Spezialisten aus, die in naher Zukunft Smart Factories einrichten: Sind sie im Herzen weiter Informatiker oder eher moderne Maschinenbauer?
70 Prozent Informatik, 30 Prozent Maschinenbau. Basis für den Smart- Factory-IT-Spezialisten ist weiterhin eine fundierte Informatikausbildung. Schwerpunkte sind dabei die Felder Systemmodellierung, Softwarearchitektur, Datenanalyse, Sicherheitsinfrastruktur und User Experience. Aber es ist auch ein Grundverständnis für den industriellen Fertigungssektor von Bedeutung. Nur so kann man die Probleme und Herangehensweisen in den Fabriken verstehen. Der primäre Ausgangspunkt sollte jedoch die IT sein.

Wie und wo werden die Experten zum Einsatz kommen?
Es wird sowohl externe Dienstleister als auch interne Fachexperten geben – wobei diese aus Kostengründen wohl nur in größeren Unternehmen zum Einsatz kommen. Dort ergänzen sie dann die Ingenieurgruppe mit ihrem IT-Know-how. So oder so: IT darf nicht mehr allein Dienstleister sein. Die IT wird sich zunehmend zu einem treibenden Mitgestalter mit großem Verständnis für die industrielle Produktion entwickeln. Dadurch werden die IT-Experten in den Unternehmen an Bedeutung gewinnen, weil immer mehr Fertigungs-Know-how vor allem IT-Know-how sein wird. Das muss man besitzen, um sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten.

Platinion lässt eine Skyline aus Spielkarten erbauen

Ab dem 30. Oktober ensteht am Flughafen Düsseldorf auf einer Fläche von 30 qm eine Miniatur der New Yorker Skyline – erbaut aus Spielkarten vom Weltrekordhalter im „Cardstacking“ Bryan Berg.

Das IT-Beratungsunternehmen Platinion bewirbt mit diesem Projekt unter dem Motto „Sie wollen Einzigartiges aufbauen? Dann sollten Sie mit den richtigen Architekten arbeiten“ sein Beratungsgeschäft.

Daniel Schneider, Geschäftsführer bei Platinion, sieht die Parallelen vom Cardstacking zum eigenen Beratungsgeschäft so: “ Einzigartiges aufbauen. Mit viel Verständnis für die Details und einem klaren Blick für das große Ganze – also das Geschäft unserer Kunden – IT Lösungen in hoher Qualität umzusetzen, das ist es was unsere Arbeit so spannend und interessant macht.“ Mit dem Projekt am Flughafen will die BCG-Tochter Platinion die Beratungswelt und die Herausforderungen, die einem im Projektalltag begegnen, auf visuelle und kreative Art und Weise verständlich machen.

In nur 14 Tagen entsteht das New Yorker Stadtbild in der Haupthalle des Flughafens zwischen Flugsteig A und B, welches Live und vor Zuschauern errichtet wird. Nach dem Aufbau können Passagiere das Kunstwerk weitere 2 Monate vor Ort oder auf der Projektwebseite ansehen, die derzeit noch erstellt wird.

IT sitzt am Steuer

Im Zeitalter von Industrie 4.0 rücken IT-Experten in die Herzen der Industrieunternehmen vor. Mithilfe ihres Know-hows schenken sie den Firmen ungeahnte Möglichkeiten in der Produktion. Doch auch bekannte IT-Themen wie Sicherheit oder Stabilität verlieren deswegen keinesfalls an Bedeutung. Von André Boße

Industrie 4.0 steht für mehr als nur eine Entwicklung. Es ist die Bezeichnung für ein Sammelsurium an Möglichkeiten, die die Industrie auf ein neues Niveau heben können. Zum Beispiel steht Industrie 4.0 für digitalisierte Produktionsprozesse, das Internet der Dinge, 3-D-Drucker, virtuelle Realitäten und cyber-physikalische Systeme, in denen sich Software, Elektronik und Mechanik treffen. Schon bei diesen Begriffen wird deutlich, wie stark sich in Zukunft die Zuständigkeiten in den Fabriken verändern werden. IT wird nicht länger nur „gute Dienste“ tun. Sie wird sich einmischen und das Steuerrad übernehmen. Natürlich steigt damit die Nachfrage nach IT-Spezialisten in den Unternehmen. Und auch das Anforderungsprofil ändert sich: Der Informatiker ist in Zukunft mehr als der Verantwortliche dafür, dass alles rund läuft. Er bestimmt mit seinem Knowhow die Produktionsstrategie mit – und zwar im engen Austausch mit den Experten aus Fertigung, Vertrieb und Logistik. Kurz: Mit der Industrie 4.0 rückt die IT in das Herz eines jeden Unternehmens.

Was war vor Industrie 4.0?

Industrie 4.0 wird auch als vierte industrielle Revolution bezeichnet. Bis ins mittlere 18. Jahrhundert muss man zurückblicken, um die Umwandlungen der ersten industriellen Revolution zu erkennen: Vor allem in England entstanden die ersten Fabriken mit Maschinen. Begriffe wie Kapital, Unternehmertum oder Proletariat tauchten damals zum ersten Mal auf. Der Durchbruch der Elektrizität und das Aufkommen neuer Branchen wie der Chemieindustrie markiert die zweite industrielle Revolution Ende des 19. Jahrhunderts. Als dritte Revolution wird die Digitalisierung der Industrie bezeichnet, die in den 1980er-Jahren begann und sich spätestens 2002 manifestierte. Vor zwölf Jahren speicherten die Menschen nach einer Schätzung der US-Zeitschrift The Economist zum ersten Mal mehr Informationen digital als auf analogen Medien.

Neue Systeme, neue Chancen
Dabei ist der Schritt in die Industrie 4.0 kein Selbstzweck. Er ist nötig, weil sich in Deutschland zwei Entwicklungen abzeichnen: Erstens wird der Industriekunde immer anspruchsvoller. Er möchte individualisierte Produkte – und zwar schnell und kostengünstig. Dieses Bedürfnis formuliert er jedoch nicht aus einer Laune heraus. Die Produktion in den Industrieländern – und das ist der zweite Punkt – sucht nach neuen Konzepten, um sich gegen die globale Konkurrenz zu behaupten.

Da die Informationsstrukturen in den bisherigen Fabriken zu langsam und zu teuer sind, müssen neue Systeme her. Nur intelligente Fabriken sind in der Lage, den hohen Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden. Sie bringen die Industrie einen großen Schritt nach vorne, indem sie IT-Know-how in die Produktionsprozesse einbringen. Dieser Wandel ist zwingend notwendig, weil die Produktion im Zuge der Industrie 4.0 deutlich an Komplexität zulegt: Wenn schnell, individuell und effizient produziert werden soll, und zwar ohne Einbußen bei der Qualität, dann geht das nicht durch Zauberhand. Dafür werden IT-Systeme gebraucht, die in Sekundenbruchteilen entscheiden und modifizieren – und das im ständigen Kontakt mit allen Komponenten der Anlage.

Hindernisse überwinden
Mit Blick auf die Industrie 4.0 muss sich also in den Fertigungshallen der Unternehmen Einiges tun. Dass Veränderungen in diesem Bereich nicht immer einfach sind, weiß Rolf Adam, der bei Cisco Systems als Director Industry Sales unter anderem für den europäischen Markt verantwortlich ist. Bei vielen Industriekunden entdeckt er weiterhin Systeme und Maschinen, die nicht zukunftsfähig sind. „Viele Unternehmen zögern jedoch, diese zu ersetzen, da sie laufende Systeme nicht ändern wollen und die Investitionsund Einrichtungskosten fürchten. Hinzu kommt mangelndes Verständnis oder sogar Angst vor der neuen Technologie.“ Hier kommt es für IT-Experten darauf an, die richtigen Argumente für die Veränderung zu finden. Das funktioniert mit Blick auf die Kunden nur, wenn man sich als Informatiker in deren Lage versetzt.

Kein Wunder also, dass die großen IT-Unternehmen mit Blick auf das Geschäftsfeld Industrie 4.0 auf Nachwuchskräfte setzen, die den Spagat zwischen IT und Produktion beherrschen. Schließlich haben sich Maschinenbauer bislang in der Regel nur wenig Gedanken über Software gemacht. Und umso intensiver müssen sie nun von IT-Experten in das Thema eingeführt werden. „Wir benötigen dafür Mitarbeiter, die das Geschäft unserer Kunden im Detail verstehen – und zwar nicht nur wie in der Vergangenheit von der Prozessseite her, sondern auch von der Produktseite“, sagt Georg Kube von SAP, der als Global Vice President für den Bereich Industrial Machinery & Components verantwortlich ist. Auch bei Cisco Systems bestimmen die Herausforderungen der Industrie 4.0 das Recruiting entscheidend mit. „Wir haben massiv in den Aufbau industriespezifischer Kompetenzen investiert“, sagt Rolf Adam. „Jedes Industriesegment spricht eine eigene Sprache und stellt spezifische Anforderungen, denen wir entsprechen müssen.“

IT und Produktion wachsen zusammen
Traditionell gibt es in den Unternehmen zwei Technologiewelten, die in weiten Bereichen voneinander getrennt sind. Da ist zum einen die IT, die mit Hilfe eines ERP-Systems – ERP steht für „Enterprise Resource Planing“ – alle unternehmerischen Abläufe plant und steuert. Zum anderen gibt es die „Operational Technology“ (OT), also die Fertigungssoftware, die zum Beispiel auf den Controllern der Maschinen läuft. „Die Kernfrage bei der Smart Factory ist, wie diese beiden Welten effizient zusammengebracht werden können“, sagt Georg Kube. Die Herausforderung liegt darin, die jeweiligen Stärken von IT und OT optimal aufeinander abzustimmen. Vor welchen Herausforderungen IT-Experten hier stehen, zeigt das Beispiel der Laufzeiten in den beiden Technologiewelten. Kube erklärt: „IT-Systeme haben zumeist eine Zeittaktung, die zwischen Tagen und Minuten liegt, sodass ein Mensch damit interagieren kann. Auf der OTSeite finden Sie jedoch Maschinen, die Prozesse im Bereich von Mikrosekunden ausführen.“ Wer die beiden Welten miteinander verzahnen will, muss also die verschiedenen Taktgeschwindigkeiten aufeinander abstimmen. „Hierin liegt ein erhebliches Potenzial für Effizienzgewinne.“

Moderne Anlagen: echt und virtuell
Während sich SAP auf die Bereitstellung von Software und deren Anwendung in den intelligenten Fabriken fokussiert, entwickelt der Automatisierungsspezialist ABB die für die Industrie 4.0 notwendigen neuen Anlagen. Dabei kommt es darauf an, „jedem physikalischen Objekt in einer Produktionsanlage auch ein Modell im Netz, also eine virtuelle Beschreibung, zuzuordnen“, erklärt Christian Zeidler, der als Manager im Bereich Industrial Software & Applications im ABB Forschungszentrum Ladenburg an den Anlagen der Zukunft arbeitet. Die Internettechnologien haben dann die Aufgabe, die einzelnen Komponenten miteinander zu vernetzen. Zeidler sagt: „Damit können reale Produktionsmittel direkt untereinander interagieren.“ Die konkreten Vorteile dieser neuen Technologie erarbeitet der Entwicklungsmanager in enger Kooperation mit seinen Kunden. Ein Beispiel aus der Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Chemiebranche: Für diese ist es wichtig, dass die Zeitspanne von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bis hin zur Produktionsanlage möglichst kurz ist. Außerdem soll die Produktionsmenge flexibel mit der Nachfrage Schritt halten. Intelligente Fabriken mit einem „Internet der Dinge“ sind in der Lage, für diese Unternehmen neue Standards in der Produktion zu setzen.

Sicherheit im Fokus
Nicht wenige Branchen sehen also bereits die Vorteile der Industrie 4.0. Doch neben einer gewissen Trägheit gegenüber Veränderungen gibt es noch eine weitere wichtige Herausforderung, auf die IT-Experten bei ihren Gesprächen mit den Industriekunden treffen: das Thema Sicherheit. „Industrie- 4.0-Szenarien sind relativ sicher, solange sie sich innerhalb der Fabrik und damit hinter der Firewall abspielen“, sagt Christian Zeidler von ABB. Bei Systemen, die in der Cloud betrieben werden, seien die Anforderungen dagegen ungleich höher: „Wenn Sie zum Beispiel eine Kollaborationsplattform für diverse Fertigungsschritte in der Cloud nutzen, verlassen Sie mit Ihren Produktionsdaten die sicheren vier Wände Ihrer Fabrik und begeben sich in öffentliche oder halböffentliche Datenleitungen. Das stellt in der Tat eine Herausforderung an die Sicherheit dar, denn solche Datenleitungen sind angreifbar.“ Ziel der IT sei es demnach, Möglichkeiten zu finden, den Datenverkehr auch außerhalb der eigenen Firewall sicher zu gestalten. „Die Herausforderung besteht letztlich darin, die richtige Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität zu finden“, erklärt Zeidler. Als eine weitere Gefahrenquelle im Bereich Security nennt Rolf Adam von Cisco Systems das geforderte Zusammenwachsen von IT und OT. „Zum Beispiel können Schadprogramme aus dem Office-Netz auf das Produktionsnetz übertragen werden. Deswegen muss man den möglichen Zugriff von zahlreichen Akteuren auf die Anlagen im Firmennetz beschränken und absichern.“

Industrie 4.0 ist Pionierarbeit
Doch auch wenn die Sicherheit gewährleistet ist, stellt die Industrie 4.0 Informatiker vor noch manch andere gedankliche Herausforderungen – eine Tatsache, die Jobs in diesem Bereich anspruchsvoll, aber auch spannend macht. In vielen Fällen leisten IT-Experten hier echte Pionierarbeit, schließlich ist die Vernetzung vielfach unerprobt. „Zum Beispiel bedarf das Zusammenspiel der miteinander verbundenen Maschinen und Geräte eine genaue Abstimmung sowie frühzeitige Tests, um das Risiko einer verspäteten Inbetriebnahme und deren finanzielle Folgen zu reduzieren“, fordert Christian Zeidler von ABB. „Diese Planung und Realisierung findet dabei häufig firmenübergreifend statt, wodurch Datenaustausch und Tests zusätzlich erschwert werden.“ Bei all dem wird deutlich: Der IT-Spezialist im Zeitalter von Industrie 4.0 ist weit mehr als ein Systemstabilisator. Seine Arbeit ist der notwendige Schlüssel dafür, die Chancen der vierten industriellen Revolution zu nutzen und die mit ihr einhergehenden Risiken einzudämmen. Ob als externer Dienstleister oder interner IT-Spezialist: In den Firmen nimmt er eine andere Position ein. Er bestimmt Strategien mit und erneuert Prozesse, die Einfluss auf beinahe alle Bereiche des Unternehmens haben. Kurz gesagt: Die Industrie 4.0 hat die IT im Herzen.

Industrie 4.0: Was muss man draufhaben?

Die befragten Industrie-4.0-Experten aus den Industrie- und IT-Unternehmen empfehlen Einsteigern, neben dem Informatikstudium für die IT-Grundlagen zusätzliche Industrie- und Ingenieurkenntnisse zu erwerben. Frühe Spezialisierungen, beispielsweise in Richtung Ingenieurinformatik, steigern die Chancen für einen erfolgreichen Karriereeinstieg.

Sinnvoll sind zudem Praktika in produzierenden Unternehmen sowie Fort- und Weiterbildungen. Bei Letzterem sollte es inhaltlich um die Ingenieurthemen Maschinenbau, Produktentwicklung sowie Fertigungs- und Automatisierungstechnik gehen.

karriereführer ingenieure 2.2014 – Ingenieure mit MBA

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Cover karriereführer ingenieure 2.2014

Spitzenpositionen für Ingenieure – Mit Managementqualifikationen ganz nach oben

Aufwärts. Mit einem MBA-Abschluss kombinieren Ingenieure ihr technisches Know-how mit wichtigen Managementfähigkeiten. Danach geht es häufig in attraktive Führungspositionen. Dort kommt es dann aber nicht nur auf Fachwissen und BWL-Kenntnisse an: Führung bedeutet Macht – und so rücken Themen wie Ethik und Work-Life-Balance in den Fokus.

Wenn man nicht alles selber macht!

Ob an der Uni oder im Online-Tutorial: Jeder technikbegeisterte Mensch kann heute lernen, wie man sich ein lustiges Radio baut. Und in der örtlichen Bücherei mit dem 3-D-Drucker experimentieren. Bei so manchen der neuen Do-it-yourself-Ingenieure entsteht aus der Bastelei sogar eine Berufsperspektive. Von Petrina Engelke

Schon mal in einem Erfinderladen gewesen? In Deutschland gibt es mehrere, und sie zeigen: Menschen mit Technikverstand haben jede Menge Humor. Da gibt es Flaschenöffner zu kaufen, die den Kronkorken zielgerichtet in den Müll schleudern, eine WC-Dusche, die die Klobürste ersetzt, einen „Hausmüllverdichter“ namens Pressident und auch Clocky, den weglaufenden Wecker, den die MIT-Studentin Gauri Nanda vor knapp zehn Jahren bastelte und dessen Beliebtheit ihr später eine erfolgreiche eigene Firma bescherte.

„Wir sehen als Erfinderladen die Chance, Kleinserien in einer Testmarktumgebung direkt am Kunden zu testen, um dann diese Erfahrungen in ein Serienprodukt einfließen zu lassen“, sagt Gerhard Muthenthaler, Mitbegründer der Erfinderläden in Berlin, Hamburg und Salzburg (und online). Originelle Geschenkartikel sind nur die Spitze des Eisbergs. Eigentlich dienen die Läden als Schaufenster für einen Service, bei dem er und sein Kompagnon Marijan Jordan immer mehr Zulauf beobachten: die Erfinderhaus-Patentvermarktung. Sie berät Erfinder – von der Frage nach Patent- und Geschmacksmusterschutz über die Kalkulation und die passenden Vertriebskanäle bis hin zu einem Punkt, den viele Bastler übersehen: die Verpackung. Sie solle den Kunden ansprechen und sofort verraten, was er da in der Hand hält, rät Muthentaler. „Während vor zehn Jahren das Bild vom Bastler noch das eines ganz eigenen Typen war, der isoliert in seinem Keller vor sich hin tüftelte, hat es dieses Hobby inzwischen aus dem verstaubten Image an die Oberfläche geschafft“, sagt Muthentaler. „Wir leben in einer Zeit, in der durch Youtube-Tutorials und Blogs theoretisch jeder jedes Wissen erlangen und ein kleiner Ingenieur werden kann.“

Die Entwicklung der Wissensverbreitung haben sich Axel Heinz und Amber Riedl auf ganz andere Weise zur Berufsperspektive gemacht. Auf ihrer Webseite „Makerist“ kann man aufwändig produzierte Handarbeits-Videokurse und dazugehörige Materialpakete bestellen. „Das Schöne bei Start-ups ist, dass man die Wirkung seiner Arbeit viel schneller und unmittelbarer erlebt und direkt am Markt Erfahrungen macht“, sagt Axel Heinz, der zuvor im Produktmanagment bei Firmen wie Ebay und Dawanda gearbeitet hatte. Eine dieser Erfahrungen war: Es ist deutlich komplexer, einen guten Videokurs zu produzieren, als die „Makerist“-Macher es sich vorgestellt hatten. Doch daraus haben sie sozusagen ein Do-it-yourself-(kurz: DIY-)Projekt für Selbermacher erstellt – und Hand angelegt. Nach 22 Videokursen haben sie es längst raus, wie man den richtigen Lehrer findet, ein ansprechendes DIY-Projekt entwickelt, die Lernschritte aufbaut, einen Drehplan schreibt, ein Team bucht – und auch am eigenen Leib erfahren, warum ihre Kunden lieber etwas selbst machen, als die Läden zu durchwühlen. „Dinge selber zu machen ist ungemein entspannend, aber auf eine anregende und kreative Weise, und der Stolz auf das Ergebnis vollendet das Glücksgefühl“, sagt Axel Heinz. „Hinzu kommt, dass nach Jahren der Digitalisierung, Beschleunigung und Globalisierung das Pendel zurückschwingt. Es ist schön, etwas Echtes in den Händen zu halten, das nicht am anderen Ende der Welt produziert wurde.“

Dass das Pendel wieder in die andere Richtung schlägt, hat aber nicht – oder nicht nur – mit dem Zeitgeschmack zu tun. Mit seinem 2012 erschienenen Buch „Makers“ ruft Ex-„Wired“-Chefredakteur Chris Anderson die nächste industrielle Revolution aus: Verbraucher werden zu Erfindern und Produzenten – und sparen sich all die Firmen, Fabriken und Fließbänder, die sonst zum Beispiel zwischen einer Smartphonehülle und einem Telefonbesitzer stehen. Denn die Hülle kann sich inzwischen jeder selber machen – im 3-D-Drucker.

Für manche der neuen DIY-Ingenieure wird aus der Bastelei sogar ein Geschäft. Roland Wolf etwa tüftelte mit seiner Freundin Mary sowie den Geschwistern Christian und Martin im elterlichen Keller an einer Idee: Sie wollten Brillen aus einem natürlichen Material herstellen, und zwar aus einem Stück, ganz ohne Schrauben. Mit einfachsten Mitteln schafften sie es binnen eines Monats, eine erste Holzbrille zu basteln – doch sie taugte noch nicht. Die Freude am Selbermachen blieb. „Wir machen fast alles selbst – von der Brille über das Etui und den Samplekoffer bis hin zum Messestand“, sagt Roland Wolf heute. Längst ist aus der Keller-Bastelei eine Firma namens Rolf Spectacles gewachsen, die eigene Patente hält.

Die neuen Selbermacher werden Fachkräfte und studierte Ingenieure aber nicht verdrängen. Schließlich arbeiten beide an unterschiedlichen Dingen. Erfinderladen-Chef Muthentaler fasst es so zusammen: „Der Ingenieur arbeitet oft im Auftrag an der Lösung eines klar definierten Problems. Der Bastler erkennt selbst das Problem, welches er dann zu lösen versucht.“

Auch Ingenieure, die sich nicht mit einer eigenen Idee selbständig machen möchten, können sich von diesen Bastlern etwas abschauen: die Art und Weise, wie sie Probleme lösen. So haben beispielsweise die Rolfs die ersten Hürden nicht nur mit Beharrlichkeit, sondern auch mit Maschinen-Hacking überwunden: Als gelernter Bau- und Landmaschinentechniker half Martin Iljazovic, Geräte wie eine Melkmaschine und Mopedbremsen zweckzuentfremden, um näher an die perfekte Holzbrille heranzukommen. Diese Experimente mündeten später in einer spezialisierten Fertigungstechnik. Wenn man nicht alles selbermacht!

Web-Tipps für DIY-Freunde

Das große Bastler-Vorbild aus den USA: Limor Fried alias Lady Ada. Mit Material für DIY-Ingenieure hat sie inzwischen eine eigene Firma namens Adafruit Industries gegründet.
www.adafruit.com