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„Digicale“ Strategien umsetzen

Für Konsumenten besteht zwischen digitaler und realer Welt kein Unterschied. Dies sollte auch für Unternehmen gelten. Um gemeinsam mit dem Kunden eine digital-physische Transformation planen und erfolgreich umsetzen zu können, benötigen Beratungsunternehmen technisch versierte Consultants. Von Walter Sinn, Managing Director, Bain & Company, Germany.

Kein Unternehmen kann die digitale Welt heute noch ignorieren. Gleichzeitig aber vernichten Konzerne, die ihr angestammtes Kerngeschäft vernachlässigen, um internetbasierte Start-ups ohne besonderen Wettbewerbsvorteil aufzubauen, letztlich nur Kapital. Berücksichtigt wird nicht, wie sich die neue Netzwelt aus Konsumentensicht darstellt. Tatsächlich verweben Verbraucher die digitale und physisch-reale Sphäre heute so nahtlos, dass sie nicht verstehen, warum Unternehmen nicht dasselbe tun. Daher sind „digicale“ Transformationen – also Ansätze, die physisches Geschäft und digitale Anwendungen clever verbinden – wesentlich für künftigen Unternehmenserfolg. Durch die Analyse von 300 Erfolgsbeispielen aus 20 Branchen hat Bain fünf Schlüsselfaktoren identifiziert, die in der digicalen Welt den Unterschied machen zwischen Triumph und Niederlage.

Regel eins: Die Fusion von digitaler und realer Welt schafft Wettbewerbsvorteile

Viele Manager glauben, dass es keine nachhaltige Unternehmensstrategie mehr gibt, weil sich die Technologie zu schnell ändert, und dass, wer überleben will, heute von einer Chance zur nächsten springen muss. Doch dieser Ansatz schüttet das Kind mit dem Bade aus: Kernkompetenzen gehen verloren, während große Summen in riskante Projekte gesteckt werden. Digicale Transformation dagegen schafft Wettbewerbsvorteile, ohne das eigentliche Geschäftsmodell eines Unternehmens zu gefährden. Dies zeigt das Beispiel der Commonwealth Bank of Australia (CBA). 2006 machte es sich die CBA zur Aufgabe, von der in Kundenzufriedenheitsumfragen schlechtesten zur besten Bank Australiens zu werden, und knüpfte die Boni ihrer Führungskräfte an die Erreichung dieses Ziels. Es folgte eine digitale Innovation nach der anderen, um die Kunden Schritt für Schritt besser beraten und unterstützen zu können. 2013 war es geschafft – und außerdem der Börsenwert um 80 Prozent gestiegen. Der australische Börsenindex legte im gleichen Zeitraum lediglich um neun Prozent zu.

Regel zwei: Kunden wollen nahtlose Konsumerfahrung

Digicale Transformation bedeutet nicht, nur das Bestehende zu digitalisieren. Vielmehr gilt es, jeden Schritt des Kundenkontakts systematisch durchzugehen, um ein geschlossenes, kohärentes System zu schaffen. Nike ist dafür ein gutes Beispiel. Kunden können nicht nur online personalisierte Produkte bestellen, auch helfen ihnen Apps, ein komplettes Fitnessprogramm zu entwickeln. Inzwischen gibt es mit dem Nike+Fuelband ein elektronisches Armband, das Kunden durch den gesamten Tag begleitet. Dadurch verzeichnet Nike das höchste Social-Media-Engagement von Kunden in der Branche – und für das Geschäftsjahr 2013/2014 ein Plus von 42 Prozent im Internetvertrieb.

Regel drei: Digicale Innovation folgt eigenen Gesetzen

Bislang definiert die Unternehmensleitung eine neue Aufgabe und die IT-Abteilung muss liefern. Digicale Transformation entsteht jedoch in komplementär besetzten Teams, in denen Digitalexperten auf jeder Stufe den Innovationsprozesses mitbestimmen. Disney hat hier Pionierarbeit geleistet. Um die Themenparkerfahrung für den Besucher zu personalisieren, entwickelten multifunktionale Teams eine Website und eine App, mit denen Kunden Trips planen können, einen digitalen Besucherpass, mit dem sich Attraktionen vorausbuchen lassen, und Armbänder, die gleichzeitig als Ticket, Kreditkarte und Zimmerschlüssel eingesetzt werden können. Heute ist Disney auf dem besten Weg, 20 Prozent operative Marge zu realisieren.

Regel vier: Getrennte Organisationsstrukturen sind eine Interimslösung

Digitale Geschäfte starten oft als Konzernausgründung. Letztlich sollte das Ziel jedoch sein, das Beste aus traditioneller Konzernwelt und Start-up-Klima zu verbinden und so die Vorteile von Größendegression, guter Koordination und nahtloser Konsumerfahrung zu realisieren. Die US-Warenhauskette Macy‘s macht diese Omnikanal-Strategie vor: Kunden können online einkaufen und die Ware dann im nächstgelegenen Shop abholen. Eine App und eine Organisation aus einem Guss helfen Käufern und Mitarbeitern, das im Netz Bestellte in der realen Welt schnell aufzuspüren.

Regel fünf: Ohne Digitalexperten im Top-Management geht es nicht – und das schließt den CEO mit ein

Top-Manager, die nicht technikaffin sind, müssen mehr Zeit mit Technologieexperten verbringen und diese in ihre Aufsichtsräte holen. Auch sollten sie mit den Geräten „spielen“, die ihre Kunden benutzen. Burberry beispielsweise etablierte einen „Strategic Innovation Council“, der aus den jüngsten und innovativsten Führungskräften besteht, die den CEO beraten. Seit Einführung des Councils im Jahr 2006 verdreifachte sich der Börsenwert von Burberry. Dagegen legte der britische FTSE-100-Index im Vergleichszeitraum bis 2014 nur um 19 Prozent zu.

Der Fiesta deklassiert seine Wettbewerber dank Ford Sync, einem intelligenten Bordcomputer, der sich mit dem Smartphone der Fahrer kurzschließt. Ein wesentlicher Bestandteil des Turnarounds von Delta Airline ist die Fly Delta App, die es Passagieren erlaubt, Parkplätze vorauszubuchen, einzuchecken und den Weg des Gepäcks zu verfolgen. Kurz: Die digitale Revolution ist keineswegs dabei, traditionelle Geschäfte zu zerstören – sie transformiert sie lediglich. Die Gewinner in diesem Spiel sind diejenigen Unternehmen, die für den Kunden durch digicale Transformation das Beste aus beiden Welten nutzbar machen. Unterstützt werden sie dabei von Beratern, die die technologischen und strategischen Anforderungen verstehen und Erfahrungen aus verschiedenen Branchen mitbringen.

Schlusswort: Numan Acar

Der deutsch-türkische Schauspieler Numan Acar ist nicht nur durch seine Film- und Serienrollen bekannt. Der 41-Jährige schreibt auch Drehbücher, produziert Filme, führt Regie und wäre als junger Mann beinahe Fußballprofi geworden. Außerdem hat Acar Bauingenieurwesen studiert. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Numan Acar wurde 1974 in Kozoglu in der Türkei geboren. 1982 kam er nach Deutschland. Als Regisseur, Autor und Produzent ist er auf deutsch-türkische Produktionen spezialisiert. Als Schauspieler war und ist er in deutschen und internationalen Produktionen zu sehen. Vor dieser Laufbahn schloss Acar ein Bauingenieurstudium ab. 2014 erhielt er den Hessischen Filmpreis in der Kategorie Drehbuch für „Weihnachten unterm Halbmond“.

Sie sind studierter Bauingenieur, schreiben Drehbücher, führen Regie, sind Produzent und Schauspieler. Was haben das Herstellen eines Films und der Bau eines Hauses gemeinsam?
Ich finde, dass es sehr viele Gemeinsamkeiten gibt. Der Architekt ist der Drehbuchautor, der die perfekte Vorlage für ein Werk liefert. Ohne diese Vorlage kann kein guter Film oder ein gutes Bauwerk entstehen. Der Regisseur ist der Bauleiter, der das Team und die Gewerke kontrolliert und somit Zeit, Kosten und Qualität einhält. Die einzelnen Facharbeiter – Maurer, Zimmermann, Elektriker, Fliesenleger – sind die Departments des Film. Genauso wie die Besetzung, Ausstattung, Kostüm oder die Filmmusik, die mit ihrer Kreativität das Werk weiter ausschmücken, damit das Gebäude funktionsfähig und gemütlich wird. Somit war es für mich nicht schwierig, die Abläufe des Films schnell zu begreifen und zu erkennen, dass ein Film wie ein Haus nicht alleine erstellt werden kann und dass es förderlich ist, sich mit den Gewerken und den Abläufen gut auszukennen.

Und wo liegen die Unterschiede?
Der Film dient dazu, Seele und Geist anzuregen, sich in Welten hineinzuversetzen, zu träumen. Das ideale Haus sollte dazu dienen, sich zu entspannen und wohlzufühlen, darin Kraft zu tanken und eine Heimat zu haben. Ein schlechter Film kommt einer körperlichen Prellung nah, aber Pfusch am Bau kann lebensgefährlich sein.

Sie haben einmal gesagt, Sie hätten den Drang, vielseitig zu arbeiten. Warum ist diese Vielfalt für Sie so wichtig?
Weil ich viele Impressionen brauche, um meine Kreativität auszuschöpfen. Mit vielseitigem neuen Input stellen wir erst fest, wie festgefahren wir in unserem Denken sind. Der einzige Grund für mich, in einem kreativen Bereich zu arbeiten, ist, dass ich kreativ und innovativ bleibe und mich nicht wiederhole. Wiederholung ist langweilig.

Sie haben nach dem Studium auch als Bauingenieur gearbeitet. Woran denken Sie dabei gerne zurück?
Es war eine sehr schöne Zeit, ich erinnere mich an alles gerne zurück. Es hat mir Spaß gemacht, auf dem Bau zu arbeiten.

Warum haben Sie dann doch den Job gewechselt?
Ich finde die Arbeit im Filmbereich noch spannender. Als Schauspieler und Filmemacher kann ich Themen wie Politik, Kultur und Tradition mehr in meine aktuellen Arbeiten einbringen.

Welches Bauwerk hätten Sie gerne errichtet – und warum?
Die Brücke über den Bosporus in Istanbul hätte ich gerne errichtet. Das entspricht genau meinen Vorstellungen eines Filmemachers: Brücken schaffen, um Kulturen, Traditionen und Menschen einander näherzubringen.

Wenn man als kreativer Filmschaffender und Autor auf so vielen Baustellen unterwegs ist: Was ist Ihr Rezept gegen Überlastung?
Sich Zeit für Familie und Freunde zu nehmen, sich gut und gesund zu ernähren, Sport zu treiben, Spaß bei der Arbeit zu haben und Verantwortung abzugeben.

Sie sagen von sich selbst, Sie seien „ein Beobachter“. Worauf achten Sie bei der ersten Begegnung mit einem Menschen als erstes?
Als Beobachter bin ich eher unscheinbar. Darin liegt ja der Reiz des Beobachtens. Bei der ersten Begegnung spielt der Händedruck eine Rolle: Wie lange hält jemand den Augenkontakt, oder was ist das erste gesprochene Wort?

Als Teenager war für Sie sogar eine Karriere als Fußballprofi möglich. Bei Ihrem Talent, viele Dinge gleichzeitig zu tun, und Ihrer Ausstrahlung: Wäre der Trainerjob nicht etwas für Sie gewesen?
Ich würde lieber einen Fußballtrainer in einen Film spielen wollen als den Job wirklich auszuüben. Das Kapitel Fußball ist in meinem Leben abgeschlossen.

karriereführer hochschulen 1.2015 Sonderthema Diversity/Vielfalt

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Cover karriereführer hochschulen 1.2015 Sonderthema Diversity/Vielfalt

Erfolgsfaktor Diversity Management: Vielfalt – viel Erfolg

Bunt. Diversity – das sind gemischte Teams mit Männern und Frauen, Einsteigern und Erfahrenen, Experten und Querdenkern, Intro- und Extrovertierten. Diversity bedeutet aber auch, dass der Arbeitgeber diese Vielfalt nicht nur zulässt, sondern gezielt fördert. Denn nur dann profitieren alle davon. Ganz besonders die Nachwuchskräfte, auf die Unternehmen in Sachen Vielfalt besonders große Hoffnungen setzen.

Handzeichen

Nina Frauenfeld
Einblicke von der Business-Trainerin und Diversity-Expertin, die sich nicht nur mit der Vielfalt von Taxifahrern auskennt.

Women in Trade: Netzwerk als Aushängeschild

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Women in Trade ist ein „Mitarbeiternetzwerk für engagierte Frauen und interessierte Männer“ des Metro-Konzerns. Angeboten werden unter anderem Diskussionsrunden und ein Mentoring-Programm. Andrea Schmitz, bei Metro für Employer Branding, Inclusion & Diversity sowie Employee Engagement zuständig, erklärt in ihrem Gastbeitrag, wie Berufseinsteigerinnen von diesem Netzwerk profitieren können.

Ein kühler Tag Ende November 2014 in Düsseldorf. Draußen ziehen die ersten Winterwolken auf, und drinnen wird lebhaft diskutiert: Rund 50 Frauen und eine Handvoll Männer; Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Handelskonzerns Metro, trafen sich, um über das Thema Vielfalt zu sprechen. Organisiert hatte die Diskussionsveranstaltung das Frauennetzwerk des Unternehmens: die „Women in Trade“, kurz WiT.

Das 2012 gegründete Netzwerk lud zur Diskussionsrunde mit Führungskräften und Referenten: Welche Vorurteile beeinflussen unser Handeln? Wie kann eine bessere Förderung von Frauen gewährleistetet werden? Welche Coachingangebote gibt es? Eine der Teilnehmerinnen und Mitglied des WiT-Netzwerkes ist Sandrine Vinay. Die 33-Jährige ist seit vier Jahren im IT-Bereich des Unternehmens beschäftigt und begeistert von dem WiT-Angebot: „Ich freue mich jedes Mal über den interessanten Austausch mit Kollegen und Kolleginnen, mit denen ich im täglichen Arbeitsleben wahrscheinlich nicht in Berührung kommen würde. So habe ich schon oft interessante Sichtweisen und neue Ideen für meine Projekte mitgenommen.“

Genau das war auch die Antriebsfeder der Gründerinnen. Britta Gallus, die als Director Programs & Risk Assessment bei der Metro arbeitet, ist eine von insgesamt acht Frauen, die Mitte des Jahres 2012 den Entschluss fassten, ein Mitarbeiternetzwerk aufzubauen: „Die Idee hierzu kam von uns intern. Wir wollten eine Möglichkeit schaffen, uns stärker miteinander zu vernetzen, um effektiv voneinander zu lernen.“ Das Netzwerk sollte – so die erste Vorstellung – vor allem eine Anlaufstelle für Kolleginnen mit Fragen sein, wie sie viele Frauen im Berufsalltag beschäftigen: Tipps zur Karriereplanung sollten dort genauso ausgetauscht werden können wie Erfahrungen mit unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Angesichts der Themen und weil das Gründungskomitee keine Männer zählte, lag es nahe, den Namen „Women in Trade“ zu wählen.

„Das Netzwerk ist aber kein ‚closed shop‘“, erklärt Britta Gallus. „Die Männer- und Frauenwelt sind mittlerweile eng verzahnt. Daher sind auch an den WiT-Themen interessierte Männer herzlich eingeladen. Denn nur gemeinsam wird es immer besser gelingen, dem kulturellen Wandel gerecht zu werden.“ Entsprechend verstehen sich die „Women in Trade“ als „Mitarbeiternetzwerk für engagierte Frauen und interessierte Männer“. Sie wollen dazu beitragen, das Verständnis zwischen Männern und Frauen zu fördern, die Kompetenzen von Frauen zu stärken und ihren Anteil in Führungspositionen nachhaltig zu steigern, „um einen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen“. Ein aktives Netzwerk, das sich für die Umsetzung von Werten wie Vielfalt und Familienfreundlichkeit im Berufsalltag engagiert, ist vor allem ein Aushängeschild für das gesamte Unternehmen. Das Netzwerk lebt dabei von den Teilnehmern: Die WiT-Themen entstehen im Dialog mit den Interessierten – darunter sind Neueinsteigerinnen genauso wie langjährige Mitarbeiterinnen, Assistentinnen und Bereichsleiterinnen, Männer und Frauen unterschiedlicher Nationalitäten. „Wir freuen uns besonders, dass die Angebote aus unserem Netzwerk auch von Berufseinsteigerinnen wahrgenommen werden. Gerade jüngere Kolleginnen und Kollegen bringen innovative Ideen in das Netzwerk ein und sind motiviert, sich zu engagieren“, sagt Britta Gallus.

Im Mittelpunkt von „Women in Trade“ stehen der Austausch und das Networking, hierzu haben die Gründerinnern regelmäßige Veranstaltungsreihen ins Leben gerufen. Darunter Events wie „Lunch & Learn“ und „Let‘s talk Gender“, bei denen Mitarbeiter unterschiedliche Themen besprechen und diskutieren, zum Beispiel „Herausforderungen bei der Karriere für den beruflichen Nachwuchs“ oder „Maßnahmen zur Gleichberechtigung aller Kollegen“. Auch externe Coachingangebote und Vorträge werden angeboten. Darüber hinaus spielt auch der Austausch mit externen Netzwerken und Experten eine wichtige Rolle. Zu Beginn des Jahres 2015 ist zudem das erste von „Women in Trade“ initiierte Mentoring-Programm gestartet. „So möchten wir Brücken zu erfahrenen Managerinnen und Mitarbeiterinnen bauen und insbesondere den Nachwuchskräften Gelegenheit zu einem individuellen Austausch in einem fördernden und unterstützenden Umfeld geben“, erklärt Simone Zilgen, die die interne Kommunikation bei Metro Cash & Carry Deutschland leitet und das Mentoring-Programm von Seiten der WiT betreut. „Besonders wichtig ist uns, dass die Initiative als ein wechselseitiges Mentoring gedacht ist, denn auch der Mentor kann von dem Mentee lernen.“ Rund 30 Mentees haben sich für die erste Runde angemeldet. „Women in Trade“ fördert so die berufliche und persönliche Weiterentwicklung der Teilnehmer und zeigt neue Blickwinkel für das Unternehmen auf.

Redaktionstipp: Spitzenväter des Jahres

Bereits zum zehnten Mal hat die Großbäckerei Mestemacher den Preis „Spitzenvater des Jahres“ verliehen. Mit der Auszeichnung will das Unternehmen das partnerschaftliche Ehe- und Familienmodell mit zwei berufstätigen Partnern fördern und den väterlichen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes stärken. „Spitzenväter sind ein Segen für Familie und Gesellschaft, erklärt Prof. Dr. Ulrike Detmers, Initiatorin des Preises und Mitglied der Geschäftsführung sowie Gesellschafterin der Mestemacher-Gruppe.

Im März 2015 wurden zwei Väter mit dem mit je 5000 Euro dotierten Preis gewürdigt: Zum einen Muhittin Demir, HNO-Facharzt an der Uniklinik Münster, der für jedes seiner drei Kinder Elternzeit genommen hat und sich mit seiner Frau die regelmäßigen Erziehungs- und Hausarbeiten teilt. Zum anderen Norman Heise, der seit 2003 im IT-Bereich selbständig ist, daneben als Betriebsleiter in Teilzeit einen Getränkegroßhandel führt, sich intensiv um seine beiden Söhne kümmert und darüberhinaus ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit engagiert ist.

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Internationalität als Erfolgsfaktor

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Vielfältige Teams, die unterschiedliche Nationalitäten und Generationen zusammenbringen – darauf legt Daimler Wert. Laura Tilly leitet das Global Diversity Office bei dem Automobilunternehmen und erklärt in ihrem Gastbeitrag, wie man dort Vielfalt fördert.

Laura Tilly, Foto: Daimler
Laura Tilly, Foto: Daimler

Internationalität und das Miteinander verschiedener Nationalitäten am Arbeitsplatz sind Alltag bei Daimler: Weltweit sind für uns Mitarbeiter aus rund 150 Nationen im Einsatz, an 172 Standorten auf sechs Kontinenten. Neben unterschiedlichen Nationalitäten beschäftigen wir derzeit fünf Generationen. Genau das ist entscheidend für unseren Erfolg: die Vielfalt der Kollegen, die daran mitarbeiten. Dadurch, dass sie ihre unterschiedlichen Perspektiven, Kenntnisse und Erfahrungen zusammenbringen, entstehen neue Ideen. Natürlich erfordern vielfältige Teams Respekt und gegenseitige Wertschätzung. Um das zu unterstützen, bieten wir zum Beispiel Seminare zum Aufbau interkultureller Kompetenzen an.

Unser Unternehmen braucht Führungskräfte und Mitarbeiter, die international ausgebildet sind und die Kultur sowie die Kundenbedürfnisse in den Märkten kennen und verstehen. Diese Nachwuchskräfte entwickeln wir zum Beispiel mit unserem Traineeprogramm. Um die interkulturellen Kompetenzen der Nachwuchskräfte zu stärken, gehört ein internationaler Projekteinsatz grundsätzlich dazu. Das Wachstum an den Standorten außerhalb Deutschlands erfordert außerdem die Einsätze von „Global Assignees“, die bereit sind, für eine gewisse Zeit im Ausland zu arbeiten und dort ihr Knowhow weiterzugeben und zu erweitern. Interne Studien bestätigen, dass unsere Global Assignees ihre Auslandserfahrung in bester Erinnerung behalten. Sie würden ihren Kollegen einen Auslandseinsatz empfehlen und haben Interesse an weiteren Einsätzen. Grund dafür ist, neben der fachlichen Weiterentwicklung, dass die Assignees eine neue Kultur und Umgebung erleben – davon profitieren sie und ihre Familienmitglieder. Wir fördern auch Einsätze der Mitarbeiter unserer weltweiten Standorte, die als „Impats“ nach Deutschland kommen. Sie können so ihr Netzwerk ausbauen und ihr Know-how vertiefen, außerdem tragen sie dazu bei, Daimler in Deutschland noch internationaler aufzustellen.

Wir haben eine lange Tradition der interkulturellen Zusammenarbeit. Es gibt viele Beispiele von Familien, die in erster Generation als Gastarbeiter in der Produktion arbeiteten und deren Kinder im Unternehmen als Führungskräfte Karriere gemacht haben. 1992 wurde der Daimler Türk-Treff gegründet, in dem einige dieser Kollegen Mitglied sind – dabei handelt es sich um eines der ältesten und größten Mitarbeiternetzwerke in Deutschland. Er setzt sich für Integration und Toleranz ein und trägt zur Sichtbarkeit der Kollegen im Konzern bei. Der Türk-Treff hat inzwischen über 700 Mitglieder. Neben diesem Mitarbeiternetzwerk gibt es bei uns zehn weitere, viele davon arbeiten über Landesgrenzen hinweg.

„Die junge Generation muss sich reflektieren“

Martin Klaffke ist BWL-Professor und untersucht, wie sich Nachwuchskräfte in die Unternehmen integrieren. Bei der aktuellen Generation Y erkennt er einige Reibungsflächen. Warum manche Einsteiger keine Widerworte gewohnt sind und weshalb er einen Blick in den Knigge empfiehlt, erzählt der Generationenexperte im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Nach seinem Studium der Europäischen Wirtschaft und Promotion war Prof. Dr. Martin Klaffke mehr als acht Jahre in internationalen Management-Beratungen aktiv, zuletzt als Projektmanager bei Roland Berger Strategy Consultants. Als Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sind seine Forschungsschwerpunkte die strategische Weiterentwicklung und Professionalisierung des Personalmanagements sowie das Management von nachhaltigen Veränderungsprozessen. Aktuell beschäftigt sich Klaffke, der zudem in Hamburg das Institute of Change Management leitet, mit Generationen-Management und zeigt dabei Konzepte zur Personalführung der Generation Y auf.

Herr Professor Klaffke, warum hilft uns der Blick auf Generationen, wenn wir über Diversity reden?
Die Zugehörigkeit zu einer Generation kann man daran festmachen, in welchem Zeitrahmen ein Mensch geboren wurde und welchen Einflüssen und Gegebenheiten er in seiner Jugend und dem frühen Erwachsenenleben ausgesetzt war. Die Generationenforschung stellt dabei fest, dass der Zeitgeist, auf den junge Menschen treffen, ihre Wünsche, Werte und beruflichen Vorstellungen prägt.

Welche Einflüsse sind das bei der Generation Y – also der aktuellen Nachwuchsgeneration in den Unternehmen?
Die Generation Y umfasst die Geburtsjahrgänge von circa 1980 bis 1995. Der aktuell in Unternehmen eintretende Bachelor-Nachwuchs wurde überwiegend in den frühen 1990er-Jahren geboren. Die Zeit, auf die wir hinsichtlich des prägenden Zeitgeistes schauen müssen, sind also die 2000er-Jahre, und hier haben sich mit Blick auf das soziale und wirtschaftliche Umfeld wesentliche Änderungen ergeben. So hat man in Deutschland mehr Aufmerksamkeit denn je auf Kinder gelegt. Viele Vertreter der Generation Y wurden von ihren Eltern als eine Art Projekt betrachtet. Dass wir uns nicht missverstehen: Die Kinder wurden von ihren Vätern und Müttern durchaus geliebt. Aber es gab auch das Ziel, dass aus den Kindern etwas Besonderes werden sollte. Interessant ist hier, wie die Einstellung der Eltern mit der Bildungspolitik korrespondiert.

In welcher Form?
Ab den 2000er-Jahren begannen Eltern, das Kümmern mit deutlich mehr Programmpunkten zu versehen. Die musikalische Früherziehung oder bilinguale Kitas sind typische Angebote für solche Eltern. Der Sinn dahinter ist eine Förderung, dennoch ist auch impliziert, dass die Kinder etwas leisten. Und das setzt sich in den späteren Jahren auch in der Schule fort, vor allem aber an den Hochschulen, wo das Bachelor- und Mastersystem dafür sorgt, dass die Studierenden viel schneller und regelmäßiger als früher Prüfungsleistungen erbringen müssen. Dieser Leistungsdruck trifft nun auf eine Art Belohnungs- oder Trophäenkultur. Sie kennen die Bundesjugendspiele? Früher gab es dort ab einer bestimmten Punktzahl eine Sieger- oder Ehrenurkunde. Man konnte aber auch leer ausgehen. Heute gibt es eine Teilnahmeurkunde für jeden. Das wiederum korrespondiert mit der Art und Weise, wie die Werbung die jungen Menschen im Zeitalter des Multi-Optionen-Konsums anspricht: Jeder ist heute ein Premiumkunde. Und zum Kaufen wird man aufgerufen, indem suggeriert wird: „Das hast du dir verdient.“

Wie beeinflussen diese Entwicklungen nun den Berufseinstieg?
Die Generation kommt ins Unternehmen und erwartet ganz selbstverständlich, dort ebenfalls als Premium wahrgenommen zu werden. Sich anzupassen – das kann sie sich dagegen oft weniger gut vorstellen. Von Kindesbeinen an haben die Eltern, Verwandten und das soziale Umfeld vieles auf sie ausgerichtet, nun kommen sie jedoch in ein Setting, in dem die Vertreter der etablierten Generationen sitzen, die auf der beruflichen Ebene plötzlich kaum noch Verständnis für die Premiumerwartung des Nachwuchses haben.

Wie sollte die Generation Y darauf reagieren?
Es wäre falsch zu denken, dass einem der demografische Wandel in die Hände spielt und dass sich die Unternehmen verändern müssen, man selber jedoch nicht. Es gibt zwar einen Fachkräftemangel, aber längst nicht in allen Branchen. Wer also einen guten Einstieg in die Arbeitswelt hinlegen möchte, sollte einige Punkte beachten. Hierzu gehört zunächst die Reflexion des eigenen Verhaltens. Wer neu in ein Unternehmen kommt, wird von den erfahrenen Kollegen sehr genau und durchaus skeptisch beobachtet. Es ist hilfreich zu wissen, dass einige Dinge, die im Alltag für junge Menschen selbstverständlich sind, im Job-Kontext für Reibung sorgen können.

Welche konkreten Bereiche sind besonders sensibel?
Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Generationen beim Ausdruck von Anerkennung und Wertschätzung von Leistung. Ältere Kollegen setzen oftmals auf ihre Seniorität und ihr Expertenwissen. Darauf, dass weiterhin zählt, was man vor fünf oder zehn Jahren geleistet hat. Lob gibt es von ihnen nicht für die Normalleistung, sondern nur für herausragende Erfolge – im Sinne von „nicht geschimpft ist schon gelobt genug“. Für die Jüngeren steht die Wertschätzung als Mensch und ihre aktuelle Leistung im Vordergrund. Es geht ihnen darum, Anerkennung auch für die kleinen Schritte und das bisher Erreichte zu erhalten. Daraus resultiert auch die große Ungeduld der Generation Y, die vielen Älteren sauer aufstößt. Alles muss schnell gehen und sofort bewertet werden. So wie im Internet oder auch an der Uni, wo schnell Prüfung auf Prüfung folgt und sofort Credits verteilt werden. Es ist sinnvoll, als Nachwuchskraft auf die Balance zu achten, auch einmal innezuhalten und das langsamere Tempo des anderen anzunehmen. Ein weiterer zentraler Punkt ist das Thema Smartphone: Die junge Generation ist es gewohnt, in der Pause in die Netzwerke und Chats zu gehen. Ältere Kollegen suchen dagegen oft eher das persönliche Gespräch – und empfinden das Zücken des Smartphones in jeder freien Minute als Unhöflichkeit oder deuten es sogar als Desinteresse.

Gelungene Diversity ist also auch ein Knigge-Thema.
Es ist eine Frage von wechselseitigem Verständnis und Annäherung. Ich kann der jungen Generation als Neulinge im Erwerbsleben nur empfehlen, einen Blick auf die Standards im geschäftlichen Umgang zu werfen. Wann ist das Sie angebracht, wann darf man duzen? Wie setzt man eine formale E-Mail mit korrekter Anrede auf? Wichtig ist hier vor allem zu erkennen, dass etablierte Führungskräfte in den Unternehmen nicht unbedingt so cool und locker unterwegs sind wie die ungefähr gleich alten Eltern zu Hause. Viele Väter und Mütter der Kinder aus der Generation Y möchten gerne die besten Kumpels ihres Nachwuchses sein. Am Arbeitsplatz dagegen haben die älteren Kollegen und Vorgesetzten genau das nicht vor.

Interimsmanagement: Karriereleiter und Work-Life-Balance

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Familie und Beruf müssen kein Gegensatz sein. Ein professionelles Interimsmanagement stärkt beides und fördert junge Talente. Bei der Deutschen Bahn (DB), die hierzulande mehr als 200.000 Mitarbeiter hat, ist das Interimsmanagement fester Baustein der Personalarbeit. Annette von Wedel, Leiterin Diversity Management bei der DB, schildert in ihrem Gastbeitrag ein Beispiel aus der Praxis.

Durch den demografischen Wandel verschieben sich die Altersstrukturen in den Unternehmen. Gleichzeitig wünschen sich viele Frauen und Männer eine familienfreundlichere Arbeitswelt, in der sich Beruf und Privatleben besser als bislang vereinbaren lassen. Innovative Lösungen zur Personalgewinnung und Personalbindung sind gefragt. Eine davon heißt Interimsmanagement. Unternehmen besetzen frei werdende Stellen aus den eigenen Reihen. Die „Manager auf Zeit“ sammeln wertvolle Berufserfahrung.

Zum Beispiel Florentine Gerneitis. Routiniert geht sie ihr Wochenpensum durch. Auf der Agenda stehen Bewerbungs- und Auswahlgespräche, ein Treffen mit dem Betriebsrat sowie ein Verfahren am Arbeitsgericht, das sie noch vorbereiten muss. „Vermutlich wird das eine ganz normale Woche“, sagt die Juristin und lächelt. Gerneitis arbeitet bei der Deutschen Bahn und begleitet mit ihrem Team rund 1700 Mitarbeiter in Berlin, Leipzig und Stralsund in Personalangelegenheiten. Der nächste Anruf. Gerneitis sieht vom Schreibtisch auf – zuerst greift sie nach dem Hörer und dann nach dem Notizblock. Ein Bewerber mit Fragen zum Arbeitsvertrag. Die Personalmanagerin verspricht den Rückruf für den frühen Nachmittag, vorher wolle sie sich die entsprechenden Unterlagen noch mal ansehen. Gerneitis ist Arbeitsrechtlerin und hatte vor dem zweiten Staatsexamen schon als Rechtsreferendarin im Unternehmen gearbeitet. Sie packt an, bleibt dabei jedoch stets auf dem Boden. Für die Bahn ein Glücksfall: Sie holte die Juristin nach dem zweiten Staatsexamen zurück ins Unternehmen und gab ihr einen Fulltimejob mit viel Verantwortung. Kaum war Gerneitis eingearbeitet, stand die nächste Herausforderung an: „Meine Chefin fragte mich, ob ich sie während der Elternzeit vertreten will“, erinnert sich die Juristin. Eine Überraschung – und ein dickes Lob für ihre Leistungen. Florentine Gerneitis überlegte kurz und sagte zu. „Persönlich habe ich sehr viel dazu gelernt“, erzählt sie. „Mein Aufgabengebiet war plötzlich sehr viel größer, aber es hat auch sehr viel Spaß gemacht.“

Die Initiative zur Elternzeitvertretung ging von ihrer damaligen Chefin Anja Fenner aus, sie hatte das Potenzial früh erkannt und Gerneitis als Interimsmanagerin vorgeschlagen. Ihr waren Kontinuität und Vertrauen wichtig und dass während ihrer Elternzeit ein verlässlicher Ansprechpartner da war. Das Konzept ging auf: Einerseits war die Elternzeitvertretung für die Nachwuchsführungskraft die denkbar beste Vorbereitung auf den nächsten Karriereschritt. Andererseits konnte der Arbeitgeber die befristete Auszeit unkompliziert überbrücken. Ähnlich war es bei Mario Theis. Der Abteilungsleiter arbeitete bereits sieben Jahre für die DB in Frankfurt, da plagte ihn das Fernweh. „Andere Kulturen zu erleben, war mir immer wichtig. Doch ich wollte mir Zeit dafür nehmen, mehr als für einen Urlaub“, erzählt er. Schon lange hatten seine Frau und er die Idee zu einer Weltreise. Doch wie sollte er eine solche Auszeit mit seinem Job vereinbaren? Theis ging zu seinem Chef, äußerte seinen Wunsch und bekam grünes Licht. Bevor es allerdings losgehen konnte, musste eine geeignete Vertretung gefunden werden. Das Interimsmanagement war eine gute Lösung: Theis bekam ein halbes Jahr frei, dafür musste er vorher seinen Stellvertreter einarbeiten.

Arbeitgeber finanziert Auszeit vor
Das Interimsmanagement ist bei der DB heute fest etabliert. Nach drei Jahren im Unternehmen können Mitarbeiter ein Sabbatical von bis zu sechs Monaten einlegen. Der Arbeitgeber finanziert die Auszeit vor. Anschließend ist drei Jahre Zeit, den Vorschuss auszugleichen, etwa durch den Verzicht auf Boni. Das Angebot richtet sich nicht nur an Führungskräfte oder Mitarbeiter an der Schwelle zu einer Leitungsfunktion. Auch Tarifkräfte können eine Auszeit nehmen. Hier wird der Ausgleich über Arbeitszeitkonten und eine entsprechende Summe an Überstunden beziehungsweise Urlaubstagen geregelt. Das Interimsmanagement regelt neben der eigentlichen Vertretung gleichzeitig auch den Wiedereinstieg des Mitarbeiters in den Job. Das war auch bei Anja Fenner, der Chefin von Florentine Gerneitis so. Nach der Elternzeit wollte sie auf ihre alte Position zurückkehren. Daher sei es gut, „wenn die Spielregeln vorher klar sind und alle Seiten wissen, worauf sie sich einlassen“, so Fenner. Davon profitiert hat auch als drittes Beispiel Julia Füser, die wiederum für Florentine Gerneitis einspringen konnte. Ein schöner Zufall. Und für Füser die ideale Gelegenheit, um im Berufsleben Fuß zu fassen. „Es war der richtige Moment“, so Füser.

Und Mario Theis? Zusammen mit seiner Frau stieg er in den Flieger. Sie machten Station in Kambodscha, auf den Fidschi-Inseln, in Neuseeland sowie in Peru und Panama. Sein Stellvertreter trat den Job mit viel Begeisterung an. „Die Verantwortung abzugeben war zunächst komisch, doch unterm Strich haben sich alle Erwartungen erfüllt.“

Redaktionstipp: Generation Z

Die Generation Z ist im Anmarsch, und sie denkt komplett anders als ihre Vorgängergeneration, die Y. Die Einsteiger von morgen trennen wieder scharf zwischen Arbeits- und Privatleben. Sie machen es sich gemütlich in ihrer kleinen Welt und geben sich schnell zufrieden. Das Problem: Weder führen sie gerne, noch stellen sie sich den großen Herausforderungen unserer Zeit. Der Saarbrücker BWL-Professor Christian Scholz hat als einer der ersten die kommende Generation Z und ihren Einfluss auf die Berufswelt analysiert.
Interview mit Christian Scholz: „Es fehlt nur noch der Gartenzwerg“

Buchtipp

Christian Scholz:
Generation Z: Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt.
Wiley-VCH 2014.
ISBN: 978-3527508075.
19,99 Euro.

Linktipp

http://die-generation-z.de

Der Berater und Autor Michael Stuber

Seit 1997 berät Michael Stuber mit seinem Consulting-Unternehmen Kunden zum Thema Diversity. Der studierte Wirtschaftsingenieur hat zahlreiche Veränderungsprozesse geleitet und Konzepte zur Vielfalt erprobt. Im Interview erzählt er, warum Diversity heute für internationale Themen zur Pflicht wird und wie sich Nachwuchskräfte gezielt vielfältig aufstellen können. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Michael Stuber, geboren 1966, studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe und arbeitete zunächst als Personalberater. 1997 gründete er sein Beratungsunternehmen Ungleich Besser Diversity Consulting mit Sitz in Köln. Michael Stuber ist Autor mehrerer Fachbücher und Buchbeiträge sowie zahlreicher Fachartikel und Kolumnen. Zu seinen Themen gehören Frauen und Karriere, Demografie, Globalisierung sowie Unternehmenskultur, Innovation und Führungsqualität. Sein Fachbuch „Diversity & Inclusion“ gilt als Standardwerk des Themenbereichs.

Herr Stuber, warum ist Diversity für Unternehmen heute unverzichtbar?
Es gibt zwei Entwicklungen, die die Wirtschaft dramatisch verändert haben: die Globalisierung und die Digitalisierung. Wie allumfassend dieser Wandel ist, bemerken wir daran, dass zwei der größten Konzerne heute Google und Facebook heißen. Sie hätten in der alten Ökonomie gar nicht existiert. Auf der anderen Seite gibt es Traditionskonzerne, die schrumpfen oder schließen müssen, weil ihr Geschäftsmodell in Zukunft nicht mehr funktioniert.

Insgesamt wird heute in der Wirtschaft ganz anders gearbeitet als früher, nämlich viel internationaler, komplexer, schneller und individueller. Die Unternehmen stehen daher vor der Aufgabe, die verschiedenen Potenziale vieler unterschiedlicher Individuen zu nutzen und die Zusammenarbeit zu optimieren. Das zeigt die interne Notwendigkeit von Diversity Management.

Was bestimmt die externe Notwendigkeit?
Viele Unternehmen nehmen heute Diversity ernst, weil sie erkennen, dass sie nur so die Bedürfnisse ihrer Kunden erfüllen können, denn auch diese sind vielfältiger denn je. Zudem reagieren Unternehmen auf die Erwartungen seitens der Öffentlichkeit oder auch der Bewerber: Man erwartet heute einfach, dass sich ein großes Unternehmen mit Diversity beschäftigt. Es nicht zu tun, gilt als nicht zeitgemäß.

Es gibt immer wieder Unternehmen, die von sich behaupten, Vielfalt zu leben und zwar unabhängig vom Modewort Diversity. Warum ist dieser Weg nicht empfehlenswert?
Viele Unternehmen unterschätzen das Thema Diversity. Die Verantwortlichen dort denken, es handele sich um ein einfaches Thema: Man müsse nur die Maßnahmen, die es hier und dort bereits gibt, bündeln. Ein solcher Ansatz ist natürlich einfach. Aber die Maßnahmen entfalten weder Veränderungsimpulse noch bringen sie Mehrwerte. Studien zeigen, dass die messbaren Vorteile aus Vielfalt nur dann zuverlässig entstehen, wenn man im Unternehmen Unterschiede bewusst wahrnimmt und aktiv sowie systematisch gestaltet.

Was ist ein häufig gemachter Fehler, wenn Unternehmen auf eigene Faust Vielfalt fördern wollen?
Viele Unternehmen beginnen damit, Diversity von den Einzelthemen ausgehend zu denken. Das erscheint zunächst logisch, und sie entwickeln separate Maßnahmen für diverse Gruppen, die sie fördern möchten: Kinderbetreuung, Frauenförderung, kulturelle Trainings, Generationenworkshops und so weiter. Wer aber Diversity als strategischen Hebel und Zukunftsthema einsetzen möchte, muss an den Kernelementen des Unternehmens ansetzen. Dann stellen sich die Fragen: Welche Strategiethemen haben mit Vielfalt zu tun? Wie tickt die Kultur in Bezug auf Offenheit? Was braucht das Unternehmen, um erfolgreich zu bleiben? Und was würde geschehen, wenn Diversity keine Beachtung erfahren würde?

Wer sich mit solchen Fragen einer strategischen Positionierung beschäftigt, wird auch feststellen, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob ich in einer internationalen Bank, im Großhandel oder bei einer mittelständischen Spitzentechnologie- Schmiede Diversity umsetzen möchte. Dann wird auch klar, dass man ein Diversity-Programm, das in einer Firma erfolgreich war, nicht einfach kopieren kann. Je nach Unternehmen muss es einen eigenen Rahmen und eine eigene Sprache geben.

Das heißt für eine Nachwuchskraft, die Wert auf Vielfalt legt: Bei der Bewerbung nicht nur zu schauen, was es für Angebote gibt. Sondern vor allem prüfen, wie das Unternehmen sich selbst und das Thema Diversity strategisch positioniert?
Genau. Man erkennt dann ganz gut, ob es sich bei den Aussagen zum Thema Vielfalt um nichtssagende Worthülsen handelt. Oder ob das Thema spezifisch in der Unternehmenskultur verankert ist.

Diversity bedeutet auch, verschiedene Arbeitseinstellungen zu akzeptieren. Das ist gerade dort spannend, wo junge auf ältere Kollegen treffen oder Frauen die Männerdomänen brechen. Wie kann dort Vielfalt etabliert werden?
Wir reden hier von einer echten Veränderung in der Unternehmenskultur – und das ist ein komplexer Prozess. Gemischte Teams benötigen Führungskräfte, die diese Vielfalt moderieren, eine gemeinsame Zielvorgabe vermitteln und verschiedene Erwartungen integrieren. Zudem darf es nicht an der Technik scheitern: Die beste Führung nützt wenig, wenn es im Team nicht die Möglichkeit gibt, flexibel zu arbeiten. Der dritte Punkt ist eine Art von Resonanzraum, in dem man sich trifft und über die Erfahrungen und Ergebnisse der Arbeit sprechen kann.

Mit Blick auf die Absolventen: Was bedeutet das Thema Diversity für die Bewerber? Welche Aufgabe geben Sie dem Nachwuchs mit auf den Weg?
Junge Leute sollten sich heute mehr noch als früher über ihre individuellen Stärken klar werden. Man sollte sich fragen, welchen gewinnbringenden Aspekt man selbst beitragen kann: Was zeichnet mich aus, was kann ich besonders gut – und wohin will ich mich entwickeln? Dabei muss man aufpassen, sich bei der Reflexion nicht in Allgemeinheiten zu verlieren. Was „Spannendes mit Menschen“ machen zu wollen, das reicht nicht als Erkenntnis.

Wie wird man an dieser Stelle konkret?
Indem man sich fragt: Bin ich ein Konzeptmensch, ja oder nein? Fühle ich mich im interkulturellen Umfeld wohl, und wenn ja, was genau gefällt mir daran? Hat man ein Profil der persönlichen Stärken erstellt, ist der nächste Karriereschritt einfacher. Was man aber auch sagen muss: Es gibt keine große Chance, den absoluten Traumjob zu finden, und das müssen junge Leute, für die alles möglich zu sein scheint, noch lernen: Sie können sich ihren Wunschjob nicht backen. Jede Arbeitsstelle wird immer ein Kompromiss sein aus Dingen, die passen, und anderen, die nicht ideal sind.

Es gibt heute zwar eine enorme Vielfalt an Karrierewegen. Aber alles zu bekommen, das ist auch dabei nicht möglich. Man muss als junger Mensch also die Offenheit mitbringen, dass die Realität in der Regel anders aussieht, als man sie sich vorstellt.

Das Web-Portal: www.ungleich-besser.de

Über das Diversity-Informationsportal erhalten die Nutzer Zugang zu grundlegendem Wissen zum Thema Diversity sowie zu Themenseiten wie Diversity-Marketing oder AGG-online, einer Infoseite zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Ein weiterer Bereich präsentiert Studien und Konzepte. Der neueste und größte Bereich ist der Wissens-Blog unter www.diversitymine.eu mit rund 1600 Beiträgen und zahlreichen Beispielen einer gelungenen Umsetzung von Diversity sowie Neuigkeiten zu dem Thema aus ganz Europa.
www.ungleich-besser.de

Diversity lebt vom Mitmachen

Die Unternehmen wissen: Um auf den internationalen Märkten erfolgreich zu sein, müssen sie das Thema Diversity strategisch angehen. Am Zuge sind daher auch Einsteiger und junge Führungskräfte. Ihre Aufgabe: die Vorteile von vielfältigen Teams zu erkennen und zu nutzen. Von André Boße

Beginnen wir im Haushalt. Wer noch immer denkt, dort seien die Rollen beim Einkaufen klar verteilt, befindet sich auf dem Holzweg. Die Marktforscher von Nielsen schreiben in einem Blog zu neuesten Konsumtrends: „Während Frauen stärker Einfluss auf ehemals klassisch männliche Kaufentscheidungen – Autos etwa oder Finanzdienstleistungen – nehmen, reden Männer immer öfter ein Wörtchen mit, wenn es um Kaufentscheidungen rund um den Haushalt geht.“ Es entstehe ein komplexer Mix aus männlichen und weiblichen Entscheidern – und zwar nicht nur in Europa, sondern auch auf den wichtigsten neuen Märkten. Zum Beispiel in China, wo sich, so die Nielsen-Experten, „die Rolle der Frau und damit auch ihr Einkaufsverhalten stark verändert hat. Einkommen und Kaufkraft der Frauen steigen rasant und geben dem chinesischen Konsumenten ein völlig neues Gesicht.“

Vielfältige Teams für vielfältige Kunden
Eigentlich müsste man sagen: Der Kunde – und damit sind nicht nur die Endkunden gemeint, sondern auch die Firmenkunden – hat nicht nur mehr ein einziges Gesicht. Er hat unzählige verschiedene Gesichter. Und es gibt ganz neue Profile: Online-Shopper, die kaum noch das Haus verlassen. Oder nachhaltigkeitsorientierte Firmen, die sich bei der Wahl ihrer Zulieferer streng nach ökologischen Faktoren entscheiden. Wenn ein Unternehmen weltweit erfolgreich agieren möchte (und das ist in der globalisierten Welt längst die Regel), dann muss es im besten Fall jedes dieser Profile kennen und die Bedürfnisse richtig einschätzen. Das wiederum funktioniert nicht mit einem Management oder einer Entwicklungsabteilung, die einseitig besetzt ist. Es überrascht daher nicht, wenn Markus Siebenmorgen, Sprecher für Personalthemen beim Bayer-Konzern, sagt: „Eine ausgewogene Balance von Kulturen und Geschlechtern in der Management- Ebene ist nach unserer Überzeugung eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches unternehmerisches Handeln.“ Aussagen wie diese zeigen, welchen Stellenwert das Thema Diversity heute in den Unternehmen besitzt. Es geht nicht mehr nur darum, sich vielfältig zu präsentieren, um hübsche Fotos für Broschüren zu erhalten. Für global aufgestellte Unternehmen ist Diversity heute ein bedeutsames Thema. Mehr noch: Es ist im besten Fall direkt in der Unternehmensstrategie verankert.

Als Einsteiger Diversity nicht unterschätzen
Dass es für ein Unternehmen heute wichtig ist, bei der Produktion Energie zu sparen oder einen funktionierenden Auftritt in den sozialen Netzwerken zu haben, ist für jeden offensichtlich. Die Vorteile der Vielfalt zu erkennen, fällt den Mitarbeitern in den Unternehmen meist noch schwerer. „Das Wichtigste ist, das Bewusstsein für die Vorteile von Diversity im Unternehmen zu schärfen“, sagt daher Markus Siebenmorgen von Bayer. Dabei setzt der Konzern zum Beispiel auf spezielle Trainings für junge Führungskräfte, aber auch für erfahrene Mitarbeiter in leitenden Positionen. „Hier setzen sie sich mit dem wirtschaftlichen Nutzen erhöhter Vielfalt auseinander, befassen sich gezielt mit den Unterschieden von Kulturen und Geschlechtern und lernen positive Beispiele aus der Unternehmenspraxis kennen, um im Anschluss eigene Aktionspläne für ihren Verantwortungsbereich zu entwickeln.“ Das Ziel: Einen Bewusstseinswandel auslösen, der die Unternehmenskultur nachhaltig verändert.

Einsteiger: Faktor für Vielfalt
Garanten für Diversity sind für viele Unternehmen die Nachwuchskräfte. „Gerade die Berufseinsteiger sind ein wichtiger Faktor auf dem Weg hin zu größerer personeller Vielfalt im Unternehmen“, sagt Markus Siebenmorgen. In der Folge suchen Personaler heute verstärkt gerade nicht mehr den idealtypischen Bewerber, den man direkt vor Augen hat, wenn man an eine Branche denkt. Nachwuchskräfte sind gefordert, ihre individuellen Stärken zu analysieren und sich dann dort zu bewerben, wo sie diese besonders gut anwenden können. Ein Beispiel aus der IT-Branche: „Das immer noch vorherrschende Bild vom langhaarigen Mann, der auf den Monitor starrt und sich von Cola und Pizza ernährt, entspricht längst nicht mehr der Realität“, sagt Isabel Baum, Marketingleiterin beim IT-Beratungsunternehmen Consol Software, das wie der Bayer-Konzern zu den Unterzeichnern der „Charta der Vielfalt“ gehört (siehe Interview ab Seite 12). Die Vorteile von gemischten Teams liegen für Isabel Baum auf der Hand. „Durch Heterogenität gewinnt ein Unternehmen klar an Flexibilität. Betriebsblindheit wird reduziert. Zudem kommen gemischt zusammengesetzte Teams häufig zu innovativeren und kreativeren Problemlösungen als homogene Gruppen.“ Jedoch ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der IT-Branche noch längst nicht ausgeglichen. „Junge Frauen sind heute so gut ausgebildet wie nie zuvor und bringen grundsätzlich großes Interesse für Technik mit. Dennoch ist die IT-Branche für junge Frauen offensichtlich nicht attraktiv genug. Oder die Frauen unterschätzen ihre Talente und trauen sich die IT-Berufe nicht zu“, sagt Isabel Baum zu den Gründen.

Daher startete das Unternehmen eine Reihe von Maßnahmen, um mehr weiblichen Nachwuchs für den Einstieg zu begeistern. „Wir möchten junge Frauen ermutigen, sich bei der Berufswahl weniger daran zu orientieren, welche Berufe angeblich für Frauen passend sind, sondern vielmehr auf die eigenen Interessen und Fähigkeiten zu vertrauen.“ Dies gelinge durch flexible Arbeitszeitmodelle, Mentorinnen-Programme oder interne Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung – wobei die „Selbstverständlichkeit, mit der Chancengleichheit in allen Unternehmensbereichen gelebt wird“ der Schlüssel zum Erfolg dieser Maßnahmen ist, wie Isabel Baum sagt. Es reicht nicht, wenn Diversity nur auf dem Papier existiert. Vielfalt lebt vom Mitmachen – und zwar auf allen Ebenen.

Die Dimensionen von Diversity

Die Experten von der Initiative Charta der Vielfalt haben unter dem Schlagwort „Diversity-Dimensionen“ drei Kategorien der Vielfalt beschrieben, mit denen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Mitarbeiter eines Unternehmens betrachten lassen:

1. Innere Dimension: zum Beispiel Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung

2. Äußere Dimension: zum Beispiel Einkommen, Freizeitverhalten, Gewohnheiten, Auftreten, Berufserfahrung, Familienstand, Elternschaft

3. Organisationale Dimension: zum Beispiel Funktion, Arbeitsinhalte, Arbeitsort, Managementstatus

Quelle

karriereführer ingenieure 1.2015 – E-Mobility

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Cover karriereführer ingenieure 1.2015

Mobilität der Zukunft – E-Mobility: Eine Branche unter Strom

Umbruch. Auf den deutschen Straßen ist der Durchbruch der Elektromobilität bislang ausgeblieben. Dennoch: Die Elektrifizierung des Antriebs und vieler anderer Komponenten im Auto bestimmt die Autoindustrie. Hersteller und Zulieferer suchen mit Hocheifer nach Innovationen, um dann zur Stelle zu sein, wenn die Ideen zur Mobilität von morgen Wirklichkeit werden.

Das Aktivhaus B10

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Am Anfang des Projekts gab es eine Vision: ein innovatives und nachhaltiges Gebäude, das sämtliche im Haus benötigte Energie selbst aus nachhaltigen Quellen erzeugt und das zu 100 Prozent recycelt werden kann. Das Gebäude sollte außerdem eine Verbindung zur Elektromobilität schaffen und Wege aufzeigen, wie durch ein Smart Grid Energieerzeugung und Energieverbrauch optimal auf lokaler Ebene aufeinander abgestimmt werden können. Von Dr. Frank Heinlein, Director Business Communication, Werner Sobek Group, und Dipl.-Ing. Thomas Thümmler, Head of Sustainability and Certification, WSGreenTechnologies

Die gebaute Umwelt spielt eine zentrale Rolle für den Schutz – oder die Zerstörung – unseres Planeten: Sie steht für mehr als ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs und der Emissionen sowie mehr als die Hälfte des Ressourcenverbrauchs und des Massenmüllaufkommens. Was können Ingenieure und Architekten angesichts dieser Zahlen tun, um für mehr Nachhaltigkeit in unseren Gebäuden zu sorgen?

Bereits 1927 untersuchten die berühmtesten Architekten der damaligen Zeit in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung, welche Materialien und Konstruktionstechniken für das Bauen von morgen eingesetzt werden können. 90 Jahre später schreibt Werner Sobek die Geschichte der Weißenhofsiedlung fort. Ein Gebäude, das vor kurzem im Herzen des historischen Bestands errichtet wurde, zeigt, wie die Zukunft aussehen kann.

Im Mittelpunkt des Projekts stehen ausgeklügelte Energiekonzepte, eine selbstlernende Gebäudesteuerung, neuartige Bau- und Montagemethoden sowie ein sogenanntes „design for disassembly“, sodass das Haus sortenrein rezykliert werden kann. Dank eines ausgeklügelten Energiekonzepts und einer selbstlernenden Gebäudesteuerung erzeugt das Aktivhaus B10 das Doppelte seines Energiebedarfs aus nachhaltigen Quellen. Mit dem gewonnenen Überschuss werden zwei Elektroautos und ein benachbartes Gebäude des Architekten Le Corbusier versorgt. B10 verzahnt so die Energiesysteme von Elektromobilität und Gebäuden zu einem integral gesteuerten Gesamtsystem.

Das Projekt wurde in einem äußerst knappen zeitlichen Rahmen geplant und gebaut: Das erste Kick-Off-Meeting fand im September 2013 statt, bereits im Mai 2014 war das Gebäude fertig installiert. Planer und ausführende Firmen haben von der ersten Konzeptphase an sehr eng zusammengearbeitet. Nur durch einen zu weiten Teilen parallel verlaufenden Entwicklungsprozess an den Schnittstellen unterschiedlicher Disziplinen war es möglich, die zahlreichen technischen Anforderungen zu bewältigen, die sich aus dem hohen Innovationsgrad des Gebäudes ergaben.

Ziel des Projektteams war es, die im Bauwesen sonst übliche Trennung der Gewerke und die damit einhergehende manuelle Produktion vor Ort zu vermeiden. Durch eine Vorfertigung in der Fabrik konnte der Baukörper innerhalb eines Tages aufgebaut und betriebsbereit gemacht werden. Die gesamten Innenausbauten inklusive Küche und Bad waren zu diesem Zeitpunkt bereits installiert. In den nächsten Jahren wird es nun darum gehen, die bei B10 gewonnenen Erkenntnisse auch bei anderen, größeren Bauprojekten einzusetzen.

Zur Kenntnis: AeroMobil 3.0

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„Wir planen damit, ab 2016 oder 2017 in Serie zu gehen“, sagt Juraj Vaculík. Der Mann aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava ist Chef der Firma AeroMobil, die ein Auto entwickelt, das auch fliegen kann. Aufgezeichnet von: Fred Blumenthal

Hinter der technischen Innovation steht eine romantische Idee aus der Zeit, als Bratislava als Teil der CSSR noch hinter dem eisernen Vorhang lag und die Reisefreiheit eingeschränkt war: „Wir dachten: Wie schön wäre es, einfach mit einem fliegenden Auto über die Donau zu schweben, frei wie ein Vogel?“, erinnert sich Vaculík. Damals war das ein Traum. Heute steht das Unternehmen kurz davor, ihn Wirklichkeit werden zu lassen.

Der technische Kopf hinter dem AeroMobil heißt Štefan Klein, Ingenieur und Designer, dazu noch Leiter des Instituts für Transport-Design an der Hochschule der Bildenden Künste in Bratislava. Auch er lebt den Traum vom fliegenden Auto schon lange: Als Junge hat er mit seinem Großvater und Vater erste Ideen entwickelt. Konkret wurde es dann Mitte der 1990er-Jahre, als er in der heimischen Werkstatt den ersten Prototypen AeroMobil 1.0 entwickelte. Das Vehikel sah schon damals faszinierend aus, doch die technische Reife erreichte einige Jahre später erst das Modell 2.5, das dann tatsächlich auch schon abheben konnte. Die aktuelle Version trägt die Nummer 3.0. Es ist noch immer ein Prototyp, aber einer, der einem Serienmodell schon recht nahe kommt, wie Štefan Klein sagt.

Das AeroMobil ist sechs Meter lang und wird von einem handelsüblichen Standardmotor für Leichtflugzeuge angetrieben, dem Rotax 912. Der Motor schluckt Super-Benzin und braucht in der Luft für einhundert Kilometer acht Liter Benzin. Die Karosserie besteht aus leichtem, aber stabilem Carbon. Per Knopfdruck kann man die Flügel ausfahren, dann wird aus dem schnittigen Sportwagen ein Flugzeug. Geht in der Luft etwas schief, bietet ein Fallschirmsystem Sicherheit. Der technische Kniff beim Antrieb: Beim Wechsel vom Auto in den Flugbetrieb ändert sich der Angriffswinkel der Motorkraft. Statt horizontal wirkt die Kraft dann vertikal – und das AeroMobil hebt mit zusätzlicher Hilfe eines Propellers am Heck ab. Dafür benötigt es keinen Flugplatz mit asphaltierter Startbahn: Eine Wiese mit 200 Meter langem Anlauf reicht aus. Für die Landung sind sogar nur 50 Meter nötig. In der Luft erreicht das fliegende Auto dann eine Geschwindigkeit von bis zu 200 Stundenkilometern.

Derzeit testet Klein, wie das AeroMobil auf starke Winde und andere schlechte Wetterbedingungen reagiert. Auch geklärt werden muss noch, in welcher Klasse das Auto auf der Straße und in der Luft zugelassen wird. Aber im Unternehmen ist man optimistisch, dass diese Probleme gelöst werden können: Wer ein Auto zum Fliegen gebracht hat, der lässt sich auch von bürokratischen Hürden nicht mehr abschrecken.