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Wie tickt die neue Arbeitswelt?

Kompass neue Arbeitswelt – welchen Stellenwert haben Demokratie, Autonomie, Gemeinschaftssinn, Diversität und Kooperation in Unternehmen? Eine Bestandsaufnahme.

Banken und Versicherungen: „Die Spezialisten sind im Kommen“

Personalberater Thomas Wilde hilft Unternehmen aus der Banken- und Versicherungsbranche, die richtigen Mitarbeiter für hohe Positionen zu finden. Seine Beobachtung: Spezielles Know-how wird wichtiger – doch man muss auch das Talent besitzen, es dem Kunden zu vermitteln. Die Fragen stellte André Boße

Zur Person

Thomas Wilde, Foto: Topos Personalberatung
Thomas Wilde, Foto: Topos Personalberatung

Thomas Wilde ist Managing Partner bei der Hamburger Topos Personalberatung, die für Unternehmen verschiedener Branchen Führungskräfte sucht und vermittelt. Einer seiner Schwerpunkte ist die Banken- und Versicherungsbranche.

Herr Wilde, welche Rolle nehmen spezialisierte Unternehmen in der Finanzindustrie im Vergleich zu den Generalisten ein?
Generell ist festzustellen, dass sich die Finanzindustrie, ähnlich wie andere Industrien auch, immer weiter spezialisiert. Dies liegt zum einen daran, dass die Produkte immer komplexer werden und damit auch immer mehr Spezial-Know-how erforderlich wird. Ein zweiter Grund ist, dass sich die Kunden heute immer umfassender informieren – und dadurch quasi selbst zum Generalisten werden. Wenn Unternehmen einen Nutzen für ihre Kunden stiften wollen, der entsprechend nachgefragt und bezahlt wird, dann eher in Spezialbereichen. In der Folge spezialisieren sich die generalistisch geprägten Unternehmen ebenfalls. Auch bei der Sparkasse finden Sie heute schon mehrere Berater für ihre jeweilige Aufgabenstellung wie Finanzierung, Altersvorsorge und so weiter.

Welche Arten von Spezialisten sind derzeit besonders auf dem Vormarsch?
Im Bereich der Finanzinstitute sind dies sicherlich Vermögens- und Anlageberater, die in der Lage sind, vor dem Hintergrund der immer komplexer werdenden Steuergesetze Vermögen zu diversifizieren und sowohl rechtlich als auch moralisch korrekt anzulegen. Darüber hinaus müssen diese Unternehmen heute sozusagen omnikanalfähig sein.

Was heißt das?
Egal, wie der Kunde an das Institut herantritt, ob über das Internet, via App oder persönlich: Er muss immer die gleiche, qualitativ hochwertige Antwort erhalten. Einsteiger, die in der Lage sind, diese Anforderungen sowohl technisch als auch persönlich abzubilden, sind sehr gefragt.

Welche speziellen Themen sind im Bereich der Versicherungsbranche derzeit interessant?
Hier sind die Altersvorsorge und die Absicherung von biometrischen Risiken wie Berufsunfähigkeit sowie Grundfähigkeits- und Pflegeabsicherung zu nennen.

Mit Blick auf Einsteiger, was unterscheidet den Einstieg bei einem Spezialisten vom Start bei einem Generalisten?
Der Einstieg bei einem Spezialisten bedeutet immer eine hohe Qualifikation. Im Bereich der Anlage- und Vermögensberatung müssen zum Beispiel Zertifikate nachgewiesen werden, um eine BaFin-Zulassung zu erhalten. Die Erlangung dieser Zertifikate kann ein halbes Jahr oder mehr in Anspruch nehmen. Ganz allgemein kann man sagen: Je spezialisierter die Aufgabe, desto höher die Anforderungen an Ausbildung und entsprechende Nachweise.

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Durch die zunehmende Industrialisierung des Finanzsektors sind Fachleute wie Wirtschaftsmathematiker, IT-Fachleute oder Mitarbeiter im Bereich Prozessoptimierung sehr gefragt.

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Wie beurteilen Sie generell die aktuelle Personalsituation der Branche und welche Kompetenzen sind wichtig?
Derzeit verlagern sich unterschiedliche Dienstleistungen auf Internetplattformen. Eine entsprechende Affinität ist also wichtig. Darüber hinaus sollte man in der Lage sein, eine zyklusorientierte Beratung anzubieten, um seine Kunden lange und über unterschiedliche Lebenssituationen hinweg an sich zu binden. Wer durch die akademische Ausbildung breit aufgestellt ist und sich zielgerichtet weiterqualifiziert hat, besitzt hier Vorteile.

Durch die zunehmende Industrialisierung des Finanzsektors sind Fachleute wie Wirtschaftsmathematiker, IT-Fachleute oder Mitarbeiter im Bereich Prozessoptimierung sehr gefragt. Die Beratung von Kunden wird nicht aussterben, aber sie wird komplexer und über eine Vielzahl von Kontaktmöglichkeiten erfolgen. Auch hier kann man sagen: Die Spezialisten sind im Kommen. Aber eines gilt weiterhin: Das Vertrauen der Kunden ist durch nichts zu ersetzen, und es muss hart erarbeitet werden.

Karriere bei Banken und Versicherungen – Experte im Sinne der Kunden

Je komplexer eine Materie ist, desto gefragter sind Experten. Für die Finanzbranche ist das Chance und Gefahr zugleich: Die Unternehmen müssen aufpassen, sich nicht im Spezialistentum zu verlieren. Denn Vertrauen gewinnt man nur durch Mitarbeiter, die ihr Know-how im Sinne der Kunden anwenden können. Hier liegt die Chance für Einsteiger: Gefragt sind Spezialisten mit Bodenhaftung. Von André Boße

Die Finanzbranche differenziert sich weiter. Im Wettbewerb um die Kunden positionieren sich viele Banken mit spezifischen Schwerpunkten, um aus Kundensicht zum Spezialisten für bestimmte Geschäfte zu werden. Damit dies gelingt, ist mehr notwendig als Hochglanzbroschüren und eine hübsch formulierte Internetseite. Die Finanzunternehmen benötigen Mitarbeiter, die sich tatsächlich und täglich als Spezialisten erweisen, ohne dabei die gesamte Branche und die Bedürfnisse des Kunden aus dem Blick zu verlieren. Gefragt sind Experten, die auf ihrem Gebiet absolute Kenner sind – sich dann jedoch nicht im Fachjargon verlieren und die Kunden links liegen lassen. Erfolgreiche Spezialisten verfügen daher über das Talent, ihr Wissen verständlich zu kommunizieren und im Sinne ihrer Kunden zu nutzen. Und genau solche Typen sind in der Finanzbranche mehr denn je gefragt: Sie sorgen dafür, dass private und geschäftliche Kunden den Spezialisten wieder vertrauen.

Mitarbeiter machen den Unterschied

Die Bandbreite der spezialisierten Finanzunternehmen ist groß. So gibt es zum Beispiel Banken für diverse Kundengruppen: für junge Familien und nachhaltig denkende Bürger, für Sportler und Priester. Hier kommt es darauf an, sich in die Lebenswelt der jeweiligen Klientel einzudenken: Welche Phasen gibt es, wenn die Familie wächst? Und welche Themen stehen wann an der Tagesordnung? So sollte man jungen Eltern noch nicht mit einem Kinderkonto kommen, wenn der Nachwuchs erst ein paar Monate alt ist und nachts kaum schläft. Steht das Kind dagegen vor der Einschulung, ist dieses Thema plötzlich sehr präsent.

Spezialisten in Grün

Der Öko-Boom setzt sich auch in der Finanzbranche durch: Banken mit nachhaltigen Geschäftsmodellen setzen darauf, Kunden und Nachwuchskräfte zu gewinnen, die einen besonderen Wert auf ethische und ökologische Geldgeschäfte legen. Das Nachhaltigkeitsportal Utopia. de hat die grüne Bilanz der Anbieter in diesem speziellen Segment getestet, ein Ranking erstellt und vier Banken empfohlen: die GLS Bank, die UmweltBank, die EthikBank sowie die Triodos Bank.

Quelle: www.utopia.de/ratgeber/gruenes-banken-brevier-alternative-bankinstitute

Neben diesen Banken gibt es eine Reihe von Finanzunternehmen, die sich auf bestimmte Teilaspekte der Branche fokussieren. Dazu zählt zum Beispiel die Baader Bank, eine der führenden Investment-Banken, die institutionelle Anleger beim Handel mit Finanzinstrumenten unterstützt und für Unternehmen Finanzierungslösungen entwickelt. Es handelt sich um ein Geschäftsmodell, bei dem Vertrauen besonders wichtig ist. „Die Mitarbeiter sind das Aushängeschild eines Unternehmens, denn mit fachlicher Kompetenz allein gewinnt die Bank dieses Vertrauen nicht “, weiß Rainer Merklinghaus, Head of Human Resources and Company Organisation.

„An den Erfolg der Zusammenarbeit glaubt der Kunde heute erst dann, wenn er spürt, dass der Bankberater seine Expertise und Erfahrung mit unternehmerischem Handeln im Sinne des Klienten kombiniert.“ Damit das funktioniert, arbeiten Einsteiger bei der Bank aus dem Münchener Raum von Beginn an intensiv mit den erfahrenen Mitarbeitern zusammen. „Im täglichen operativen Geschäft arbeiten Nachwuchskräfte in kleinen Teams eng mit Senior-Kollegen zusammen“, so der Personalchef.

Erfahrungsaustausch unter Spezialisten

Das Wissensmanagement stellt daher bei spezialisierten Häusern eine wichtige Herausforderung dar. Bei der Baader Bank werden von der Dokumentation von Best-Practice-Lösungen bis hin zu internen Wikis Quellen erstellt, die auch den jungen Mitarbeitern zur Verfügung stehen. „Die erworbenen Kenntnisse werden dann nach einer meist kurzen Lernphase direkt angewendet“, so Merklinghaus. „Die neuen Kollegen übernehmen schnell eigenverantwortlich einzelne Aufgaben und wachsen in kurzer Zeit in die Position hinein, die sie zukünftig ausfüllen werden.“ Mit Blick auf den Handel mit Wertpapieren gewinne dabei die IT immer mehr an Bedeutung, erklärt der Experte:

Die Bank betreut mehr als 700.000 Wertpapiere im börslichen und außerbörslichen Handel. Hier sind innovative Technologien gefragt, wobei das Institut mit Blick auf den Ideenreichtum der Nachwuchskräfte offen für neue Ideen oder Verbesserungsvorschläge ist. „Dabei“, so Rainer Merklinghaus, „sind Vorschläge für kleine Effizienzverbesserungen im Tagesgeschäft der Bank genauso wertvoll wie neue Strategien durch innovative Ansätze aus Wissenschaft und Technik.“

Wer möglichst dicht am Handel mit Wertpapieren einsteigen möchte, für den ist die Deutsche Börse ein interessanter Arbeitgeber. Bekannt ist das Unternehmen vor allem als Träger der öffentlich-rechtlichen Frankfurter Wertpapierbörse, also dem wichtigsten deutschen Handelsplatz mit einem Umsatzanteil von fast 90 Prozent. Darüber hinaus ist die Gruppe mit ihren mehr als 3800 Mitarbeitern international präsent und organisiert weltweit Märkte für Investoren, die Kapital anlegen, und Unternehmen, die Kapital aufnehmen. „Wir sorgen mit unseren Dienstleistungen und Systemen dafür, dass diese Märkte funktionieren und alle Teilnehmer gleiche Chancen erhalten“, heißt es in der Unternehmensbeschreibung. Gesucht werden dafür Risiko-Manager und Compliance-Officer, die sich auf die strengen regulatorischen Aspekte des Wertpapierhandels spezialisieren.

Ebenfalls gefragt sind Softwareentwickler, denn eine Hochleistungs-IT ist heute die Grundlage des Wertpapierhandels und damit ein „integrativer Bestandteil unseres Unternehmens“, so Jessica Erk, Head of Apprenticeship & Recruiting Germany der Deutschen Börse.

Global den Handel organisieren

Gearbeitet wird im Unternehmen häufig projektorientiert. Wer daher in ein Unternehmen wie die Deutsche Börse einsteigt, sollte sich auf einen Job einstellen, der von den Mitarbeitern eine gewisse Beweglichkeit verlangt. „Durch unsere internationale Ausrichtung und Strategie werden insbesondere im Hinblick auf Führungspositionen Eigenschaften wie Mobilität, Flexibilität und Mehrsprachigkeit an Bedeutung gewinnen“, sagt Jessica Erk. Daher lege die Deutsche Börse bei der Auswahl und Entwicklung des Personals immer größeren Wert auf diese kulturellen Fähigkeiten.

„Wer in einer projektorientierten Organisation Erfolg haben will, sollte dauerhaft stabile soziale Netzwerke aufbauen, sich schnell in neue Aufgabengebiete einarbeiten und den Spagat zwischen Teamfähigkeit und Durchsetzungsvermögen meistern können“, bringt die Personalverantwortliche die Anforderungen auf den Punkt.

Zwei Berufswege, ein Trainee-Team

Dass die Unternehmen der Finanzbranche heute IT und Beratung nicht mehr als zwei vollkommen unterschiedliche Bereiche betrachten, zeigt der Blick auf einen traditionellen Spezialisten, die Bausparkasse Schwäbisch Hall. Das Unternehmen ist seit mehr als 80 Jahren am Markt und fest in der genossenschaftlichen Finanzgruppe der Volks- und Raiffeisenbanken verankert. Aus dieser Organisation ergeben sich Werte und eine Unternehmenskultur, die von allen Einsteigern weitergetragen werden soll – ob im Beratergeschäft oder in der IT-Abteilung.

Daher durchlaufen alle Trainees das gleiche Programm, unabhängig davon, welchen fachlichen Hintergrund sie aus dem Studium mitbringen oder in welchem Bereich sie später arbeiten. „Wir legen Wert darauf, dass auch im IT-Bereich Führungskräfte und Projektleiter das Tagesgeschäft von Schwäbisch Hall kennen“, sagt Richárd Kovács, Referent im Personalmarketing.

„Wir erreichen mit diesem Einstiegsprogramm, dass in der gesamten Unternehmensgruppe eine gemeinsame Kultur entsteht. Im Projektgeschäft bringt uns das dann erhebliche Vorteile.“ Durch diese Vielfalt in den Trainee-Teams erfahren die IT-Einsteiger, wie ihre Entwicklungen im Alltagsgeschäft der Bausparkasse zum Einsatz kommen – zum Beispiel, wenn es darum geht, IT-Lösungen für den klassischen Bausparvertrag oder die Riester-geförderte Eigenheimrente zu entwickeln.

Eine noch speziellere Art von Immobiliengeschäften wickelt die Deutsche Pfandbriefbank ab. Das Institut mit Sitz in München ist eine Spezialbank für die Immobilienfinanzierung sowie die öffentliche Investitionsfinanzierung. Auf den Kapitalmärkten ist das Institut gemessen am ausstehenden Volumen zudem der größte Ausgeber von Pfandbriefen, also Anleihen, die in der Regel von Grundstücken und Immobilien gedeckt werden. Die Deutsche Pfandbriefbank ist das Nachfolgeinstitut der im Zuge der Bankenkrisenotverstaatlichten Hypo Real Estate.

„Aktuell ist die Privatisierung des Konzerns – neben unserem operativen Kern- und Tagesgeschäft – unser wichtigstes Projekt“, sagt Gabriele Rappensperger, Leiterin Personal. Eine spannende Phase bei der Bank, die den Einsteigern in der ersten Phase einen Rundumblick auf die unterschiedlichen Abteilungen einer Immobilienbank gibt. „Innerhalb des Bereichs Credit Risk Management übernehmen Nachwuchskräfte rasch Aufgaben im Rahmen der Kreditbearbeitung und erwerben Kenntnisse in der Erstellung von Kreditvorlagen, der Umsetzung von Transaktionen und der Beurteilung von Kreditrisiken“, beschreibt Rappensperger die Herausforderungen für junge Einsteiger.

Leistungsträger mit einigen Jahren Berufserfahrung und Potenzial werden gefördert, sich zum Immobilienmanager weiterzuqualifizieren. Dann geht es noch tiefer in die Materie, von Immobilieneigenschaften und Wertermittlungsverfahren bis hin zu Kenntnissen in Finanzierungs- und Refinanzierungsprozessen. Aber gerade die Geschichte der Hypo Real Estate zeigt: Spezialisten dürfen sich nicht in ihrem Fachgebiet verlieren. Die besten Experten sind die, die auch wissen, was links und rechts ihres Spezialgebiets geschieht.

 

Aufteilung des Marktes

Laut der Strategieberatung Bain kommt es im Bankensektor zu einer stärkeren Fokussierung der Geschäftsmodelle. Die Berater gehen davon aus, dass sich der Markt künftig in globale Universalbanken, Regionalinstitute und Spezialisten aufteilen wird. Letztere würden sich über individuelle Wettbewerbsvorteile wie einen besonderen Kundenzugang oder Skaleneffekten im Produktionsprozess positionieren.

Zudem werde das Bankengeschäft zu einer ganz normalen Industrie – mit geringeren Renditen und weniger Risiken. Insgesamt sei der Strukturwandel mit dem Umbruch in der Stahlindustrie im vergangenen Jahrhundert vergleichbar. Am Ende des Prozesses würden weniger, fokussiertere und renditestärkere Häuser stehen.

Quelle: www.bain.de

Interview mit Aletta Gräfin von Hardenberg – Charta der Vielfalt


Aletta Gräfin von Hardenberg ist Geschäftsführerin des Vereins Charta der Vielfalt, einer Initiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen. Zuvor war sie für das Diversity Management bei der Deutschen Bank verantwortlich. Im Interview erzählt sie, warum für Einsteiger eine vielfältige Unternehmenskultur bedeutsam ist. Denn das oft diskutierte Thema Diversity ist so wichtig wie nie zuvor. Die Fragen stellte André Boße.

Frau Gräfin von Hardenberg, warum ist Vielfalt für die Unternehmen heute unverzichtbar?
Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels haben Organisationen gar keine andere Wahl, als alle Potenziale zu nutzen, wenn sie im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen wollen. Eine pluralistische Unternehmenskultur, die auf gegenseitigem Respekt beruht und die unterschiedlichen Talente in der Belegschaft anerkennt, hat viele Vorteile. Sie beeinflusst das Arbeitsklima positiv, bindet Fachkräfte an die Organisation und trägt grundsätzlich zu einer Verbesserung des Images bei – ein wichtiger Faktor, um die besten Nachwuchskräfte zu gewinnen. Daneben profitieren Organisationen von den gemischten Teams, da sie innovative Lösungen und produktivere Ansätze bieten. Das ist zum Beispiel wichtig, um neue Märkte im In- und Ausland zu erschließen oder neue Kunden zu gewinnen.

Welches Vorurteil gegenüber dem Begriff Diversity würden Sie gerne aus dem Weg räumen?
Diversity Management ist kein reines Personalthema, sondern Teil jeder Organisationsstrategie. Diversity ist also auch ein Business-Thema, denn es bezieht sich auch auf die Produkte und Dienstleistungen. Es ist zum Beispiel wichtig, lokale Gegebenheiten und Kundenbedürfnisse zu erkennen – was schwerfällt, wenn ein Team, bestehend aus rein deutschen, männlichen Beschäftigten, in China ein neues Haarpflegeprodukt für die weibliche Kundschaft auf den Markt bringen möchte, wie Henkel-Vorstand Kathrin Menges es einmal treffend formulierte. Vielfalt muss daher in die DNA der Organisation Einzug erhalten und bei jeder Entscheidung mitgedacht werden. Mit ein paar personalpolitischen Maßnahmen und Projekten ist es in der Regel nicht getan. Dafür braucht es eine Strategie, die auf die konkreten Bedürfnisse der Organisation zugeschnitten ist.

Charta der Vielfalt

Der Verein Charta der Vielfalt tritt als Unternehmensinitiative seit 2010 dafür ein, Diversity Management fest in der deutschen Wirtschaft zu verankern. Über 2200 Unternehmen und Institutionen mit insgesamt 7,4 Millionen Beschäftigten haben diese Selbstverpflichtung bereits unterzeichnet und tragen dazu bei, Vielfalt in Deutschland gezielt zu fördern. Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auf der Homepage der Initiative stellen Unternehmen, die die Charta der Vielfalt unterzeichnet haben, Best-Practice-Beispiele vor und informieren über ihre Projekte.
www.charta-der-vielfalt.de

Welcher wichtige Aspekt von Vielfalt kommt in der Debatte häufig zu kurz?
Diskussion und Maßnahmen drehen sich häufig um einzelne Dimensionen, wie zum Beispiel Frauen und Integration. So birgt beispielsweise die alleinige Konzentration auf das Thema Frauenquote in den Führungsetagen die Gefahr, nur Köpfe zu zählen, ohne dabei die tatsächlichen Vorteile richtig einzusetzen – und das schadet einer breiten und nachhaltigen Verankerung von Vielfalt. Ich plädiere dafür, Diversity Management ganzheitlich zu bearbeiten. Sicher ist es sinnvoll, Prioritäten zu setzen, aber das Ziel sollte sein, alle Menschen als vielfältig zu betrachten. Dann ist auch klar, dass Diversity ein Kultur-Thema ist – und kein Minderheiten-Förderprogramm.

Welche konkreten Vorteile haben Absolventen, wenn sie in ein Unternehmen einsteigen, das Diversity ernst nimmt?
In einer vorurteilsfreien und wertschätzenden Unternehmenskultur können die Beschäftigten ihre individuellen Fähigkeiten und Talente entfalten und sie weiterentwickeln. Es gibt keine Vorurteile gegenüber ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts, sie werden nicht abgelehnt aufgrund einer Behinderung oder aufgrund ihres Alters. Sie müssen sich auch nicht eins zu eins der vorhandenen Kultur anpassen, sondern bringen sich selbst in diese ein und formen sie mit. Das erhöht die Chance, dass sich insbesondere auch Einsteiger auf Dauer in einer Organisation wohlfühlen und nicht nach einem neuen Arbeitgeber Ausschau halten wollen. Diese Sicherheit ist für alle Beschäftigten von großem Vorteil.

Woran erkenne ich denn in der Bewerbungsphase, ob es ein Unternehmen mit der Vielfalt ernst meint?
Ein Faktor ist besonders plakativ: Schauen Sie sich den Internet-Auftritt an. Welchen Stellenwert spielt Diversity hier in der Kommunikation? Ist es überhaupt erwähnt? Lesen Sie den Geschäfts- oder Jahresbericht: Wird hier Auskunft über das Thema gegeben? In die internen Strukturen können Sie von außen natürlich selten Einblick erhalten, dennoch gibt es eine Vielzahl von Initiativen, die genau das tun und dann Prädikate und Auszeichnungen verleihen. Die entsprechenden Logos sollten von den Organisationen in die Kommunikation eingebunden sein, zum Beispiel in der Stellenausschreibung oder auf der Internetseite.

Redaktionstipp

Das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit fördert bundesweit die Chancengleichheit von Frauen und Männern. Der Verein bündelt Expertise aus Forschung und Praxis für die Anerkennung von Vielfalt als Erfolgsprinzip in Wirtschaft, Gesellschaft und technologischer Entwicklung. Zu den Projekten gehören unter anderem der Girls’ Day und die Initiative Komm mach MINT.
www.kompetenzz.de

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„Digicale“ Strategien umsetzen

Für Konsumenten besteht zwischen digitaler und realer Welt kein Unterschied. Dies sollte auch für Unternehmen gelten. Um gemeinsam mit dem Kunden eine digital-physische Transformation planen und erfolgreich umsetzen zu können, benötigen Beratungsunternehmen technisch versierte Consultants. Von Walter Sinn, Managing Director, Bain & Company, Germany.

Kein Unternehmen kann die digitale Welt heute noch ignorieren. Gleichzeitig aber vernichten Konzerne, die ihr angestammtes Kerngeschäft vernachlässigen, um internetbasierte Start-ups ohne besonderen Wettbewerbsvorteil aufzubauen, letztlich nur Kapital. Berücksichtigt wird nicht, wie sich die neue Netzwelt aus Konsumentensicht darstellt. Tatsächlich verweben Verbraucher die digitale und physisch-reale Sphäre heute so nahtlos, dass sie nicht verstehen, warum Unternehmen nicht dasselbe tun. Daher sind „digicale“ Transformationen – also Ansätze, die physisches Geschäft und digitale Anwendungen clever verbinden – wesentlich für künftigen Unternehmenserfolg. Durch die Analyse von 300 Erfolgsbeispielen aus 20 Branchen hat Bain fünf Schlüsselfaktoren identifiziert, die in der digicalen Welt den Unterschied machen zwischen Triumph und Niederlage.

Regel eins: Die Fusion von digitaler und realer Welt schafft Wettbewerbsvorteile

Viele Manager glauben, dass es keine nachhaltige Unternehmensstrategie mehr gibt, weil sich die Technologie zu schnell ändert, und dass, wer überleben will, heute von einer Chance zur nächsten springen muss. Doch dieser Ansatz schüttet das Kind mit dem Bade aus: Kernkompetenzen gehen verloren, während große Summen in riskante Projekte gesteckt werden. Digicale Transformation dagegen schafft Wettbewerbsvorteile, ohne das eigentliche Geschäftsmodell eines Unternehmens zu gefährden. Dies zeigt das Beispiel der Commonwealth Bank of Australia (CBA). 2006 machte es sich die CBA zur Aufgabe, von der in Kundenzufriedenheitsumfragen schlechtesten zur besten Bank Australiens zu werden, und knüpfte die Boni ihrer Führungskräfte an die Erreichung dieses Ziels. Es folgte eine digitale Innovation nach der anderen, um die Kunden Schritt für Schritt besser beraten und unterstützen zu können. 2013 war es geschafft – und außerdem der Börsenwert um 80 Prozent gestiegen. Der australische Börsenindex legte im gleichen Zeitraum lediglich um neun Prozent zu.

Regel zwei: Kunden wollen nahtlose Konsumerfahrung

Digicale Transformation bedeutet nicht, nur das Bestehende zu digitalisieren. Vielmehr gilt es, jeden Schritt des Kundenkontakts systematisch durchzugehen, um ein geschlossenes, kohärentes System zu schaffen. Nike ist dafür ein gutes Beispiel. Kunden können nicht nur online personalisierte Produkte bestellen, auch helfen ihnen Apps, ein komplettes Fitnessprogramm zu entwickeln. Inzwischen gibt es mit dem Nike+Fuelband ein elektronisches Armband, das Kunden durch den gesamten Tag begleitet. Dadurch verzeichnet Nike das höchste Social-Media-Engagement von Kunden in der Branche – und für das Geschäftsjahr 2013/2014 ein Plus von 42 Prozent im Internetvertrieb.

Regel drei: Digicale Innovation folgt eigenen Gesetzen

Bislang definiert die Unternehmensleitung eine neue Aufgabe und die IT-Abteilung muss liefern. Digicale Transformation entsteht jedoch in komplementär besetzten Teams, in denen Digitalexperten auf jeder Stufe den Innovationsprozesses mitbestimmen. Disney hat hier Pionierarbeit geleistet. Um die Themenparkerfahrung für den Besucher zu personalisieren, entwickelten multifunktionale Teams eine Website und eine App, mit denen Kunden Trips planen können, einen digitalen Besucherpass, mit dem sich Attraktionen vorausbuchen lassen, und Armbänder, die gleichzeitig als Ticket, Kreditkarte und Zimmerschlüssel eingesetzt werden können. Heute ist Disney auf dem besten Weg, 20 Prozent operative Marge zu realisieren.

Regel vier: Getrennte Organisationsstrukturen sind eine Interimslösung

Digitale Geschäfte starten oft als Konzernausgründung. Letztlich sollte das Ziel jedoch sein, das Beste aus traditioneller Konzernwelt und Start-up-Klima zu verbinden und so die Vorteile von Größendegression, guter Koordination und nahtloser Konsumerfahrung zu realisieren. Die US-Warenhauskette Macy‘s macht diese Omnikanal-Strategie vor: Kunden können online einkaufen und die Ware dann im nächstgelegenen Shop abholen. Eine App und eine Organisation aus einem Guss helfen Käufern und Mitarbeitern, das im Netz Bestellte in der realen Welt schnell aufzuspüren.

Regel fünf: Ohne Digitalexperten im Top-Management geht es nicht – und das schließt den CEO mit ein

Top-Manager, die nicht technikaffin sind, müssen mehr Zeit mit Technologieexperten verbringen und diese in ihre Aufsichtsräte holen. Auch sollten sie mit den Geräten „spielen“, die ihre Kunden benutzen. Burberry beispielsweise etablierte einen „Strategic Innovation Council“, der aus den jüngsten und innovativsten Führungskräften besteht, die den CEO beraten. Seit Einführung des Councils im Jahr 2006 verdreifachte sich der Börsenwert von Burberry. Dagegen legte der britische FTSE-100-Index im Vergleichszeitraum bis 2014 nur um 19 Prozent zu.

Der Fiesta deklassiert seine Wettbewerber dank Ford Sync, einem intelligenten Bordcomputer, der sich mit dem Smartphone der Fahrer kurzschließt. Ein wesentlicher Bestandteil des Turnarounds von Delta Airline ist die Fly Delta App, die es Passagieren erlaubt, Parkplätze vorauszubuchen, einzuchecken und den Weg des Gepäcks zu verfolgen. Kurz: Die digitale Revolution ist keineswegs dabei, traditionelle Geschäfte zu zerstören – sie transformiert sie lediglich. Die Gewinner in diesem Spiel sind diejenigen Unternehmen, die für den Kunden durch digicale Transformation das Beste aus beiden Welten nutzbar machen. Unterstützt werden sie dabei von Beratern, die die technologischen und strategischen Anforderungen verstehen und Erfahrungen aus verschiedenen Branchen mitbringen.

Schlusswort: Numan Acar

Der deutsch-türkische Schauspieler Numan Acar ist nicht nur durch seine Film- und Serienrollen bekannt. Der 41-Jährige schreibt auch Drehbücher, produziert Filme, führt Regie und wäre als junger Mann beinahe Fußballprofi geworden. Außerdem hat Acar Bauingenieurwesen studiert. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Numan Acar wurde 1974 in Kozoglu in der Türkei geboren. 1982 kam er nach Deutschland. Als Regisseur, Autor und Produzent ist er auf deutsch-türkische Produktionen spezialisiert. Als Schauspieler war und ist er in deutschen und internationalen Produktionen zu sehen. Vor dieser Laufbahn schloss Acar ein Bauingenieurstudium ab. 2014 erhielt er den Hessischen Filmpreis in der Kategorie Drehbuch für „Weihnachten unterm Halbmond“.

Sie sind studierter Bauingenieur, schreiben Drehbücher, führen Regie, sind Produzent und Schauspieler. Was haben das Herstellen eines Films und der Bau eines Hauses gemeinsam?
Ich finde, dass es sehr viele Gemeinsamkeiten gibt. Der Architekt ist der Drehbuchautor, der die perfekte Vorlage für ein Werk liefert. Ohne diese Vorlage kann kein guter Film oder ein gutes Bauwerk entstehen. Der Regisseur ist der Bauleiter, der das Team und die Gewerke kontrolliert und somit Zeit, Kosten und Qualität einhält. Die einzelnen Facharbeiter – Maurer, Zimmermann, Elektriker, Fliesenleger – sind die Departments des Film. Genauso wie die Besetzung, Ausstattung, Kostüm oder die Filmmusik, die mit ihrer Kreativität das Werk weiter ausschmücken, damit das Gebäude funktionsfähig und gemütlich wird. Somit war es für mich nicht schwierig, die Abläufe des Films schnell zu begreifen und zu erkennen, dass ein Film wie ein Haus nicht alleine erstellt werden kann und dass es förderlich ist, sich mit den Gewerken und den Abläufen gut auszukennen.

Und wo liegen die Unterschiede?
Der Film dient dazu, Seele und Geist anzuregen, sich in Welten hineinzuversetzen, zu träumen. Das ideale Haus sollte dazu dienen, sich zu entspannen und wohlzufühlen, darin Kraft zu tanken und eine Heimat zu haben. Ein schlechter Film kommt einer körperlichen Prellung nah, aber Pfusch am Bau kann lebensgefährlich sein.

Sie haben einmal gesagt, Sie hätten den Drang, vielseitig zu arbeiten. Warum ist diese Vielfalt für Sie so wichtig?
Weil ich viele Impressionen brauche, um meine Kreativität auszuschöpfen. Mit vielseitigem neuen Input stellen wir erst fest, wie festgefahren wir in unserem Denken sind. Der einzige Grund für mich, in einem kreativen Bereich zu arbeiten, ist, dass ich kreativ und innovativ bleibe und mich nicht wiederhole. Wiederholung ist langweilig.

Sie haben nach dem Studium auch als Bauingenieur gearbeitet. Woran denken Sie dabei gerne zurück?
Es war eine sehr schöne Zeit, ich erinnere mich an alles gerne zurück. Es hat mir Spaß gemacht, auf dem Bau zu arbeiten.

Warum haben Sie dann doch den Job gewechselt?
Ich finde die Arbeit im Filmbereich noch spannender. Als Schauspieler und Filmemacher kann ich Themen wie Politik, Kultur und Tradition mehr in meine aktuellen Arbeiten einbringen.

Welches Bauwerk hätten Sie gerne errichtet – und warum?
Die Brücke über den Bosporus in Istanbul hätte ich gerne errichtet. Das entspricht genau meinen Vorstellungen eines Filmemachers: Brücken schaffen, um Kulturen, Traditionen und Menschen einander näherzubringen.

Wenn man als kreativer Filmschaffender und Autor auf so vielen Baustellen unterwegs ist: Was ist Ihr Rezept gegen Überlastung?
Sich Zeit für Familie und Freunde zu nehmen, sich gut und gesund zu ernähren, Sport zu treiben, Spaß bei der Arbeit zu haben und Verantwortung abzugeben.

Sie sagen von sich selbst, Sie seien „ein Beobachter“. Worauf achten Sie bei der ersten Begegnung mit einem Menschen als erstes?
Als Beobachter bin ich eher unscheinbar. Darin liegt ja der Reiz des Beobachtens. Bei der ersten Begegnung spielt der Händedruck eine Rolle: Wie lange hält jemand den Augenkontakt, oder was ist das erste gesprochene Wort?

Als Teenager war für Sie sogar eine Karriere als Fußballprofi möglich. Bei Ihrem Talent, viele Dinge gleichzeitig zu tun, und Ihrer Ausstrahlung: Wäre der Trainerjob nicht etwas für Sie gewesen?
Ich würde lieber einen Fußballtrainer in einen Film spielen wollen als den Job wirklich auszuüben. Das Kapitel Fußball ist in meinem Leben abgeschlossen.

karriereführer hochschulen 1.2015 Sonderthema Diversity/Vielfalt

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Cover karriereführer hochschulen 1.2015 Sonderthema Diversity/Vielfalt

Erfolgsfaktor Diversity Management: Vielfalt – viel Erfolg

Bunt. Diversity – das sind gemischte Teams mit Männern und Frauen, Einsteigern und Erfahrenen, Experten und Querdenkern, Intro- und Extrovertierten. Diversity bedeutet aber auch, dass der Arbeitgeber diese Vielfalt nicht nur zulässt, sondern gezielt fördert. Denn nur dann profitieren alle davon. Ganz besonders die Nachwuchskräfte, auf die Unternehmen in Sachen Vielfalt besonders große Hoffnungen setzen.

Handzeichen

Nina Frauenfeld
Einblicke von der Business-Trainerin und Diversity-Expertin, die sich nicht nur mit der Vielfalt von Taxifahrern auskennt.

Women in Trade: Netzwerk als Aushängeschild

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Women in Trade ist ein „Mitarbeiternetzwerk für engagierte Frauen und interessierte Männer“ des Metro-Konzerns. Angeboten werden unter anderem Diskussionsrunden und ein Mentoring-Programm. Andrea Schmitz, bei Metro für Employer Branding, Inclusion & Diversity sowie Employee Engagement zuständig, erklärt in ihrem Gastbeitrag, wie Berufseinsteigerinnen von diesem Netzwerk profitieren können.

Ein kühler Tag Ende November 2014 in Düsseldorf. Draußen ziehen die ersten Winterwolken auf, und drinnen wird lebhaft diskutiert: Rund 50 Frauen und eine Handvoll Männer; Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Handelskonzerns Metro, trafen sich, um über das Thema Vielfalt zu sprechen. Organisiert hatte die Diskussionsveranstaltung das Frauennetzwerk des Unternehmens: die „Women in Trade“, kurz WiT.

Das 2012 gegründete Netzwerk lud zur Diskussionsrunde mit Führungskräften und Referenten: Welche Vorurteile beeinflussen unser Handeln? Wie kann eine bessere Förderung von Frauen gewährleistetet werden? Welche Coachingangebote gibt es? Eine der Teilnehmerinnen und Mitglied des WiT-Netzwerkes ist Sandrine Vinay. Die 33-Jährige ist seit vier Jahren im IT-Bereich des Unternehmens beschäftigt und begeistert von dem WiT-Angebot: „Ich freue mich jedes Mal über den interessanten Austausch mit Kollegen und Kolleginnen, mit denen ich im täglichen Arbeitsleben wahrscheinlich nicht in Berührung kommen würde. So habe ich schon oft interessante Sichtweisen und neue Ideen für meine Projekte mitgenommen.“

Genau das war auch die Antriebsfeder der Gründerinnen. Britta Gallus, die als Director Programs & Risk Assessment bei der Metro arbeitet, ist eine von insgesamt acht Frauen, die Mitte des Jahres 2012 den Entschluss fassten, ein Mitarbeiternetzwerk aufzubauen: „Die Idee hierzu kam von uns intern. Wir wollten eine Möglichkeit schaffen, uns stärker miteinander zu vernetzen, um effektiv voneinander zu lernen.“ Das Netzwerk sollte – so die erste Vorstellung – vor allem eine Anlaufstelle für Kolleginnen mit Fragen sein, wie sie viele Frauen im Berufsalltag beschäftigen: Tipps zur Karriereplanung sollten dort genauso ausgetauscht werden können wie Erfahrungen mit unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Angesichts der Themen und weil das Gründungskomitee keine Männer zählte, lag es nahe, den Namen „Women in Trade“ zu wählen.

„Das Netzwerk ist aber kein ‚closed shop‘“, erklärt Britta Gallus. „Die Männer- und Frauenwelt sind mittlerweile eng verzahnt. Daher sind auch an den WiT-Themen interessierte Männer herzlich eingeladen. Denn nur gemeinsam wird es immer besser gelingen, dem kulturellen Wandel gerecht zu werden.“ Entsprechend verstehen sich die „Women in Trade“ als „Mitarbeiternetzwerk für engagierte Frauen und interessierte Männer“. Sie wollen dazu beitragen, das Verständnis zwischen Männern und Frauen zu fördern, die Kompetenzen von Frauen zu stärken und ihren Anteil in Führungspositionen nachhaltig zu steigern, „um einen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen“. Ein aktives Netzwerk, das sich für die Umsetzung von Werten wie Vielfalt und Familienfreundlichkeit im Berufsalltag engagiert, ist vor allem ein Aushängeschild für das gesamte Unternehmen. Das Netzwerk lebt dabei von den Teilnehmern: Die WiT-Themen entstehen im Dialog mit den Interessierten – darunter sind Neueinsteigerinnen genauso wie langjährige Mitarbeiterinnen, Assistentinnen und Bereichsleiterinnen, Männer und Frauen unterschiedlicher Nationalitäten. „Wir freuen uns besonders, dass die Angebote aus unserem Netzwerk auch von Berufseinsteigerinnen wahrgenommen werden. Gerade jüngere Kolleginnen und Kollegen bringen innovative Ideen in das Netzwerk ein und sind motiviert, sich zu engagieren“, sagt Britta Gallus.

Im Mittelpunkt von „Women in Trade“ stehen der Austausch und das Networking, hierzu haben die Gründerinnern regelmäßige Veranstaltungsreihen ins Leben gerufen. Darunter Events wie „Lunch & Learn“ und „Let‘s talk Gender“, bei denen Mitarbeiter unterschiedliche Themen besprechen und diskutieren, zum Beispiel „Herausforderungen bei der Karriere für den beruflichen Nachwuchs“ oder „Maßnahmen zur Gleichberechtigung aller Kollegen“. Auch externe Coachingangebote und Vorträge werden angeboten. Darüber hinaus spielt auch der Austausch mit externen Netzwerken und Experten eine wichtige Rolle. Zu Beginn des Jahres 2015 ist zudem das erste von „Women in Trade“ initiierte Mentoring-Programm gestartet. „So möchten wir Brücken zu erfahrenen Managerinnen und Mitarbeiterinnen bauen und insbesondere den Nachwuchskräften Gelegenheit zu einem individuellen Austausch in einem fördernden und unterstützenden Umfeld geben“, erklärt Simone Zilgen, die die interne Kommunikation bei Metro Cash & Carry Deutschland leitet und das Mentoring-Programm von Seiten der WiT betreut. „Besonders wichtig ist uns, dass die Initiative als ein wechselseitiges Mentoring gedacht ist, denn auch der Mentor kann von dem Mentee lernen.“ Rund 30 Mentees haben sich für die erste Runde angemeldet. „Women in Trade“ fördert so die berufliche und persönliche Weiterentwicklung der Teilnehmer und zeigt neue Blickwinkel für das Unternehmen auf.

Redaktionstipp: Spitzenväter des Jahres

Bereits zum zehnten Mal hat die Großbäckerei Mestemacher den Preis „Spitzenvater des Jahres“ verliehen. Mit der Auszeichnung will das Unternehmen das partnerschaftliche Ehe- und Familienmodell mit zwei berufstätigen Partnern fördern und den väterlichen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes stärken. „Spitzenväter sind ein Segen für Familie und Gesellschaft, erklärt Prof. Dr. Ulrike Detmers, Initiatorin des Preises und Mitglied der Geschäftsführung sowie Gesellschafterin der Mestemacher-Gruppe.

Im März 2015 wurden zwei Väter mit dem mit je 5000 Euro dotierten Preis gewürdigt: Zum einen Muhittin Demir, HNO-Facharzt an der Uniklinik Münster, der für jedes seiner drei Kinder Elternzeit genommen hat und sich mit seiner Frau die regelmäßigen Erziehungs- und Hausarbeiten teilt. Zum anderen Norman Heise, der seit 2003 im IT-Bereich selbständig ist, daneben als Betriebsleiter in Teilzeit einen Getränkegroßhandel führt, sich intensiv um seine beiden Söhne kümmert und darüberhinaus ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit engagiert ist.

Mehr dazu

Internationalität als Erfolgsfaktor

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Vielfältige Teams, die unterschiedliche Nationalitäten und Generationen zusammenbringen – darauf legt Daimler Wert. Laura Tilly leitet das Global Diversity Office bei dem Automobilunternehmen und erklärt in ihrem Gastbeitrag, wie man dort Vielfalt fördert.

Laura Tilly, Foto: Daimler
Laura Tilly, Foto: Daimler

Internationalität und das Miteinander verschiedener Nationalitäten am Arbeitsplatz sind Alltag bei Daimler: Weltweit sind für uns Mitarbeiter aus rund 150 Nationen im Einsatz, an 172 Standorten auf sechs Kontinenten. Neben unterschiedlichen Nationalitäten beschäftigen wir derzeit fünf Generationen. Genau das ist entscheidend für unseren Erfolg: die Vielfalt der Kollegen, die daran mitarbeiten. Dadurch, dass sie ihre unterschiedlichen Perspektiven, Kenntnisse und Erfahrungen zusammenbringen, entstehen neue Ideen. Natürlich erfordern vielfältige Teams Respekt und gegenseitige Wertschätzung. Um das zu unterstützen, bieten wir zum Beispiel Seminare zum Aufbau interkultureller Kompetenzen an.

Unser Unternehmen braucht Führungskräfte und Mitarbeiter, die international ausgebildet sind und die Kultur sowie die Kundenbedürfnisse in den Märkten kennen und verstehen. Diese Nachwuchskräfte entwickeln wir zum Beispiel mit unserem Traineeprogramm. Um die interkulturellen Kompetenzen der Nachwuchskräfte zu stärken, gehört ein internationaler Projekteinsatz grundsätzlich dazu. Das Wachstum an den Standorten außerhalb Deutschlands erfordert außerdem die Einsätze von „Global Assignees“, die bereit sind, für eine gewisse Zeit im Ausland zu arbeiten und dort ihr Knowhow weiterzugeben und zu erweitern. Interne Studien bestätigen, dass unsere Global Assignees ihre Auslandserfahrung in bester Erinnerung behalten. Sie würden ihren Kollegen einen Auslandseinsatz empfehlen und haben Interesse an weiteren Einsätzen. Grund dafür ist, neben der fachlichen Weiterentwicklung, dass die Assignees eine neue Kultur und Umgebung erleben – davon profitieren sie und ihre Familienmitglieder. Wir fördern auch Einsätze der Mitarbeiter unserer weltweiten Standorte, die als „Impats“ nach Deutschland kommen. Sie können so ihr Netzwerk ausbauen und ihr Know-how vertiefen, außerdem tragen sie dazu bei, Daimler in Deutschland noch internationaler aufzustellen.

Wir haben eine lange Tradition der interkulturellen Zusammenarbeit. Es gibt viele Beispiele von Familien, die in erster Generation als Gastarbeiter in der Produktion arbeiteten und deren Kinder im Unternehmen als Führungskräfte Karriere gemacht haben. 1992 wurde der Daimler Türk-Treff gegründet, in dem einige dieser Kollegen Mitglied sind – dabei handelt es sich um eines der ältesten und größten Mitarbeiternetzwerke in Deutschland. Er setzt sich für Integration und Toleranz ein und trägt zur Sichtbarkeit der Kollegen im Konzern bei. Der Türk-Treff hat inzwischen über 700 Mitglieder. Neben diesem Mitarbeiternetzwerk gibt es bei uns zehn weitere, viele davon arbeiten über Landesgrenzen hinweg.

„Die junge Generation muss sich reflektieren“

Martin Klaffke ist BWL-Professor und untersucht, wie sich Nachwuchskräfte in die Unternehmen integrieren. Bei der aktuellen Generation Y erkennt er einige Reibungsflächen. Warum manche Einsteiger keine Widerworte gewohnt sind und weshalb er einen Blick in den Knigge empfiehlt, erzählt der Generationenexperte im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Nach seinem Studium der Europäischen Wirtschaft und Promotion war Prof. Dr. Martin Klaffke mehr als acht Jahre in internationalen Management-Beratungen aktiv, zuletzt als Projektmanager bei Roland Berger Strategy Consultants. Als Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sind seine Forschungsschwerpunkte die strategische Weiterentwicklung und Professionalisierung des Personalmanagements sowie das Management von nachhaltigen Veränderungsprozessen. Aktuell beschäftigt sich Klaffke, der zudem in Hamburg das Institute of Change Management leitet, mit Generationen-Management und zeigt dabei Konzepte zur Personalführung der Generation Y auf.

Herr Professor Klaffke, warum hilft uns der Blick auf Generationen, wenn wir über Diversity reden?
Die Zugehörigkeit zu einer Generation kann man daran festmachen, in welchem Zeitrahmen ein Mensch geboren wurde und welchen Einflüssen und Gegebenheiten er in seiner Jugend und dem frühen Erwachsenenleben ausgesetzt war. Die Generationenforschung stellt dabei fest, dass der Zeitgeist, auf den junge Menschen treffen, ihre Wünsche, Werte und beruflichen Vorstellungen prägt.

Welche Einflüsse sind das bei der Generation Y – also der aktuellen Nachwuchsgeneration in den Unternehmen?
Die Generation Y umfasst die Geburtsjahrgänge von circa 1980 bis 1995. Der aktuell in Unternehmen eintretende Bachelor-Nachwuchs wurde überwiegend in den frühen 1990er-Jahren geboren. Die Zeit, auf die wir hinsichtlich des prägenden Zeitgeistes schauen müssen, sind also die 2000er-Jahre, und hier haben sich mit Blick auf das soziale und wirtschaftliche Umfeld wesentliche Änderungen ergeben. So hat man in Deutschland mehr Aufmerksamkeit denn je auf Kinder gelegt. Viele Vertreter der Generation Y wurden von ihren Eltern als eine Art Projekt betrachtet. Dass wir uns nicht missverstehen: Die Kinder wurden von ihren Vätern und Müttern durchaus geliebt. Aber es gab auch das Ziel, dass aus den Kindern etwas Besonderes werden sollte. Interessant ist hier, wie die Einstellung der Eltern mit der Bildungspolitik korrespondiert.

In welcher Form?
Ab den 2000er-Jahren begannen Eltern, das Kümmern mit deutlich mehr Programmpunkten zu versehen. Die musikalische Früherziehung oder bilinguale Kitas sind typische Angebote für solche Eltern. Der Sinn dahinter ist eine Förderung, dennoch ist auch impliziert, dass die Kinder etwas leisten. Und das setzt sich in den späteren Jahren auch in der Schule fort, vor allem aber an den Hochschulen, wo das Bachelor- und Mastersystem dafür sorgt, dass die Studierenden viel schneller und regelmäßiger als früher Prüfungsleistungen erbringen müssen. Dieser Leistungsdruck trifft nun auf eine Art Belohnungs- oder Trophäenkultur. Sie kennen die Bundesjugendspiele? Früher gab es dort ab einer bestimmten Punktzahl eine Sieger- oder Ehrenurkunde. Man konnte aber auch leer ausgehen. Heute gibt es eine Teilnahmeurkunde für jeden. Das wiederum korrespondiert mit der Art und Weise, wie die Werbung die jungen Menschen im Zeitalter des Multi-Optionen-Konsums anspricht: Jeder ist heute ein Premiumkunde. Und zum Kaufen wird man aufgerufen, indem suggeriert wird: „Das hast du dir verdient.“

Wie beeinflussen diese Entwicklungen nun den Berufseinstieg?
Die Generation kommt ins Unternehmen und erwartet ganz selbstverständlich, dort ebenfalls als Premium wahrgenommen zu werden. Sich anzupassen – das kann sie sich dagegen oft weniger gut vorstellen. Von Kindesbeinen an haben die Eltern, Verwandten und das soziale Umfeld vieles auf sie ausgerichtet, nun kommen sie jedoch in ein Setting, in dem die Vertreter der etablierten Generationen sitzen, die auf der beruflichen Ebene plötzlich kaum noch Verständnis für die Premiumerwartung des Nachwuchses haben.

Wie sollte die Generation Y darauf reagieren?
Es wäre falsch zu denken, dass einem der demografische Wandel in die Hände spielt und dass sich die Unternehmen verändern müssen, man selber jedoch nicht. Es gibt zwar einen Fachkräftemangel, aber längst nicht in allen Branchen. Wer also einen guten Einstieg in die Arbeitswelt hinlegen möchte, sollte einige Punkte beachten. Hierzu gehört zunächst die Reflexion des eigenen Verhaltens. Wer neu in ein Unternehmen kommt, wird von den erfahrenen Kollegen sehr genau und durchaus skeptisch beobachtet. Es ist hilfreich zu wissen, dass einige Dinge, die im Alltag für junge Menschen selbstverständlich sind, im Job-Kontext für Reibung sorgen können.

Welche konkreten Bereiche sind besonders sensibel?
Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Generationen beim Ausdruck von Anerkennung und Wertschätzung von Leistung. Ältere Kollegen setzen oftmals auf ihre Seniorität und ihr Expertenwissen. Darauf, dass weiterhin zählt, was man vor fünf oder zehn Jahren geleistet hat. Lob gibt es von ihnen nicht für die Normalleistung, sondern nur für herausragende Erfolge – im Sinne von „nicht geschimpft ist schon gelobt genug“. Für die Jüngeren steht die Wertschätzung als Mensch und ihre aktuelle Leistung im Vordergrund. Es geht ihnen darum, Anerkennung auch für die kleinen Schritte und das bisher Erreichte zu erhalten. Daraus resultiert auch die große Ungeduld der Generation Y, die vielen Älteren sauer aufstößt. Alles muss schnell gehen und sofort bewertet werden. So wie im Internet oder auch an der Uni, wo schnell Prüfung auf Prüfung folgt und sofort Credits verteilt werden. Es ist sinnvoll, als Nachwuchskraft auf die Balance zu achten, auch einmal innezuhalten und das langsamere Tempo des anderen anzunehmen. Ein weiterer zentraler Punkt ist das Thema Smartphone: Die junge Generation ist es gewohnt, in der Pause in die Netzwerke und Chats zu gehen. Ältere Kollegen suchen dagegen oft eher das persönliche Gespräch – und empfinden das Zücken des Smartphones in jeder freien Minute als Unhöflichkeit oder deuten es sogar als Desinteresse.

Gelungene Diversity ist also auch ein Knigge-Thema.
Es ist eine Frage von wechselseitigem Verständnis und Annäherung. Ich kann der jungen Generation als Neulinge im Erwerbsleben nur empfehlen, einen Blick auf die Standards im geschäftlichen Umgang zu werfen. Wann ist das Sie angebracht, wann darf man duzen? Wie setzt man eine formale E-Mail mit korrekter Anrede auf? Wichtig ist hier vor allem zu erkennen, dass etablierte Führungskräfte in den Unternehmen nicht unbedingt so cool und locker unterwegs sind wie die ungefähr gleich alten Eltern zu Hause. Viele Väter und Mütter der Kinder aus der Generation Y möchten gerne die besten Kumpels ihres Nachwuchses sein. Am Arbeitsplatz dagegen haben die älteren Kollegen und Vorgesetzten genau das nicht vor.