StartDigitalInterview mit Guido Hoesch Digitalisierung und Pharma 4.0

Interview mit Guido Hoesch Digitalisierung und Pharma 4.0

Der Pharma-Personaler. Digitalisierung und Pharma 4.0, 3D-Drucker und personalisierte Medizin: Die Pharmaindustrie steckt mitten in einem rasanten Wandel. Wie sich dadurch die Anforderungen an naturwissenschaftlichen Nachwuchs verändern, verrät im Gespräch Dr. Guido Hoesch, Vice President Human Resources des weltweit agierenden Pharmakonzerns AstraZeneca. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Dr. Guido Hoesch (geboren am 4. Juli 1966 in Frankfurt am Main) studierte in Mainz Psychologie und promovierte 1995. 1996 schloss er zudem ein MBA-Studium an der University of Miami, Florida ab. Er begann seine Karriere beim Autovermieter Hertz, wo er schließlich bis 2008 als Director Human Resources tätig war. 2008 ging er als Head Of Human Resouces Operations zum Unternehmen British American Tobacco, bevor er 2014 den Posten als Personaldirektor im Bereich Network Operations & Aviations Europe bei DHL Express annahm. Seit 2015 ist Guido Hoesch Vice President Human Resources bei AstraZeneca Deutschland.

Herr Dr. Hoesch, der Megatrend der Digitalisierung schickt sich an, weite Bereiche der Pharmaindustrie zu verändern. Wie wird dieser Wandel die Arbeit in der Branche beeinflussen?
Ich glaube, der Wandel ist längst im Gange. Alle unsere Pharmareferenten arbeiten seit Langem mit iPads, für die Kundenansprache stehen uns diverse digitale Kanäle zur Verfügung. Das gesamte Wissensmanagement und insbesondere der Austausch – in unserem Falle mit Ärzten – hat dadurch eine völlig neue Qualität bekommen, von der alle Beteiligten profitieren. In der Produktion sind wir sogar noch einen Schritt weiter: Im Rahmen der industriellen Automatisierung gehören integrierte Kameras, Sensoren, Bildverarbeitungsprozessoren zur Qualitätssicherung sowie Maschinenteile, die stellenweise ohne menschliche Steuerung interagieren und kommunizieren, längst zum Standard. Zudem nutzen wir selbstverständlich innovative IT-Lösungen, um den Wissensaustausch der Mitarbeiter untereinander als auch die Trainings und Qualifizierungen effektiver zu gestalten.

Was bedeutet dieser digitale Wandel für Einsteiger aus den Naturwissenschaften in diesen Bereichen? Welche Skills werden immer wichtiger?
Eine Offenheit und Affinität zu IT-gestützten und automatisierten Prozessen und insbesondere die Fähigkeit, komplexe technische Probleme zu verstehen, zu lösen und dieses Wissen auch weiterzugeben, sind notwendige Voraussetzungen. In unserem weltweit agierenden Unternehmen sind die Kollegen durch die digitalen Vernetzungsmöglichkeiten deutlich näher aneinandergerückt.

Gleichzeitig steigt damit die Notwendigkeit von Kompetenzen wie persönlicher Flexibilität, Teamfähigkeit, empathischer Fähigkeit und nicht zuletzt sprachlicher Skills. Wichtig ist, dass man in der Lage ist, sich in andere Bereiche hineinzuversetzen. Aber eben auch in Personen aus anderen Zeitzonen mit anderen Arbeitsweisen und Kulturen. Eine weitere Anforderung ist es, sich eigenständig und durch den Einsatz von neuen Medien fachlich in Themen einzuarbeiten. Wo man früher in Bibliotheken noch Bücher gewälzt hat, findet man heute die Daten im Netz. Unsere Mitarbeiter müssen sich in den entsprechenden Netzwerken auskennen oder sich auch ein geeignetes Netzwerk aufbauen, um gut informiert zu sein.

In unserem weltweit agierenden Unternehmen sind die Kollegen durch die digitalen Vernetzungsmöglichkeiten deutlich näher aneinandergerückt.

Abseits der Digitalisierung, welche weiteren Megatrends beeinflussen aktuell die Branche und Ihr Unternehmen?
Uns beschäftigt ganz stark das Thema der personalisierten Medizin: Das sind spezielle Therapieformen, die individuell auf Patienten zugeschnitten sind. Dabei hilft uns die moderne Diagnostik. Mit ihr können wir genetische, molekulare und zelluläre Besonderheiten eines Patienten erfassen und daraus Schlüsse ziehen, ob eine bestimmte Therapie in Betracht kommt. Mit Hilfe der personalisierten Medizin können wir schneller und zielgerichteter als je zuvor Patienten zu einer für sie geeigneten Therapie verhelfen.

Welche Skills sind für naturwissenschaftliche Einsteiger in der personalisierten Medizin bedeutsam?
Die personalisierte Medizin beruht in hohem Maße auf den Möglichkeiten der modernen Diagnostik, einschließlich der Gendiagnostik. Kenntnisse in diesem Bereich sind hier natürlich von elementarer Bedeutung. Wichtig ist außerdem ein Verständnis für die angrenzenden Disziplinen wie die Pathologie und die Humangenetik.

Noch einmal zurück zur Digitalisierung, die Ideen von Pharma 4.0 beinhalten auch revolutionäre Ansätze wie individuell zugeschnittene Medikamente aus dem 3-D-Drucker. Handelt es sich hier um Visionen für die ferne Zukunft? Oder sind solche Innovationen tatsächlich sehr bald denkbar?
Das klingt verlockend, ist aber sicher noch Zukunftsmusik. Bei der Herstellung von Medikamenten im 3D-Drucker gibt es derzeit noch zu viele ungeklärte Fragen. Auch wenn es banal klingt, aber wo zum Beispiel sollte so ein Drucker stehen und wie werden die Medikamente von dort weiterverteilt? Wie wird sichergestellt, dass die Daten wirklich korrekt sind, wer garantiert die Hygiene und sterile Verpackung? 3D-Drucker sind reizvolles Gedankenspiel, aber ich denke, Pharma 4.0 wird sich zunächst in den Bereichen Logistik, Distribution oder Wirkstoffscreening abspielen.

Innovationen sind für die Pharmaindustrie besonders wichtig. Was macht die Umsetzung und Einführung neuer Ideen in Ihrer Branche zur besonderen Herausforderung?
Die Pharmabranche unterliegt aufgrund des Heilmittelwerbegesetzes im Vergleich besonderen Regularien. So können wir beispielsweise nicht öffentlich über unsere verschreibungpflichtigen Medikamente informieren. Dies ist richtigerweise strikt den Ärzten vorbehalten. Das bedeutet aber, dass wir für unsere Produkte nicht die gleichen digitalen Möglichkeiten nutzen können wie andere Industriezweige. Ein Beispiel:

Die Erstellung von Produktwebseiten kann nur bedingt suchmaschinenoptimiert erfolgen, relevante Inhalte müssen passwortgeschützt und dürfen nur für Ärzte zugänglich sein. Damit ist etwa eine Google-Suche über Wirkmechanismen oder Besonderheiten unserer Produkte nur bedingt ausführbar.

Ein besonderer Fokus liegt bei uns aktuell in der Onkologie – die rasantesten Entwicklungen erleben wir dabei in der Immunonkologie.

Angenommen, eine Gruppe junger Absolventen der Naturwissenschaften ist für einen Tag zu Gast in Ihrem Unternehmen. Wohin würden Sie die jungen Leuten führen, damit sie einen möglichst intensiven und konkreten Eindruck Ihrer Branche erhalten?
Wir haben häufiger Gäste, insofern bleibt es hier nicht bei einer Annahme. (lacht) Typischerweise erklären wir am Vormittag unseren Gästen die verschiedenen Therapiebereiche, in denen das Unternehmen aktiv ist. Ein besonderer Fokus liegt bei uns aktuell in der Onkologie – die rasantesten Entwicklungen erleben wir dabei in der Immunonkologie. Nach dem Mittagessen steht dann eine Vorstellungsrunde der verschiedenen Karriereperspektiven bei AstraZeneca an.

Wenn unsere Mitarbeiter entsprechend Zeit haben, lassen wir sie am liebsten selbst erzählen, was sie im Unternehmen tun. Wichtig ist auch ein kurzer Überblick unserer Firmenkultur: Als britisch-schwedischer Konzern bieten wir viel, was flexible Arbeitszeiten und Teilzeitangebote angeht. Auch der kollegiale Umgang mit flachen Hierarchien und eine ausgeprägte Duzkultur über alle Ebenen hinweg stehen häufig in krassem Gegensatz zu dem, was sich Besucher gemeinhin unter Pharma vorstellen.

Zum Unternehmen

AstraZeneca ist ein in Deutschland und weltweit zu den führenden forschenden Arzneimittelunternehmen zählender Pharmakonzern. Der Unternehmenssitz befindet sich in London. In Deutschland ist AstraZeneca in Wedel in Schleswig-Holstein ansässig. Weltweit arbeiten rund 61.500 Menschen für das Unternehmen, 8900 davon im Bereich Forschung und Ent wicklung.

Die größten Forschungszentren befinden sich in Großbritannien, Schweden, den USA, China und Japan. AstraZeneca arbeitet im Entwicklungsbereich mit mehr als 850 externen Partnern zusammen, darunter universitäre und wissenschaftliche Einrichtungen sowie Biotech-Unternehmen.

Der Konzern konzentriert sich auf die Therapiebereiche Atemwege, Herz-Kreislauf und Stoffwechsel, Krebs, entzündliche Erkrankungen, Infektionen und neurologische Erkrankungen.

Das könnte dich auch interessieren

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Klemt-Albert im Interview

Digitalisierung als Motor für Effizienz und Nachhaltigkeit. Der Bau einer 450 km langen Hochgeschwindigkeitsstrecke...

Alles in einem Modell

Die Finalisten des diesjährigen BIM Champions Wettbewerbs in der Kategorie Arbeiten von Azubis und...

Die Regenwassernutzer Louis Kott und Paul Kober im Interview

Dass Wasser eine wertvolle Ressource ist, merken wir in Deutschland vor allem in trockenen...



Anzeige




Anzeige
BWI