Ein Erfahrungsbericht von Nadine Biesemann, Biomedizinisches Chemie-Studium, eingestiegen 2014 als Postdoc bei Sanofi, aufgestiegen 2019 zur Thematischen Leiterin
Nach meiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung war ich unschlüssig, ob ich eine akademische Karriere weiterverfolgen oder in die Industrie wechseln sollte. Das Verständnis von Krankheiten und die Erforschung neuer Medikamente hatten mich schon immer inspiriert und angespornt, jedoch fehlte mir noch eine echte Vorstellung davon, wie Forschung in der Industrie aussieht. Als Sanofi eine Postdoc-Stelle zur Untersuchung mitochondrieller Modulatoren für Muskelschwund ausschrieb, entschied ich, mich zu bewerben und mir vor Ort die Wissenschaftler und ihre Arbeit anzuschauen. Schon beim Vorstellungsgespräch war ich von der Gruppe, ihrer Offenheit und der Zusammenarbeit beeindruckt. Also habe ich den Sprung ins Ungewisse gewagt, immer mit dem Hintergedanken, dass ich ja zurück in die akademische Forschung könnte, falls es mir in der Industrie nicht gefällt.
Mein erster Eindruck im Vorstellungsgespräch hat sich dann aber auch über die Jahre bestätigt: Teamarbeit und Kooperation sind essenzielle Bestandteile der Forschung in der Pharmaindustrie, und die Möglichkeiten, translationale Forschung zu betreiben, sind immens. In meinem Postdoc-Projekt war ich in einer Abteilung, deren Fokus auf Muskelerkrankungen und der Identifikation neuer therapeutischer Ansätze dafür lag. Ich hatte einen großartigen Betreuer, der mir sehr viel beigebracht und mich in das Wirrwarr der 1000 Abkürzungen in der Pharmaindustrie eingeführt hat. Durch ihn kam ich dann auch mit vielen Wissenschaftlern aus anderen Abteilungen in Kontakt und verstand durch die Zusammenarbeit die verschiedenen Phasen der Arzneimittelforschung und -entwicklung besser. Neben meinem eigentlichen Postdoc- Projekt hatte ich aber auch die Möglichkeit, die weiter fortgeschrittenen Projekte kennenzulernen und meine Erfahrung und Ideen mit einzubringen.
Training für Mitarbeiterführung
Nach anderthalb Jahren erhielt ich dann eine feste Stelle als Laborleiterin, in einer Zeit, in der sich der Fokus unserer Arbeit hin zu Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis änderte. Plötzlich hatte ich drei Mitarbeiter, deutlich mehr Meetings und kaum noch Zeit, um selbst im Labor zu arbeiten. Ich war für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre Arbeit und Gesundheit verantwortlich und musste mich auch in die Dokumentationen dafür einarbeiten. Gleichzeitig wollte ich natürlich auch mehr über Leadership lernen. Sanofi hat mir dafür z. B ein zweijähriges Training für Mitarbeiterführung ermöglicht, das mir sehr geholfen hat. Nach einiger Zeit wurde ich Projektleiterin, bin seitdem für alle Bereiche eines Projekts wissenschaftlich verantwortlich und leite globale Projektteams für „High priority“- Projekte.
„Teamarbeit und Kooperation sind essenzielle Bestandteile der Forschung in der Pharmaindustrie, und die Möglichkeiten, translationale Forschung zu betreiben, sind immens.“
Innerhalb meiner Abteilung, der Therapeutischen Einheit Immunologie, betreuen wir Projekte von der frühen Forschung bis hin zur ersten Planung von „Phase I Studien“. Dieser Teil der Forschung dauert ca. fünf Jahre, und es müssen viele Hürden überwunden werden, bis wir in der Lage sind, neue Medikamente am Menschen zu testen. Gleichzeitig liebe ich diese Art der translationalen, interdisziplinären Forschung, bei der kein Tag wie der andere ist und man sich ständig neuen Herausforderungen stellen muss. Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieses Jobs sind Projektpräsentationen und -verteidigungen vor verschiedensten Gremien, teilweise ähnlich zu Doktorprüfungen. Inzwischen ist mein Labor auch immer weiter angewachsen und ich betreue regelmäßig Bachelor- und Masterstudierende und Postdocs, was mir großen Spaß macht.
Personalverantwortung und Kooperation
Seit 2019 bin ich neben meiner Funktion als Labor- und Projektleiterin noch für ein eigenes Themengebiet in der Immunologie, den Bereich Immunmetabolismus, verantwortlich. Das bedeutet, dass ich alle Projekte und Labore in dem Bereich koordiniere, also neben der vollen inhaltlichen auch deutlich mehr Personalverantwortung habe. Da ich für das Portfolio in diesem Bereich zuständig bin, evaluiere ich auch potenzielle Zusammenarbeiten mit anderen Firmen und leite Kooperationen mit akademischen Partnern. Generell evaluieren wir Innovationen in dem Feld und arbeiten eng mit anderen Abteilungen innerhalb von Sanofi zusammen, um neue Medikamente für Patienten mit Autoimmunerkrankungen zu entwickeln.
Für meinen Tagesablauf bedeutet das, dass ich den Großteil meiner Zeit damit verbringe, mich mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auszutauschen, Daten zu diskutieren und neue Kooperationen aufzubauen. Dies schließt auch ein, dass ich regelmäßig reise und dadurch neue Länder und Kulturen kennenlernen kann. Ähnlich zur Projektleitung sind interne und externe Präsentationen essenzieller Teil meiner Arbeit. Schließlich muss ich auch immer wissenschaftlich in meinem Gebiet up to date bleiben. Dazu besuche ich Konferenzen und publiziere einen Teil unserer Ergebnisse. Die neue Stelle ist verbunden mit einem Platz in unserem Leitungsteam, wodurch ich mehr Verantwortung für das allgemeine Portfolio habe und gleichzeitig sehr viel über Leadership, Finanzen, Strategie und Ressourcenplanung lerne.
Teil dieses Teams zu sein, ist eine wundervolle, zusätzliche Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln und gleichzeitig eigene Ideen besser einbringen zu können. Wenn ich nun auf die letzten sechs Jahre zurückblicke, wäre dieser Karriereaufstieg nicht ohne die Unterstützung meiner Chefs möglich gewesen. Sie haben sehr früh an mich geglaubt und mir immer neue, herausfordernde Aufgaben gestellt, an denen ich wachsen und mich profilieren konnte. Gleichzeitig hatten sie natürlich auch wichtige Rollen als Vorbilder und Mentoren und die Gespräche mit ihnen haben mir geholfen, meine eigenen Stärken besser zu verstehen und ein klareres Bild von meinen Möglichkeiten zu bekommen. Parallel dazu wurde ich gezielt mit HR-Programmen im jeweiligen Stadium unterstützt und früh als „High Potential“ eingestuft. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, mit dem globalen Management zu interagieren und meine Projekte und Ideen vorzustellen.
Ich selbst hatte nie ein klares Karriereziel vor Augen, sondern war und bin angetrieben von der Leidenschaft für meinen Beruf und dem Spaß an immer neuen Herausforderungen. Auch dies kann – in der richtigen Umgebung – zu einer Karriereentwicklung führen.