KI kann unter passenden Bedingungen zu mehr Nachhaltigkeit in unterschiedlichsten Bereichen führen. Allerdings muss sie sich selbst auch an den dafür festgelegten Kriterien messen lassen. von Christoph Berger
Eine Ende Januar 2023 veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluss, dass die globale Erwärmung wahrscheinlich in den frühen 2030er-Jahren 1,5 Grad Celsius über dem Industrieniveau liegen wird. Zudem bestehe eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Zwei-Grad- Marke, die von der Wissenschaft als kritischer Punkt identifiziert wurde, bis zur Mitte des Jahrhunderts überschritten werde. Diese Ergebnisse sind die Antwort einer Künstlichen Intelligenz. Wissenschaftler* innen der Universitäten Stanford und Colorado State, beide USA, hatten diese im Rahmen ihrer Studie eingesetzt, um den kritischen Zeitpunkt der Erderwärmung vorherzusagen.
Künstliche Intelligenz kann aber nicht nur Vorhersagen darüber treffen, wie sich zum Beispiel das Klima in der Zukunft unter bestimmten Prämissen entwickeln könnte, sie kann auch ganz konkret Einfluss nehmen. So zeigt zum Beispiel ein Policy Brief des Fraunhofer- Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, dass insbesondere KI-Systeme dabei helfen können, Prozesse in Energieanlagen zu optimieren. Insofern die infrastrukturellen Voraussetzungen stimmen. Tun sie das, kann KI m Energiesystem der Zukunft, das von vielen kleinen Solaranlagen, Stromspeichern und flexiblen Stromanwendungen wie Wärmepumpen oder Elektrofahrzeugen geprägt sein wird, etwa die Auslastung sowie die Zusammenführung von Energieerzeugung und -bedarf optimieren. Ebenso lassen sich mit ihr Entscheidungsgrundlagen für den Betrieb und die Organisation des Energiesystems erstellen und Energieinfrastrukturen planen. Hierbei ist allerdings Voraussetzung, dass jederzeit genügend Daten zur Verfügung stehen, etwa von den Stromerzeugern oder den nachfragenden Haushalten.
KIs für Abfall- und Landwirtschaft
Im Forschungsprojekt „Smart Recycling Up“ untersuchen das Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft der Hochschule Bremen, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg sowie vier Abfallverwertungsbetriebe aus Norddeutschland, wie großstückige Abfälle mithilfe von moderner Sensorik, KI-Methoden und Robotik effizienter wiederverwertet werden können. Bisher können nur kleinere Abfälle automatisiert getrennt werden. Größere Abfälle wie Sperrmüll oder Bauschutt müssen dafür zunächst aufwendig zerkleinert werden. Ziel des Projekts ist es, Materialien vollautomatisch zu identifizieren, zu klassifizieren und zu sortieren.
Studie KI und Nachhaltigkeit
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und das Fraunhofer IPA haben eine Studie für produzierende Unternehmen mit Potenzialen und einem Handlungsleitfaden mit Schwerpunkt KI und Nachhaltigkeit veröffentlicht.
Auch in der Landwirtschat kommt KI vermehrt zum Einsatz. Eine Bitkom- Befragung hat ergeben, dass bereits jeder siebte Betrieb (14 %) Künstliche Intelligenz oder die Verarbeitung großer Daten – Big Data – im Einsatz hat. Algorithmen werten etwa Satellitenbilder von Feldern aus, erstellen Ernteprognosen und berechnen den spezifischen Düngeraufwand, damit die Nährstoffe bei der Pflanze und nicht im Grundwasser ankommen. In anderen Fällen analysieren Sensoren oder Künstliche Intelligenz Pflanzen auf dem Feld und können Unkraut von Nutzpflanzen unterscheiden.
Eine großflächige Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ist damit nicht mehr nötig. „Landwirtschaftliche Produktionsprozesse sind von vielen Umwelt- und Klimafaktoren beeinflusst und haben immer mit Naturstoffen zu tun. Dies prädestiniert sie zum Einsatz digitaler Methoden auf der Basis von Künstlicher Intelligenz und Big Data“, sagt Prof. Dr. Till Meinel vom Institut für Bau- und Landmaschinentechnik in Köln, der zudem Vizepräsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft ist.
Der Ressourcenverbrauch von KI
Nicht zu vergessen der Einsatz von KI in smarten Verkehrssystemen und Smart City-Konzepten. Ein Beispiel: Forschende am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Institutsteil für industrielle Automation INA realisieren in Lemgo eine intelligente Ampelsteuerung mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Dabei ermitteln trainierte Algorithmen das beste Ampel-Schaltverhalten und die beste Phasenfolge, um die Wartezeiten an der Kreuzung zu verkürzen, Fahrzeiten zu senken und den durch Staus entstehenden Lärm und die CO2-Belastung zu senken. Die KI-Algorithmen laufen auf einem Edge-Computer im Schaltkasten an der Kreuzung.
Bei all den Vorteilen, die KI in Bezug auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz bringen kann, bleiben zwei Fragen. Erstens: Wie sieht es mit dem Ressourcenverbrauch Künstlicher Intelligenzen selbst aus? Denn tatsächlich ist es so, dass die Entwicklung und Nutzung von KI einige Nachhaltigkeitsprobleme verursachen kann. Dazu zählen beispielsweise das Training und der Betrieb von KI-Systemen, die sehr energieintensiv sein können und damit einen großen Energieverbrauch erfordern. Insbesondere gilt das für Deep Learning-Systeme. Ein zweiter Aspekt in diesem Zusammenhang spielt die schnelle Entwicklung der KI-Technologie, die die schnelle Ablösung von Geräten und Systemen zur Folge hat. Das führt zu einer erhöhten Menge an Elektronikschrott. Und drittens ist da die Datenbelastung: KI-Systeme erfordern große Mengen an Daten, um zu trainieren und zu funktionieren. Das zusammen führt zu einer erhöhten Datenbelastung und -verschmutzung.
Grüne KI als Qualitätssiegel
Was die Frage nach dem Ressourcenverbrauch Künstlicher Intelligenz betrifft, sagt Oliver Zielinski, Leiter des Kompetenzzentrums KI für Umwelt und Nachhaltigkeit (DFKI4planet) und Mitglied der Plattform Lernende Systeme, dass wir mehr Nachhaltigkeit durch KI und mehr Nachhaltigkeit in der KI bräuchten. Und auf die Frage was zu tun sei, damit die ökologische Bilanz des KI-Einsatzes im Auftrag des Klimaschutzes positiv ausfalle, antwortet er: „Einiges wird bereits gemacht, aber das reicht noch nicht aus. Gerade in der Forschungsförderung haben verschiedene Bundesministerien (BMUV, BMBF, BMWK) Programme entwickelt und veröffentlicht, die Grundlagen schaffen und in exemplarische Anwendungen überführen.
Am Ende kann Grüne KI so zum Qualitätssiegel für klimaförderliche KI-Technologien werden und gleichzeitig zu einem ökologischen Wettbewerbsvorteil für Europa.
Diese Vorhaben werden gerne als Leuchttürme bezeichnet. Das ist ein Anfang, aber wir brauchen ein ganzes Lichtermeer.“ Erfolgreiche Ansätze müssten in die Breite gebracht werden, wozu gesellschaftliche Akzeptanz, rechtliche Rahmenbedingungen und nicht zuletzt Investoren notwendig seien. Breitere Akzeptanz werde durch Partizipation und Transparenz erreicht. Rechtsrahmen und Normen würden helfen, ökologische Nachhaltigkeit zum Standard zu machen, was wiederum auch positive Impulse für die Finanzierung von neuen Geschäftsmodellen und Unternehmungen mit sich bringe. „Am Ende kann Grüne KI so zum Qualitätssiegel für klimaförderliche KI-Technologien werden und gleichzeitig zu einem ökologischen Wettbewerbsvorteil für Europa“, ist sich Oliver Zielinski sicher.
Die zweite Frage betrifft die dritte Komponente des Nachhaltigkeitsbegriffs, das Soziale. So heißt es zum Beispiel bei AlgorithmWatch, einer gemeinnützigen Forschungs- und Advocacy-Organisation, dass „Menschen als sogenannte Clickworker unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen Trainingsdatensätze für KI-Systeme bearbeiten und diese nicht selten bestehende Diskriminierungsmuster verstärken“ würden. Ein Grund für das Verbundprojekt „SustAIn“: AlgorithmWatch, das Distributed Artificial Intelligence Labor (DAI-Labor) an der Technischen Universität Berlin und das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung erarbeiten darin unter anderem Richtlinien für eine nachhaltige KI-Entwicklung.