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Interview mit Fredmund Malik

„Führungskräfte motivieren Mitarbeiter“, „Mitarbeiter sollen Spaß an der Arbeit haben“, „Loben ist wichtig“. Richtig? „Nein“, sagt Fredmund Malik. Er plädiert für „Pflicht statt Kür“. Im Gespräch mit Sabine Olschner setzt er so manche Managementweisheit außer Kraft.

Fredmund Malik, geboren am 1.9.1944 in Lustenau, wuchs in Österreich auf und studierte nach mehreren Jahren Industriepraxis Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Logik- und Wissenschaftsphilosophie an den Universitäten Innsbruck und St. Gallen. Er ist Leiter und Inhaber des Managementberatungs- und Aus-
bildungsunternehmens Malik Management Zentrum St. Gallen mit rund 200 Mitarbeitern in St. Gallen, Zürich, Wien und London, die Führungskräfte aller Stufen und Branchen beraten.

Wie kann eine Führungskraft ihre Mitarbeiter motivieren?
Am besten versucht sie es nicht einmal. Die meisten Führungskräfte verstehen Motivation darin, zu ihren Mitarbeitern nett zu sein, begeisternde Ansprachen zu halten, Schultern
zu klopfen und Lob auszusprechen. Ich halte das für unnötig, wenn nicht sogar für schädlich. Wenn ein Manager Mitarbeiter haben will, die ihre Leistungskraft voll einsetzen, muss er ganz andere Maßnahmen ergreifen: Er muss ihnen eine große Aufgabe geben, die sie fordert und die ihren Stärken gerecht wird. Und zwar tatsächlich nur eine – denn Menschen
sind nur dann gut in ihrer Arbeit, wenn sie sich konzentrieren dürfen, können und müssen. Sie müssen Ergebnisse erzielen, auf die sie stolz sein können.

Bedeutet dies, dass man sich selbst motivieren muss?
Viele, vor allem junge Leute blicken wie gebannt auf ihren Chef und warten darauf, dass er sie motiviert. Stattdessen sollten sie sich von dieser Abhängigkeit, sich durch andere
motivieren zu lassen, emanzipieren. Sie sollten sich eine Haltung aneignen, die ihnen jeden Tag die nötige Kraft gibt, ihr Tagewerk anzupacken – dies gilt für Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen.

Das wird schwierig bei Aufgaben, die wenig Spaß machen.
Man muss sich befreien von der Ansicht, Arbeit müsse Spaß machen. Wenn Sie bei der Arbeit Freude haben – wunderbar, seien Sie glücklich! Dies wird aber mit Sicherheit nicht jeden Tag, Ihr Leben lang so bleiben. Dann erst sind Manager und Führungskräfte überhaupt gefordert. Motivation nützt in diesem Fall nichts. Stattdessen müssen sie den Mitarbeitern beibringen, in ihrer Arbeit einen Sinn zu sehen. Ärzte, Pflegepersonal, Polizisten oder Feuerwehrleute fragen niemals nach Motivation. Sie verrichten ihre Arbeit aus ganz anderen Gründen. Eine große Rolle spielt dabei das Wort Pflichtbewusstsein, das vielleicht ein bisschen aus der Mode gekommen ist. Bei der Arbeit geht es jedoch vorrangig erst einmal darum, eine Pflicht zu erfüllen. Wer immer Spaß haben und motiviert werden will, ist in den meisten Unternehmen schlecht aufgehoben.

Kann jeder Mensch lernen, eine Führungskraft zu werden – oder braucht es dazu angeborenes Talent?
Führung ist ein Handwerk. Es gibt sicherlich Menschen, die mehr Talent haben als andere und denen daher vieles leichter fällt. Diejenigen ohne Talent müssen und können das Handwerk aber auch erlernen. Und mit einer systematischen und kontinuierlichen Ausbildung können sie mit Sicherheit um Längen besser werden als viele der heutigen Führungskräfte. Wichtig ist, sich rechtzeitig einen oder mehrere Mentoren zu suchen, die helfen können, wenn man eine wirklich schwierige Aufgabe vor sich hat. Ein Beispiel sind Fusionen: Die meisten Manager stehen zum ersten und vielleicht auch zum einzigen Mal in ihrem Leben vor solch einer schwierigen Situation. Selbst die größten Talente machen hier häufig Fehler. Wer Mentoren hat, die ihn unterstützen oder beraten, ist klar im Vorteil.

Junge Führungskräfte werden ja häufig ins kalte Wasser geworfen.
Für eine begrenzte Zeit ins kalte Wasser geworfen zu werden, ist nicht das Schlechteste. Vorausgesetzt, es ist sichergestellt, dass die Person, die Abteilung, das Team oder das
Projekt nicht zu Schaden kommt. Der Vorgesetzte muss aber bereitstehen, um Hilfe zu leisten, wenn es nötig wird. Denn ein Misserfolgserlebnis kann bei der Nachwuchsführungskraft bleibende Schäden anrichten.

Wo lässt sich das Führen von Menschen und Unternehmen am besten lernen?
Die meisten Führungskräfte lernen durch Versuch und Irrtum, die Minderheit von einem  hervorragenden Chef. Von seinem Vorgesetzten kann man so viel lernen. Er muss dazu kein Universalgenie sein, er muss nicht einmal herausragende soziale Kompetenzen haben – aber er muss sein Handwerk beherrschen und pflichtbewusst, seriös, gründlich und gewissenhaft arbeiten. Er muss eine Person sein, die als Beispiel akzeptiert wird. Mein Tipp: Einmal in der Woche sollten sich Chef und angehende Führungskraft zusammensetzen und über das Gelernte reden. Was ist dem jungen Mitarbeiter aufgefallen, was hat er gelernt, was hätte der Chef besser machen können? Leider macht so etwas fast niemand.

Wie sinnvoll ist eine Managementausbildung?
Nehmen Sie das Beispiel des Bergführers, der durchaus mit einem Manager zu vergleichen ist: Auch Bergführer müssen Menschen unter oft schwierigen Bedingungen durch unwegsames Gelände führen. Sie müssen Gefahrensituationen beherrschen und anderen helfen, ihre Ängste zu überwinden. Wer eine Bergführerausbildung beginnt, ist in der Regel
bereits ein erfahrener Alpinist, der schon vieles erlebt hat. Fachlich kann ihm niemand mehr etwas beibringen – aber Menschen führen kann er nicht. Das lernt er erst in der Ausbildung. Genauso sollten auch Manager erst lernen zu führen, wenn sie ihr fachliches Metier beherrschen.

Welchen Führungsstil halten Sie für den besten?
Viel wichtiger als ein bestimmter Führungsstil sind Manieren, Anstand, Kinderstube. Selbst wenn man eine schlechte Nacht hatte oder Ärger mit dem Partner, sollte man jedem
seiner Mitarbeiter einen guten Morgen wünschen. Kein Mitarbeiter muss sich zumuten lassen, dass ihm der Chef seine Launen und schlechten Stimmungen ins Gesicht schlägt. Führungskräfte haben eine Funktion zu erfüllen und Haltung zu bewahren. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie pünktlich sind, ihren Mitarbeitern nicht ins Wort fallen und nicht in
deren Schwächen herumbohren. Am wichtigsten ist: sie ernst zu nehmen.

Was reizt so viele Menschen daran, Chef sein zu wollen?
Vordergründig ist es die Aussicht auf mehr Geld, mehr Macht und mehr Ansehen. Nicht nur Sportwagen, auch Führungspositionen werden gern zur Balz genutzt. Wenn das die Hauptgründe dafür sind, Manager zu werden, ist das sehr schade. Rund ein Drittel aller Führungskräfte hingegen will gestalten. Sie sind davon überzeugt, etwas besser zu können als andere, die sie bisher erlebt haben. Mit ihrer handwerklichen Kompetenz, ihrer Professionalität und ihren sichtbaren Erfolgen beginnen sie, auf die höchsten Positionen zu schauen. Etwas besser machen zu wollen als die Konkurrenz oder die eigenen Chefs halte ich für eine gute Motivation, Führungskraft zu werden.

Wer schafft es, ganz nach oben zu kommen? Gibt es einen typischen „Mustertyp Manager“?
Wenn man sich die Vielzahl der Führungskräfte anschaut, gibt es darunter so viele verschiedene Typen wie Menschen auf der Welt. Keine zwei Führungskräfte sind gleich – und das ist schön. Viele sind eckige, kantige Menschen, die stolz sind auf ihre Kantigkeit, die in kein Schema hineinpassen. Was jedoch alle guten Führungskräfte gemeinsam haben, ist das Beherrschen ihres Handwerks. Ein junger Mensch sollte nicht versuchen, die Kopie eines anderen zu werden. Er sollte lieber den Mut haben, ein Individuum zu sein, an seiner Individualität zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln. Nur dann hat er eine Chance auf Erfolg.

Welche Rolle spielen Glück und Zufall auf dem Weg nach oben?
Sie sind nicht unwichtig. Daher muss man seine Aufmerksamkeit kultivieren, glückliche Umstände und Zufälle als solche zu erkennen und sie auch zu ergreifen. Wer Karriere machen will, muss innerlich vorbereitet sein, falls das Schicksal ihm einen glücklichen Umstand in die Hand spielt. Voraussetzung dazu ist, dass er sich zeigt, dass er gesehen wird und auf sich aufmerksam macht mit wichtigen Ergebnissen, die er für das Unternehmen geleistet hat. Bloße Rhetorik bewirkt bei kompetenten Chefs keine Karriereförderung.

Stichwort Globalisierung: Bedeutet Führen im Ausland etwas anderes als im eigenen Land?
Das ist wie mit dem Autofahren: Richtiges Autofahren bedeudet rund um die Welt dasselbe: Überall muss man kuppeln, schalten, lenken. Die Fahrweisen sind von Land zu Land ein
bisschen anders, aber das ist nicht kulturabhängig, sondern vielleicht eher eine Frage des Temperaments. Genauso wenig gibt es ein kulturabhängiges Management: Die handwerklichen Grundlagen sind auf der ganzen Welt gleich. Was sich unterscheidet, sind die Sitten und Gebräuche, die Lebensgewohnheiten im fremden Land. Eine Führungskraft muss diese kennen – was in Ländern wie etwa China sehr schwer ist. Wer sich in einer Provinz auskennt, kennt sich noch lange nicht in einer anderen aus.

Was halten Sie von MBA-Programmen als Vorbereitung auf eine Managementposition?
Als Managementausbildung würde ich von einem MBA-Studium abraten. Denn MBA heißt Business „Administration“ – aber wir brauchen keine Verwaltung im Unternehmen, sondern gutes Management. Im Prinzip ist ein MBA eine Variante der deutschen Betriebswirtschaftslehre. Führungskräfte brauchen aber nicht die Sachaufgaben zu lernen, sondern Managementhandwerk. Für Naturwissenschaftler, die sich rasch betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse aneignen wollen, halte ich den MBA für sinnvoll. Aber mit Management hat dies nichts zu tun.

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