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Interview mit Erwin Staudt

Der Wechsel aus der Chefetage von IBM auf den Präsidentenstuhl des VfB Stuttgart war für ihn der Beginn eines neuen Lebens. Eine Fügung des Schicksals. Jetzt führt der Ur-Schwabe den Traditionsklub mit modernen Managementmethoden durch das knallharte Liga-Geschäft. Im Interview mit S-taff sprach der 60-jährige Diplom-Volkswirt über Weitblick, Teamgeist und Leistung. S-taff Ausgabe 1.2008

Zur Person Erwin Staudt

Erwin Staudt, Foto: Staudt

Geboren am 25. Februar 1948 in Leonberg. Studium der Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Stuttgart und Freiburg. Ab 1973 bei IBM Deutschland, zunächst als Vertriebsleiter, später unter anderem als Vertriebsleiter und Vice President Marketing in der europäischen Zentrale der IBM in Paris.

Von 1998 bis 2003 Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH. Seit Juni 2003 erster hauptamtlicher Präsident des VfB Stuttgart. Privat: verheiratet, drei Kinder.

Schon als Bub waren Sie glühender Fan des VfB Stuttgart. Heute sind Sie dessen erster hauptamtlicher Präsident. Ist damit ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen?
So kann man das nicht sagen. Geträumt habe ich davon als Kind wohl nicht. Aber außer beim VfB hätte ich keine derartige Aufgabe angenommen.

Also eine Herzensangelegenheit?
So ist es.

Sie waren in der Jugend selbst Linksaußen des TSV Eltingen. Wollten Sie nicht auch Fußball-Profi werden?
Ich habe in den Jugendmannschaften bei TSV gespielt, aber als es dann ernst wurde für die erste Mannschaft, wollte mich keiner. Ich hatte dazu leider nicht genug Talent.

Dafür haben Sie Ihr Talent dann an anderen Stellen eingebracht: Bei IBM haben Sie in führenden Positionen gearbeitet. Jetzt führen Sie mit dem VfB einen traditionsreichen Fußballclub. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
Die Gemeinsamkeit ist die, dass es überall um Umsatz, Wachstum, Innovationen geht, vor allem aber um das Miteinander von Menschen. Der große Unterschied ist die Öffentlichkeit, die beim Fußball sehr groß ist, und dass nach jedem Spiel abgerechnet wird. Das erzeugt einen ganz spezifischen Druck. Es ist beim Fußball charakteristisch, dass man so gut wie jeden Tag auf den Sportseiten Stoff liefern muss. Und das ist in der Wirtschaft nicht so stark ausgeprägt. Im Fußball ist das sehr direkt. Da ist man praktisch präsent im Tagesgeschäft der Sportjournalisten.

Was hat Sie 2003 bewogen, aus der Wirtschaft „auszusteigen“, um hauptamtlich einem Fußballclub vorzustehen?
Das war mehr oder weniger Zufall. Bei mir hat sich eine berufliche Weichenstellung angekündigt. Und just in diesem Moment kam der Anruf des VfB-Aufsichtsratsvorsitzenden. Das war für mich der Start in ein neues berufliches Leben.

Ein glücklicher Zufall?
Auf jeden Fall. Wenn der Anruf zwei Jahre früher oder später gekommen wäre, hätte ich Nein gesagt. In der Tat eine Fügung des Schicksals.

„Deutschland muss IT-Weltmacht werden – und das pronto!“, haben Sie 2002 anlässlich einer Buchvorstellung gefordert. Wie gut ist das Bundesland Baden-Württemberg im IT-Bereich und in der IT-Branche aufgestellt?
Das Land hat sich schon in die Richtung entwickelt, wie wir das 2002 prognostiziert haben. Lothar Späth und ich haben damals gefordert, dass zunächst einmal die Bildung herangeführt werden muss an das IT-Zeitalter und dass die Menschen insgesamt eine Revolution wie zum Beispiel das Internet in das alltägliche Leben aufnehmen müssen. All das ist passiert. Deshalb bin ich sehr glücklich mit der Entwicklung in Baden-Württemberg.

Unsere jungen Leserinnen und Leser stehen am Beginn ihrer Karriere. Geben Sie ihnen bitte drei Tipps für den beruflichen Aufstieg.
Also, gehen wir mal davon aus, dass jeder das Maximale an Ausbildung mitbringt. Dann kommt es darauf an, das Wissen mit einer ausgewogenen Persönlichkeit zu verbinden. Und um letztlich erfolgreich zu sein – davon bin ich überzeugt –, sind drei wesentliche Dinge absolutes Muss: Fleiß, Begeisterungs- und Kommunikationsfähigkeit.

Sehen Sie Parallelen zwischen Fußball und dem Berufsalltag im Wirtschaftsleben?
Natürlich. Was im Fußball ebenso wichtig ist wie im Berufsleben: Man muss viele Menschen zu einem Team zusammenbringen. Jeder muss bereit sein, sich einer gemeinsamen Zielsetzung unterzuordnen, seinen Beitrag zu leisten, ohne Eifersüchteleien oder Wichtigtuereien. Das sind sowohl im Fußball als auch in der Wirtschaft die elementaren Voraussetzungen.

Was zählt mehr: Teamgeist oder individuelle Fähigkeiten?
Beides ist wichtig. Man muss verstehen, seine individuellen Fähigkeiten in ein Team einzubringen. Darauf kommt es an.

Wie erklären Sie sich bei Fußballern die so unterschiedlichen Leistungen in den verschiedenen Spielen? Wie kann man – auch in anderen Berufen – auf ein konstantes Leistungsniveau hinarbeiten?
Wichtig ist vor allem, dass man sich über die gemeinsamen Ziele im Klaren ist. Jeder muss bereit sein, alles zu geben, um diese Ziele zu erreichen. Wichtig ist auch, dass man mit Herz bei der Sache ist. Dann entsteht das an Leidenschaftlichkeit, was das Publikum letztlich hinter eine Mannschaft bringt. Das gilt für den Sport und das Wirtschaftsleben gleichermaßen: begeistert sein, sich zerreißen für die Zielerreichung seiner Mannschaft oder seines Unternehmens. Das Wir-Gefühl ist ebenso wichtig.

Bundesländer und Regionen stehen in einem wirtschaftlichen Wettbewerb, zum Beispiel wenn es um hoch qualifizierte Arbeitsplätze geht. Nennen Sie uns drei Vorzüge, in Baden-Württemberg zu leben und zu arbeiten.
Wir haben das Glück, mit Baden-Württemberg über eine der stärksten Wirtschaftsregionen der Welt zu verfügen. Das garantiert Spitzenjobs bei Spitzenunternehmen. Viele von denen sind Weltmarktführer. Das garantiert ebenso hohe Einkommen und niedrige Arbeitslosenzahlen. Das ist die ökonomische Seite. Für Baden-Württemberg sprechen natürlich auch vorzügliche Freizeitmöglichkeiten, zum Beispiel der Schwarzwald, der Bodensee oder die Nähe zum Elsass. Hier gibt es aber auch eine hervorragende kulturelle Infrastruktur mit einer Spitzenoper und einem tollen Schauspiel, einem Weltklasse-Ballett und den besten Museen, die man sich vorstellen kann, und nicht zuletzt den VfB als wichtigen Kulturfaktor.

Sie sind in Leonberg geboren und leben auch heute noch dort. Was bedeutet das „Ländle“ für Sie?
Das ist meine Heimat, zu der ich mich immer bekannt habe und bekenne, wo immer ich war oder bin: egal ob in Paris, New York oder Berlin. Hier in Baden-Württemberg habe ich meine Erdung. Ich bin sehr stolz darauf, mit den Menschen dieser Region und in diesem Bundesland leben zu dürfen.

Weitblick braucht also einen festen Standpunkt?
Genau. Wer in der Zukunft erfolgreich sein will, braucht festen Boden unter den Füßen.

Wagen Sie einen Ausblick für die Fußball-Fans unter unseren Lesern: Wo steht der VfB Stuttgart in fünf Jahren?
Ich hoffe, dass es uns gelingt, nachhaltig Erfolg zu haben und uns unter den Top 5 in Deutschland zu etablieren. Das würde bedeuten, dass wir immer auch einen Blick auf das internationale Geschäft hätten. Das wäre schon wichtig für den VfB, für unser Selbstverständnis.

Und das Bundesland Baden- Württemberg?
Absolut da, wo es heute schon steht und auch in den nächsten Jahren bleiben wird: an der Spitze.

VfB Stuttgart

Der VfB Stuttgart hat seine Wurzeln in Bad Cannstatt. Im April 1912 schlossen sich die beiden Clubs Vereinigung FV Stuttgart 1893 und der Kronenclub Cannstatt zum VfB Stuttgart 1893 zusammen. Es folgt eine wechselvolle, von vielen Erfolgen geprägte Geschichte: 1926 erstmals württembergisch-badischer Meister, fünfmal Deutscher Meister, dreimal Deutscher Pokalsieger, einmal Deutscher Superpokalsieger.

Zweimal stand der Club im Endspiel eines europäischen Wettbewerbs. Mit einem Umsatz von knapp 78 Millionen Euro im Jahre 2006 ist der VfB Stuttgart ein wichtiger Wirtschaftspartner der Region und wird im Jahr 2007 erstmals die 100-Millionen- Euro-Umsatzmarke überschreiten.

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